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Datenschutz & Sicherheit

Harte Zeiten für den demokratischen Rechtsstaat



Bereits seit einigen Jahren schwappt eine neue Welle von Reformen der jeweiligen Länderpolizeigesetze durch die Republik, mit denen man die polizeilichen Befugnisse an technische Entwicklungen anpassen möchte.

Die Bundesregierung will ein neues Bundespolizeigesetz schaffen, netzpolitik.org hat den Gesetzentwurf veröffentlicht. Amnesty International hat dazu eine Stellungnahme eingereicht.

Staatstrojaner Quellen-TKÜ

Was bereits in zahlreichen Ländergesetzen geregelt und allen 19 Geheimdiensten erlaubt ist, soll nun auch der Bundespolizei möglich werden: Der Einsatz von Staatstrojanern für die Quellen-Telekommunikationsüberwachung, kurz Quellen-TKÜ. Dabei wird eine Spionage-Software auf das Telefon gespielt, um auch verschlüsselte Kommunikation – etwa über Messenger – zu überwachen. Die Ampel-Koalition hatte in ihrem Entwurf für eine Reform desselben Gesetzes noch auf den Trojaner-Einsatz verzichtet.

Mittels einer „Quellen-TKÜ-Plus“ soll die Bundespolizei nun jedoch sogar bestimmte, bereits abgeschlossene Kommunikation auf dem Gerät auslesen dürfen. Damit verschwimmt die Grenze zur Online-Durchsuchung – eine Grenze, die laut Expert*innen ohnehin technisch nicht klar einzuhalten ist.

Zusätzlich beinhaltet selbst die laufende Kommunikation heutzutage äußerst umfassende Datenbestände oft persönlichen Inhalts. Schließlich werden zahlreiche an sich ruhende Datenbestände regelmäßig (z.B. für das Erstellen von Backups in Clouds) in laufende Kommunikation „verwandelt“ und versendet.

Das Bundesverfassungsgericht hat auch aus diesen Gründen kürzlich anerkannt, dass die Quellen-TKÜ neben dem Fernmeldegeheimnis auch noch in das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme („IT-Grundrecht“) eingreift. Zuvor hatte es das nur für die Online-Durchsuchung angenommen. Kurz: Dass diese neue Befugnis ein Grundrechtseingriff ist, der über eine normale Telekommunikationsüberwachung weit hinausgeht, liegt auf der Hand.

Ausnutzen von Schwachstellen

Dabei werden wieder einmal Überwachungsbefugnisse ausgeweitet, ohne grundlegende Hausaufgaben gemacht zu haben. Denn die Installation der Trojaner erfordert oft das Ausnutzen von Schwachstellen des IT-Systems – so dass staatliche Behörden einen Anreiz haben, ihnen bekannte Schwachstellen nicht dem Hersteller zu melden. Das Einfallstor für Schadsoftware bleibt offen, für alle Menschen.

Amnesty International ist jeden Tag mit den Folgen konfrontiert: Amnestys Security Lab recherchierte den Einsatz von Spyware wie „Pegasus“ oder „Predator“ gegen Medienschaffende, Oppositionelle und Menschenrechtsverteidiger*innen weltweit. Nahezu täglich beraten unsere Kolleg*innen Betroffene, die wegen ihres menschenrechtlichen oder demokratischen Engagements weltweit überwacht – und weiter in Gefahr gebracht werden.

Das passiert auch, weil deutsche Behörden noch immer nicht über ein einheitliches Schwachstellenmanagement verfügen, das ihnen vorschreibt, unbekannte Schwachstellen dem Hersteller zu melden und die Risiken der Trojaner-Praxis für die Allgemeinheit zu prüfen. Auch Unternehmen, kritische Infrastrukturen und die breite Bevölkerung sind betroffen, wie das Beispiel der Schadsoftware „WannaCry“ zeigte.

Trojaner gegen Proteste?

Amnesty International ist außerdem besorgt, dass Telekommunikationsüberwachung und Quellen-TKÜ auch gegen Menschen eingesetzt werden könnten, die friedliche Proteste planen. Denn die Quellen-TKÜ soll bezüglich Straftaten erlaubt werden, die etwa die Störung von öffentlichen Betrieben oder bestimmte Eingriffe in den Straßenverkehr erfassen, und zum Schutz von Einrichtungen des Bahn- und Luftverkehrs – Orten, an denen oft Proteste etwa für mehr Klimaschutz oder gegen Abschiebungen stattfinden.

