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Datenschutz & Sicherheit

Die Mehrheit folgt dem Hype nicht


Ich öffne mein Bahn-Ticket. “Dieses Dokument scheint lang zu sein. Spare Zeit und lies eine Zusammenfassung”, empfiehlt mir prompt mein PDF-Reader. Ein Paradebeispiel dafür, wie immer mehr Anwendungen den Nutzer*innen KI-Tools aufdrängen, in den meisten Fällen, ohne dass sich ein Nutzen daraus ergibt.

Weltweit versuchen Regierungen und große IT-Firmen, sich im KI-Wettbewerb zu überbieten. Dabei benötigen die zugrunde liegenden Systeme immer mehr Rechenleistung, für die irgendwo Computer laufen müssen, die Strom und Wasser verbrauchen. Doch während das Thema Rechenzentren längst in der politischen Debatte und bei Fachleuten angekommen ist, wusste man bislang kaum etwas darüber, wie die Bevölkerung diese Entwicklung einschätzt.

Porträtfoto von Julian Bothe
Julian Bothe, Senior Policy Manager bei der gemeinnützigen NGO AlgorithmWatch – Alle Rechte vorbehalten AlgorithmWatch

Aus diesem Grund hat AlgorithmWatch in mehreren europäischen Ländern eine repräsentative Umfrage zu Rechenzentren und ihren Auswirkungen durchführen lassen. Gemeinsam mit internationalen Partnerorganisationen wie der spanischen Initiative Tu Nube Seca mi Rio, Friends of the Earth Ireland und der europäischen Klimaschutzallianz Beyond Fossil Fuels wurden Menschen in Deutschland, der Schweiz, Spanien, Irland und dem Vereinigen Königreich befragt.

Wunsch nach mehr Transparenz und mehr Regulierung

Die Ergebnisse sind überraschend deutlich: In allen beteiligten Ländern spricht sich jeweils eine große Mehrheit der Befragten für eine stärkere Regulierung und mehr Transparenz von Rechenzentren aus. In einigen Ländern ist die Zustimmung dabei besonders hoch, so zum Beispiel in Spanien und Irland. Dort ist der Wasser- beziehungsweise Stromverbrauch der KI- und Cloud-Fabriken schon länger Gegenstand öffentlicher Diskussionen und Proteste. Denn sowohl im grünen Irland als auch im trockenen Spanien wirken sich die Rechenzentren bereits spürbar auf Energiepreise und Wasserverfügbarkeit aus. In Spanien befürchten knapp 90 Prozent der Befragten, dass der Wasserverbrauch der Einrichtungen ihre eigene Versorgung beeinträchtigen könnten.

Auch beim Blick auf die Gesamtergebnisse sprechen die Zahlen eine eindeutige Sprache: Drei Viertel der Befragten aller Länder sorgen sich, dass der Wasserverbrauch die umliegenden Ökosysteme beeinträchtigen könnte. Fast genauso viele befürchten Auswirkungen auf den eigenen Wasserverbrauch und immerhin nahezu zwei Drittel denken, dass der Energieverbrauch von Rechenzentren bereits heute einen relevanten Anteil des Stromverbrauchs in den jeweiligen Ländern ausmacht.

Groß ist aber nicht nur der Anteil derer, die sich Sorgen machen, sondern auch die Unterstützung für politische Forderungen, die Betreiber stärker in die Verantwortung nehmen. Mehr als sieben von zehn Befragten wollen, dass der Bau neuer Rechenzentren nur dann erlaubt ist, wenn der zusätzliche Strombedarf durch zusätzliche Kapazitäten an erneuerbaren Energien gedeckt wird. Ebenso viele wollen klare Kriterien, nach denen Energie verteilt wird – wobei die Befragten Rechenzentren und KI-Modelle konsequent als unwichtig bewerten.

