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Lebenswelten als Leitbild: Warum wir die Zielgruppe 50+ neu denken sollten


Die Fixierung der Werbebranche auf junge Zielgruppen ist seit Jahren ein Thema. In seinem Gastbeitrag räumt Carsten Dorn, Geschäftsführer der Score Media Group mit den Vorurteilen gegenüber älteren Konsumentinnen und Konsumenten auf und erklärt, warum man die Zielgruppe 50+ neu denken sollte. 

Wer heute 50 ist, fühlt sich wie 40. Wer 60 ist, wie 50, aber auch: Wer 75 ist, wie 60. Im Schnitt liegt das subjektive Alter 11,5 Prozent unter dem biologischen. Das ist nicht nur gefühlt so, sondern wissenschaftlich belegt. Ein Forschungsteam hat dazu anhand von Daten des Deutschen Alterssurveys zwischen 1996 und 2020 knapp 15.000 Erwachsene ab 40 Jahren mehrfach auf die Frage nach ihrem subjektiven Alter befragt. Laut der Studie nimmt die „subjektive Verjüngung“ in jedem Jahrzehnt um 1,6 Prozent weiter zu – ein Effekt, der die Realität im Marketing längst überholt hat. 

Die Werbewelt fokussiert sich unverdrossen auf die Gen Z, Gen Y, Millennials etc. Also auf eine quantitative Minderheit (schon heute sind 51 Prozent der Menschen in Deutschland über 50 Jahre alt!), die kurzlebige Trends treibt und dann schnell fallen lässt (z.B. Dubai-Schokolade) und ein unstetes Konsum- und Medienverhalten pflegt (Stichwort Social Butterflies: gestern Facebook, Snapchat, Pinterest, heute Insta und TikTok, morgen?). Zugegeben, auch das sind verkürzte Klischees. 

Ich will hier aber nicht „die Jungen“ bashen und „die Alten“ auf den Thron heben. Mir geht es um mehr Realität in der Werbung, in der noch das Dogma der 14- bis 49-Jährigen als „werberelevante Zielgruppe“ regiert. Dieses Relikt aus Zeiten des linearen (!) Fernsehens hat spätestens im demografischen Heute ausgedient. Ebenso wie die Darstellung von älteren Zielgruppen: betulich, gebrechlich, farblos. Entweder der Opa im Treppenlift oder die Oma auf dem Skateboard. Beide Bilder verfehlen die Wirklichkeit. Und die Zielgruppe. 

Doch wie trifft man den Sound der Zielgruppe? Dazu sind wir dem erwähnten Phänomen der subjektiven Verjüngung auf den Grund gegangen. Auf Basis Deutschlands umfassendster Markt-Media-Studie best for planning (b4p) haben wir anhand ausgewählter Items Mindset und Lebenswelten der heute 50- bis 69-Jährigen (b4p 2024mit dem Mindset und den Lebenswelten der 50- bis 69-Jährigen von vor zwölf Jahren (b4p 2013) verglichen und gegenübergestellt. Anders formuliert: Wir wollten wissen: Wie fühlen und agieren die 50- bis 69-Jährigen heute und wie haben die Menschen, die im Jahr 2013 dieser Altersgruppe angehörten, empfunden und gelebt. Auch diese Ergebnisse belegen: Es ist Zeit mit alten Bildern, Klischees und alten Marketingansätzen aufzuräumen. So wie sich Autos in den letzten Jahren (fort-)entwickelt haben und heute anders aussehen, ist es eben auch bei den Menschen (zugegeben, nicht der schönste Vergleich, aber bildhaft). 

Irrtum 1: Die Älteren sind zufrieden, saturiert und haben keine Wünsche und Pläne