Im Klima einer zunehmenden Repression friedlichen Protests bedarf es dringend entsprechender Klarstellungen, die einen solchen Missbrauch ausschließen.

Risiken für Missbrauch

Auch anderweitig bestehen grundsätzliche Missbrauchsrisiken. Die Berichte der Datenschutzbeauftragten decken immer wieder erschreckende Fälle von Datenmissbrauch durch die Polizei auf.

So wurde in Mecklenburg-Vorpommern den minderjährigen Opfern von Sexualstraftaten mit dienstlich erlangten Daten von Polizeibeamten nachgestellt. In Bayern hat eine Polizeibeamtin jüngst ihr privates Umfeld umfassend mit vertraulichen dienstlichen Daten versorgt.

Fluggastdaten

Auch ansonsten geht der Entwurf für ein neues Bundespolizeigesetz eher sorglos mit persönlichen Daten um. Bisher müssen Airlines die Daten von Fluggästen nur an die Polizei weitergeben, wenn diese das für bestimmte Strecken angeordnet hatte. Künftig sollen sie proaktiv und pauschal die Fluggastdaten aus allen Flügen über die Schengen-Außengrenzen nach Deutschland an die Polizei übermitteln. Aus Sicht der Polizei entfällt damit der Aufwand, bestimmte Risikostrecken zu identifizieren. Sie erhält einfach alle Daten, es könnte sich ja irgendwo etwas finden lassen.

Aus Sicht von Amnesty International ist dies ein nicht auf das Notwendige beschränkter, unverhältnismäßiger Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung und ein weiterer Schritt hin zum gläsernen Passagier. Dabei hat der Gerichtshof der Europäischen Union schon mehrfach zur Fluggastdatenrichtlinie festgestellt, dass solche Daten nur weitergegeben werden dürfen, soweit dies notwendig ist.

Der jetzt drohende Schwenk passt in die allgemeine sicherheitspolitische Entwicklung, erst einmal möglichst viele Daten zu sammeln und diese anschließend zu analysieren, statt nur unbedingt notwendige Überwachung möglichst gezielt an Verdachtsmomenten festzumachen.

Errichtungsordnung

Zu diesem Negativtrend passt auch, dass die bisher im Bundespolizeigesetz erforderliche „Errichtungsordnung“ für automatisierte Dateien gestrichen werden soll. Dadurch wird bei der Errichtung automatisierter Dateien zukünftig keine Anhörung der*des Bundesdatenschutzbeauftragten mehr benötigt.

Das ist ein Schritt rückwärts, denn diese Anhörung dient dem Schutz der Betroffenen erstens durch eine unabhängige Kontrollinstanz und zweitens bereits präventiv, das heißt bevor die fragliche Datei eingerichtet wurde. Es ist umso besorgniserregender, als der automatisierten Datenverarbeitung eine immer größere Rolle zukommt.

Der damalige Bundesdatenschutzbeauftragte hatte die Streichung dieser Schutzmaßnahme bereits im Entwurf der Ampelregierung 2024 kritisiert. Das Problem ist also bekannt und das Festhalten daran kein Versehen.

BodyCams

Der Einsatz von BodyCams findet eine immer weitere Verbreitung bei den Polizeien. Dies ist grundsätzlich kein Problem, allerdings gibt es einiges zu beachten.

Pioniere bei der Einführung solcher BodyCams waren die USA und das Vereinigte Königreich. Hier erfolgte die Einführung unter der Prämisse des Bürgerrechtsschutzes, nachdem es zahlreiche schockierende Übergriffe durch Polizeibeamt*innen gegeben hat. In Deutschland sah man in den Geräten hingegen ein Mittel, um vermeintlich zunehmender Gewalt gegen Polizeikräfte zu begegnen. Dass es diese behauptete Zunahme gibt, erscheint dabei äußerst zweifelhaft.

