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Datenschutz & Sicherheit

Dobrindt plant Zwangsouting per Verordnung


Reine Bürokratie, zwingend erforderlich, hier gibt es nichts zu sehen – so in etwa lässt sich die Begründung zusammenfassen, die das Bundesinnenministerium für seinen Vorstoß zur bürokratischen Umsetzung des neuen Selbstbestimmungsgesetzes liefert. Bei der queerpolitischen Sprecherin der Grünen, Nyke Slawik, klingt das anders: „Die Angst in der Community ist wirklich groß“, sagt sie.

Was ist passiert? Das Bundesinnenministerium hat vergangene Woche seine Pläne für eine Verordnung veröffentlicht. Sie soll festlegen, wie das neue Selbstbestimmungsgesetz von den Meldebehörden praktisch umgesetzt wird. Also: Wie und wo wird in den Registern festgehalten, wenn eine Person ihren Vornamen und ihren Geschlechtseintrag künftig ändert, wie sie es laut Gesetz darf. Und welche Behörden müssen in so einem Fall davon erfahren.

Konkret: Mehrere neue Datenfelder sollen dafür im Datensatz für das Meldewesen eingerichtet werden – für den früheren Geschlechtseintrag, den früheren Vornamen, das jeweilige Datum der Änderung und die zuständige Behörde.

Diese Daten sollen künftig nicht nur im Melderegister gespeichert werden, sondern auch automatisch auf die Reise gehen. Ändert eine Person ihren Geschlechtseintrag, dann sollen etwa die Rentenversicherung und das Bundeszentralamt für Steuern automatisch davon erfahren – sie bekommen dann nicht nur den neuen, sondern auch den früheren Geschlechtseintrag übermittelt. Und zieht die Person später mal um, soll auch der frühere Vorname und Geschlechtseintrag mit zur neuen Meldebehörde ziehen.

„Nicht verhältnismäßig“: Kritik von allen Seiten

Das Bundesinnenministerium begründet seine Pläne damit, dass Personen in verschiedenen amtlichen Registern weiterhin identifizierbar sein müssen. Dazu sei es erforderlich, auch die früheren Namen und Geschlechtseinträge an andere Behörden weiterzugeben.

Aber in diesem Fall verstecken sich hinter der kühlen bürokratischen Formulierung Daten, die Menschen in Gefahr bringen können. Daten, deren Bekanntwerden geeignet ist, bei den Betroffenen Angst auszulösen. Die Angriffe auf trans*, inter und nicht-binäre Menschen haben in den vergangenen Jahren zugenommen, sie sind besonders stark von Diskriminierung und Gewalt betroffen. Und sie sind bevorzugtes Ziel der immer stärker werdenden rechtsradikalen Bewegungen weltweit, auch in Deutschland.

Die Erforderlichkeit scheint das Ministerium zudem erst jetzt entdeckt zu haben. Denn in all den Jahren seit 1981, in denen Menschen in Deutschland bereits nach dem alten Transsexuellengesetz ihren Geschlechtseintrag ändern konnten, galt: Bei einer Änderung legt die Meldebehörde eine neuen Datensatz mit dem neuen Namen und Geschlechtseintrag an. Der alte Datensatz bekommt eine Auskunftssperre – er steht also für die Datenabrufe aus anderen Behörden nicht bereit. Nur bei einem „berechtigten Interesse“, etwa für die Strafverfolgung, darf die Verbindung von der Behörde wieder hergestellt werden.

Entsprechend hart fällt die Kritik der Verbände aus, die in Deutschland die Rechte von Betroffenen vertreten. „Nicht verhältnismäßig“ nennt der Paritätische Gesamtverband die geplante Regelung und sieht die grundrechtlich geschützte Intimsphäre betroffen. Und der Bundesverband Trans* warnt vor „Zwangsoutings im Kontakt mit Behörden“. Die Regelungen führe dazu, dass trans*, nicht-binäre und intergeschlechtliche Personen als solche erkannt werden könnten, mit allen Folgen für Diskriminierung.

Warum nochmal?

Die Kritik zielt vor allem auf die Begründung – oder eher das Fehlen einer solchen. Warum etwa, fragen die Verbände, braucht das Bundeszentralamt für Steuern Daten zum früheren Geschlechtseintrag um jemanden zu identifizieren – während Menschen in Deutschland eine lebenslang gültige steuerliche Identifikationsnummer haben, die sich auch bei neuem Namen oder Personenstand nicht ändert?

