„netzpolitik.org war in diesem Jahr unverzichtbar“
Nachdem wir uns bereits im vergangenen Jahr über die Auszeichnung unserer Chefredaktion durch das medium magazin freuen durften, war unsere Überraschung umso größer: Erneut werden Anna Biselli und Daniel Leisegang mit dem dritten Platz in der Kategorie „Chefredaktion national“ bei der Wahl zu den „Journalistinnen und Journalisten des Jahres“ geehrt.
2024 hob die Jury hervor, wie netzpolitik.org „komplexe Recherche auf den Punkt“ bringt. Dieses Jahr stand für die unabhängigen Juror:innen offenbar unsere Rolle in den aktuellen Debatten im Mittelpunkt:
Netzpolitik.org war in diesem Jahr voller Debatten über Überwachung, Datenzugriffe und Bürgerrechte unverzichtbar – gerade weil dieses Wissen in vielen Redaktionen fehlt. Auch in eigener Sache geht das Chefredaktions-Duo voran, modernisiert klug Schritt für Schritt den Auftritt des Portals. So bleibt die Redaktion eine verlässliche, unabhängige Stimme für Datenschutz und digitale Freiheitsrechte.
Danke für die Anerkennung und die lobenden Worte, sowohl für unsere Chefredaktion als auch für die Arbeit und Kompetenz des gesamten Teams!
Eine feste Größe in der Branche
Das medium magazin ist eine Fachzeitschrift für Journalist:innen und mit seinem Erscheinen ab dem Jahr 1986 eine feste Größe in der Branche. Seit 2004 vergibt das Medium die undotierte Auszeichnung „Journalistinnen und Journalisten des Jahres“ in mehreren Kategorien.
In der Kategorie „Journalistinnen des Jahres“ zeichnete das medium magazin unter anderem Isabell Beer und Isabel Ströh für ihre Recherchen zu Vergewaltigungsnetzwerken aus, die sie in mehreren Dokumentationen veröffentlichten.
Den Ehrenpreis für ihr Lebenswerk erhielt Cathrin Kahlweit, die seit vielen Jahren herausragende Reportagen aus dem In- und Ausland veröffentlicht.
Alle gekürten Journalist:innen sind in der aktuellen Ausgabe des Magazins und später auch auf der Website zu finden. Die Jury setzt sich aus mehr als 100 Fachleuten zusammen.
Neben der Auszeichnung des medium magazins erhielt das Team von netzpolitik.org in diesem Jahr noch weitere Preise: Die Recherchen zu den Databroker Files gemeinsam mit dem BR gewannen den „Innovation Award 2025“ beim European Press Prize und wurden als bester interaktiver Online-Beitrag mit dem Datenschutz-Medienpreis (DAME) gekürt. Die Folge „Link-Extremismus“ unserer Podcast-Feature-Staffel „Systemeinstellungen“ zeichnete der Bayerische Journalistenverband mit dem „Rainer-Reichert-Preis zum Tag der Pressefreiheit“ aus. Vielen Dank für all diese Anerkennung unserer Arbeit!
It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.
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Die Entwickler von Foxit PDF haben neue Versionen des Editors und des Readers sowohl für macOS als auch für Windows herausgegeben. Sie schließen eine größere Zahl an Sicherheitslücken, von denen einige sogar die Risikoeinstufung „kritisch“ nur um Haaresbreite verfehlen.
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Auf der Foxit-Webseite mit Sicherheitsmitteilungen kündigen die Entwickler die aktualisierten Softwarepakete an. Eine der schwerwiegendsten Schwachstellen betrifft die Windows-Version, wenn sie aus dem Microsoft Store installiert wurde. Angreifer mit niedrigen Berechtigungen können dem Installer Code unterschieben, da der „msiexec.exe“ aus dem aktuellen Pfad aufruft anstatt aus dem vertrauenswürdigen Systempfad (CVE-2025-57779, CVSS 8.8, Risiko „hoch“). Auch im Updater für die Windows-Version (ohne die Einschränkung auf den MS-Store-Bezug) können lokale Angreifer ihre Rechte zu „SYSTEM“ ausweiten, da bei der Plug-in-Installation falsche Dateisystemberechtigungen für Ressourcen vergeben werden, die der Updater nutzt (CVE-2025-13941, CVSS 8.8, Risiko „hoch“).
