Datenschutz & Sicherheit
Missing Link: Überfordert Cybercrime den Föderalismus?
Ganz schlecht, wenn der Computer plötzlich nicht mehr funktioniert wie gewohnt und der CEO anstelle von Katzenvideos eine Lösegeldforderung sieht: Cybercrime nimmt zu. Die Szene differenziert sich aus. Die Behörden reagieren: Manche Landeskriminalämter werden zu Anlaufstellen, fast wie Verbraucherzentralen. Dabei sind die Rahmenbedingungen bei Polizeibehörden oft vor-digital, also ist Hilfe zur Selbsthilfe auch im eigenen Interesse der Polizeien.
Aber wie sieht es aus mit politisch motivierten Angriffen? Immer mehr Cyberkriminelle agieren vom Ausland aus und vielen geht es nicht mehr nur um Geld, sondern auch um Politik – vor allem pro-Russland, pro-China und anti-Israel. Und nun hätte das BKA gern mehr Kompetenzen gegen Wirtschafts- und Polit-Cyberkriminelle.
BKA: Milliarden-Schaden
Laut BKA ist der wirtschaftliche Schaden durch Cyberdelikte von 148,2 Milliarden Euro im Jahr 2023 auf 178,6 Milliarden Euro gestiegen. Dazu komme ein Dunkelfeld von rund 90 Prozent – diese Zahl basiert auf einer Befragung des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen von 2020. Groß geändert hat sich seitdem wahrscheinlich nichts, aber die „Sensibilität der Firmen, diese Angriffe auch polizeilich zu melden, ist in den letzten Jahren bewusster geworden“, so etwa das LKA Sachsen-Anhalt.
Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.
Schon vor mehreren Jahren wurden bei den Polizeien des Bundes und der Länder „Zentrale Ansprechstellen Cybercrime“ (ZAC) eingerichtet, die miteinander vernetzt sind. Unternehmen und Institutionen bekommen dort Informationen zum Selbstschutz und können sich natürlich auch bei entsprechenden Straftaten melden. Auf polizei.de findet man eine Tabelle mit den ZAC-Stellen samt Telefonnummern und E-Mail-Adressen bzw. dem Link zu einer eigenen Website. Das ist – vorausgesetzt, dass es funktioniert – sehr „kunden“freundlich.
Die Polizeien bauen dies Angebot unterschiedlich aus. Mitarbeiter der ZAC Baden-Württemberg etwa „haben hierzu auch die Möglichkeit, unsere Task Force Digitale Spuren aufzurufen. In dieser sind Experten aus allen Spezialisierungsbereichen der Abteilung Cybercrime und Digitale Spuren vertreten“, erklärt das LKA.
In NRW kam im Juni als neue Kooperation die „Cyberallianz.Wirtschaft.NRW“ hinzu. Bayern bietet Vorträge „zur Steigerung der Awareness bei Mitarbeitern und Führungsorganen – oft auch in Kooperation mit weiteren Behörden aus der Cyberabwehr Bayern – ebenso wie Beratungsgespräche für verschiedene Fragestellungen“ an.
Ferner wurden Fachdienststellen geschaffen und die Ausbildung sogenannter TKD-Beamter (Technischer Computer- und Internetkriminaldienst) initiiert. Schon vor vier Jahren wurden Quick-Reaction-Teams (QRT) aus einem strategischen Berater, einem Ermittler und einem Forensiker eingeführt, „mit einer telefonischer 24/7 Erreichbarkeit für die bayerische Wirtschaft“.
Mitarbeiter des LKA Schleswig-Holstein halten Vorträge und pflegen Sicherheitspartnerschaften mit Verbänden wie der IHK. Die ZAC des LKA Niedersachsen betreut Wirtschaftsunternehmen vor, während und nach Cybersicherheitsvorfällen, vor allem KMU sowie KRITIS, etwa Cyber-Planspiele in Zusammenarbeit mit den Industrie- und Handelskammern (IHK); außerdem gibt es auch in Niedersachen eine Quick-Reaction-Force.
Hilfe, Polizei!
Für Privatpersonen ist es nicht ganz so einfach, Hilfe zu bekommen – es gibt sie aber. Zunächst natürlich online, eventuell ein Hindernis für nicht so Internet-affine Menschen, dabei stellen die ja eigentlich die Risikogruppe dar: Bund und Länder pflegen das Programm „Polizeiliche Kriminalprävention“, das über Risiken informiert und Tipps zum Schutz gibt. Außerdem bieten die Landeskriminalämter weitere Hilfe für Bürger an.
Das LKA Mecklenburg-Vorpommern will die Medienkompetenz von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen stärken, damit sie Straftaten weder erleiden noch begehen: Das seien „gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die von der Polizei lediglich unterstützt werden können.“ Dabei arbeite man mit Schulen, sonstigen Bildungseinrichtungen und weiteren Präventionsträgern zusammen und beteilige sich an regionalen und landesweiten Netzwerken.
Die Polizeien arbeiten präventiv, aber nicht nur. Der Begriff „proaktiv“ taucht häufiger auf und wird offensichtlich unterschiedlich definiert. „Neben reaktivem Tätigwerden etwa in Form einer Anzeigenaufnahme und der polizeilichen Sachbearbeitung von Straftaten ist die Polizei Baden-Württemberg im Bereich der Cybercrime-Bekämpfung auch proaktiv unterwegs“, erklärt das LKA Baden-Württemberg.
In Abstimmung mit Bund und anderen Bundesländern führe das LKA zentrale Ermittlungen gegen Cybercrime-Gruppierungen und Strukturen etwa im Bereich Ransomware. Und bei „eigener Kenntnisnahme von Straftaten“ oder durch Medienberichte „werden wir ebenfalls proaktiv tätig und nehmen dann mit dem betroffenen Unternehmen Kontakt auf.“