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Datenschutz & Sicherheit

EU-Staaten einigen sich auf freiwillige Chatkontrolle


Die EU-Staaten haben sich auf eine gemeinsame Position zur Chatkontrolle geeinigt. Wir veröffentlichen den Gesetzentwurf.

Letzte Woche hat die Rats-Arbeitsgruppe das Gesetz besprochen. Wir veröffentlichen ein weiteres Mal das eingestufte Protokoll der Sitzung.

Morgen wollen die Ständigen Vertreter die Position offiziell beschließen.

Drei Jahre Streit

Seit dreieinhalb Jahren streiten die EU-Institutionen über die Chatkontrolle. Die Kommission will Internet-Dienste verpflichten, die Inhalte ihrer Nutzer anlasslos auf Hinweise zu Straftaten zu durchsuchen und diese bei Verdacht an Behörden zu schicken.

Das Parlament bezeichnet das als Massenüberwachung und fordert, nur unverschlüsselte Inhalte von Verdächtigen zu scannen.

Eine Mehrheit der EU-Staaten will eine verpflichtende Chatkontrolle. Eine Sperrminorität lehnt das jedoch ab. Jetzt hat sich der Rat auf einen Kompromiss geeinigt. Internet-Dienste werden nicht zur Chatkontrolle verpflichtet, dürfen aber eine freiwillige Chatkontrolle durchführen.

Absolute rote Linien

Die dänische Ratspräsidentschaft will den Gesetzentwurf „schnellstmöglich“ durch den Rat bringen, „damit die Trilogverhandlungen zeitnah begonnen werden können“. Das Feedback der Staaten soll sich auf „absolute rote Linien“ beschränken.

Die Mehrheit der Staaten „unterstützten den Kompromissvorschlag“. Mindestens 15 sprachen sich dafür aus, darunter Deutschland und Frankreich.

Deutschland „begrüßte sowohl die Streichung der verpflichtenden Maßnahmen als auch die dauerhafte Verankerung freiwilliger Maßnahmen“.

Italien sieht auch die freiwillige Chatkontrolle skeptisch. „Man befürchte, das Instrument könne auch auf andere Delikte ausgeweitet werden, daher habe man Schwierigkeiten, den Vorschlag zu unterstützen.“ Politiker haben bereits gefordert, die Chatkontrolle auf andere Inhalte auszuweiten.

Absoluter Minimalkonsens

Andere Staaten bezeichneten den Kompromiss „als absoluten Minimalkonsens“. Sie haben sich „eigentlich mehr gewünscht – insbesondere im Sinne von Verpflichtungen“. Einige Staaten „zeigten sich deutlich enttäuscht über die vorgenommenen Streichungen“.

Vor allem Spanien „sah verpflichtende Maßnahmen weiterhin als erforderlich an, leider sei eine umfassende Einigung dazu nicht möglich gewesen“. Auch Ungarn „sah Freiwilligkeit als alleiniges Konzept als zu wenig an“.

Spanien, Ungarn und Bulgarien schlugen „eine Verpflichtung für die Anbieter vor, zumindest in offenen Bereichen aufdecken zu müssen“. Die dänische Ratspräsidentschaft „bezeichnete den Vorschlag als ehrgeizig, griff ihn aber nicht auf, um weitere Diskussionen zu vermeiden“.

Dänemark wies explizit auf die Überprüfungsklausel hin. Damit „halte man sich die Möglichkeit von Aufdeckungsanordnungen zu einem späteren Zeitpunkt offen“. Ungarn betonte, „dass diese Möglichkeit auch genutzt werden müsse“.

Keine Verpflichtung

Die dänische Ratspräsidentschaft hatte öffentlich verkündet, dass die Chatkontrolle nicht verpflichtend sein soll, sondern freiwillig.

Der ausformulierte Kompromissvorschlag war jedoch widersprüchlich. Den Artikel zur verpflichtenden Chatkontrolle hatte sie gestrichen. Ein anderer Artikel sagte jedoch, dass Dienste auch freiwillige Maßnahmen durchführen sollen.

Mehrere Staaten haben gefragt, ob diese Formulierungen „zu einer faktischen Verpflichtung führen könnten“. Die Juristischen Dienste stimmten zu: „Die Formulierung sei in beide Richtungen auslegbar“. Die Ratspräsidentschaft „stellte klar, dass es im Text lediglich eine Verpflichtung zur Risikominderung gäbe, nicht aber eine Verpflichtung zur Aufdeckung“.