Bislang bekam das Bundesamt nach einem Wechsel lediglich den aktuellen Namen und das Geschlecht zu sehen. Wer auf diese Daten schaut, konnte daraus nicht ableiten, ob und wann jemand im Laufe seines Lebens den Vornamen oder Geschlechtseintrag geändert hatte. Jetzt sollen aber sowohl die früheren als auch die neuen Einträge in der Datenbank gespeichert bleiben. Wie lange, das lässt der Entwurf offen.

Die Rentenversicherung hingegen haben Betroffene früher einfach selbst informiert, ebenso die Krankenkasse, erklärt Jenny Wilken, Referentin der Deutschen Gesellschaft für Trans*- und Inter*geschlechtlichkeit (dgti). „Die letzten 40 Jahre gab es keinen Grund für die Erweiterung der Datenblätter, trotz über 20.000 Personenstandsänderungen“, sagt Wilken. Warum also jetzt?

Daten weitergeben, um Daten nicht weiterzugeben

Eine Antwort könnte das Bundesinnenministerium von Alexander Dobrindt (CSU) geben. Doch zu den genannten Fragen schweigt man sich dort aus, auch auf Nachfrage von netzpolitik.org.

Irritation löst auch eine weitere Aussage aus dem Entwurf aus: Eine Weitergabe des früheren Vornamens bei einem Umzug sei auch deswegen notwendig, um das Offenbarungsverbot umzusetzen. Das Verbot soll Menschen nach einer Änderung von Vornamen und Geschlechtseintrag davor schützen, dass andere etwa gegen ihren Willen ihren früheren Namen ausforschen und ihn gegen sie verwenden. Als Teil des Selbstbestimmungsgesetzes steht auf so ein „Deadnaming“ mit Schädigungsabsicht sogar ein Bußgeld.

Paradox sei diese Begründung, schreibt etwa der Verband für queere Vielfalt LSVD in seiner Stellungnahme: Das Selbstbestimmungsgesetz ziele ja gerade darauf ab, dass Menschen nicht mehr an ihre früheren Geschlechtseinträge gebunden seien. Jetzt sollen diese alten Daten hingegen dauerhaft im Melderegister mitgeführt werden.


2025-07-14
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– für digitale Freiheitsrechte!



Euro für digitale Freiheitsrechte!

 

Unter Generalverdacht

Alter Streitpunkt, neue Verordnung

Die Grüne Nyke Slawik war eine der Abgeordneten, die das Selbstbestimmungsgesetz mit ausgehandelt hat. Die Pläne aus dem Innenministerium nennt sie unverschämt. „Wir haben uns mit dem gleichen Thema ja schon beschäftigt als wir das Gesetz verhandelten“, sagt sie. Bei den Verhandlungen hätten sich alle Abgeordneten dafür ausgesprochen, dass es keine Sonderkartei für Menschen geben soll, die das Gesetz in Anspruch nehmen.

Das Justizministerium hatte im Juni 2023 kurz vor der Veröffentlichung in den Entwurf für das Selbstbestimmungsgesetz noch eine Regelung eingefügt. Sie hätte die Informationen zum neuen Geschlechtseintrag automatisch an eine lange Liste von Sicherheitsbehörden weitergeleitet, darunter Bundespolizei, Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz.

Auch damals geschah das auf Drängen des Bundesinnenministeriums, noch unter der Leitung von Nancy Faeser (SPD). Zur Begründung schwadronierte die Bundesregierung damals, Kriminelle könnten das Gesetz missbrauchen, um abzutauchen.

„Auf dem Rücken einer marginalisierten Gruppe“

Der Bundestag hat den Passus am Ende aus dem Gesetz gestrichen. „Wir haben damals schon kritisiert, dass es nicht geht, eine Sonderregelung auf dem Rücken einer marginalisierten Gruppe zu machen, die so sehr von Hasskriminialität betroffen ist“, sagt Slawik. Seinen Namen ändern könne man schließlich auch auf anderen Wegen, etwa durch eine Adoption, Heirat oder in Ausnahmefällen, um einen ungeliebten Nachnamen abzulegen. Wenn es berechtigte Sicherheitsinteressen gebe, dann möge man eine Regelungen finden, die nicht eine Personengruppe besonders outet.

