Datenschutz & Sicherheit
Während das Parlament streitet, geht die Entwicklung weiter
Immerhin sechs Minuten konnte die christdemokratisch-konservative EVP-Fraktion im Europarlament den Digitalen Euro noch verzögern. Denn als der Wirtschaftsausschuss (ECON) zum Digitalen Euro (D€) debattieren wollte, fehlte jemand: Fernando Navarrete Rojas, seines Zeichens spanischer EVP-Abgeordneter – und ausgerechnet Berichterstatter für den Digitalen Euro.
Auch wenn die mehrminütige Verspätung von Navarrete Zufall gewesen sein sollte, Freund:innen im Ausschuss wird er sich damit nicht gemacht haben. Schließlich bremste seine Fraktion den Digitalen Euro nicht zum ersten Mal. Und auch inhaltlich widersprachen die anderen Fraktionen von Linke bis Renew seinem Entwurf. Auf das Parlament dürften daher noch scharfe Debatten und intensive Verhandlungen zukommen, denn andere Institutionen machen beim Digitalen Euro Druck.
Seit mindestens 2020 denkt die Europäische Zentralbank (EZB) über den digitalen Euro nach. Seit 2023 gibt es auch ein Gesetzespaket der Europäischen Kommission, das sogenannte Single Currency Package. Dass das Parlament erst jetzt richtig darüber debattieren kann, liegt auch an der konservativen EVP-Fraktion, zu der auch CDU und CSU gehören.
EVP hatte den D€ immer wieder verzögert
Der zuständige Berichterstatter der letzten Legislatur, Stefan Berger (CDU), habe die Arbeit an einer gemeinsamen Parlamentsposition immer wieder verzögert, beschwerten sich die zuständigen Abgeordneten von S&D (Sozialdemokraten), Renew (Liberale) und Grünen.
Nun ist der Ex-Zentralbanker und spanische Abgeordnete Navarrete am Zug. Auch er ist ein Kritiker des Digitalen Euro, selbst wenn er das im Ausschuss abstritt. Seine Haltung spiegelt sich in seinem Bericht wieder. Er setzt nach wie vor auf eine private Lösung – und eine Aufteilung des Digitalen Euro.
Der Digitale Euro (D€) soll auch laut Vorschlag der EZB in zwei Systemen kommen. Ein Online-System, das mit dem eigenen Bankkonto verknüpft ist und das man etwa für Online-Einkäufe nutzen könnte. Und ein Offline-System, das nicht nur ohne Verbindung zum Zahlungssystem oder Internet funktioniert, sondern auch „Bargeld-ähnliche“ Anonymität garantieren soll.
Online-D€? Nur unter einer Bedingung!
Nur zu letzterem bekennt sich Navarrete. „Das Offline-System bringt eine zusätzliche Resilienz“, sagte er im Ausschuss. Der Online-€ solle nur unter einer Bedingung kommen: Wenn es bis zu seiner Einführung keine paneuropäische private Lösung gebe, die marktfähig ist. „Die EZB sollte nur dann einschreiten, wenn es hier ein Marktversagen gibt“, sagte Navarrete im Ausschuss.
Denn aus seiner Sicht ist „die einzige legitime Motivation“ für den D€ die digitale Souveränität und damit die Reduktion der Abhängigkeit des europäischen Zahlungsverkehrs von nicht-europäischen Dienstleistern. Aktuell funktioniert das grenzüberschreitende Bezahlen vor oft nur mit Mastercard und Visa oder Anbietern wie PayPal.
Wero aktuell nur in drei EU-Ländern
Aus Sicht von Navarrete sei man aktuell „näher als je zuvor“ an der Verwirklichung europäischer Souveränität im Zahlungsbereich. Navarrete spielte damit vermutlich auf „Wero“ an.
Wero ist der jüngste Versuch der European Payment Initiative (EPI), ein europäisches Zahlungssystem zu etablieren. Die EPI ist ein Zusammenschluss von europäischen Banken und Zahlungsdienstleistern, aus Deutschland sind unter anderem die Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken sowie die Deutsche Bank an Bord.
Wero steckt jedoch noch in den Kinderschuhen. Es ist bisher nur 75 Prozent der privaten Bankkunden zugänglich und auch das nur in Belgien, Deutschland und Frankreich. Die Niederlande und Luxemburg sollen im kommenden Jahr folgen.