Am Tag nach der Sitzung verschickte die Ratspräsidentschaft den wahrscheinlich endgültigen Gesetzentwurf des Rats. Darin steht explizit: „Keine Bestimmung dieser Verordnung ist so auszulegen, dass sie den Anbietern Aufdeckungspflichten auferlegt.“

Schaden und Missbrauch

Die verpflichtende Chatkontrolle ist nicht das einzige Problem im geplanten Gesetz. Auch die freiwillige Chatkontrolle ist eigentlich verboten. Die EU-Kommission kann ihre Verhältnismäßigkeit nicht belegen. Viele lehnen die freiwillige Chatkontrolle ab, darunter die EU-Kommission, der Europäische Datenschutzbeauftragte und die deutsche Datenschutzbeauftragte.

Eine Reihe an Wissenschaftlern kritisiert den Kompromissvorschlag. Die freiwillige Chatkontrolle bezeichnen sie als nicht angemessen. „Ihr Nutzen ist nicht nachgewiesen, während das Potenzial für Schaden und Missbrauch enorm ist.“

Das Gesetz fordert auch verpflichtende Altersprüfungen. Die Wissenschaftler kritisieren, dass Altersprüfungen „ein inhärentes und unverhältnismäßiges Risiko schwerwiegender Datenschutzverletzungen und Diskriminierung mit sich bringen, ohne dass ihre Wirksamkeit garantiert ist“. Auch die Bundesdatenschutzbeauftragte befürchtet eine „weitgehende Abschaffung der Anonymität im Netz“.

Jetzt folgt Trilog

Die EU-Staaten werden diese Punkte nicht weiter diskutieren. Die dänische Ratspräsidentschaft „bekräftigte, am Kompromissvorschlag ohne die spanischen Vorschläge festzuhalten“.

Morgen tagen die Ständigen Vertreter der EU-Staaten. Im Dezember tagen die Justiz- und Innenminister. Diese beiden Gremien sollen den Gesetzentwurf als offizielle Position des Rats beschließen.

Danach folgt der Trilog. Dort verhandeln Kommission, Parlament und Rat, um aus ihren drei eigenen Gesetzentwürfen einen Kompromiss zu erzielen.


Hier ist das Dokument in Volltext:


  • Geheimhaltungsgrad: Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch
  • Datum: 13. November 2025
  • An: Auswärtiges Amt
  • Kopie: BKAmt, BMI, BMJV, BMF, BMWE, BMBFSFJ
  • Betreff: Sitzung der RAG Strafverfolgung am 12. November 2025
  • Zweck: Zur Unterrichtung
  • Geschäftszeichen: 350.80

Sitzung der RAG Strafverfolgung am 12. November 2025

I. Zusammenfassung und Wertung

Schwerpunkt der Sitzung bildete TOP 3 – Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council laying down rules to prevent and combat child sexual abuse (11596/25). Grundlage der Aussprache bildete der mit Dok. 14092/25 am 6. November von der DNK Präsidentschaft übermittelte Kompromisstext.

Die Mehrzahl der wortnehmenden MS brachten ihre Unterstützung für den jüngsten Kompromissvorschlag zum Ausdruck.

Nachdem Vorsitz eine ausreichende Mehrheit für den Kompromisstext festgestellt hatte, kündigt er Vorlage im AStV am 19. November (I-Punkt) sowie im JI-Rat im Dezember an.

II. Im Einzelnen

TOP 1: Adoption of the agenda

Annahme ohne Änderungen.

TOP 2: Information by the Presidency

Präs. verwies auf die nächsten Sitzungen der Temporary Core Group zu den Polizei-Netzwerken (als VSK) am 25.11. und der RAGS-P am 03.12.2025. Schriftliche Bemerkungen zu dem Papier der Präs. zu den Polizei-Netzwerken vom 06.11. würden bis 13.11.2025 erbeten.

TOP 3: Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council laying down rules to prevent and combat child sexual abuse (14092/25)

Vorsitz eröffnete die Sitzung zunächst mit einer Zusammenfassung der am Text vorgenommenen inhaltlichen Änderungen, verwies auf den äußerst knappen Zeitplan aufgrund des Auslaufens der Interims-VO und kündigte eine schnellstmögliche Behandlung im AStV und Dezember-JI-Rat an, damit die Trilogverhandlungen zeitnah begonnen werden können. MS seien ausdrücklich gebeten, sich auf eine kurze Bewertung des Kompromisstextes und absolute rote Linien zu beschränken.