Dass auch die neu gewählte schwarz-rote Koalition von dem Thema nicht ablassen würde, deutete sich allerdings schon im Koalitionsvertrag an. Die Befürchtungen, die Union könne das gesamte Selbstbestimmungsgesetz wieder kassieren, bewahrheiteten sich zwar nicht. Es soll allerdings evaluiert werden. Und schon dort kündigte Schwarz-Rot außerdem an: „Im Rahmen der Namensrechtsreform nehmen wir die bessere Nachverfolgbarkeit aller Personen bei berechtigtem öffentlichem Interesse bei Namensänderungen in den Blick.“

Auch Maik Brückner, der queerpolitische Sprecher der Linken kritisiert, das BMI habe bei seinem Entwurf das Maß für Verhältnismäßigkeit verloren. Die Regelung sei unnötig, weil es auch mildere Mittel gegeben hätte. Für die Identifikation einer Person nach einer Personenstandsänderung reiche auch die Kombination von Nachname, Geburtsdatum und Geburtsort mit der Steuer-ID. Er fordert, wie auch die Verbände, den Entwurf nochmal zu prüfen: „Bei etwaigen Veränderungen muss der Schutz der Grundrechte an erster Stelle stehen – sowas ist Sache des Parlaments und nicht einer Verordnung.“



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Die Woche, in der wir ordentlich gewachsen sind


Fraktal, generiert mit MandelBrowser von Tomasz Śmigielski

Liebe Leser:innen,

zu Beginn dieser Woche hab ich zufällig ein kurzes Video über Bambus angeschaut. Wusstet ihr, dass einige Arten pro Tag fast einen Meter in die Höhe schießen? Man kann ihnen buchstäblich beim Wachsen zusehen.

Ich bin dann in ein Wurmloch gefallen und hab erfahren, dass Bambus es bei der Zugkraft mit Stahl aufnehmen kann. Dass er weit mehr Sauerstoff freisetzt als Bäume. Und natürlich essen ihn süße Pandabären.

Ein weit weniger erbauliches Bild zeigt die zurückliegende (netz-)politische Woche. Vorratsdatenspeicherung, Daten-Rasterfahndung, biometrische Live-Videoüberwachung – die ungeheuerlichsten Überwachungspläne sprießen gerade so aus dem Boden. Gleichzeitig will die Bundesregierung die Zivilgesellschaft unter Extremismus-Generalverdacht stellen, um ihr die Mittel und Rechte zu beschneiden. Und daneben fällt ihr nichts Besseres ein, als den Druck auf marginalisierte Menschen einmal mehr zu erhöhen – mit weiteren Streichungen und noch härteren Sanktionen.

Mir war klar, dass die Bäume mit Schwarz-Rot nicht in den Himmel wachsen werden. Dass die Regierung aber so rasch und beherzt Richtung Autoritarismus und Überwachungsstaat marschiert – wie auch Lena Rohrbach und Philipp Krüger von Amnesty International mit Blick aufs geplante Bundespolizeigesetz konstatieren –, habe ich dann doch nicht erwartet.

Zurück zum Bambus. Auch wir sind diese Woche ordentlich gewachsen. Drei neue Menschen gehören seit dem 1. September unserem Team an. Timur ist unser erster Volontär und macht nebenher noch Beiträge für KiKA. Bahn-Nerd Ben ist für die nächsten 12 Monate unser Bundesfreiwilliger. Und Fio unterstützt uns ab sofort bei der Social-Media-Arbeit. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit!

Verabschieden mussten wir uns von Lilly, die uns ein Jahr lang tatkräftig als Bundesfreiwillige unterstützt hat. Wie sie auf ihre Zeit bei uns zurückblickt, erzählt sie in der aktuellen Folge unseres Podcasts Off/On. Hört gerne rein. Und vielen Dank für alles, Lilly!

Habt ein schönes Wochenende

Daniel

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Seit Monaten protestieren Microsoft-Mitarbeitende in den USA dagegen, dass ihr Unternehmen Geschäftsbeziehungen zum israelischen Militär und der israelischen Regierung unterhält. Microsoft hat einige demonstrierende Angestellte entlassen. Zugleich will das Unternehmen prüfen, ob israelische Streitkräfte die Azure-Plattform zur Überwachung von Palästinenser:innen nutzen.

Lesen Sie diesen Artikel: Microsoft entlässt Mitarbeitende nach Protesten



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Wie unsere jüngsten Team-Mitglieder auf unsere Arbeit und Soziale Medien blicken


Drei Menschen mit großen Kopfhörern lächeln in die Kamera
Ingo, Karoline und Lilly bei der Arbeit


Karoline ist seit zwei Monaten Praktikantin bei uns. Lilly war seit September 2024 unsere Bundesfreiwillige im Rahmen eines „Freiwilligenjahres Beteiligung“. In der neuen Ausgabe Off The Record erzählen die beiden, was sie bei uns erlebt haben. Welche Tätigkeiten haben sie übernommen? Was haben sie gelernt? Und wie ist das so als junger Mensch in einem älteren Team?