Gleichwohl steht dies der Einführung nicht im Weg, soweit gewisse Mindeststandards beachtet werden. Entscheidend ist, dass die Aufnahmen auch den Betroffenen polizeilicher Maßnahmen zur Verfügung stehen. Dafür sollten die Betroffenen einen gesetzlichen Anspruch darauf erhalten, dass die Kamera bei jeder Durchführung von Zwangsmaßnahmen sowie auf ihr Verlangen hin eingeschaltet wird – etwa wenn Betroffene den Eindruck haben, dass eine Situation nicht rechtmäßig abläuft. Im Gesetzesentwurf ist das nicht der Fall. Stattdessen bekommt die Polizei einen großen Ermessensspielraum, darf also selbst entscheiden, ob sie die BodyCam einschaltet.

Kameraaufnahmen

Kameraaufnahmen sollten so gesichert werden, dass sie vor dem Zugriff von Unbefugten gesichert sind. Immer wieder sind in der Vergangenheit Beweismittel verschwunden, die eine Verurteilung von Polizeigewalt möglich gemacht hätten. Außerdem müssen die Aufnahmen lange genug gespeichert werden, damit Betroffene ausreichend Zeit haben, um über eine Anzeige gegen die Polizei nachzudenken und sich einen Rechtsbeistand zu suchen. Der Gesetzentwurf sieht 30 Tage vor, ein geeigneter Zeitraum.

Mit Blick auf einen möglichen „Function Creep“ – eine Ausweitung der Nutzung in der Zukunft – sei darauf hingewiesen, dass mit modernen BodyCams mittlerweile sehr viel möglich ist. Sie können zentral aufgeschaltet und mit anderen stationären Kameras zusammengeführt werden, um dann Menschen elektronisch zu taggen, also zu markieren.

So würde durch das System praktisch „automatisch“ nach Menschen gesucht. Ein äußerst orwellianisches Szenario, das unterbunden werden muss – der Trend zu immer mehr biometrischer Überwachung geht jedoch in eine andere Richtung.

Kennzeichnungspflicht

Das neue Bundespolizeigesetz ist aber auch an anderen Stellen nicht auf Höhe der Zeit. Während in den meisten Bundesländern mittlerweile eine Kennzeichnungspflicht bei der Polizei eingeführt wurde und auch der Entwurf der Ampelregierung dies vorsah, soll diese nun für die Bundespolizei nicht mehr kommen.

Aus rechtsstaatlicher Sicht ist das nicht nachvollziehbar. Die individuelle Identifizierbarkeit ist ein zentrale Notwendigkeit, um bei Fehlverhalten von Polizist*innen effektive Ermittlungen führen zu können. Dies haben von Amnesty International recherchierte Fälle ergeben, darauf hat auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in dem Verfahren „Hentschel und Stark gegen Deutschland“ hingewiesen.

Immer wieder scheitern Ermittlungen gegen Polizeibeamt*innen daran, dass einzelne Täter nicht ermittelt werden können. Das fällt insbesondere beim Einsatz von sogenannten geschlossenen Einheiten, etwa bei Versammlungs- oder Fußball-Lagen, auf. Da die Bereitschaftspolizei der Bundespolizei häufig auch beim Fußball im Einsatz ist oder auch im Rahmen von Versammlungslagen bei den Bundesländern aushilft, ist nicht nachvollziehbar, warum eine Einführung unterbleiben soll.

Racial Profiling

In einer pluralen Gesellschaft ist die Polizei auch mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Hierzu zählt der Umgang mit Racial Profiling. Bei Racial Profiling handelt es sich um eine Ermittlungspraxis, bei der Menschen aufgrund äußerer Merkmale, wie etwa der Hautfarbe, kontrolliert werden.

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Diese Praxis stellt eine Diskriminierung dar und verstößt gegen das Diskriminierungsverbot aus der Europäischen Menschenrechtskonvention und dem Grundgesetz. Mittlerweile gibt es eine Reihe von Urteilen in Deutschland, die bestätigen, dass dieses Vorgehen der Polizei auch hier existiert.

Auch deshalb fordert Amnesty International die Einführung sogenannter Kontrollquittungen, die im Entwurf der Ampelregierung noch vorgesehen waren – von Schwarz-Rot nun aber abgelehnt werden.