Zahlreiche wortnehmende MS (DEU, FRA, AUT, LUX, SVN, LVA, LTU, SVK, MLT, ROU, IRL, CYP, wohl auch POL, FIN, EST) unterstützten den Kompromissvorschlag, wenngleich der Regelungsumfang teilweise als absoluter Minimalkonsens betrachtet wurde (ESP, LTU, BGR) und man sich eigentlich mehr – insbesondere im Sinne von Verpflichtungen – gewünscht habe.

DEU trug weisungsgemäß vor und begrüßte sowohl die Streichung der verpflichtenden Maßnahmen als auch die dauerhafte Verankerung freiwilliger Maßnahmen sowie die Beibehaltung des EU-Zentrums und bekräftigte dessen Bedeutung.

ESP sah verpflichtende Maßnahmen weiterhin als erforderlich an, leider sei eine umfassende Einigung dazu nicht möglich gewesen. Daher schlage man – unterstützt von BGR und HUN – eine Verpflichtung für die Anbieter vor, zumindest in offenen Bereichen aufdecken zu müssen. Es sei zahlreiches CSAM offen abrufbar. Um zumindest dessen Verbreitung zu verhindern, müsse eine Verpflichtung der Anbieter möglich. Zudem solle in Artikel 43 eine Funktion des EU-Zentrums verankert werden, die es dem EU-Zentrum ermögliche, die Anbieter zur Ordnung zu rufen, wenn diese ihren Verpflichtungen nicht nachkommen.

Vorsitz bezeichnete den Vorschlag ESPs als ehrgeizig, griff ihn aber nicht auf, um weitere Diskussionen zu vermeiden. Mittels Überprüfungsklausel halte man sich die Möglichkeit von Aufdeckungsanordnungen zu einem späteren Zeitpunkt offen.

POL unterstützte grundsätzlich die Richtung des Textes, legte aber weiterhin einen Prüfvorbehalt ein und kündigte an, die endgültige Positionierung nachzuliefern.

Auch HUN sah Freiwilligkeit als alleiniges Konzept als zu wenig an und legte PV ein. Zudem bitte man den JD-Rat um Einschätzung, ob nach dem jüngsten Textvorschlag innerhalb E2EE Kommunikation aufgedeckt werden könne (ähnlich HRV). Ein Ausschluss freiwilliger Maßnahmen in E2EE sei eine rote Linie. Generell dürfe es keinen Rückschritt hinter den status quo geben.

Vorsitz entgegnete daraufhin, Rechtsgrundlage sei weiterhin die DSGVO. Der aktuelle Textvorschlag sei keine Verschlechterung, sondern eine Verbesserung, da er gewährleiste, dass die Anbieter das, was sie bisher erfolgreich täten, auch weiterhin tun könnten und zudem die Zusammenarbeit auf EU-Ebene gefördert werde.

FIN verwies auf die Notwendigkeit der Befassung des eigenen Parlaments (auch SWE), sah den Vorschlag aber grundsätzlich positiv. CZE legte ebenfalls PV mit Hinweis auf die laufende Regierungsbildung ein.

ITA legte Prüfvorbehalt ein und verwies auf seine Ausführungen im AStV am 05.11.. Zu überlegen sei, ob im Rahmen ausschließlich freiwilliger Aufdeckungen das Recht auf Privatsphäre der Nutzer ausreichend gewahrt werden könne. Man befürchte, das Instrument könne auch auf andere Delikte ausgeweitet werden, daher habe man Schwierigkeiten, den Vorschlag zu unterstützen.

Vorsitz verwies diesbezüglich auf die soliden Rechtssysteme mit entsprechenden Garantien in den MS, die die Basis des Vorschlages bilden.

FRA erinnerte eindringlich, dass man schnell vorankommen und eine Lösung finden müsse.

SVN, LTU, SVK, NLD und LVA sahen die Verhinderung einer Regelungslücke als oberste Priorität und begrüßten die Streichung der verpflichtenden Aufdeckungsanordnungen. Das EU-Zentrum werde unterstützt.

NLD bat zudem JD-Rat um Einschätzung, ob die Formulierungen in Artikel 4 und 5 ggf. zu einer faktischen Verpflichtung führen könnten.