Außerdem gibt’s eine kleine Meme-Nachhilfestunde. Wir sprechen nämlich auch über ihre Erfahrungen mit unserer Community und über die Rolle Sozialer Medien. Lilly hat im letzten Jahr unseren Instagram-Account betreut, Karoline hat sich im Studium intensiv mit Social Media beschäftigt. Was denken die beiden: Sollten wir den Insta-Account unserer Redaktion dichtmachen?


In dieser Folge: Ingo Dachwitz, Karoline Tanck und Lilly Pursch.
Produktion: Serafin Dinges.
Titelmusik: Trummerschlunk.


Hier ist die MP3 zum Download. Wie gewohnt gibt es den Podcast auch im offenen ogg-Format. Ein maschinell erstelltes Transkript gibt es im txt-Format.


Unseren Podcast könnt ihr auf vielen Wegen hören. Der einfachste: in dem Player hier auf der Seite auf Play drücken. Ihr findet uns aber ebenso bei Apple Podcasts, Spotify und Deezer oder mit dem Podcatcher eures Vertrauens, die URL lautet dann netzpolitik.org/podcast.


Wir freuen uns über Kritik, Lob, Ideen und Fragen entweder hier in den Kommentaren oder per E-Mail an podcast@netzpolitik.org.


Links und Infos

    Blattkritik

    • Karolines Text über verschwundene Porno-Games
    • Ingos Text über den Wasserverbrauch von Rechenzentren: Immer noch nicht erschienen…

    Hausmitteilungen

    Aus dem Maschinenraum

    Postfach



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Familienministerin will Demokratieprojekte mit Verfassungsschutz durchleuchten


Während die AfD in aktuellen Umfragen neue Höchstwerte verzeichnet, schießt sich die Bundesregierung ausgerechnet auf jenen Teil der Zivilgesellschaft ein, der für demokratische Werte und gegen den Rechtsruck kämpft. In einem Brief an die „Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag“ versichert Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU), dass sich im Programm „Demokratie leben“ nun „Grundlegendes ändern“ werde. Unter anderem sollen NGOs einer „breit angelegten Verfassungsschutzprüfung“ unterzogen werden. Den Brief veröffentlichen wir als PDF-Dokument.

Die Familienministerin stellt sich damit in ein unselige Tradition. Nicht nur die rechtsextreme AfD versucht seit Jahren, die demokratische Zivilgesellschaft unter Generalverdacht zu stellen. Auch Hetzportale wie Nius und rechte Medien wie Cicero, NZZ, Welt oder Focus kolportieren seit Langem, dass Deutschland von linken Nichtregierungsorganisationen quasi unterwandert sei und der Staat diese auch noch alimentiere.

Mit Kulturstaatsminister Wolfram Weimer hat diese Erzählung inzwischen einen Vertreter in der Regierung gefunden. Weimer treibt die Debatte kulturkämpferisch voran und hat bereits erste Maßnahmen gegen vermeintlich linke Medienprojekte ergriffen.

Attacken auf demokratische Zivilgesellschaft

Die Debatte um die Zivilgesellschaft geht inzwischen so weit, dass sich jüngst auch die als liberal geltende Wochenzeitung „Die Zeit“ zu der reißerischen Überschrift „Der Staat päppelt die Linken“ hinreißen ließ – nur um im Artikel Rechtsaußen-Rechtsanwalt Joachim „Natürlich bin ich ein Arschloch“ Steinhöfel zu Wort kommen zu lassen und im Verlauf des Textes die These der Überschrift halbwegs zu revidieren.

Auch die Union selbst hatte bereits zu Jahresbeginn ins gleiche Horn gestoßen. Ende Januar hatten CDU und CSU einen Antrag zur Verschärfung der Migrationspolitik in den Bundestag eingebracht und dabei mindestens billigend eine Mehrheit durch Stimmen der AfD in Kauf genommen. Daraufhin riefen zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen zu Protesten auf.

Offenbar als Reaktion darauf reichte die Union nur wenige Wochen später eine Kleine Anfrage im Bundestag ein. In einem umfangreichen Fragenkatalog erkundigte sie sich nach unter anderem nach der staatlicher Förderung für gemeinnützige NGOs. Die Anfrage wurde innerhalb der Zivilgesellschaft als Einschüchterungsversuch verstanden. Wissenschaftler:innen und Organisationen zeigten sich zutiefst beunruhigt durch das Vorgehen der Unionsfraktion, mehr als 500.000 Menschen unterzeichneten einen Appell an die Bundesregierung.