Weitere Sicherheitslücken in allen Versionen
Auch die Mac-Versionen sind von weiteren „Use-after-free“-Schwachstellen . Die können Angreifer zum Einschleusen von Schadcode mit manipulierten PDF-Dateien missbrauchen – betCVE-2025-58085, CVE-2025-59488, CVE-2025-66493, CVE-2025-66494 und CVE-2025-66495 erhalten alle eine Risikoeinstufung „hoch“ mit einem CVSS-Wert 7.8. Hierbei greift der Programmcode auf Ressourcen zu, die zuvor bereits freigegeben wurden und daher einen undefinierten Inhalt haben. Ein Heap-basierter Pufferüberlauf kann zudem bei der Verarbeitung von JBIG2-Daten in PDFs auftreten und dabei eingeschleuster Code zur Ausführung gelangen (CVE-2025-66499, CVSS 7.8, Risiko „hoch“). Drei weitere Lücken (CVE-2025-66496, CVE-2025-66497 und CVE-2025-66498) stufen die Entwickler mit CVSS 5.3 nur als „mittleres“ Risiko ein.
Die Schwachstellen bessern die jetzt verfügbaren Versionen Foxit PDF Reader 2025.3 sowie PDF Editor 2025.3, 14.0.2 und 13.2.2 für macOS und Windows aus. Betroffene können sie von der Download-Seite bei Foxit herunterladen. Lokal lässt sich das Update durch Klick auf „Hilfe“ – „Über Foxit PDF [Editor|Reader]“ – „Auf Update prüfen“ suchen und anwenden.
Zuletzt hatte Foxit im August mit Softwareupdates Sicherheitslücken in den PDF-Programmen geschlossen. Auch da galten einige Lücken als „hohes“ Risiko. Sie erlaubten Angreifern unter anderem das Einschleusen und Ausführen von Schadcode.
Die Angebote für solche Informationen kommen von Databrokern und darauf spezialisierten Dienstleistern. Gesammelt werden die Daten angeblich nur zu Werbezwecken, doch auch staatliche Stellen können beherzt zugreifen. Kommerzielle und staatliche Überwachung sind weltweit inzwischen eng verwoben.
Neue Dokumente aus dem Bundestag zeigen jetzt: Die Bundesregierung verweigert zwar eine Auskunft darüber, ob deutsche Sicherheitsbehörden auf solche Standortdaten zugreifen – die Möglichkeit schließt sie aber ausdrücklich nicht aus.
Zugleich nährt ein neues Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages Zweifel daran, ob staatliche Shoppingtouren bei Databrokern überhaupt rechtmäßig wären: Bei Bundespolizei und Bundeskriminalamt fehlt demzufolge eine Ermächtigungsgrundlage; selbst für die mit weitreichenden Befugnissen ausgestatteten Geheimdienste ist die Rechtslage unklar.
„Wir haben es hier mit einer echten Black Box zu tun“, konstatiert die Bundestagsabgeordnete Donata Vogtschmidt (Die Linke). Sie lehnt es ab, dass Sicherheitsbehörden den Handel mit Werbedaten anheizen. Als „eindeutig rechtswidrig“ bezeichnet Polizeirechtler Mark Zöller von der Ludwig-Maximilians-Universität München mögliche Datenkäufe durch Sicherheitsbehörden. Auch Geheimdienstforscher Thorsten Wetzling von der Denkfabrik Interface warnt: Behörden könnten beim Kauf von Datenbanken verfassungswidrig handeln.
Regierung verweigert Transparenz
Über die vielfältigen Gefahren von Handy-Standortdaten aus der Werbeindustrie haben wir in unserer Recherche-Reihe Databroker Files ausführlich berichtet. Anhand echter Datensätze konnten wir zeigen, wie detaillierte Bewegungsprofile auch Millionen Menschen in Deutschland gefährden. Ausspionieren lassen sich sogar Angestellte von Regierung, Militär und Geheimdiensten. Datenschützer*innen gehen davon aus, dass der Datenhandel in der Regel gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verstößt.
Wie also hält es die Bundesregierung mit Databrokern? Das und mehr wollte die Bundestagsabgeordnete Donata Vogtschmidt durch eine Kleine Anfrage erfahren. Solche Anfragen sind ein Werkzeug, das die Fraktionen im Bundestag nutzen können, um die Regierung zu kontrollieren.