Vorsitz stellte klar, dass es im Text lediglich eine Verpflichtung zur Risikominderung gäbe, nicht aber eine Verpflichtung zur Aufdeckung.

ROU, SWE und HRV zeigten sich deutlich enttäuscht über die vorgenommenen Streichungen, erklärten sich aber aufgrund der eingefügten Überprüfungsklausel dennoch mit dem Vorschlag einverstanden. HRV ergänzte, dass diese Möglichkeit auch genutzt werden müsse. SWE sah die Überprüfungsklausel jedoch als zu komplex an.

IRL unterstrich, der Ergänzung in Art. 14a und 18aa betreffend die Notwendigkeit einer richterlichen Bestätigung innerhalb 72 Stunden nicht zustimmen zu können, da dies im common law System nicht möglich sei (ebenso MLT).

HUN bemängelte, die Frage nach E2EE sei nicht angemessen beantwortet worden. Probleme diesbezüglich habe es bislang nur im Rahmen privater Kommunikation gegeben, der ESP Vorschlag beziehe sich aber ausschließlich auf open spaces.

Vorsitz stellte klar, dass man nicht vorhabe, diese Punkte erneut zu diskutieren. Es solle weiterhin möglich bleiben, was auch jetzt möglich sei und bat JD-Rat um Beantwortung zu Art. 1 Abs 5.

JD-Rat führte zu Art. 1 Abs. 5 aus, dass er keine Änderung der Interims-VO sähe. Die Ausnahmen dürften angewendet werden, wenn eine Rechtsgrundlage dafür gegeben ist. Den Providern werde nicht verboten, Maßnahmen innerhalb E2EE Inhalten zu ergreifen. Art. 1 Abs 5 ändere nichts an der jetzigen Rechtslage. Die Frage von NLD zu einer faktischen Verpflichtung sei schwierig zu beantworten. Es sei zwar nicht verpflichtend, eine bestimmte Maßnahme zu ergreifen, aber die Formulierung sei in beide Richtungen auslegbar.

KOM betonte den Mehrwert und die Relevanz des EU-Zentrums und stimmte ESP zu, in Bezug auf Aufdeckungsanordnungen in öffentlich zugänglichen Bereichen. Auch öffentlich sei viel CSAM verfügbar, daher sei der Vorschlag gut und wichtig und es sei nur schwer vorstellbar, dass eine aktive Suche nach CSAM durch das EU-Zentrum auf Widerstand stoßen könnte.

Vorsitz bedankte sich für die breite Unterstützung und bekräftigte, am Kompromissvorschlag ohne die ESP Vorschläge festzuhalten. Man werde jedoch versuchen, vor Übersendung an den AStV eine textliche Lösung – z.B. einen Verweis auf nationales Recht – zu den von MLT und IRL vorgetragenen Bedenken zu finden.

[…]



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Datenschutz & Sicherheit

Gipfel zur Europäischen Digitalen Souveränität: Kehrtwende für die „Innovationsführerschaft“


Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und der französische Präsident Emmanuel Macron haben zu einem Gipfel geladen, dem „Gipfel zur Europäischen Digitalen Souveränität“. Entsprechend hoch waren die Erwartungen: Ein Aufbruchssignal sollte von dem Gipfel ausgehen – an Europa, aber auch in die USA und nach China. Im Fokus stand dabei das Bestreben, in der EU die digitale Souveränität zu stärken. Darunter verstanden alle Beteiligten das Ziel, im digitalen Sektor die wirtschaftlichen Abhängigkeiten zu außereuropäischen Anbietern zu reduzieren.

Um dieses Ziel zu erreichen, will das deutsch-französische Tandem nicht nur bestehende Schutzrechte abbauen, sondern Regulierung vom Kopf auf die Füße stellen. „Product first, regulation second“, lautete das Credo von Digitalminister Karsten Wildberger (CDU). Erst müsse man das Produkt bauen, so der Minister, und danach die Risiken evaluieren. Die KI-Verordnung verfolgt bislang den genau entgegengesetzten Ansatz: eine risikobasierte Regulierung, bevor eine neue Technologie auf den Markt kommt.