Das Credo lautet vielmehr „die besten Kapitel werden noch geschrieben“, wie der Blick auf das Mindset der 50+ zeigt. Laut b4p-Analyse aus 2024 haben 55 Prozent der 50- bis 69-Jährigen ehrgeizige Ziele und Pläne – 11 Prozent mehr als noch 2013. Das spiegelt sich in konkreten Konsumabsichten wider: Knapp 70 Prozent (16,19 Mio.) wollen auf Reisen gehen, ganze 16,7 Prozent (3,93 Mio.) planen den Kauf eines PKWs und 7,8 Prozent (1,85 Mio.) die Anschaffung eines E-Bikes, um nur ein paar wenige Beispiele für die Investitionsfreude herauszugreifen. Selbst der Anteil der „Risikobereiten“ stieg bei den Älteren um 29 Prozent deutlich an. Die Bereitschaft neue Dinge auszuprobieren und zu erleben, wächst also. Wer hier noch von „saturierter Best-Ager-Gemütlichkeit“ spricht, hat den Anschluss verpasst. Boomer sind außerdem die treibende Kraft im Massenmarkt Gesundheit und Nachhaltigkeit. Laut dem YouGov-Whitepaper „Generation Silber“ vom März 2025 sind 56 Prozent der „Eco Actives“, also derjenigen, die umweltbewusst denken und handeln älter als 56 Jahre. 

Wer immer noch von ’saturierter Best-Ager-Gemütlichkeit‘ spricht, hat den Anschluss verpasst.

Carsten Dorn, Score Media

Irrtum 2: 50+ sind Couch Potatoes 

Auch körperlich ist die Generation in Bewegung: Die Zahl der 50- bis 69-Jährigen, die joggen, ist seit 2013 um 82 Prozent auf 5,12 Millionen Menschen gestiegen. Ins Fitnessstudio gehen 61 Prozent mehr (2,6 Mio.) und die Zahl der 50- bis 69-Jährigen, die Radfahren oder Mountainbiken, ist um 48 Prozent auf insgesamt 9,1 Millionen Personen angewachsen. Müßig zu erwähnen, dass die Silver Society auch digitaler als ihr Ruf ist – Surfen im Netz ist längst Alltag. Dennoch hält sich in Köpfen von Werbungtreibenden und Mediaverantwortlichen in Agenturen das alte Denkmuster: Klassische Medien sind für Alte, soziale Plattformen für Junge. Dabei konsumieren beide Gruppen medienübergreifend – nur die Ansprache muss passen. 

Irrtum 3: Die Älteren sind kostenloser Werbebeifang

Womit wir beim nächsten Kritikpunkt wären: „Ältere müssen in der Werbung nicht separat angesprochen werden, denn sie gehen als Beifang sowieso kostenlos mit ins Netz“, hört man häufiger von Marketeers. Entsprechend dieser Geringschätzung schwankt die Darstellung der „Alten“ zwischen Stereotypen und Unsichtbarkeit. Die Folge: Mehr als jede*r Dritte der über 60-Jährigen identifiziert sich laut der Studie „Old Kids on the Block“ von OMD Germany häufig nicht mit aktuellen Werbeinhalten. Knapp 60 Prozent wünschen sich von Marken eine Kommunikation, die auf sie eingeht und Menschen jeden Alters anspricht – und entsprechend niemanden ausgrenzt. Dazu passt auch die Erkenntnis der YouGov-Studie, dass Marken mit einer hohen Altersdiversität im Kundenstamm allein schon durch die breitere Kundenbasis (also der puren Masse wegen) ein höheres Wachstum generieren, als Marken mit einem jungen PublikumWer also nur auf TikTok die Puppen tanzen lässt, lässt bares Potenzial liegen.

Wir müssen die Zielgruppe neu denken! 

Die Generation 50+ ist weder homogen noch abgeschlossen. Sie ist neugierig, offen für Innovationen, markenaffin – aber anspruchsvoll. Sie liebt Qualität, sucht Vertrauen, erwartet Relevanz. Sie will nicht „jung gemacht“ werden, sondern auf Augenhöhe angesprochen. Nicht als Ausnahme, sondern als selbstverständlicher Teil der Konsumrealität. 

Was jetzt gebraucht wird? Keine Alibi-Spots, sondern echte Zielgruppenarbeit. Keine Altersgrenzen in Mediaplänen, sondern Lebenswelten als Leitbild. Kein Jugendkult als Selbstzweck, sondern Markenarbeit mit Relevanz. Wer die Mehrheit ignoriert, bleibt eben Minderheit im Markt. 

Die Silver Society, Best Ager, graue Panter, Silberrücken oder wie man die Zielgruppe auch immer nennen möchte sind keine „Restgröße“ – sie sind der Kern des Marktes von morgen. Zeit, die Zielgruppe als das zu sehen, was sie ist: werberelevant, wirtschaftsstark, konsumkräftig.



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