In der Antwort, die wir hier veröffentlichen, stellt die Bundesregierung bei den entscheidenden Fragen keine Transparenz her. Fragen dazu, ob Sicherheitsbehörden wie Bundeskriminalamt (BKA) und Bundespolizei bei Databrokern einkaufen, beantwortet sie nicht. Sie tut dies auch nicht in „eingestufter Form“; das heißt, selbst unter Ausschluss der Öffentlichkeit sollen die Abgeordneten keine Informationen zu einer möglichen Teilnahme am umstrittenen Datenhandel bekommen.
„Auch ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens derart sensibler Informationen kann unter keinen Umständen hingenommen werden“, rechtfertigt sich die Bundesregierung. Demnach könnten „Täter oder potenzielle Zielpersonen ihr Verhalten anpassen und künftige Maßnahmen dadurch erschweren oder gar vereiteln“. Weiter könnte eine Antwort „fremde staatliche Akteure dazu verleiten, entsprechende Dienste anzugreifen, um die jeweiligen Datenbestände im eigenen Sinne zu manipulieren.“
„Absolut nicht hinnehmbar“
Möglich ist es jedoch durchaus, dass deutsche Sicherheitsbehörden bereits bei Databrokern einkaufen. So schreibt die Regierung:
Die Bundesregierung schließt nicht aus, dass der Bezug von personenbezogenen Daten von Datenhändlern im Einzelfall zur Erfüllung ihrer Aufgaben angemessen sein kann. Dies muss im jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Rechtslage individuell geprüft werden.
Details nennt die Bundesregierung lediglich bei weniger sicherheitsrelevanten Behörden. So kauft etwa das „Bundesamt für Kartographie und Geodäsie“ seit einigen Jahren regelmäßig personenbezogene Daten bei kommerziellen Anbietern. Zum Beispiel bei einem Unternehmen, das nach eigenen Angaben unter anderem Adressen von Arztpraxen, Apotheken und Krankenhäusern anbietet. Solche Daten sind jedoch weitaus weniger brisant als etwa detaillierte Bewegungsprofile von Handy-Nutzenden.
Die größtenteils ausgebliebene Antwort der Bundesregierung auf ihre Kleine Anfrage kritisiert die Abgeordnete Donata Vogtschmidt scharf: „Es ist absolut nicht hinnehmbar, dass die Bundesregierung die Öffentlichkeit im Unklaren darüber lässt, ob und in welcher Form Sicherheitsbehörden persönliche Daten einkaufen, die die Menschen vermeintlich freiwillig für Werbezwecke freigegeben haben.“ Die Digitalpolitikerin fordert “Transparenz darüber, wie und auf welcher Rechtsgrundlage deutsche Sicherheitsbehörden am Markt für kommerzielle Geschäfte mit persönlichen Daten beteiligt sind“.
Weiter kritisiert die Abgeordnete, dass der riesige und in der Öffentlichkeit kaum bekannte Markt für personenbezogene Daten entstehen konnte: „Wie konnte es überhaupt dazu kommen?“ Eine Reform der DSGVO wäre wichtig, so Vogtschmidt, würde das Problem aber nicht an der Wurzel packen. Als solche benennt sie den Kapitalismus und das unausgeglichene Kräfteverhältnis zwischen Konzernen und Betroffenen. Ihre Forderung: „Wir brauchen Online-Plattformen im Gemeinwohl ohne Profitabsichten.“
Mehr Transparenz in anderen Staaten
Während die Bundesregierung jeglichen Einblick in mögliche Datenkäufe durch Sicherheitsbehörden für ein Risiko hält, liefern andere Staaten mehr Transparenz. Einkäufe von Handy-Standortdaten durch US-Behörden wurden spätestens ab dem Jahr 2020 schrittweise bekannt. Im November stellte ein Bericht des Kontrollgremiums PCLOB heraus, dass das FBI Kunde bei kommerziellen Datensammlern wie Clearview AI und Babel Street ist.