In seiner Keynote bestärkte Macron diese Stoßrichtung: „Wenn wir den USA und China das Feld überlassen, haben wir eine gute Regulierung, aber regulieren am Ende nichts mehr.“

Angesichts dieser Agenda verwundert es nicht, dass Vertreter:innen der Zivilgesellschaft nur einen Platz im Zuschauerraum erhielten. Und es ist sicher kein Zufall, dass die EU-Kommission just einen Tag nach dem Gipfel ihren „Digitalen Omnibus“ vorstellen wird – ein umfassendes Gesetzespaket, das darauf abzielt, Verbraucher:innenrechte und KI-Regulierung in der EU zu schleifen.

Die EU zum Spitzenreiter machen

Merz und Macron hielten zum Abschuss des Gipfels Reden, in denen sie ihre Vorstellungen der gemeinsamen Zusammenarbeit skizzierten. Auf den rund zehn Panels des Tages saßen unter anderem Bundesdigitalminister Wildberger, seine französische Amtskollegin Anne Le Hénanff und EU-Kommissions-Vizepräsidentin Henna Virkkunen. Daneben waren Vertreter:innen von großen europäischen Unternehmen wie SAP, Telekom, Mistral und Siemens vertreten.

Wildberger betonte, die EU gemeinsam mit Frankreich zum „Spitzenreiter bei Schlüsseltechnologien“ machen zu wollen. Und seine französische Amtskollegin Le Hénanff unterstrich, dass Frankreich und Deutschland „von dem Ehrgeiz getrieben“ seien, Unternehmen wettbewerbsfähiger zu machen. Und „digitale Souveränität geht nicht ohne KI“, betonte der Minister.


Bild von einem Plakat. Daneben Text: Kunstdrucke kaufen.

In diesem Sinne ging es auf dem Gipfel viel um Wertschöpfung und Innovationsgeist, Hochleistungsrechner und Quantenforschung. Und alle Seiten betonten, dass es nun wichtig sei, ins Machen zu kommen und das Tempo zu erhöhen. Das Rennen sei noch nicht vorbei, die Aufholjagd könne aber nur gelingen, wenn man „den Fuß von der Bremse“ nehme, so Wildberger.

Weniger Hürden, mehr Überholspur

Die Regierung verengt den Begriff der digitalen Souveränität dabei auf ökonomische Aspekte. Besonders deutlich wurde das in der Keynote von Bundeskanzler Merz. Der forderte nicht weniger als die „Innovationsführerschaft“ für Europa, um so der Dominanz der USA und Chinas zu entkommen. Die Staaten seien bereit, dafür einen entsprechenden Ordnungsrahmen zu schaffen, dann aber sei die Wirtschaft am Zuge.

Merz und Macron verwiesen beide auf den „Digitalen Omnibus“, den die EU-Kommission morgen vorstellt. Das umfassende Gesetzespaket verfolgt ebenfalls das Ziel, den Fuß von der Bremse zu nehmen. Laut Kommission soll es Regeln vereinfachen, überlappende Gesetze in Einklang bringen und Bürokratie abbauen. Der im Vorfeld von netzpolitik.org veröffentliche Zwischenstand lässt hier allerdings wenig Gutes erahnen.

Demnach will die Kommission die Datenschutzgrundverordnung erheblich schwächen und die Umsetzung zentraler Teile der KI-Verordnung für zwölf Monate aussetzen. Vor allem sensible personenbezogene Daten sowie Hochrisiko-Systeme bei sogenannter Künstlicher Intelligenz wären von den Änderungen betroffen. Das Ziel ist es also, Regulierung zu bremsen, damit Start-ups auf die Überholspur kommen.

Deklaration für mehr Deregulierung

Die Kommission treibt damit ebenfalls jene Umkehr an, die auch das deutsch-französische Tandem forciert: Erst mal machen, dann regulieren. Auf eine griffige Formel brachte das Vorgehen der Parlamentarische Staatssekretär im Digitalministerium, Thomas Jarzombek, am Gipfeltag. Er strebt eine Disruption „wie vor 150 Jahren“ an. Man müsse Dinge „einfach mal machen“ und „losmarschieren“. „Als die ersten Autos auf die Straße kamen, sprach auch niemand über die Verkehrstoten“, so der Staatssekretär.

