Es gibt für die hochkarätige New Yorker Foundry Frere-Jones Type gleich mehrere Gründe zu feiern. Zum einen ist da ihr 10-jähriges Jubiläum, zum anderen die neue Schrift Edgar, die so autobiografisch wie unique ist.
Wer kennt Edgar Wallace (1875-1932) noch? Den britischen Krimischriftsteller, dessen Mordgeschichten in Herrenhäuser und in dunkle Gassen führten – und die, für das deutsche Fernsehen verfilmt, seinerzeit Straßenfeger waren.
»Die toten Augen von London« oder »Das indische Grabtuch« machten ihn zum Vorreiter moderner Thriller.
Doch was hat er bloß mit der neuen Schrift Edgar der renommierten New Yorker Foundry Frere-Jones Type zu tun, die in diesem Jahr ihr 10-jähriges Jubiläum feiert? Und das mit dem Font Edgar?
Edgar Wallace war der britische Urgroßvater des Typedesigners Tobias Frere-Jones – und deswegen setzt die Foundry zum Geburtstag jetzt auf eine ganz besonders spannendes Projekt, das man autobiografisches Typedesign nennen könnte.
Schon in der Schrift Mallory, mit der die Foundry vor einem Jahrzehnt startete, verwob Tobias Frere-Jones seine britischen Wurzeln mit seiner amerikanischen Identität: britisch mütterlicherseits, amerikanisch väterlicherseits und aufgewachsen in Brooklyn.
Und an diesem come together hat er mit der Edgar weitergeforscht. Denn der neue Font, nach Frere-Jones Großvater benannt, ist der Serifen-Bruder der Mallory.
Unique Kombination
Gleichzeitig lehnte Frere-Jones die Edgar-Schriftfamilie an die Serifenschriften des Briten William Caslon I. an, einem Graveur und Schriftgießer aus dem 18. Jahrhundert. Ihre Lebendigkeit und ihr Komfort seien zeitlos und würden bis heute mit ihm räsonieren, ganz so als würde man eine bestimmte Note spielen, sagt der Typedesigner.
Genauso erging es ihm mit den Schriften des schottischen Typografen und Stempelstechers Alexander Phemister, die ihn zu den Kursivschnitten für Edgar inspirierte, die er gemeinsam mit der in der Schweiz geborenen Schriftdesignerin Nina Stössinger entwarf.
Was Edgar bestimmt ist die Idee, zusammenzubringen, was eigentlich so gar nicht zusammengehört, zwei scheinbar unverwandte Stile und Epochen, die in ihrer ungewöhnlichen Kombination herrliche Energien entwickeln.
»Es entsteht eine Art kontrolliertes Rauschen«, sagt Frere-Jones. »Es ist, als würde die Dissonanz zur Harmonie.«
Organisch und instinktiv
Manche der Buchstaben wirken »wie aus scharfem Metall geschmiedet«, andere, »als wären sie wild gewachsen und würden sich wie die Ranken eines Baumes entfalten«, sagt Nina Stössinger über die Edgar.
Organisch entfalten sie sich in ihren Widersprüchlichkeiten instinktiv und scheinbar mühelos von selbst. Ganz so wie die Geschichten von Edgar Wallace.
Schrieb er seine Krimis in Windeseile, zog die Entwicklung der Edgar sich allerdings über viele Jahre hin. Und nachdem Frere-Jones und Nina Stössinger das Design der Edgar entworfen hatten, holten sie den Designer Hrvoje Živčić ins Boot, der die Details der gesamten Zeichensätze ausarbeitete.
Gut gewachsen
Mit Nina Stössingers Schweizer Herkunft, kam eine weitere Note in das britisch-amerikanische autobiografische Erkundungs-Projekt. Und was es ausmacht, sind die Wechselwirkungen zwischen dem prägenden Vokabular der Moderne wie der Frutiger, den historischen Referenzen und vor allem dem Freiraum, der für die Entwicklung der Edgar so zentral war.
Dort trafen persönliche Aspekte und historische Anleihen aufeinander und wurde Unterschiedliches ganz organisch zusammengebracht und viel Platz für das eigenständige Wachsen gelassen.
So ist eine Schrift entstanden, die unique und ganz sie selbst ist – und deren Form der Biografie folgt, und, wie es von der Foundry heißt, »dem langsamen, sich wiederholenden Tempo einer Schriftfamilie, die zehn Jahre lang entwickelt wurde«.