Künstliche Intelligenz
Verfassungsbeschwerde gegen Palantir-Einsatz in Bayern
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hat am Mittwoch eine Verfassungsbeschwerde gegen umfassende „Data Mining“-Praktiken der bayerischen Polizei eingereicht. Gedeckt durch das Bayerische Polizeiaufgabengesetz (BayPAG), durchforstet die „verfahrensübergreifende Recherche- und Analyseplattform“ (VeRA), die auf Palantirs Überwachungssoftware Gotham basiert, laut der Bürgerrechtsorganisation immense Datenmengen und stelle dabei Verbindungen her. Diese könnten auch Personen ohne jeglichen Bezug zu Straftaten betreffen.
Derlei weitreichende Big-Data-Analysen verletzten Grundrechte, insbesondere die informationelle Selbstbestimmung und das Fernmeldegeheimnis, beklagt die GFF. Ihr Ziel ist es, engere Grenzen für den Einsatz solcher Instrumente zu setzen. Schon wer Anzeige erstatte, Opfer einer Straftat werde oder einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort sei, könne durch diese Software ins Visier der Polizei geraten.
VeRA analysiert heimlich Daten von Bürgern, was zu weiteren Überwachungsmaßnahmen führen kann. Die aktuelle bayerische Regelung erlaubt es der Polizei, diese Software nicht nur bei schweren Straftaten, sondern sogar präventiv einzusetzen – also bevor eine konkrete Gefahr besteht. Tatsächlich nutzen Polizisten die Plattform etwa auch bei Eigentumsdelikten. Die GFF kritisiert, dass wirksame Kontrollmechanismen ebenso fehlen wie Sicherheiten gegen Softwarefehler.
Vorgaben aus Karlsruhe missachtet
Der Chaos Computer Club (CCC) unterstützt die Verfassungsbeschwerde. „Palantirs Rasterfahndung erfasst eine enorme Menge von Menschen“, argumentiert CCC-Sprecherin Constanze Kurz. „Zuvor getrennte Daten, die für sehr unterschiedliche Zwecke vorgesehen waren, werden nun miteinander verknüpft.“ Schon allein deshalb dürfe die automatisierte Massenanalyse nicht zum Polizeialltag werden.
Zudem landeten diese zusammengeführten Informationen „in einer bewusst undurchschaubaren Software“ von Palantir, was die Polizei auf Jahre von ihr abhängig macht. Das seien klare Ausschlusskriterien für einen Polizeibetrieb.
Auch die Lösung HessenData und das immer kostspieliger werdende System zur datenbankübergreifenden Analyse und Auswertung (DAR) der Polizei Nordrhein-Westfalen (NRW) basiert auf Gotham. Das Bundesverfassungsgericht erklärte den Einsatz automatisierter Datenanalysen durch Ermittler in Hessen und Hamburg in bisheriger Form bereits für verfassungswidrig. Die auch hier aktiv gewordene GFF moniert, der bayerische Gesetzgeber habe die damit aufgestellten Überwachungslimits nicht eingehalten. Eine weitere Verfassungsbeschwerde der Organisation gegen das NRW-Polizeigesetz ist anhängig.
Gegen einen bundesweiten Einsatz der Datenplattform von Palantir zur Strafverfolgung gibt es Widerstand in mehreren Ländern. Das US-Unternehmen steht als „Schlüsselfirma der Überwachungsindustrie“ in der Kritik.
(vbr)