Ins gleiche Horn stößt offenbar der Wortlaut der „Declaration for European Digital Sovereignty“. Die von Österreich initiierte Abschlusserklärung des Gipfels wird am Abend verabschiedet und ist rechtlich nicht bindend. Sie formuliert den Anspruch der EU, in kritischen Bereichen künftig unabhängig von Drittstaaten zu bleiben. Dafür brauche es langfristig auch private Investitionen in Hochleistungsrechner, Halbleiterfertigung oder Quantenforschung. Gleichzeitig aber müsse die EU private regulatorische Hürden abbauen, wie das Handelsblatt berichtet.

Zivilgesellschaft als fünftes Rad am Wagen

Nennenswerte Kritik am Deregulierungs-„Aufbruch“ der Bundesregierung war auf dem Gipfel nicht zu hören. Das könnte damit zusammenhängen, dass die Zivilgesellschaft auf den Panels nicht vertreten war, sagte Julia Pohle vom Wissenschaftszentrum für Sozialforschung in Berlin (WZB) gegenüber netzpolitik.org. „Die hätten womöglich über Gemeinwohl und Nachhaltigkeit gesprochen und das scheint nicht zum offiziellen Diskurs zu passen.“ Dass europäische digitale Souveränität demokratischen Werten und Grundrechten im Digitalen dienen soll, fiel damit hinten runter, so Pohle.

Auch Henriette Litta, Geschäftsführerin bei der Open Knowledge Foundation Deutschland, zeigte sich enttäuscht. Zwar begrüße sie, dass der Gipfel eine konsequente europäische Perspektive einnehme. „Ansonsten gab es aber keine Diskussionen und auf der Bühne kamen nur blumige Konsenspositionen vor“, sagte Litta gegenüber netzpolitik.org.

Rund 70 Vertreter:innen der Zivilgesellschaft hatten laut Digitalministerium zugesagt, zu dem Gipfel zu kommen. Insgesamt 150 Einladungen hatte das Ministerium zuvor an die Zivilgesellschaft verschickt. Einige Organisationen hatten bereits vor dem Gipfel die Sorge geäußert, dass der geplante Gipfel sich auf Großprojekte und KI fokussiere. Weder diese Sorge noch die Forderungen aus der Zivilgesellschaft wurden jedoch angehört.

So hatten das Bündnis „Offene Netzwerke und demokratische Öffentlichkeit. Dezentral, souverän und fürs Gemeinwohl!” und die Agora Digitale Transformation unter anderem öffentliche Investitionen in digitale Infrastrukturen gefordert. Als Beispiel nannten sie eine jährliche Förderung in Höhe von 30 Millionen Euro für das Fediverse sowie mehr Präsenz öffentlicher Behörden und Ministerien auf offenen Plattformen. Außerdem schlugen sie vor, dass freie und offene Software ohne Gewinnerzielungsabsicht gemeinnützig werden müsse, um die digitale Souveränität zu stärken.

Keine dieser möglichen Maßnahmen hat die Bundesregierung auf ihrem Gipfel aufgegriffen. Vielleicht wollte sie auch die Harmonie des Tages nicht stören.



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Datenschutz & Sicherheit

Biometrische Überwachung bei Online-Prüfungen illegal


Frau an Schreibtisch
Beim Proctoring mussten die Studierenden teilweise ihre Zimmer abfilmen und einer Gesichtserkennung zustimmen. (Symbolbild) – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Jochen Tack

Während der Pandemie nutzten viele Universitäten sogenannte Proctoring-Systeme. Diese sollen Betrug bei Online-Prüfungen der Studierenden verhindern, zeichnen sich aber durch tiefe Eingriffe in Datenschutz und Privatsphäre aus. So mussten die Studierenden teilweise ihr gesamtes Zimmer filmen, einer Gesichtserkennung zustimmen und dem Überwachungssystem Zugriff auf quasi den ganzen Computer geben. Schon damals gab es Beschwerden von Studierenden und Landesdatenschutzbeauftragten.

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) kritisierte in einem Gutachten, dass die Grundrechte der Studierenden bei Online-Prüfungen unter die Räder geraten seien. Die Nichtregierungsorganisation suchte damals nach Betroffenen und klagte zusammen mit diesen gegen die invasive Software. Nun hat das Thüringer Oberlandesgericht am Montag über eine Klage entschieden und klargestellt, dass die Videoüberwachung von Studierenden bei Online-Prüfungen rechtswidrig ist, wenn dabei biometrische Daten verarbeitet werden. Das verstoße gegen die Datenschutzgrundverordnung, heißt es in der Pressemitteilung der GFF.