Solche Quittungen würden im Rahmen jeder Kontrolle ausgestellt und erläutern dem Betroffenen, warum er oder sie gerade kontrolliert wurde. Dies schafft Transparenz und gibt durch die erfassten Daten, wie Kontrollzeitpunkt oder -ort, der Polizei die Möglichkeit, ihr eigenes Verhalten zu evaluieren.

Auch wäre es möglich, dass die Betroffenen, natürlich ausschließlich freiwillig, ihre eigene Ethnie angeben, der sie sich zuschreiben. So könnte auch aufgedeckt werden, wenn marginalisierte Personengruppen besonders häufig kontrolliert werden. In England hat man hiermit gute Erfahrungen gemacht.

Anlasslose Kontrollen

Für eine solche Evaluation gibt es gute Gründe. Denn bereits jetzt ist im Bundespolizeigesetz die Möglichkeit für anlasslose Kontrollen vorgesehen, die im Entwurf sogar noch ausgeweitet wird. Anlasslose Kontrollen sind jedoch ein Einfallstor für Racial Profiling und sollten nach Ansicht von Amnesty International abgeschafft werden.

Die eigene Statistik der Bundespolizei zeigt außerdem, dass die Erfolgsrate dieser Kontrollen extrem gering ist. In manchen Jahren liegt sie bei unter einem Promille – nicht einmal jede tausendste Kontrolle ist ein Treffer. Dies zeigt eindrucksvoll auf, dass solche Kontrollen nicht nur ein Problem für die Betroffenen sind, sondern auch für die Polizei selbst.

Durch die Kontrollquittungen wären die eingesetzten Polizeibeamt*innen gezwungen, sich bewusster mit den Kontrollen auseinanderzusetzen. Dies hilft, Racial Profiling zu vermeiden. Gleichzeitig kann die Auswertung aufzeigen, wo die Polizei effektiv arbeitet – und wo nicht. Auch dies schützt Menschenrechte. Der Aufwand wäre für die Polizeibeamt*innen selbst durch moderne Geräte nur minimal. Rationale Gründe für einen Verzicht auf die Quittungen sind daher nicht ersichtlich.

Präventivgewahrsam

Besonders sinister wird es im Bereich des Gewahrsams. Wie bereits in verschiedenen Ländergesetzen soll auch die Bundespolizei die Möglichkeit erhalten, Menschen in Präventivgewahrsam zu nehmen.

Amnesty International lehnt die Möglichkeit einer administrativen Inhaftierung grundsätzlich ab. Wird das Gesetz in dieser Form verabschiedet, wird es der Bundespolizei künftig möglich sein, Menschen bereits aufgrund einer Ordnungswidrigkeit „von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit“ in Gewahrsam zu nehmen.

Aus Sicht von Amnesty International ist die Eingriffsgrundlage, sofern unbedingt an einer Präventivhaft festgehalten werden soll, auf den Schutz von Gefahren für Leib und Leben und die unmittelbare Begehung oder Fortsetzung von Straftaten, die insbesondere dem Schutz hochrangiger Rechtsgüter dienen, zu beschränken und ein verpflichtender Rechtsbeistand einzuführen.

Denn im Bereich von Ingewahrsamnahmen besteht keine Unschuldsvermutung und kein Recht auf Pflichtverteidigung. Darüber hinaus kommt es gerade im Gewahrsamsbereich von Polizeistationen immer wieder zu Übergriffen durch die Polizei. Dies ist besonders problematisch, da es sich hier um Räumlichkeiten handelt, die von der Öffentlichkeit abgeschottet sind. Insofern besteht für die Opfer von Übergriffen häufig eine Beweisnot.

Gerade für diesen Bereich fordert Amnesty International daher immer eine Videoüberwachung. Dies hat zum einen präventive Wirkung, hilft zum anderen aber auch den Opfern, wenn dennoch Übergriffe stattfinden.

Schritt Richtung Überwachungsstaat

Insgesamt ist leider festzuhalten, dass das neue schwarz-rote Polizeigesetz ein Schritt in Richtung Autoritarismus und Überwachungsstaat darstellt. Gegenüber dem Entwurf der Ampelregierung wurden zwei zentrale Schutzmaßnahmen für Menschenrechte – Kennzeichnungspflicht und Kontrollquittungen – wieder gestrichen.