In den Niederlanden beaufsichtigt das Gremium CTIVD die Geheimdienste. Bereits dessen Bericht aus dem Jahr 2018 handelte davon, wie Agent*innen kommerzielle Datensätze erworben haben. Auch in Norwegen bestätigte das parlamentarische Kontrollgremium EOS-Committee 2023 in einem öffentlichen Bericht, dass der militärische Geheimdienst massenhaft personenbezogene Daten gekauft hat. Die Aufseher*innen sparten nicht mit Kritik, weil der Behörde für das Daten-Shopping eine Rechtsgrundlage fehlte.
Wie Datenhändler Deutschlands Sicherheit gefährden
Eine grundsätzliche Kritik am Handel mit personenbezogenen Daten aus dem Ökosystem der Online-Werbung ist, dass er in der Regel gegen das europäische Datenschutzrecht verstößt. Die Daten aus dem Angebot von Databrokern haben oftmals schon eine lange Reise hinter sich, noch bevor Sicherheitsbehörden überhaupt ins Spiel kommen. Bereits die Erhebung, etwa durch Apps und Tracking-Firmen, kann rechtswidrig sein, weil die Einwilligung der Nutzer*innen oft nicht informiert erfolgt und somit ungültig ist. Der Weiterverkauf wiederum kann gegen die Zweckbindung verstoßen, die etwa die DSGVO verlangt. Von Werbezwecken kann nämlich keine Rede mehr sein, sobald die Daten zur offenen Handelsware werden.
Diesen Standpunkt vertrat 2024 auch das deutsche Verbraucherschutzministerium. Jüngst sprach die Bundesdatenschutzbeauftragte Louisa Specht-Riemenschneider im Interview mit netzpolitik.org von einer „unglaublichen Masse an Daten, die rechtswidrig genutzt werden“.
Datenkauf als „besondere Gefahr“ für Grundrechte
Hätten Sicherheitsbehörden des Bundes überhaupt eine Rechtsgrundlage, um bei Databrokern einzukaufen? Dieser Frage geht ein neues Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages nach. Die dort tätigen Forscher*innen arbeiten laut Selbstbeschreibung parteipolitisch neutral und sachlich objektiv. Ebenfalls im Auftrag der Abgeordneten Vogtschmidt haben sie die „rechtlichen Voraussetzung und Grenzen des behördlichen Ankaufes von personenbezogenen Daten aus Werbedatenbanken“ untersucht. Hier veröffentlichen wir das 25 Seiten umfassende Gutachten [PDF].
Aus dem Gutachten geht hervor: Sicherheitsbehörden fehlt eine klare Rechtsgrundlage für den Kauf von personenbezogenen Daten von Databrokern. Der Kauf kann zudem einen weitreichenden Grundrechtseingriff darstellen, für den es deshalb sehr hohe Hürden gibt. So könnten die Behörden damit etwa in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen.
„Betroffene können in aller Regel weder überschauen noch beherrschen, welche Daten aus welchen Quellen in Werbedatenbanken gespeichert und miteinander verknüpft werden“, schreiben die Wissenschaftler*innen. Zudem besteht „beim Ankauf von Daten aus Werbedatenbanken eine besondere Gefahr von Eingriffen in den Kernbereich privater Lebensgestaltung“.
Wie intim Erkenntnisse aus solchen Daten sein können, zeigen die Databroker Files: Handy-Ortungen offenbarten beispielsweise Besuche in Bordellen, Kliniken oder Gefängnissen; die Nutzung bestimmter Apps kann Aufschluss über Krankheiten oder sexuelle Orientierung geben.
Wissenschaftliche Dienste: schwere Belastung für Betroffene
Weiter gehen die Wissenschaftler*innen auf die „Schwere der Belastung“ von Betroffenen ein, wenn Behörden ihre personenbezogenen Daten kaufen. Zunächst erfahren die Betroffenen nichts davon, die Maßnahme ist also heimlich. Außerdem könne es sein, dass die Daten selbst rechtswidrig erhoben wurden. Weiter sei unklar, ob die gekauften Daten „überhaupt inhaltlich korrekt“ sind.
Eine Studie des NATO-Forschungszentrums Stratcom schätzte 2021, dass im Durchschnitt nur 50 bis 60 Prozent der Daten von Databrokern „als präzise angesehen werden können.“ Auch unsere Recherchen zeigten, dass immer wieder Zeitstempel oder Geräte-Kennungen in den Datensätzen von Databrokern falsch sind. Im Fall von geheimdienstlicher Überwachung könnten also Unbeteiligte ins Visier geraten.
