Datenschutz & Sicherheit
Mitarbeiter des deutsch-vietnamesischen Exilmediums Thoibao in Haft
Der in Berlin lebende Journalist Trung Khoa Lê und sein Mitarbeiter Đỗ Văn Ngà sind in Vietnam wegen staatsfeindlicher Propaganda angeklagt worden. Am Montag teilte das Ministerium für öffentliche Sicherheit mit, es habe Ermittlungen aufgenommen wegen des Verdachts der „Herstellung, Speicherung, Verbreitung oder Weitergabe von Informationen, Dokumenten oder Gegenständen gegen die Sozialistische Republik Vietnam“. Lê betreibt von Berlin aus das vietnamesischsprachige Nachrichtenportal thoibao.de („Die Zeit“). Er hat aus vietnamesischen Staatsmedien von den Ermittlungen erfahren.
Die Ermittlungsbehörde des Ministeriums hat gegen beide Journalisten einen vorläufigen Haftbefehl erlassen. Während sich Lê in Deutschland aufhält und vor einer Überstellung nach Vietnam vorerst sicher ist, befindet sich sein freier Mitarbeiter Đỗ Văn Ngà bereits in Haft.
Laut Lê sei Đỗ Văn Ngà am 8. November aus Thailand nach Vietnam geflogen, um seinen Reisepass zu verlängern. Zuvor hat der 48-jährige im thailändischen Exil für Thoibao gearbeitet und unter Pseudonym geschrieben. Der Journalist sei aufgrund seiner Kontakte in die vietnamesische Politik und Zivilgesellschaft unentbehrlich für die Redaktion.
„Ich fordere die Bundesregierung auf, sich für die Freilassung des Journalisten Đỗ Văn Ngà einzusetzen“, sagt Lê. Er befürchtet, dass sein freier Mitarbeiter zu 10 bis 12 Jahren Gefängnis verurteilt werden könnte. Dem Chefredakteur zufolge haben vietnamesische Agenten den Computer und das Mobiltelefon des Journalisten in Thailand beschlagnahmt, bevor das Ministerium am Montag die Anklage öffentlich bekannt gab.
„Staatsfeindliche Aktivitäten“
Mit dem Artikel 117, der „staatsfeindliche Aktivitäten“ unter Strafe stellt, hat das Regime bereits in der Vergangenheit Journalist*innen, Aktivist*innen sowie Nutzende von Sozialen Medien verfolgt, die von der offiziellen Linie abweichen. Im Jahr 2022 hatten zivilgesellschaftliche Organisationen in einer Petition gefordert, dieses und zwei andere umstrittene Gesetze, mit denen politische Dissident*innen verfolgt werden, abzuschaffen.
Die Anklage und das noch zu fällende Urteil werde die Regierung dazu nutzen, um eine Fahndungsanzeige an Interpol zu übermitteln und seine Bewegungsfreiheit einzuschränken, vermutet Lê.
Wegen seiner kritischen Berichterstattung gilt er im Einparteiensystem Vietnams als Staatsfeind. In Berlin steht er unter dem Schutz des Landeskriminalamtes, nachdem er Morddrohungen von mutmaßlichen Anhänger*innen des Regimes erhalten hat.
Jahrelange Repressionen
Lê kämpft seit Jahren gegen Zensur und Angriffe auf sein Exilmedium Thoibao. Zuletzt hat ihn Vietnams größter privater Konzern VinGroup vor ein Berliner Gericht gebracht. Der Konzern hat Lê und 67 weitere auf Vietnamesisch publizierende Journalist*innen und Blogger*innen in und außerhalb Vietnams abgemahnt, Falschinformationen über die Unternehmensgruppe und und deren Gründer, den Milliardär Phạm Nhật Vượng, zu verbreiten.
Auch Facebook löscht Posts und Konten der Redaktion, wodurch die Einnahmen über Werbung stark eingebrochen sind. Facebook ist Thoibaos wichtigste Einnahmequelle und zugleich die wichtigste Informationsquelle in Vietnam, wo offizielle Medien aufgrund der staatlichen Zensur als wenig glaubwürdig gelten.
Thoibao berichtet seit 2008 zu politischen Entwicklungen in Vietnam und weltweit und versteht sich als Gegenöffentlichkeit zu ebendiesen zensierten Medien. Die Redaktion hat 20 Mitarbeitende und erreicht mit thoibao.de 20 Millionen Zugriffe pro Monat, davon 95 Prozent aus Vietnam. Seitdem die Trump-Administration vietnamesischsprachige Medienangebote der Sender Voice of Amerika und Radio Free Asia eingestellt hat, nimmt die Leser*innenschaft rasant zu.
In der Rangliste der Pressefreiheit, die Reporter ohne Grenzen jährlich veröffentlicht, steht Vietnam auf Platz 173 von 180 Staaten weltweit.