Betroffene erhält Schadenersatz

In dem in Thüringen entschiedenen Fall nutzte die Universität Erfurt demnach die Anwendung Wiseflow, die die Studierenden unter anderem mittels Gesichtserkennung überwacht. Damit wollte die Universität sicherstellen, dass stets die gleiche Person vor dem Monitor sitzt. Wiseflow verarbeitete biometrische Daten und leitete sie darüber hinaus an den Dienstleister Amazon Web Services weiter. Diese Praxis hat das Gericht nun für rechtswidrig erklärt und der Klägerin zudem einen Schadensersatz zugesprochen.

„Die Software hat damals starke Ängste in mir ausgelöst. Ich wusste nicht, wie sie funktioniert und was mit meinen Daten passiert. Aber ich hatte keine andere Wahl, weil ich mit meinem Studium vorankommen wollte“, erklärt Klägerin Jennifer Kretzschmar. „Ich bin froh, dass das Gericht jetzt festgestellt hat, dass die Überwachung rechtswidrig war. Hoffentlich achtet die Universität die Grundrechte der Studierenden bei Prüfungen künftig.“

Die GFF geht davon aus, dass das Urteil auch Signalwirkung für andere Bereiche, etwa die Überwachung am Arbeitsplatz, habe.



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Datenschutz & Sicherheit

Neue DDoS-Spitze: Microsoft wehrt 15,7 TBit/s-Angriff ab


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It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Am 24. Oktober dieses Jahres hat Microsoft in seiner Azure-Cloud einen umfangreichen DDoS-Angriff mit mehreren Angriffsvektoren von 15,72 TBit pro Sekunde beobachtet. Die Last erzeugten 3,64 Milliarden Pakete pro Sekunde, was die derzeit größte beobachtete DDoS-Attacke auszeichnet, schreibt Microsoft in einem Blog-Beitrag.

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Das Unternehmen führt aus, dass der Angriff vom Aisuro-Botnet ausging – das hatte im Mai etwa das Blog des IT-Sicherheitsjournalisten Brian Krebs attackiert. Es handele sich dabei um ein Mirai-artiges Botnet „mit Turbo“, das immer wieder rekordverdächtige DDoS-Angriffe ausführt. Dabei missbrauchten die kriminellen Drahtzieher kompromittierte Heimrouter und Kameras, die zum Großteil in Netzen von Internetprovidern für Privathaushalte in den USA und anderen Ländern stünden.

Bei einem DDoS-Angriff überfluten bösartige Akteure Server oder Systeme mit so vielen Anfragen, dass sie reguläre Anfragen etwa von echten Menschen nicht mehr beantworten können. DDoS-Angriffe nehmen sie somit quasi offline.

Der Angriff umfasste unter anderem UDP-Floods mit extrem hohen Raten, die auf eine bestimmte öffentliche IP-Adresse gerichtet waren – einem einzelnen Endpunkt in Australien. Sie gingen von mehr als einer halben Million Quell-IP-Adressen aus diversen Regionen aus. Die UDP-„Ausbrüche“ zeigten nur zu einem kleinen Teil Spoofing der Quelle und verwendeten zufällige Quell-Ports, was die Rückverfolgung erleichterte. „Angreifer skalieren mit dem Internet selbst“, schreibt Microsoft, „mit steigenden Geschwindigkeiten der Glasfaseranschlüsse und zunehmend stärkerer IoT-Hardware klettert auch die Grundlinie für Angriffsgrößen“.

Microsoft erklärt, dass der DDoS-Schutz von Azure den Angriff automatisch entdeckt und abgewehrt habe. „Bösartiger Verkehr wurde effektiv ausgefiltert und umgeleitet, was zur ununterbrochenen Dienstverfügbarkeit für Kunden-Workloads führte“, schreibt der Autor des Blog-Beitrags.

Im Juni hatte Cloudflare eine Spitzenlast von 7,3 TBit/s bei einem DDoS-Angriff beobachtet. Damit hat sich der der Spitzenwert in nicht einmal einem halben Jahr mehr als verdoppelt.

Anfang September hatte Cloudflare zuletzt eine DDoS-Attacke mit in der Spitze 11,5 TBit pro Sekunde gemeldet. Dafür hatten die Angreifer sogar 5,1 Milliarden Pakete pro Sekunde gesendet – deutlich mehr als die Angreifer jetzt an den von Microsofts Azure geschützten Endpunkt.

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(dmk)



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