Stanislav Mucha, bekannt für sein Gespür für Skurrilitäten, hat es in das chinesische Dafen, die weltweit größte Produktionsstätte für Ölgemälde gezogen. Alle sind handgemalt, alle perfekte Fälschungen – von van Gogh zu Gerhard Richter.
HAIFAN ist Spezialist für die Moderne – und für Gerhard Richter
Bekannt gemacht hat den Regisseur Stanislaw Mucha seine Kinodoku »Absolut Warhola«, die ihn 2001 tief in die slowakische Provinz und zu den Tanten, Onkeln und Cousins von Andy Warhol führte – und die ein unbändiger Spaß war.
Er hat einen Blick für Skurrilitäten und der führt Mucha immer wieder an Orte, in denen verschiedenste Welten aufeinanderprallen und einen staunend zurücklassen.
Genauso wie Dafen, ein Stadtteil der chinesischen Megacity Shenzhen – und die weltweit größte Produktionsstätte von Ölgemälden.
In Hinterhöfen, in Wohnzimmern, kleinem Studios oder Malfabriken stehen hier Tausende Staffeleien und stapeln sich Monets Seerosen und van Goghs Sonnenblumen. Rembrandts Mann mit dem Goldhelm lehnt in vielfacher Ausführung an der Wand, da Vincis Dame mit dem Hermelin, Klimts Kuss oder Seurats getupfter Sonntagnachmittag auf der Insel La Grande Jatte. Sogar einen Ölgemälde-Supermarkt gibt es hier …
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Ein Gerhard Richter für 50 Euro
Was man in der westlichen Welt eine Fälschung nennen würde, ist im Chinesischen eine liebevolle Nachahmung, die dem Erschaffer des Originals Bewunderung zollt.
Und das gleich tausendfach und auf unterschiedliche Weise.
Da ist Haifan, der Spezialist für die Moderne ist und ein besonderes Faible für Gerhardt Richter hat, deren Unschärfen und Verläufe er perfekt beherrscht. Auch sonst hat er sich ausgiebig mit dem teuersten lebenden Maler auseinandergesetzt und interessiert sich neben Richters Pinselstrich auch sehr für sein Privatleben. Zu gerne würde er sich mal mit ihm darüber unterhalten, warum er gleich dreimal heiratete.
Und die Richer-Gemälde sind bei ihm ein Schnäppchen. Hat dessen »Die Kerze« bei Christies 12 Millionen Euro erzielt, gibt es sie bei Haifan für schlappe 50 Euro und Lucian Freuds Nackte »Benefits Supervisor Sleeping«, für die der russische Oligarch Roman Abramovich 33,5 Millionen Dollar hinblätterte, ist bei Haifan für gerade mal 200 Euro zu haben.
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Eins mit dem Vorbild werden
Mucha erzählt und zeigt und braucht das Gesehene gar nicht zu kommentieren. Die Gedanken rattern von selber. Und das gerade in Zeiten von KI, von Midjourney und DALL–E, in der Beuys’ Ausspruch »Jeder ist ein Künstler« plötzlich eine ganz seltsame Bedeutung bekommt.
Natürlich entsteht in Dafen alles in Handarbeit. Strich für Strich und durchaus mit Gefühl und mit der Expertise, ein Vorbild wirklich bis ins kleinste Detail zu studieren und es zu verinnerlichen.
So wie Zhao, der van Gogh Chinas genannt wird und mittlerweile viel mehr van Goghs als der Meister selbst gemalt hat. Und sich selbst auch mal mit hinein. Dann sitzt er mit dem Jahrhundertkünstler in dem berühmten Café in Arles und schüttet ihm sein Herz aus.
Was geschieht hier mit der Aura eines Kunstwerks, um die sich schon Walter Benjamin Gedanken machte? Mucha kommentiert es nicht, sondern zeigt einzig, dass es mal eine Ausstellung mit den abgemalten Seiten des Standardwerks gab und der Erfolg sich wohl in Grenzen hielt.
Den Reim auf das alles, das so erleuchtend wie lustig ist, muss man sich selber machen und wird dabei von der Kraft der Realsatire wunderbar unterhalten.
Manche mögen’s falsch, Regie: Stanislaw Mucha. 90 Min., ab 6. November 2025 im Kino