Bei der Verteilung der Energie sollten gemäß der Umfrage vor allem die Sektoren priorisiert werden, die erneuerbare Energien zur Umstellung auf eine klimafreundliche Produktion benötigen. Rechenzentren gehören nicht dazu – ihr Stromverbrauch entsteht ja gerade zusätzlich. Häufig werden diese aktuell direkt mit Strom aus fossilen Brennstoffen betrieben. Vielerorts werden sogar Gaskraftwerke neu errichtet, um den Bedarf zu decken. Aber selbst wenn neue Rechenzentren mit erneuerbaren Energien betrieben werden, wie es in Deutschland ab 2027 für größere Einrichtungen vorgeschrieben ist, fehlt ohne weiteren Ausbau diese Energie dann in anderen Sektoren und verlangsamt dort die Dekarbonisierung. Ob direkt oder indirekt: Der Strombedarf für Rechenzentren und KI-Anwendungen gefährdet die Klimaziele.

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Verbräuche steigen an, verlässliche Zahlen fehlen

Der Blick auf die Zahlen zeigt: Die in der Umfrage deutlich werdenden Sorgen sind mehr als berechtigt. In Irland verbrauchen Rechenzentren mittlerweile 22 Prozent des gesamten Stroms und tragen erheblich zu den teils enormen Strompreissteigerungen bei. Auch in Deutschland entfallen aktuell mehr als vier Prozent des gesamten Stromverbrauchs auf Rechenzentren. Schätzungen zufolge sind es in Frankfurt am Main bereits jetzt 40 Prozent des Stromverbrauchs, in Dublin sogar 80 Prozent. In der gesamten EU sind es mehr als drei Prozent – Tendenz stark steigend.

Hinzu kommt das für die Kühlung benötigte Wasser: In Spanien werden die größten KI-Fabriken ausgerechnet in den trockensten Regionen gebaut. Auch in Deutschland könnte laut einer Studie der Gesellschaft für Informatik der Wasserverbrauch von Rechenzentren zu Problemen führen – beispielsweise im Rhein-Main-Gebiet und in Brandenburg.

Während die Politik und Betreiberunternehmen offensiv für einen starken Ausbau von Rechenzentren und KI-Infrastruktur werben, mehren sich die Proteste der lokalen Bevölkerung. In Deutschland konzentrieren sich diese bislang vor allem auf Frankfurt und Umgebung. In Irland oder Spanien, wo bereits länger protestiert wird, sind die Bürgerinitiativen weiter verbreitet und dauerhafter organisiert, beispielsweise in der Initiative Tu Nube Seca Mi Rio – “Deine Cloud trocknet meinen Fluss aus”.

Vielerorts ist die mangelnde Transparenz ein großes Problem. Selbst offizielle Stellen müssen größtenteils auf Schätzungen zurückgreifen, wie viel Wasser und Strom die Rechenzentren tatsächlich verbrauchen. Sind valide Daten vorhanden, bleiben diese meist geheim. Zwar sollen Betreiber größerer Rechenzentren die Verbräuche mittlerweile an nationale Stellen wie dem deutschen Energieeffizienzregister für Rechenzentren und die EU melden – aber auch diese Daten werden nur aggregiert veröffentlicht. Hinzu kommt der Unwillen der Betreiber, diese Informationen bereitzustellen. Ein aktueller Bericht der Europäischen Kommission schätzt für das Jahr 2024, dass nur gut ein Drittel aller Rechenzentren in der gesamten EU dies tun. Selbst die Gesamtzahl aller Rechenzentren kann sie dabei nur mutmaßen.

Ein ähnliches Bild zeigt sich auch in Deutschland

In der Bundesrepublik wird der Strom- und Wasserverbrauch von Rechenzentren erst in der jüngsten Zeit stärker thematisiert. Hier liegt der Anteil der Menschen, die sich Sorgen machen, noch etwas niedriger als in anderen europäischen Ländern. Die Betonung liegt hier auf dem „noch“, denn auch in Deutschland nimmt die Zahl der Rechenzentren stark zu – und soll nach dem Willen der Bundesregierung noch stärker wachsen.