Bei BKA und Bundespolizei konstatiert das Gutachten, dass ihnen eine „Ermächtigungsgrundlage“ fehle, um solche Daten zu kaufen. Das heißt: Es gibt in den Gesetzen, die die Arbeit dieser Sicherheitsbehörden regeln, keine Normen, die ein Shopping bei Databrokern erlauben oder rechtfertigen würden.
Weniger deutlich fällt die rechtliche Einordnung allerdings bei den Geheimdiensten des Bundes aus, also Bundesnachrichtendienst, Bundesamt für Verfassungsschutz und Militärischer Abschirmdienst. Auch hier finden die Wissenschaftlichen Dienste keine ausdrückliche Rechtsgrundlage. Allerdings kommen sie zu dem Ergebnis, dass der Kauf solcher Daten möglicherweise in Einzelfällen gerechtfertigt sein könnte, wenn auch unter sehr begrenzten Umständen.
Das Gutachten stellt zudem heraus:
Unter welchen Umständen und mit welchen Methoden die Daten erhoben und in die Datenbank eingepflegt wurden, ist daher völlig offen und für den ankaufenden Nachrichtendienst auch kaum mit hinreichender Sicherheit überprüfbar. Es erscheint daher möglich, dass Nachrichtendienste durch den Ankauf an Daten gelangen könnten, die sie im Wege einer Überwachung nicht selbst erheben dürften.
„Der Rechtsstaat versteckt keine Elefanten hinter Mäuselöchern“
Thorsten Wetzling forscht für die gemeinnützige Denkfabrik Interface zu Geheimdiensten und ADINT. So nennt man die Erlangung geheimdienstlicher Erkenntnisse („intelligence“) durch Daten aus der Werbeindustrie („Ad“). Gerade die Aussicht auf Daten, die Geheimdienste sonst nicht erheben dürften, sieht Wetzling als wesentlichen Anreiz für ADINT. Hierbei könnten sich Geheimdienste auch umfangreiche Genehmigungsverfahren, Nutzungsbeschränkungen und Kontrollvorgaben sparen.
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Mit Blick auf das Gutachten beschreibt Wetzling die unklare Rechtslage als besorgniserregend. Gewichtige Gründe sprechen ihm zufolge dagegen, dass die entsprechenden Normen den verfassungsrechtlichen Standards der Bestimmtheit und der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Der Forscher warnt:
Sollte die Bundesregierung nachrichtendienstliche Datenkäufe tätigen, so ist deren rechtliche Grundlage ungewiss und verfassungswidriges Handeln durchaus möglich.
Die Bundesdatenschutzbeauftragte Louisa Specht-Riemenschneider deutet die Rechtslage ähnlich. Ankauf und Nutzung von Werbedaten bedürften „spezieller gesetzlicher Regelungen, welche für die Sicherheitsbehörden bisher nicht bestehen“, schreibt ein Sprecher auf Anfrage von netzpolitik.org und BR. Eine allgemeine Ermächtigungsgrundlage reiche nicht aus. „Hier gilt: Der Rechtsstaat versteckt keine Elefanten hinter Mäuselöchern“, so der Sprecher.
Deutlich wird auch Mark Zöller, der an der Ludwig-Maximilians-Universität München zu Polizeirecht forscht. Er sagt, es wäre „eindeutig rechtswidrig“, wenn Behörden personenbezogene Daten aus der Werbeindustrie kaufen würden. „Eine spezielle Ermächtigungsgrundlage für den Ankauf solch privater Datenbestände gibt es in keinem Sicherheitsgesetz in der Bundesrepublik Deutschland.“ Es sei jedoch typisch für Sicherheitsbehörden, dass sie neue Instrumente ohne Rechtsgrundlage erst mal nutzen würden, „bis sich Widerstand regt“. Juristisch könne das aber zum Problem werden, weil damit auch die gerichtliche Verwertbarkeit auf diesem Weg erlangter Beweise in Frage stehe.