Wir sind ein spendenfinanziertes Medium
Unterstütze auch Du unsere Arbeit mit einer Spende.
Das Hauptargument ist Souveränität
Navarretes Entwurf und sein Auftritt im Ausschuss stießen auf Kritik – nicht nur im Parlament, sondern auch in der Zivilgesellschaft. So sagte Carolina Melches, bei der NGO Finanzwende zuständig für den D€, zu netzpolitik.org: „Der Digitale Euro ist bisher unsere beste Chance, die bestehende Abhängigkeit von US-Konzernen im Zahlungsverkehr zu reduzieren und drohende Abhängigkeiten etwa von Big Tech-Konzernen im Zahlungsverkehr abzuwenden.“ Die Online-Variante des Digitalen Euros zu verzögern, sei eine riskante Wette auf Kosten von Europas Souveränität.
Das sehen die vier europäischen Fraktionen The LEFT (mit der deutschen Die Linke), Grüne (mit den Grünen und Volt), Renew (mit den deutschen Parteien FDP und Freie Wähler) und die Socialist&Democrats (SPD) genauso. So warnt Damian Boeselager (Volt) in einer Pressemitteilung: „Wenn Washington es will, könnte es unser Zahlungssystem lahmlegen – und zwölf Prozent des EU-Bruttoinlandsprodukts wären von einem Tag auf den anderen vernichtet.“
Private Lösung zu spät und zu teuer
Ähnlich sehen das die Sozialdemokrat:innen im EU-Parlament. „Milliarden Euro fließen jedes Jahr aus den Geldbeuteln der Bürger zu den Zahlungsdienstleistern außerhalb Europas – und mit ihnen die Zahlungsdaten“, sagte Nikos Papandreou, der den D€ für seine Fraktion verhandelt. „Wir haben 20 Jahre auf eine private Lösung gewartet – es gibt keine!“ Für ihn sei der Vorschlag von Navarrete „keine Strategie, sondern Paralyse“, sagte der Grieche unter Applaus im ECON-Ausschuss.
Eine privatwirtschaftliche Lösung birgt zudem die Gefahr, dass Händler unter hohen Abgaben leiden. Händler sollten von einem digitalen europäischen Zahlungssystem profitieren und nicht gleich schlecht dastehen, sagte etwa Damian Boeselager im Ausschuss.
Die vier progressiven Fraktionen betonen im Ausschuss unisono, dass die Online-Funktion das Kernstück des D€ sei, nicht seine Offline-Variante. „Es kann keinen Offline-D€ ohne die Online-Version geben“, sagte etwa der italienische Abgeordnete Gaetano Pedullà aus der Fraktion The Left. Ein reines Offline-System wäre etwa im Online-Handel nicht anwendbar. Aus Sicht von Boeselager (Volt) würde ein reiner Offline-D€ „viele Vorteile eines digitalen Euro verschenken, ihn für Nutzerinnen und Nutzer weniger attraktiv machen und weit hinter dem möglichen Potenzial zurückbleiben.“
Gilles Boyer aus der Renew-Fraktion sieht die stärkere Rolle der EZB bei digitalen Zahlungen positiv. In einer zunehmend digitalen Welt müsse es auch öffentliches Geld geben, forderte der französische Abgeordnete. „Öffentliches Geld“ meint: von der Zentralbank geschaffenes und garantiertes Geld wie Bargeld. „Privates Geld“, also Buch- oder Giralgeld, existiert hingegen nur auf den Konten der privaten Banken.
Rechtsextreme gegen den D€
Neben seiner eigenen Fraktion unterstützte auch die euroskeptisch-rechtspopulistische Fraktion ECR Navarretes Bericht. In dieser sind etwa die Mussolini-verehrende Partei von Giorgia Meloni, Fratelli die Italia, sowie die polnische PiS organisiert. Der kroatische Abgeordnete Stephen Bartulica sagte, er unterstütze den Vorschlag, dem Privatsektor mehr Zeit zu verschaffen. Die EZB würde in den Markt eingreifen und ihre Aufsichtsrolle verlassen. Die einzig andere existierende Digitale Zentralbankwährung gebe es in China. Auch in Europa werde die Digitale Währung „von oben oktroyiert“.