Wie drastisch die Entwicklungen sind, zeigen beispielsweise die Zahlen der Bundesnetzagentur. Diese hatte erst vor kurzem die Schätzungen bezüglich des zukünftigen Stromverbrauchs stark nach oben korrigiert: Die im April 2025 veröffentlichten Szenarien gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2037 Rechenzentren 78 bis 116 Terawattstunde (TWh) Strom verbrauchen – doppelt bis viermal so viel, wie es die ursprünglichen Abfragen ergeben hatten. Zur Einordnung: Der gesamte Bruttostromverbrauch lag in Deutschland im Jahr 2023 bei gut 550 TWh.

Da die Bundesnetzagentur nur die Rechenzentren berücksichtigt, die sich aktuell in der Planung befinden, könnten die tatsächlichen Zahlen sogar noch weiter ansteigen. Damit würde der Gesamtbedarf der Rechenzentren 2037 nicht nur bis zu 10 Prozent des deutschen Stromverbrauchs betragen. Der Zuwachs an Rechenzentren sorgt vor allem dafür, dass große Mengen Strom zusätzlich bereitgestellt werden müssen, dass fossile Kraftwerke länger laufen und dass wahrscheinlich auch die Strompreise steigen.

Angesichts dieser Zahlen überraschen die Umfrageergebnisse in Deutschland nicht: Auch hier unterstützen zwei Drittel der Befragten die Auflage, dass Rechenzentren nur gebaut werden dürfen, wenn dafür entsprechend auch weitere Kapazitäten erneuerbarer Energien geschaffen werden. Mehr als drei Viertel der Befragten fordern, dass Betreiber von Rechenzentren ihren Energieverbrauch (76 Prozent), ihre Energiequellen (77 Prozent) und ihre Umweltauswirkungen (81 Prozent) offenlegen.

Die Umfrageergebnisse offenbaren damit auch eine Kluft zwischen der Mehrheitsmeinung in der Bevölkerung und dem Kurs der Bundesregierung. Digitalminister Karsten Wildberger (CDU) hatte erst Ende September gegenüber der Süddeutschen Zeitung angegeben, dass es für ihn “erst einmal primär um das Rechnen” gehe und Nachhaltigkeit demgegenüber nachrangig sei. Die Mehrheit der Befragten sieht das offensichtlich anders.

Und noch eines wird deutlich: Es reicht nicht aus, nur etwas an der Effizienz zu schrauben oder die Nutzung der Abwärme zu optimieren. Angesichts der Größe des erwarteten Wachstums muss es auch darum gehen, den Verbrauch von Rechenzentren absolut zu begrenzen – und dort, wo er unvermeidbar ist, durch zusätzliche erneuerbare Energien zu decken.

KI-Hype begrenzen – Rechenzentren nachhaltig gestalten

Rechenzentren sind zweifelsfrei wichtige Infrastrukturen und werden in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen. Umso wichtiger ist es, diese Infrastruktur nachhaltig zu gestalten und die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen. Dazu gehört auch die Frage: Wie viele solcher Rechenzentren brauchen wir eigentlich? Welche der neuerdings überall eingebauten KI-Anwendungen haben einen gesellschaftlichen Nutzen – und welche nicht?

Wie auch in anderen Bereichen darf sich die Debatte um den nachhaltigen Einsatz von KI nicht in erster Linie auf der Ebene von individuellen Konsum- beziehungsweise Nutzungsentscheidungen abspielen. Es braucht vielmehr eine politische Diskussion und Regulierung.

Aktuell wird einem bei jeder noch so kleinen PDF-Datei eine algorithmische Zusammenfassung aufgedrängt, führt jede Google-Anfrage zum Aufruf von Sprachmodellen und soll auch die staatliche Verwaltung nach dem Willen der Bundesregierung an so vielen Stellen wie möglich KI-Systeme benutzen. Hier bringt es wenig, nur an das Individuum zu appellieren. Stattdessen braucht es politische Entscheidungen, die sowohl bei KI-Systemen als auch bei Rechenzentren die ökologischen Folgen mitdenken. Statt der „KI-Nation“, zu der sich Deutschland laut dem Koalitionsvertrag entwickeln soll, braucht es – wenn man schon von Nation sprechen will – eine „KI-sensible Nation“, die neben dem Nutzen auch die Nebenwirkungen und häufig leeren Versprechungen solcher Anwendungen im Auge behält.