ADINT – gefährliche Spionage per Online-Werbung
Forscher Thorsten Wetzling sieht im Ankauf kommerzieller Daten „einen Paradigmenwechsel bei der nachrichtendienstlichen Informationsbeschaffung“, der dringend reguliert werden muss. Das Mandat der unterschiedlichen Gremien zur Kontrolle der Geheimdienste sei für das Phänomen nicht ausreichend. Der Gesetzgeber sollte bei der anstehenden Geheimdienstreform jedoch nicht nur auf ADINT schauen, sondern „die ganze Palette des möglichen Zusammenwirkens privater und öffentlicher Stellen näher in den Blick nehmen“. Im Falle einer gesetzlichen Regelung fordert Wetzling eine Diskussion über Schutzvorkehrungen beim Kauf sensibler Daten – bis hin zu einem möglichen Verbot, hochsensible Daten überhaupt zu kaufen.
Die Versuchung der Daten
Darüber, wie Geheimdienste mit Databrokern umgehen sollten, gibt es im Bundestag gespaltene Meinungen. „Ich lehne es ab, dass Sicherheitsbehörden den vor Datenschutzverletzungen strotzenden Handel mit Werbedatenbanken anheizen und fordere einen gesetzlichen Riegel davor“, sagt Linken-Abgeordnete Donata Vogtschmidt mit Blick auf die neusten Recherchen. Bereits zuvor sagte sie: „Geheimdienste sind Fremdkörper in der Demokratie und müssen schrittweise durch Informationsstellen ohne nachrichtendienstliche Mittel ersetzt werden“.
Eine ambivalente Position äußerte der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter gegenüber netzpolitik.org und BR im Sommer 2024: „Angesichts der Bedrohungslage und der Ressourcenknappheit kann es durchaus sinnvoll sein, auch solche Daten verstärkt für die Aufklärung zu nutzen.“ Andererseits sprach er davon, Datenmarktplätze und Verkäufer zu regulieren, „damit solche Datensätze nicht von gegnerischen ausländischen Diensten im Rahmen hybrider Kriegsführung verwendet werden“ und um „unsere Bürger vor dem Datenabgriff durch ausländische Staaten zu schützen.“
Der Abgeordnete Konstantin von Notz (Grüne) sprach sich 2024 für eine rechtliche Klärung aus. Er verglich das mit anderen Mitteln wie etwa dem Abhören von Telefongesprächen, bei denen es auch klare Regeln gibt.
Auch der Thinktank Hybrid CoE, bei dem Fachleute im Auftrag von EU und NATO hybride Bedrohungen erforschen, bewertet ADINT als zweischneidig. „Die Frage, ob die Chancen die Risiken überwiegen, ist schwer zu beantworten, da sich beide offenbar die Waage halten“, sagte Sprecherin Kirsi Pere auf Anfrage von netzpolitik.org.
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Aus Perspektive von Daten- und Verbraucherschutz sollten die Maßnahmen bereits früher ansetzen, und zwar schon bei der schieren Anhäufung der Daten. Nicht zuletzt der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert ein Verbot von Tracking und Profilbildung zu Werbezwecken.
EU-Kommission: „wachsendes Problem“
Zumindest scheint im Zuge der Databroker Files das Bewusstsein dafür zu wachsen, wie gefährlich es ist, wenn Angebote von Databrokern praktisch allen offenstehen. Am 4. November haben netzpolitik.org und Recherche-Partner berichtet, wie Datenhändler metergenaue Standortdaten von EU-Personal verkaufen. Wenig später, am 19. November, thematisierte die EU-Kommission Databroker in einem Schreiben an EU-Parlament und Ministerrat. Darin heißt es, leicht gekürzt und aus dem Englischen übersetzt:
Der Handel mit personenbezogenen Daten ist zu einem wachsenden Problem geworden. Solche intransparenten Praktiken untergraben zentrale Grundsätze des Datenschutzrechts und der Privatsphäre, verzerren den Wettbewerb und unterminieren das öffentliche Vertrauen in digitale Märkte. Eine konsequentere Durchsetzung der bestehenden Vorschriften ist erforderlich. Die Kommission wird prüfen, ob zusätzliche Schutzmaßnahmen notwendig sind, um diese Praktiken einzudämmen und die Transparenz im Datenhandel zu erhöhen.
Dabei stehen die Zeichen eigentlich auf Deregulierung. Anlass des Schreibens ist das Vorhaben der EU-Kommission, Daten für KI-Innovationen zu befreien. Auch der Digitale Omnibus, ein Gesetzpaket der EU-Kommission, will Unternehmen beim Datenschutz mehr freie Hand lassen. Offenbar erweisen sich die Databroker Files als Sand im Getriebe der Deregulierung.