Grundlegende Änderungen angekündigt

Die Debatte ist nun wieder erstarkt. Und nachdem das Kabinett Ende August die Gelder für das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ bewilligt hatte, sah sich Familienministerin Karin Prien offenbar genötigt, sich für diese Entscheidung zu rechtfertigen und gleichzeitig anzukündigen, dass sich nun „Grundlegendes ändern“ werde.

In dem Brief von Prien an die CDU/CSU-Fraktion heißt es:

Wir stärken die Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden und der wissenschaftlichen Extremismusforschung und berücksichtigen deren Erkenntnisse in der Programmsteuerung besser. Wer Zuwendungen des Bundes zum Schutz unserer Demokratie erhält, muss selbst Vorbild sein! Es gibt mehr als 400 direkte Partner und mehr als 3000 Projekte als Letztempfänger der Bundesmittel. Wir werden durch klare Strukturen und Verfahren sicherstellen, dass das Ziel, unsere freiheitlich demokratische Grundordnung zu schützen, von allen angestrebt und auch erreicht wird. In einem ersten Schritt – nach wochenlanger Arbeit und mit dem Bundesministerium des Innern abgesprochen – wurde bereits eine breit angelegte Verfassungsschutzprüfung im sogenannten „Haber-Verfahren“ eingeleitet.

„Breit angelegte Verfassungsschutzprüfung“

Das Haber-Verfahren sieht vor, dass die jeweiligen Ressorts zunächst aus ihnen zugänglichen Quellen, wie etwa die jährlichen Verfassungsschutzberichte des Bundes und der Länder, jene Organisationen prüfen, die sie mit dem Programm fördern. „Soweit hiernach eine Klärung nicht möglich sein sollte, können die Ressorts ihre Anfragen zu möglichen verfassungsschutzrelevanten Erkenntnissen über Organisationen, Personen und Veranstaltungen, über deren materielle bzw. immaterielle Förderung das Ressort zu entscheiden hat, unmittelbar an das BfV und nachrichtlich an das BMI richten“, heißt es in einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages.

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Der Wunsch aus der Union, Initiativen der demokratischen Zivilgesellschaft gegen Rechtsextremismus unter Generalverdacht zu stellen, ist keineswegs neu. Im Jahr 2011 führte die damalige CDU-Familienministerin Kristina Schröder die sogenannte „Extremismusklausel“ bei Demokratieförderungsprogrammen ein. Diese Klausel sah vor, dass sich Initiativen zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung verpflichten mussten. Diese Verpflichtung erschwerte unter anderem eine zivilgesellschaftliche Bündnisarbeit etwa bei Protesten gegen Rechtsextremismus, weil geförderte Organisationen für ihre Bündnispartner in Mithaftung genommen wurden. Anfang 2014 wurde die Klausel wieder abgeschafft.

In Vergangenheit hunderte NGOs vom Verfassungsschutz überprüft

Die Durchleuchtung aber ging weiter. Zwischen den Jahren 2015 und 2018 wurden zahlreiche zivilgesellschaftliche Projekte vom Verfassungsschutz geprüft. Bei insgesamt 51 Projekten leitete das Familienministerium damals Daten an den Inlandsgeheimdienst weiter, dem damals noch Hans-Georg Maaßen als Präsident vorstand. Maaßen wird heute selbst vom Bundesamt für Verfassungsschutz als Rechtsextremer geführt und beobachtet.

In den Jahren 2018 und 2019 soll der Verfassungsschutz dem Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages zufolge im Rahmen des Haber-Verfahrens ebenfalls „hunderte Nichtregierungsorganisationen“ durchleuchtet haben.

Familienministerium mauert

Wir haben beim Bundesfamilienministerium nachgefragt, was hinter der Ankündigung der Ministerin steckt – und ob dies „eine Änderung der bisherigen Überprüfungspraxis“ darstellt. Außerdem wollten wir wissen, wie viele Überprüfungen durch den Verfassungsschutz im laufenden Jahr sowie in den vergangenen fünf Jahren erfolgt seien.

Nach drei Tagen und mit wiederholter Fristverlängerung schickte uns eine Sprecherin des Ministeriums folgende Antwort, die keine unserer Fragen beantwortet:

Über das allgemein Zugängliche hinaus können keine näheren Informationen zum Prüfverfahren mitgeteilt werden. Die Wirkung des Verfahrens könnte ansonsten beeinträchtigt werden. Im Übrigen wurde und wird keine statistische Erhebung im BMBFSFJ zu Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden geführt.



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