Das ist Ausdruck eines besorgniserregenden Trends: Während staatlichen Behörden immer tiefere Eingriffe in Menschenrechte erlaubt werden, gibt man sich nicht einmal mehr die Mühe, Demokratie und Rechtsstaat zu stärken, indem man hinreichende Kontrolle ausübt und vulnerable Gruppen schützt.

Lena Rohrbach ist Expertin für Menschenrechte im digitalen Zeitalter bei Amnesty International in Deutschland. Philipp Krüger ist Experte für Polizei bei Amnesty International in Deutschland.



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EU arbeitet an ausufernder Vorratsdatenspeicherung


Vor elf Jahren hat der Europäische Gerichtshof die Vorratsdatenspeicherung gekippt. Seitdem gibt es keine EU-weite Vorratsdatenspeicherung. Jetzt arbeiten die EU-Institutionen an einem neuen Gesetz.

Die EU-Kommission hat bis Juni eine Sondierung und bis September eine Konsultation durchgeführt. Es wird erwartet, dass die Kommission Anfang 2026 ein neues Gesetz vorschlägt.

Standortdaten und Over-the-Top

Die EU-Staaten machen ebenfalls Druck. Die dänische Ratspräsidentschaft hat vor kurzem eine Fragebogen verschickt. Wir veröffentlichen das Dokument. Die Antworten sollen der EU-Kommission beim Schreiben des Gesetzentwurfs helfen.

Die Fragen weisen weit über die in Deutschland diskutierte Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen bei Internet-Zugangs-Anbietern hinaus. Dänemark fragt, ob die EU auch Dienste-Anbieter wie „Over-the-Top“-Dienste verpflichten soll – also etwa Messenger, Videos und Spiele. Dänemark fragt auch nach Verkehrsdaten und Standortdaten – diese sind hochsensibel.

Darüber hinaus fragt Dänemark die EU-Staaten auch nach anlassbezogener Speicherung mit Quick Freeze, Speicher-Dauer, Zugangsregeln und Straftaten, für die Vorratsdaten genutzt werden sollen.

Messenger und Verschlüsselung

Die Vorratsdatenspeicherung ist nur ein Baustein im größeren Wunsch nach „Zugang zu Daten für eine wirksame Strafverfolgung“. Zu diesem Thema hatte eine einseitige Arbeitsgruppe getagt und Forderungen erstellt. Das Generalsekretariat des Rates hat jetzt einen aktuellen Stand verschickt. Wir veröffentlichen auch dieses Dokument.

Die Sicherheitsbehörden wünschen sich den Zugang zu verschiedenen Daten. An erster Stelle steht auch hier die Vorratsdatenspeicherung von Verbindungsdaten. Daneben wünschen sie eine Kommunikationsüberwachung auch bei „Messaging-Apps wie WhatsApp, Facebook Messenger und WeChat“. Und schließlich fordern sie den Zugang zu verschlüsselten Inhalten, auch bei „Ende-zu-Ende-Verschlüsselung“.

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Die dänische Ratspräsidentschaft ruft die EU-Staaten dazu auf, ihre Forderungen in diese Debatte einzubringen.

Ausweis für Mobilfunk

Die EU-Staaten diskutieren außerdem den Ausweis-Zwang für Mobilfunk-Anschlüsse. Noch 2013 sagte die EU-Kommission, dass „es keine Beweise für die Wirksamkeit dieser Maßnahme für die Strafverfolgung gibt“. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik hat die „Verwendung von Prepaid-Karten zur Anonymisierung“ sogar empfohlen.

Trotzdem hat unter anderem Deutschland 2016 anonyme Prepaid-Karten verboten. Behörden fragen diese Daten jede Sekunde ab.

Staaten wie Polen wünschen sich EU-weite Vorschriften zur Registrierung von SIM-Karten. Anfang des Jahres hat die polnische Polizei einen Vortrag dazu gehalten. Wir veröffentlichen die Präsentation.

Dafür haben sie die Regeln von 37 europäischen Staaten untersucht. 16 Staaten haben eine Registrierungspflicht, darunter Deutschland und Italien. 13 Staaten haben keine Registrierungspflicht, darunter Großbritannien und die Niederlande. Für acht Staaten hat Polen keine Daten gefunden.