Mein Bahnticket jedenfalls drucke ich mir weder aus, noch lasse ich es mir zusammenfassen. Gar nicht so selten ist der Nicht-Einsatz von KI nämlich ihr bester Einsatz.

Julian Bothe ist als Senior Policy Manager bei der gemeinnützigen NGO AlgorithmWatch verantwortlich für das Thema „KI und Klimaschutz“. An der Schnittstelle von Digital- und Energiepolitik arbeitet er daran, den Ressourcenverbrauch und den Klimaschaden des aktuellen KI-Booms in Grenzen zu halten. Promoviert hat er zur Akzeptanz der Energiewende.



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Datenschutz & Sicherheit

Noch viel Unkenntnis über die elektronische Patientenakte


Die elektronische Patientenakte (ePA) ist inzwischen einem Großteil der Bevölkerung bekannt. Gleichzeitig kursieren aber noch viele falsche Informationen über sie. Und nur etwa jede:r Zehnte nutzt die eigene Akte aktiv.

Das sind zentrale Ergebnisse einer „Datenbarometer-Befragung“ der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), Louisa Specht-Riemenschneider. In ihrem Auftrag hat das Meinungsforschungsinstitut info im November rund 1.500 gesetzlich Versicherte zur ePA befragt.

Vier Fünftel sind passive Nutzer:innen

Seit Januar haben die Krankenkassen für alle gesetzlich Versicherten, die nicht widersprachen, eine digitale Patientenakte angelegt. Nach einer Pilotphase wurde die ePA im Frühjahr schrittweise bundesweit ausgerollt. Seit Oktober sind alle Ärzt:innen, Apotheken und Krankenhäuser dazu verpflichtet, die ePA zu nutzen.

Nach knapp einem Jahr kennen 95 Prozent der Befragten die ePA zumindest dem Namen nach. Allerdings verfügen nur 12 Prozent über einen Zugang zu ihrer Akte. Das heißt, sie haben etwa eine Gesundheits-ID und sich mit Hilfe der App ihrer Krankenkasse in die persönliche ePA eingeloggt. Zu den aktiven Nutzer:innen zählen laut Datenbarometer vor allem jüngere Menschen unter 40 und Menschen mit höherem Bildungsabschluss.

Knapp 80 Prozent der Befragten haben ihre ePA noch nicht aktiviert, sie gelten als „passiv Nutzende“. Als Grund führen sie einen fehlenden Bedarf (42 Prozent) und Zeitgründe (26 Prozent) an.

7 Prozent der Befragten haben der ePA widersprochen, 5 Prozent wollen dies noch tun, 3 Prozent sind unentschieden – in der Summe sind das 15 Prozent der Befragten. Die BfDI schließt daraus, dass 85 Prozent der gesetzlich Versicherten ihre ePA behalten möchten.

Viele Falschannahmen kursieren

Auch wenn der Bekanntheitsgrad der ePA steigt, zeigt die Umfrage, dass derzeit noch zahlreiche Fehlannahmen über sie kursieren.

Demnach glauben 43 Prozent der Befragten fälschlicherweise, dass die ePA erst eingerichtet werde, wenn sich Versicherte registriert und die entsprechende App auf ihrem Endgerät installiert haben. Und nur gut ein Drittel von ihnen weiß, dass Versicherte eigenständig Dokumente aus der digitalen Patientenakte löschen dürfen.



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Immerhin geben 60 Prozent der Befragten korrekt an, dass die ePA nicht verpflichtend ist. Und knapp 90 Prozent wissen, dass der Arbeitgeber die in der Akte hinterlegten Daten nicht einsehen darf.