Bundesregierung „beobachtet aufmerksam“
Noch im Herbst hatte sich die Bundesregierung mit möglichen Regulierungslücken beim Handel mit personenbezogenen Daten beschäftigt. Anlass war eine schriftliche Frage des Abgeordneten Konstantin von Notz (Grüne). Eine Lücke können etwa Datenmarktplätze sein, die Kontakt zwischen Databrokern und potenziellen Käufern herstellen. Prominentes Beispiel für einen Datenmarktplatz ist der Berliner Anbieter Datarade, der offenbar durch die Maschen der Datenschutz-Regulierung schlüpft und sogar von einer teilweise staatlichen Investition profitiert hat. Über Datarade konnte netzpolitk.org Kontakt zu einem Datenhändler herstellen, der dem Team letztlich 3,6 Milliarden Handy-Standortdaten aus Deutschland zur Verfügung stellte.
In ihrer Antwort vom 16. September schreibt die Bundesregierung, sie „beobachtet aufmerksam die Entwicklungen im Bereich des Datenhandels“. Auch Datenmarktplätze erwähnt sie ausdrücklich. Zu Konsequenzen äußert sie sich jedoch zurückhaltend. „Sollte sich zeigen, dass zusätzliche Regelungen erforderlich sind, wird die Bundesregierung die erforderlichen Schritte prüfen“, heißt es. „Dies kann, je nach Sachlage, auch gesetzgeberische Maßnahmen einschließen.“
Allein in den drei Monaten nach dieser Antwort sind vier große Enthüllungen über die Gefahren von Handy-Standortdaten erschienen – mit Daten aus Belgien, Irland, Frankreich und Italien.
Anfang der Woche wurde bekannt, dass die Sicherheitsupdates für Windows im Dezember unerwünschte Nebenwirkungen haben: Das Message Queuing (MSMQ), das der Anwendungskommunikation dient, wird davon in Windows 10 und Windows Servern bis 2019 gestört, was zu Software-Ausfällen führen kann. Nun steuert Microsoft mit Notfallupdates außer der Reihe gegen.
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Den Eintrag in den Windows-Release-Health-Notizen hat Microsoft in der Nacht zum Freitag mit dieser Lösung aktualisiert. Das Update mit dem Knowledgebase-Eintrag KB5074976 (Windows 10), KB5074975 (Windows Server 2019) respektive KB5074974 (Windows Server 2016) steht jetzt bereit und hievt die Windows-10-Build-Nummern auf 19044.6693 und 19045.6693. Es handelt sich um ein kumulatives Update, es umfasst auch die weiteren Änderungen des Windows-Updates zum Dezember-Patchday von Microsoft.
Notfall-Updates nur teilweise erhältlich
Das Update erhalten IT-Verantwortliche ausschließlich über den Windows-Update-Katalog durch Suche nach der KB-Nummer. In den KB-Einträgen verlinkt Microsoft auch entsprechend in den Windows-Update-Katalog, allerdings stehen zum Meldungszeitpunkt die Updates für Server entgegen der Ankündigung noch nicht zum Herunterladen bereit.
Inzwischen hat Microsoft die Liste der betroffenen Betriebssysteme deutlich erweitert. Hieß es zunächst, Windows 10 22H2, Windows Server 2016 und 2019 wiesen die MSMQ-Probleme nach der Aktualisierung auf, nennt Microsoft nun Windows 10 22H2, 21H2 sowie 1809 und 1607 und die Server-Versionen 2019, 2016, 2012 R2 und 2012 als anfällig dafür auf.
Die Probleme mit dem Dezember-Update wurden am Montag dieser Woche bekannt. Die Störungen stammen von den darin vorgenommenen Änderungen am MSMQ-Sicherheitsmodell und NTFS-Zugriffsrechten für den Ordner „C:\Windows\System32\MSMQ\storage“. MSMQ-Nutzerinnen und -Nutzer müssen jetzt Schreibzugriff auf diesen Ordner haben, was üblicherweise auf die Administratoren beschränkt ist. In der Folge können Versuche, Nachrichten mittels MSMQ-APIs zu schicken, mit Ressourcenfehlern fehlschlagen.