Polen schließt daraus, dass es eine EU-weite Registrierungspflicht braucht. Bekämpfen wollen sie damit unter anderem falsche Bomben-Drohungen und Betrug an älteren Menschen. Es ist möglich, dass ein neues EU-Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung auch diese Speicherpflicht enthält.



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Amerikanische Abschiebebehörde will Soziale Medien überwachen



Die US-Polizeibehörde ICE will künftig auch in Sozialen Medien nach Menschen suchen, die sie abschieben kann. Das geht aus einer Suche der US-Regierung nach entsprechender Monitoring-Software hervor. Das neue Programm, über das zuerst das US-Medium WIRED berichtete, soll unterschiedliche Informationsquellen wie etwa Social-Media-Plattformen auswerten.

Die umstrittene Behörde, mit vollem Namen Immigration and Customs Enforcement (ICE), untersteht dem US-Heimatschutzministerium. Sie ist für Grenzschutz, Zollkontrollen und Migration zuständig und setzt den rücksichtslosen Abschiebekurs von US-Präsident Donald Trump um. Anfang Oktober veröffentlichte sie auf einer Regierungswebsite eine sogenannte Request for Information (RFI). Das Dokument ist noch keine Ausschreibung für mögliche Auftragnehmer, sondern dient zunächst der Bestandsaufnahme möglicher Dienstleister und Produkte.

In der RFI werden Soziale Medien ausdrücklich als mögliche Quelle für die zu sammelnden Daten genannt. Die Software soll diese dann mit Daten aus anderen Quellen wie etwa Regierungsdatenbanken zusammenführen und auswerten. So will die Behörde Anhaltspunkte zum Aufenthaltsort von Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung generieren. Unter diese Anhaltspunkte fallen Adressen, Fortbewegungsmittel, Arbeitsplatz, Familie, Freunde, Arbeitskollegen, Änderungen von Telefonnummern, Usernames, Sozialversicherungsnummer und mehr.

Massiver Ausbau

Die Migrationsbehörde steht bereits seit geraumer Zeit in der Kritik, da Beamte bei Einsätzen teils nicht zu identifizieren sind und demokratische Kontrollinstanzen ausgeschaltet werden. US-Präsident Donald Trump baut die Kapazitäten der Behörde immer weiter aus. Erst in diesem Sommer wurde ihr Etat von acht auf 28 Milliarden Dollar erhöht, das Dreifache des FBI-Budgets.

Auch technisch rüstet Trumps Abschiebebehörde massiv auf. Im April gab ICE rund 30 Millionen US-Dollar für eine neue Software von Palantir aus. Das umstrittene Big-Data-Unternehmen soll ICE mit einem System namens „ImmigrationOS“ ausstatten, das Visa-Überzüge trackt und dabei helfen soll, die Abschiebungen von „gewalttätigen Kriminellen“ zu priorisieren.

Vollkommen unklar ist dabei, anhand welcher Kriterien ImmigrationOS gewalttätige Kriminelle erkennen will, kritisiert etwa der American Immigration Counsel. Gleiches gilt auch für geplante Software zum Durchforsten der Sozialen Medien.



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Eine Härte, die nur Schwäche zeigt


Eine Frau, die auf der Ausländerbehörde von vier Polizist*innen erwartet wird. Sie durchsuchen sie und nehmen ihr das Handy ab, das sie in einer Tasche bei sich trägt. Sie weint und fleht, sie beteuert, nichts verbrochen zu haben.

Ein Mann, der beim Amtstermin seine Handys in die Plastikschale an der Sicherheitsschleuse legt. Als er sie zurückfordert, hört er: Seine Geräte würden eingezogen, um darauf nach Hinweisen zu seiner Identität zu suchen. Er schreit, springt auf, zittert.

Solche Szenen sind schwer aus dem Kopf zu bekommen. Sie gehören inzwischen aber offenbar zum Alltag auf deutschen Ausländerbehörden. In ganz Deutschland durchsuchen diese inzwischen die Geräte. Allein in Köln hat das Ausländeramt seit Jahresbeginn 130 „Datenträger“ auf solchen Wegen eingezogen, teilt die Stadt mit.

