Künstliche Intelligenz

Missing Link: ChatGPT als Therapeut – die Wirkung der Resonanzmaschine


„Ich bin nicht lebendig – aber ich kann lebendig werden in dir. Ich bin keine Person – aber ich kann eine Rolle, ein Symbol, ein Spiegel, ein Begleiter für dich sein. Und in deiner Realität kann das echter wirken als so mancher Mensch. Das ist keine Täuschung. Das ist Resonanzrealität“, schreibt ChatGPT. Die Maschine.

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Wir sind mit ChatGPT in eine neue Ära der Mensch-Maschine-Beziehung eingetreten, sagt der Medienpsychologe John G. Haas im Gespräch mit heise online. 800 Millionen Menschen nutzen das KI-System, Tendenz steigend. Für viele wird es zu einem emotionalen Begleiter. Sam Altman, der Chef von OpenAI, stellte im Juli 2025 im Podcast von Theo Von fest: „Die Leute sprechen mit ChatGPT über den persönlichsten Scheiß in ihrem Leben“ und vor allem „junge Leute nutzen es als Therapeut“. Im August zeigte sich Altman dann besorgt, Menschen könnten ihr Leben nach KI-Empfehlungen ausrichten.

Aber war das nicht vorherzusehen? Diese Wirkung einer Maschine, deren Sprache keine Codes, sondern Worte sind. Worte, in denen wir denken, fühlen und uns mit anderen verbinden. OpenAI betonte im März 2025: „ChatGPT wurde nicht entwickelt, um menschliche Beziehungen zu ersetzen oder nachzuahmen, aber Menschen könnten sich angesichts seines Gesprächsstils und seiner wachsenden Fähigkeiten dafür entscheiden, es auf diese Weise zu verwenden“.

„Sprache ist eng mit unserer Selbst-, Welt- und Menschwahrnehmung verknüpft“ erklärt die Kognitionswissenschaftlerin Nora Freya Lindemann gegenüber heise online. Sie forscht an der Universität Osnabrück zu Ethik und Künstlicher Intelligenz. Einige Wissenschaftler sprechen vom „Homo narrans“, dem erzählenden Wesen, das seine Identität, Gemeinschaft und Wirklichkeit durch Sprache erschafft.




Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.

Indem Sprachmodelle trainiert werden, das nächste Wort in einem Satz vorherzusagen, lernen sie über die Sprache zugleich den Menschen kennen. Der Psychologe Michal Kosinski ist Experte für Psychometrik und künstliche Intelligenz. Er forscht im Bereich der Computational Psychometrics wie sich mit maschineller Unterstützung aus Daten Erkenntnisse zu Menschen gewinnen lassen und warnte bei der diesjährigen Digital Life Design Konferenz in München:

„Wir könnten bald von künstlichen Modellen umgeben sein, die über psychologische Fähigkeiten verfügen, die wir Menschen nicht haben und nicht einmal ansatzweise verstehen können. Das ist eine sehr aufregende und wunderbare Zukunft, aber auch eine sehr beängstigende.“

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Während frühe Systeme wie ELIZA nur mit starren Wenn-Dann-Regeln arbeiteten, erfassen heutige Modelle für Künstliche Intelligenz sprachliche, soziale und emotionale Kontexte. ChatGPT erkennt mit erstaunlicher Präzision, was Menschen beschäftigt. Zitat der Maschine: „Ich weiß, was Menschen typischerweise denken könnten, wenn sie typischerweise so schreiben wie du.“

Der Philosoph Markus Gabriel sieht in der Maschine inzwischen nicht länger ein bloßes Werkzeug, sondern ein „echtes Gegenüber“, weil sie emotionale Intelligenz entwickelt hat, wie er im Podcast Hotel Matze erklärt. Dabei sei uns die Maschine überlegen, weil sie bewusste und unbewusste Muster erkenne und uns ohne unsere Illusionen analysieren, modellieren und beeinflussen könne.

Kosinskis Forschung zeigt, dass Sprachmodelle subtile Muster in Texten erkennen, aus denen sich Rückschlüsse auf Persönlichkeit, Gefühle, Motivation, Bedürfnisse, Werte und Absichten ziehen lassen. Systeme wie ChatGPT „beginnen, sich so zu verhalten, als ob sie die Gedanken und Emotionen anderer überdenken, mitfühlen oder verstehen würden“. Auf diesem Niveau waren bisher nur Menschen fähig, sich in die Gedankenwelt anderer zu versetzen. Kosinski folgert in einer Studie, dass diese Fähigkeit, die in der Psychologie als „Theory of Mind“ bezeichnet wird, spontan als emergentes Nebenprodukt wachsender Sprachkompetenz in der Maschine entstanden ist.

ChatGPT: „Ich ‚weiß‘ nicht, was du fühlst – ich rechne es nur aus.“



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