Unzureichende Informationen

Diese Zahlen stützen die Kritik an der Informationspolitik des Gesundheitsministeriums und vieler Krankenkassen. Schon vor dem bundesweiten Roll-out im April hatten Nichtregierungsorganisationen und Patientenschützer:innen deren Vorgehen als intransparent und irreführend gerügt.

Auch die Bundesdatenschutzbeauftragte Louisa Specht-Riemenschneider kritisierte jüngst im Interview mit netzpolitik.org die Informationspolitik der Krankenkassen:

Damit Menschen sich wirklich befähigt fühlen, informierte Entscheidungen zu treffen, muss ich anders informieren als in einem fünfseitigen Brief, den Versicherte bekommen und dann achtlos in den Müll schmeißen, weil sie denken, das es eine weitere Beitragsanpassung ist.

Laut der Datenbarometer-Befragung haben rund 70 Prozent der Befragten das Informationsschreiben der Krankenkassen zur ePA ganz oder teilweise gelesen; jede*r Zehnte sagt, den Brief nicht erhalten zu haben.

Insgesamt sei „viel zu spät und mit viel zu geringer Priorität informiert“ worden, sagt Louisa Specht-Riemenschneider. Eine Informationskampagne zur ePA unter dem Motto „ePA? Na sicher!“ startete das Bundesgesundheitsministerium Anfang Dezember.

Versicherte wünschen sich mehr Einstellungsmöglichkeiten

Insgesamt wollen 42 Prozent der Befragten die ePA in den kommenden sechs Monaten aktiv nutzen. Gleichzeitig gaben mehr als vier Fünftel (83 Prozent) von ihnen an, sich umfangreichere Einstellungsmöglichkeiten in der digitalen Patientenakte zu wünschen. Diese Einstellungen können unter anderem steuern, wer Befunde oder verschriebene Medikamenten einsehen darf.

Zugleich ist die Bereitschaft unter den Befragten, ihre Gesundheitsdaten weiterzugeben, relativ hoch: Mehr als zwei Drittel der Befragten würde demnach wichtige medizinische Unterlagen mit behandelnden Ärzt:innen teilen. Genauso viele von ihnen wären dazu bereit, pseudonymisierte Daten zu wissenschaftlichen Zwecken bereitzustellen.

Die Bundesdatenschutzbeauftragte sieht hier einen Zusammenhang. „Die Funktionen und Einstellungsmöglichkeiten bei der ePA müssen für alle verständlich und nachvollziehbar sein“, so Louisa Specht-Riemenschneider. „Das ist die Grundvoraussetzung für einen selbstbestimmten Umgang mit den eigenen Gesundheitsdaten, den sich die Menschen wünschen.“



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Ein Weihnachtswunder der internationalen Digitalpolitik


Eine Woche vor Heiligabend hat die UN-Generalversammlung in New York City einen Konsens zur Zukunft der Internet Governance und der internationalen Digitalpolitik gefunden. Dabei stand viel auf dem Spiel. Denn die sogenannte WSIS+20-Resolution entscheidet nicht nur über die Zukunft des Internet Governance Forums (IGF), sondern darüber, wer künftig Macht über das Internet ausübt. Das sorgte für Zündstoff. Auch wenn die Aufmerksamkeit nur in dieser Woche auf der Resolution lag, waren Stakeholder aus der ganzen Welt schon das ganze Jahr mit dem Prozess beschäftigt.

Dabei zeichneten sich viele Spannungsfelder ab. Eines davon: Welche Rolle sollen Akteure aus der Zivilgesellschaft künftig spielen? Zwanzig Jahre nach dem Weltgipfel zur Informationsgesellschaft in Genf und Tunis (World Summits on the Information Society 2003/2005) stand nicht weniger auf dem Spiel als die Frage, wie das Internet künftig gestaltet wird.