Die Erzählung von einer übergriffigen, alles überwachenden Zentralbank findet vor allem auf der rechtspopulistischen und rechtsextremen Seite großen Anklang. Rechtsextreme und Libertäre mobilisieren seit langem gegen den D€ und nutzen ihn für Verschwörungserzählungen, berichten etwa Tagesschau und Politico.
EU-Kommission, EZB und demokratische Parlamentarier:innen betonen immer wieder, dass der D€ Bargeld keinesfalls ersetzen solle. „Niemand wird verpflichtet, den Digitalen Euro zu nutzen.“ Weder die Kommission noch Parlament und Rat wollten das Bargeld abschaffen, betonte der Renew-Abgeordnete Boyers. Ein Teil des Gesetzgebungs-Pakets zum D€ ist deshalb auch die „Legal Tender“-Verordnung, die die gesetzliche Rolle von Bargeld als Zahlungsmittel festschreibt.
Viel Arbeit für den Ausschuss
Die Mehrheitsverhältnisse im EU-Parlament machen es den Befürworter:innen eines Digitalen Euros nicht leicht. Gemeinsam mit der euroskeptischen und rechtspopulistischen ECR-Fraktion sowie den beiden rechtsextremen Fraktionen PfE (unter anderem FPÖ, Front National sowie Vox aus Spanien) und ESN (unter anderem AfD) hat die EVP eine Mehrheit. Immer wieder stimmt die EVP mit den extrem rechten Parteien, etwa um Klima- und Umweltschutzregeln abzuschwächen.
Ob die EVP bei diesem Thema mit Rechtspopulisten oder Rechtsextremen kooperiert, ist bislang unklar. Im Unterschied zu den Parteien rechts seiner Fraktion betonte der EVP-Abgeordete Navarrete, sein Vorschlag sei nicht gegen den Digitalen Euro gerichtet, er würde dessen Einführung auch nicht verzögern. Sein Fraktionskollege Markus Ferber (CSU), der in der letzten Legislaturperiode ebenfalls als Verzögerer des D€ galt, will sich bei dem Projekt nicht zeitlich unter Druck setzen lassen: „Wir haben nur einen Schuss frei und der muss sitzen.“
Wollen sich EVP und die progressiven Fraktionen annähern, braucht es wohl noch viele Verhandlungen. Bis zum 12. Dezember müssen alle Änderungsanträge zum Entwurf von Navarrete feststehen, Ende Januar sollen diese im Ausschuss debattiert werden. Seine endgültige Verhandlungsposition will das Europäische Parlament im Mai 2026 beschließen. Danach geht es in den Trilog, also die Verhandlungen zwischen Parlament, EU-Kommission und Ministerrat.
Was macht der Ministerrat?
Letzterer ist die Vertretung der EU-Mitgliedstaaten. Die Regierungen haben zuletzt im Europäischen Rat ihre Unterstützung des Projekts betont. „Wir begrüßen die jüngsten Fortschritte bei der Weiterentwicklung des Projekts zum digitalen Euro und betonen, wie wichtig es ist, die Gesetzgebungsarbeiten zügig abzuschließen und andere vorbereitende Schritte zu beschleunigen“, hieß es in der Abschlusserklärung des Treffens.
Die EU-Finanzminister haben sich derweil schon mit der EZB geeinigt, dass sie das letzte Wort bei den Haltelimits für den Digitalen Euro haben. Solche Begrenzungen sollen die Menge der D€ begrenzen, die ein Mensch gleichzeitig halten kann. Das soll verhindern, dass zu viel Geld von den Konten der Geschäftsbanken verschwindet.
Im Gespräch sind Haltelimits von 500 bis 3000 D€. Laut Einigung soll die EZB die genaue Grenze festlegen, die Finanzminister sollen aber die Obergrenze dieser Limits gemeinsam entscheiden dürfen.
Die dänische Ratspräsidentschaft plant, die Einigung der Mitgliedstaaten auf eine Position bis Ende des Jahres auszuverhandeln.
EZB plant schon die Umsetzung
Während die Verhandlungen der EU-Gesetzgeber noch laufen, schreitet die Europäische Zentralbank mit der Umsetzung voran. Letzte Woche teilte die EZB mit, dass sie beim D€ in die nächste Phase übergehe.
