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Die neue Schriftfamilie der Foundry Underware, ist nicht nur Teil von Microsoft Office, es gibt sie auch in einer dynamischen Variante, bei der der Eindruck entsteht, jemand würde gerade in diesem Moment etwas schreiben.

Schulkinder haben es nicht leicht. Erst werden sie beim Lesenlernen mit geometrischen Serifenlosen gequält, deren Buchstaben sich nicht immer gut unterscheiden lassen. Dann werden sie (und die Eltern) in ihrer Schullaufbahn mit unzähligen Einladungen zu Elternabenden, Sommer- und Sportfesten bombardiert – allesamt in der grässlichen Comic Sans oder einer anderen niedlichen Kinderschrift gesetzt. Nach all den Jahren mit schulpflichtigen Kindern hat sich bei mir ein ziemliches Comic Sans-Aversions-Potential entwickelt.

In den letzten Jahren sind zum Glück in paar Schriften für Kinder auf den Markt gekommen, die es deutlich besser machen. Die Österreichische Schulschrift Prima von Dr. Titus Nemeth und Martin Tiefenthaler etwa oder Playpen Sans von TypeTogether, die sich nicht nur für Lese- und Schreibanfänger eignet, sondern auch für Brandings oder Packagings. Seltsamerweise alles Schriften, an deren Entwicklung Typedesigner beteiligt waren…

In der dynamischen Variante der Kermit sind die Buchstaben genauso konstruiert wie Kinder mit der Hand schreiben lernen – Strich für Strich, im richtigen Rhythmus.

Kürzlich erschien mit der Kermit nun eine richtige tolle Kinderschrift. Sie kommt von der Foundry Underware, das sind Akiem Helmling (Den Haag), Bas Jacobs (Amsterdam) und Sami Kortemäki (Helsinki). Kermit schlägt ein ganz neues Kapitel des Typedesigns auf, denn es gibt die Familie nicht nur in 42 statischen Schnitten, sondern auch in einer dynamischen Variante, bei der der Eindruck entsteht, dass eine reale Person gerade in diesem Moment etwas schreibt. Kurz nach ihrem Erscheinen ist Kermit außerdem bereits ein kommerzieller Erfolg, denn drei Schnitte sind neuerdings Teil von Microsoft Office, die anderen 39 sollen demnächst folgen. Und in den Learning Tools (für Kids) wird dann auch irgendwann die schreibbare Variante eingebaut.

Mit 42 statischen Schnitte ist die Kermit Schriftfamilie sehr gut ausgebaut und für viele Anwendungen denkbar. | Screenshot

Digitalen Text flüssig schreiben

Mit der Frage, wie sich digitaler Text flüssig schreiben lässt, beschäftigt Underware sich schon sehr lange, mit der Schrift Scribo Write brachten die drei Typedesigner dynamische Fonts zur Serienreife. Die Technik basiert auf der Variable Font Technologie. Diese ist nicht nur geeignet, um Fettegrade oder Neigung per Schieberegler zu verändern, auch Farbe, Stil oder sogar die Form eines Buchstabens lassen sich variieren und so die Schrift animieren. »Die Mathematik hinter variablen Schriften, die als lineare Interpolation bezeichnet wird, erschwert allerdings die Animation, da sich die Punkte auf dem Umriss des Buchstabens mit konstanter Geschwindigkeit in einer geraden Linie bewegen müssen. Für eine natürlich wirkende Animation durch Kurven ist eine höhere mathematische Ordnung erforderlich,« so Akiem Helmling.

Als Workaround könnte man Punkte entlang vieler kleiner Linien verschieben, sodass sie ganz natürlich um eine Kurve zu fließen scheinen. Das würde jedoch erfordern, dass Designer Dutzende von Versionen jedes Buchstabens zeichnen – ähnlich wie früher Zeichentrickfilmer. Glücklicherweise hatten die Designer von Kermit eine clevere mathematische Idee: Sie kombinierten unabhängige lineare Teile einer variablen Schriftart, um höhere mathematische Funktionen zu erstellen. Sie nennen dies »Higher Order Interpolation« oder kurz HOI – was in den Niederlanden, wo Underware seinen Sitz hat, lustigerweise Hallo bedeutet. HOI ermöglichte es den Designern, flüssige Animationen zu erstellen, so wirkt Kermits Animation, als würde sie ganz natürlich mit einem Stift gezeichnet.