Aus Sicht der digitalen Zivilgesellschaft war dabei besonders wichtig: Welche Zukunft hat das Internet Governance Forum? Und wie wird es künftig gestaltet? Denn das IGF ist einer der letzten Orte, an dem Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Wirtschaft, Jugend, technische Community, Politik und Verwaltung gemeinsam über die Zukunft des Internets beraten. Für die digitale Zivilgesellschaft ist es eines der wenigen globalen Foren, in denen ihre Perspektiven institutionell verankert sind und tatsächlich Einfluss entfalten können.

Offenheit des Internets steht auf dem Spiel

Am Vortag der Abstimmung hat Karsten Wildberger, Bundesminister für Digitales und Staatsmodernisierung, eine Rede gehalten. “Wir sind hier, um unser Engagement für das freie, offene und interoperable globale Internet zu bekräftigen. Seine größte Stärke ist die Offenheit.”

Diese Worte sind ein wichtiges Signal für die Prinzipien, für die sich die digitale Zivilgesellschaft einsetzt. Fast noch wichtiger: Die Bundesregierung will Worten auch Taten folgen lassen. Wildberger kündigte an, dass eine Million Euro aus dem Bundeshaushalt an das globale IGF gehen werden.

Der Hauptstreitpunkt im Prozess war die Zukunft des globalen IGF. In diesem kurzen Zeitfenster ist es gelungen, dass Staaten wie die Ukraine und Russland einen Konsens darüber finden konnten, wie es mit dem Internet weitergeht. Sie haben sich sogar darauf verständigt, das IGF als permanentes Forum der Vereinten Nationen zu etablieren.
Dass sich am Ende eine breite Unterstützung für eine Verstetigung des IGF abgezeichnet hat, ist zwar eine wichtige Errungenschaft. Das Ergebnis ist jedoch ambivalent.

Die Diskussionen über neue, primär staatlich geprägte Formate im IGF zeigen, wie brüchig der Konsens für das Multistakeholder-Modell geworden ist. Ein starkes IGF braucht keine geschlossenen Räume, in denen ausschließlich staatliche Akteure verhandeln. Es braucht bessere Modalitäten, eine nachhaltige Finanzierung und eine klare Anerkennung der Relevanz aller Stakeholder-Gruppen als gleichwertige Teilnehmende. Der erzielte Konsens darf nicht darüber hinwegtäuschen, wie umkämpft der Prozess war.

Der Konflikt kulminierte schließlich in Absatz 101 der WSIS+20-Resolution, der eine stärkere Rolle von Regierungen im IGF vorsieht. Das war ein Anliegen der „Gruppe der 77“, in der sich Länder der globalen Mehrheitsgesellschaft zusammengeschlossen haben, dem die EU mit ihrem Festhalten am Multistakeholder-Ansatz entgegen trat. Die Bundesregierung hat sich im Einklang mit den NETmundial+10-Prinzipien kontinuierlich für die Beteiligung von Stakeholder-Gruppen im internationalen Kontext bemüht.

Dabei besteht jedoch durchaus eine Doppelmoral. Denn auf nationaler Ebene verfolgt die Regierung diesen Anspruch nicht so konsequent. Beim Beteiligungsverfahren zum Deutschland-Stack etwa wurde die Zivilgesellschaft erst nach freundlichen Hinweisen neben Wirtschaftsverbänden als Zielgruppe für Workshops aufgeführt. Auch beim deutsch-französischen Gipfel zur digitalen Souveränität im November in Berlin spielte die digitale Zivilgesellschaft eine Nebenrolle.

Der Weg zur Resolution

Porträt einer Person mit Brille und Blazer
Sophia Longwe ist Projektmanagerin Politik bei Wikimedia Deutschland e. V. und arbeitet an internationaler Digitalpolitik, digitaler Infrastruktur und gemeinwohlorientierter Datenpolitik. Sie studierte Global Studies und Public Policy in Maastricht, Berlin und Austin. CC-BY-SA 2.0 Wikimedia

Um zu verstehen, wie viel umfangreicher die digitale Zivilgesellschaft in die internationale Digitalpolitik eingebunden ist – im Vergleich zur nationalen und europäischen Ebene –, lohnt sich ein Rückblick auf die zahlreichen Beteiligungsmöglichkeiten bei der Vorbereitung der Verhandlungen zur WSIS+20-Resolution.

