Künstliche Intelligenz
Untergangsszenario: Fluchtplan aus dem sinkenden Auto
Der Sommer hat gerade begonnen, wieder mit vermeidbaren tödlichen Badeunfällen. Ertrinken ist eine der häufigsten unnatürlichen Todesarten und trifft – wenn auch wirklich selten – bisweilen Autofahrer. Die Chancen zur Selbstrettung hat jetzt der ADAC im Versuch ermittelt und gibt auf dieser Basis Empfehlungen, wie man ein untergehendes Fahrzeug am sinnvollsten verlassen kann. Dazu wurden ein Elektroauto und ein konventionelles versenkt. Ein Taucher am Steuer hat auf verschiedenen Wegen probiert, den sinkenden Wagen zu verlassen.
Ein Auto schwimmt – nicht lange
Erste Erkenntnis: Ein Auto schwimmt, aber nicht lange. Der elektrische Citroën ë-C4 (Test) ging in etwa drei Minuten unter, der leichtere Seat Exeo mit Verbrennungsmotor bleibt etwa eine Minute länger an der Oberfläche. Beide sinken steil mit der Front voran. Ob sich das etwa bei Autos mit Elektromotor an der Hinterachse, etwa einem VW ID.4, auch so verhält, wurde zwar nicht ausprobiert, es ist aber wahrscheinlich: Der vordere Überhang ist in der Regel kein Hohlraum und gibt daher keinen Auftrieb.
So wie dieser elektrische Citroën ë-C4 schwimmt ein Auto nur kurz, bevor es steil mit der Front voran zu sinken beginnt.
(Bild: ADAC)
Zweite Erkenntnis: Es gibt prinzipiell nur eine sinnvolle Chance, das Auto mit höherer Überlebenschance zu verlassen, und zwar durch das der Person nächste Seitenfenster. Zuerst muss man aber daran denken, möglichst sofort nach der Wasserung den Gurt zu lösen.
Fluchtweg Seitenscheibe
Das Fenster schnellstmöglich zu öffnen, ist aus zwei Gründen wichtig: Die meisten Autos sind mit elektrischen Fensterhebern ausgestattet. Ihre Funktion ist unter Wasser nur für eine kurze Zeit wahrscheinlich. Ob Kurbel oder Fensterheber, einseitiger Wasserdruck auf die Scheibe – also so lange noch Luft im Wagen ist – erhöht den Kurbelwiderstand stark und kann zum Klemmen führen. Daher möglichst früh öffnen.
Der Citroën ë-C4 ließ sich wie vorgeschlagen über das Seitenfenster verlassen. Das ist der chancenreichste Fluchtweg.
(Bild: ADAC)
Öffnet die Seitenscheibe nicht, sollte man sie einschlagen. Der ADAC empfiehlt daher, einen Nothammer in Griffweite mitzuführen. Diese sind meist in Kombination mit einem Gurtschneider inklusive Halterung für den Fahrzeuginnenraum erhältlich. Als Alternative schlägt der Club vor, einen Versuch mit den Metall-Steckverbindungen einer herausgezogenen Kopfstütze oder einem anderen spitzen, schweren Gegenstand zu unternehmen. Nach unserer Erfahrung als Redakteure dieses Kanals lassen sich Kopfstützen in modernen Autos selten herausziehen, ohne vorher die Lehne stark zu neigen. Zudem müssen fast immer Entriegelungen überwunden werden. Wer deren Prinzip erst verstehen muss, hat schon verloren.
Problem Doppelverglasung
Am leichtesten brechen Scheiben in einer Ecke. Dieses Autoglaser-Allgemeinwissen konnte der ADAC in seinem Test vollauf bestätigen, allerdings nur bei den Testfahrzeugen. Modernere, teurere Autos sind indes aus Komfortgründen häufig doppelt verglast. Deren Scheiben sind daher so gut wie unzerstörbar. Der Club gibt dazu den Tipp, sich vorher über das Material der Seitenfenster zu informieren. Ob sie mit Verbund- oder Doppelverglasung ausgeführt sind, ist an einem aufgedruckten oder ins Glas geätzten „XI“ zu erkennen oder der Rettungskarte für das betreffende Auto zu entnehmen. Man bekommt dies direkt beim Autohersteller, bei den Prüfgesellschaften (TÜV, KÜS, GTÜ, Dekra) oder bei den Autoclubs.
Die Versuche des Autoclubs fanden ohne zusätzliche Umweltbeeinträchtigung auf einer Versuchsstrecke statt.
(Bild: ADAC)
Ist dies der Fall, führt der einzige Weg durch die Heckscheibe, die normalerweise auch bei teuren Autos einfach verglast ist. Dabei ist Eile geboten, denn man muss dazu die Sitzlehnen vorn und hinten überwinden. Sind alle drei hinteren Kopfstützen aufgestellt, müssen auch diese noch nach unten gedrückt werden. Lose Gegenstände im Wagen können aufschwimmen und die Situation zusätzlich erschweren.
Weder Türen noch Windschutzscheibe
Die Windschutzscheibe ist hingegen nie eine Option, sie besteht, außer bei einige Jahrzehnte alten Autos, aus Verbundglas und damit für einen Menschen im Auto unzerstörbar. Die Sekuritglasscheibe eines 50 Jahre alten Autos zu zerschlagen wäre zwar möglich, aber keine gute Idee, weil man dann das Auto gegen das einströmende Wasser nach unten verlassen müsste. Das stellt selbst Rettungstaucher vor Probleme.
Auch das Öffnen von Türen kann man allenfalls probieren, wenn der Innenraum voll mit Wasser ist, anderenfalls lastet zu hoher Wasserdruck auf ihnen. Das hat der Versuch des ADAC bestätigt. Nach dem Druckausgleich hat es der Taucher zwar geschafft, aber wohl nur, weil er nach eineinhalb Minuten unter Wasser mit Atemluft aus seinem Gerät versorgt war. Menschen ohne Atemgerät, unter Stress und möglicherweise auch noch verletzt, billigt der ADAC unter solchen Umständen kaum eine Überlebenschance zu.
(fpi)