Die anatomischen Illustrationen der Kermit lassen die Komplexität hinter den Buchstaben erahnen. | Screenshot

Wie Kermit das Lesen & Schreiben vereinfachen soll

Underware entwickelte die Schriftfamilie Kermit anlässlich des 50-jährigen Bestehens von Microsoft. Der spielerische und freundliche Font verfolgt ein klares Ziel: Lesen und Schreiben für Kinder einfacher, unterhaltsamer und attraktiver zu machen. Zum einen durch klare Formen und exzellentes Typo-Handwerk, zum anderen durch die schreibbare Variante, in der die Buchstaben genauso konstruiert sind, wie Kinder mit der Hand schreiben lernen – Strich für Strich, im richtigen Rhythmus. Leseanfänger, aber auch Kinder zum Beispiel mit Legasthenie erleben so nicht nur das Endergebnis, sondern ebenfalls den Prozess des Schreibens. Das hilft ihnen, ein Verständnis für die Buchstaben zu bekommen und Wörter leichter zu erkennen.

Das gedruckte Heft »Time to play« ist nicht nur für Kinder, es ist auch ein  Reflexion über den aktuellen Stand der Typografie – und natürlich ein Schriftmuster der Kermit. Für 25 Euro kann man es es bei idea books bestellen. | Credit: jhoeko Bild: jhoeko

Dafür eignet sich »Kermit«

Die schreibbare Version kann man online benutzen, entweder man wählt die Variable Font based Variante oder die HOIVG Variante (Higher Order Interpolatable Vector Graphics). »HOIVG ist Javascriop based, und hat gegenüber der Variable Font basierten Lösung den Vorteil, das sie viel schneller lädt, und mehr Möglichkeiten bietet«, erklärt Akiem Helmling. »Es geht hier nur um wenige Millisekunden, aber beim initial load einer Website zählt ja bekanntlich jede Millisekunde.«

Kermit ist für Kinder gemacht, was aber nicht bedeutet, dass man sie nicht auch für alle möglichen anderen Zwecke einsetzen kann, Branding, Packaging, Editorial Design… Zumal sie mit sieben Strichstärken von Thin bis Extrabold sowie einer normalen, einer Condensed und einer Expanded Variante ausgezeichnet ausgebaut ist. Wer nicht warten will, bis Microsoft alle Schnitte in Office integriert (oder kein Office Abo hat), kann Kermit auch ganz normal bei Underware lizensieren. An die Foundry wenden muss sich ohnehin, wer sich für die dynamische Variante interessiert.

Der Charakter der Kermit ist freundlich und warm und sie ist sehr gut lesbar. Das kommt Kindern zugute, aber auch Brandings, Packagings oder Editorial Designs. | Screenshot

Und wer sich Kermit erstmal genauer anschauen und etwas schreiben möchte, kann das auf Kermit-font.com tun. Demnächst will Underware Kermit in seine Scriobmat Website einbauen. Dort kann man Text in verschiedenen Underware Schriften eingeben, zwischen fünf Schreibgeschwindigkeiten wählen und das Ganze in verschiedenen Animationsformaten downloaden.

Wie toll, wenn demnächst auf Websites oder in Social Media Kampagnen der Claim wie von menschlicher Zauberhand geschrieben wird – als Schrift mit all ihren Vorteilen wie etwa Unicode-Unterstützung, flüssiger Bildrate und scharfen Outlines.

Wäre schon cool, wenn künftig alle Schriften dynamisch daherkommen würden und sich Text stets on the fly schreiben ließe. | Screenshot



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