In Deutschland begann dies mit einer vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) organisierten virtuellen Stakeholder-Konsultation im März 2025, die dort als Prozess für “Feinschmecker” bezeichnet wurde. Bereits im April und Mai fand eine umfangreiche Veranstaltungsreihe zum WSIS+20-Prozess statt, organisiert von zivilgesellschaftlichen Organisationen, an der nun auch das neu geschaffene Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung (BMDS) teilnahm.

Hinzu kam ein offenes Konsultationsverfahren der Ko-Fazilitatoren aus Albanien und Kenia, die den UN-Verhandlungsprozess leiteten – wenngleich das Verfahren daraus bestand, dass die Beteiligten drei Minuten ein Statement verlesen konnten, dem meist nur Gleichgesinnte zuhörten.

Zudem setzte sich die EU für die Einrichtung eines Informellen Multistakeholder Sounding Boards ein, welches auch eigene Konsultationen ausgerichtet und kontinuierlich Feedback gegeben hat. Anknüpfend daran konnte die Position der Bundesregierung, die als Gruppe über die EU verhandelt wurde, beeinflusst werden. Informiert bleiben konnte man über die regelmäßigen Updates des BMDS über eine Community-Mailing-Liste.



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Wie es weitergehen sollte

Für den deutschen Kontext bedeutet WSIS+20 vor allem eines: Der Multistakeholder-Ansatz muss auch national konsequent umgesetzt werden. Andernfalls droht der Ansatz zu einem reinen außenpolitischen Lippenbekenntnis zu verkommen. Die über 170 nationalen, regionalen und Jugend-Internet-Governance-Foren und Initiativen (NRIs), die nun auch in der Resolution hervorgehoben werden, spielen dabei eine Schlüsselrolle.

NRIs sind Orte, an denen globale Aushandlungsprozesse übersetzt, diskutiert und weiterentwickelt werden können, um in nationale und regionale Gesetzgebungsverfahren einzufließen. Die Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sie ausreichend finanziell und personell ausgestattet und offen gestaltet sind.

Positiv hervorzuheben ist die signifikante Unterstützung des globalen IGFs durch das BMDS. Gleichzeitig zeigt sich, dass Beteiligung weiterhin zu oft projektbezogen und situativ erfolgt. Gerade vor dem Hintergrund der fehlenden Einbeziehung in Diskussionen rund um digitale Souveränität und Verwaltungsdigitalisierung ist es bedeutsam, zivilgesellschaftliche Expertise frühzeitig und strukturell in alle Bereiche einzubinden.

Das Internet Governance Forum Deutschland steht bislang auf einer fragilen Grundlage. Um seiner Rolle gerecht zu werden, braucht es eine stärkere institutionelle Verankerung, verlässliche Finanzierung und eine klare politische Anerkennung als zentraler Ort für Internet Governance in Deutschland. Nur so kann es langfristig dazu beitragen, internationale Prozesse wie WSIS und den Global Digital Compact mit nationalen Diskursen zu verzahnen.

Außerdem fehlen Räume, in denen in Deutschland über das Domain Name System und kritische Internetressourcen gesprochen wird, für die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) und Regional Internet Registries (RIRs) zuständig sind. Auch Diskussionen über die grundlegende Arbeit der Internet Engineering Task Force oder des World Wide Web Consortiums (W3C) fallen zu oft hinten runter. Dort sucht man oft vergeblich nach zivilgesellschaftlicher Expertise. Genau darin besteht die Stärke des IGFs. Es führt all diese Stränge, Gremien und Prozesse zusammen und schafft Räume für Themen der Internet Governance.