In den Händen der Behörden nichts verloren

Dass das Aufenthaltsrecht schon seit fast zehn Jahren erlaubt, bei ausreisepflichtigen Menschen ohne Papiere auch deren digitales Leben zu durchsuchen, ist schlimm genug. Auf einem Handy, einem Laptop finden sich intimste Details. Dating-Chats, Krankheitsdiagnosen, die Kommunikation mit der eigenen Anwältin oder dem Therapeuten. All das hat in den Händen von Behörden nichts verloren. Selbst für mutmaßliche Straftäter*innen gilt: Beschlagnahme und Auswertung eines Handys geht nur mit Durchsuchungsbefehl und wenn ein gut begründeter Verdacht vorliegt.

Im Falle von ausreisepflichtigen Menschen ohne gültige Papiere gilt aber schon seit langem: Das Grundrecht auf Privatsphäre ist für sie ausgehebelt. Und es geht nicht nur um Privatsphäre und das Kommunikationsgeheimnis. Das Mobiltelefon ist oft der einzige Kontakt in die alte Heimat, dort stehen alle Adressen und Nummern. Es ist der Zugang zum Bank-Account, enthält alle digitalen Schlüssel. Ohne sein Handy kann man heute fast nichts mehr.

Das Amt kann ganz nach eigenem Ermessen entscheiden, dass dieser Zugang zum digitalen Leben gekappt und durchsucht werden soll – die Anordnung eines Gerichts ist dazu nicht nötig. „Mitwirkungspflicht“ nennt sich das. Das Aufenthaltsrecht macht es möglich.

Jurist*innen warnen seit Jahren vor den Folgen dieser Eingriffe. Die noch dazu weitgehend nutzlos sind, was das erklärte Ziel des Paragrafen angeht: die Identitätsfeststellung. Botschaften, die vorher nicht kooperierten, produzieren nicht plötzlich Ausweispapiere, bloß weil das Ausländeramt mit einer Liste von Anrufen nach Eritrea wedelt oder weil „Mama“ mit einer Nummer in Afghanistan eingespeichert ist. Verändert an der Gesetzeslage haben all diese Warnrufe nichts.

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Überbietungswettbewerb der Härte

Im Gegenteil. Jede Bundesregierung versucht offenbar, die Befugnisse der Ausländerbehörden noch weiter auszudehnen. Statt nur die Daten auf den Handys zu durchsuchen, dürfen Behörden seit vergangenem Jahr auch an die Daten aus der Cloud holen. Und statt die Smartphones und Laptops nach der Durchsuchung zurückzugeben, dürfen sie sie jetzt einfach behalten – „bis zur Ausreise“.

Für die Betroffenen kann das Jahre bedeuten. Abschiebeverfahren ziehen sich oft über lange Zeiträume hin. In manchen Fällen werden die Hürden nie vollständig ausgeräumt. Und dann? Wer garantiert, dass das Amt nicht jedes neue Gerät erneut einzieht?

Es geht längst nicht mehr nur um den Verlust von Daten. Mit diesen Verschärfungen nimmt das Aufenthaltsrecht den Menschen ihr zentralstes Kommunikationsmittel – für unbestimmte Zeit.

Wenn Ausländerbehörden zu Ermittler*innen werden

Was passiert, wenn Verwaltungsbehörden die Befugnisse von Ermittler*innen bekommen? Ein Blick nach Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen oder Hessen zeigt es: Landesregierungen haben ihre Behörden technisch aufgerüstet – mit denselben Geräten und Software, die sonst Polizei und Staatsanwaltschaften zur Strafverfolgung einsetzen.

Dabei geht es nicht um organisierte Kriminalität oder schwere Steuerhinterziehung. Es geht um Menschen, die wegen fehlenden Ausweispapieren nicht aus Deutschland ausreisen können, mehr nicht. Diese Praxis ist kein Versehen und kein Missverständnis. Sie ist politisch gewollte Schikane – ein Signal der Härte, das in Wahrheit Schwäche verrät. Ein Staat, der Geflüchteten die Handys entzieht, um Handlungsfähigkeit zu demonstrieren, zeigt vor allem eines: dass er das Maß längst verloren hat.

Denn solche Maßnahmen schaffen keine Sicherheit und keine Ordnung. Sie zerstören Vertrauen – und gefährden das, was sie eigentlich schützen sollten: die Idee eines Rechtsstaats, der für alle gilt.



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