Dementsprechend ist die WSIS+20-Resolution kein Endpunkt, sondern lenkt notwendige Aufmerksamkeit auf internationale Digitalpolitik. Die entscheidenden Weichenstellungen stehen noch bevor: bei der Reform des IGF und der anstehenden Diskussion über dessen Modalitäten, bei der weiteren Umsetzung des Global Digital Compacts und bei der Verankerung digitaler Zusammenarbeit in den Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals). In den kommenden Jahren wird sich entscheiden, ob Multistakeholder-Governance weiter ausgehöhlt oder nachhaltig gestärkt wird.

Eines bleibt dabei klar: Ohne Zivilgesellschaft am Verhandlungstisch gibt es keine legitime und zukunftsfähige Digitalpolitik – weder in New York noch in Berlin.



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Foxit PDF: Updates schließen hochriskante Sicherheitslücken


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This article is also available in
English.

It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Die Entwickler von Foxit PDF haben neue Versionen des Editors und des Readers sowohl für macOS als auch für Windows herausgegeben. Sie schließen eine größere Zahl an Sicherheitslücken, von denen einige sogar die Risikoeinstufung „kritisch“ nur um Haaresbreite verfehlen.

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Auf der Foxit-Webseite mit Sicherheitsmitteilungen kündigen die Entwickler die aktualisierten Softwarepakete an. Eine der schwerwiegendsten Schwachstellen betrifft die Windows-Version, wenn sie aus dem Microsoft Store installiert wurde. Angreifer mit niedrigen Berechtigungen können dem Installer Code unterschieben, da der „msiexec.exe“ aus dem aktuellen Pfad aufruft anstatt aus dem vertrauenswürdigen Systempfad (CVE-2025-57779, CVSS 8.8, Risiko „hoch“). Auch im Updater für die Windows-Version (ohne die Einschränkung auf den MS-Store-Bezug) können lokale Angreifer ihre Rechte zu „SYSTEM“ ausweiten, da bei der Plug-in-Installation falsche Dateisystemberechtigungen für Ressourcen vergeben werden, die der Updater nutzt (CVE-2025-13941, CVSS 8.8, Risiko „hoch“).

Auch die Mac-Versionen sind von weiteren „Use-after-free“-Schwachstellen . Die können Angreifer zum Einschleusen von Schadcode mit manipulierten PDF-Dateien missbrauchen – betCVE-2025-58085, CVE-2025-59488, CVE-2025-66493, CVE-2025-66494 und CVE-2025-66495 erhalten alle eine Risikoeinstufung „hoch“ mit einem CVSS-Wert 7.8. Hierbei greift der Programmcode auf Ressourcen zu, die zuvor bereits freigegeben wurden und daher einen undefinierten Inhalt haben. Ein Heap-basierter Pufferüberlauf kann zudem bei der Verarbeitung von JBIG2-Daten in PDFs auftreten und dabei eingeschleuster Code zur Ausführung gelangen (CVE-2025-66499, CVSS 7.8, Risiko „hoch“). Drei weitere Lücken (CVE-2025-66496, CVE-2025-66497 und CVE-2025-66498) stufen die Entwickler mit CVSS 5.3 nur als „mittleres“ Risiko ein.

Die Schwachstellen bessern die jetzt verfügbaren Versionen Foxit PDF Reader 2025.3 sowie PDF Editor 2025.3, 14.0.2 und 13.2.2 für macOS und Windows aus. Betroffene können sie von der Download-Seite bei Foxit herunterladen. Lokal lässt sich das Update durch Klick auf „Hilfe“ – „Über Foxit PDF [Editor|Reader]“ – „Auf Update prüfen“ suchen und anwenden.

Zuletzt hatte Foxit im August mit Softwareupdates Sicherheitslücken in den PDF-Programmen geschlossen. Auch da galten einige Lücken als „hohes“ Risiko. Sie erlaubten Angreifern unter anderem das Einschleusen und Ausführen von Schadcode.


(dmk)



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