In dieser will die EZB weiterhin die technischen Voraussetzungen für eine mögliche Einführung eines digitalen Euro vorbereiten. „Damit wollen wir sicherstellen, dass das Eurosystem bereit ist, die nächsten möglichen Schritte zu gehen, sobald die Rechtsvorschriften in Kraft sind“, sagte eine EZB-Sprecherin auf Anfrage von netzpolitik.org.
Der endgültige Beschluss des EZB-Rats darüber, ob und wann ein digitaler Euro ausgegeben wird, werde erst dann getroffen, wenn die Rechtsvorschriften angenommen worden sind, teilte die EZB weiter mit. „Unter der Annahme, dass die EU-Mitgesetzgeber die Verordnung zur Einführung des digitalen Euro im Jahr 2026 annehmen, könnten ein Pilotprojekt und erste Transaktionen ab Mitte 2027 stattfinden.“ Die Ausgabe des Digitalen Euro könnte dann im Jahr 2029 starten.
Vorausgesetzt, das Parlament spielt mit.
Datenschutz & Sicherheit
„Karvi-geddon“: Mangelhafte Sicherheitsarchitektur bei Lieferdienst-Plattform
Hunderte Restaurant-Websites der Firma Karvi Solutions weisen weiterhin zahlreiche Sicherheitslücken auf. Dadurch werden Daten von zehntausenden Kunden öffentlich zugänglich – von Anfang 2024 bis heute. Betroffen sind vollständige Namen, Adressen, E-Mail-Adressen, Handynummern und Bestelldetails, wie „!!!!!! Ohne Jalapenos !!!!!!!!!“. Trotz mehrfacher Hinweise scheint das Unternehmen die Lücken nicht angemessen zu beheben.
Weiterlesen nach der Anzeige

Über eine ungesicherte API lassen sich nach wie vor SMS verschicken.
(Bild: heise medien)
Die Analyse des Quellcodes „Karvi-geddon: How a Restaurant Ordering Platform Became a Security Catastrophe“ zeigt grobe Mängel in der Sicherheitsarchitektur. Am 15. Dezember 2025 ist wohl eine SMS an Betroffene verschickt worden zu sein, mit dem Hinweis auf ein Git-Repository, das eine Analyse der Schwachstellen enthält: „Es gibt ein Datenleck bei Karvi Solutions. Erneut. Mehr Details auf GitHub“. Noch immer lassen sich SMS über eine ungesicherte API an Kunden verschicken. Auch aktive API-Schlüssel für die von Karvi eingesetzten Cloud-Plattformen Twilio und AWS sind weiterhin zugänglich.
Experten bezeichnen die Sicherheitsarchitektur als fahrlässig abgesichert. Das System speicherte laut Codeanalyse zudem möglicherweise vollständige Kreditkartennummern, Ablaufdaten und die dreistelligen Prüfnummern (CVV), wobei letzteres gegen die Sicherheitsstandards der Kreditkartenindustrie (PCI DSS) verstößt.

„Was wir hier festgestellt haben, geht über Inkompetenz hinaus. Die völlige Weigerung, auf Sicherheitsmeldungen zu reagieren, in Verbindung mit der dokumentierten Historie von Sicherheitsmängeln lässt auf ein Unternehmen schließen, das sich einfach nicht um die Sicherheit oder den Schutz der Daten seiner Kunden kümmert.“
(Bild: Github)
SQL-Injection und offene Tore für Angreifer
Die Software enthält Schwachstellen, die SQL-Injection erlauben. Nutzereingaben werden so ungefiltert in Datenbankabfragen eingefügt. So können Angreifer die Datenbank vollständig auslesen oder manipulieren. Ferner ermöglicht eine fehlerhafte Funktion zur Sprachdateiverwaltung eine vollständige Übernahme des Servers: Angreifer laden ohne Anmeldung beliebigen PHP-Code hoch und führen ihn aus.
Untersuchungen zeigen, dass eine Website Bestellbestätigungen als ungeschützte Textdateien auf dem Server speichert. Die Dateinamen sind leicht zu erraten. Dadurch lassen sich Bestelldetails wie Name, Adresse, Telefonnummer und Zahlungsinformationen einfach abrufen. Zwischenzeitlich war auch der komplette Quellcode als zip-Archiv öffentlich erreichbar.
Datenschutzbehörde bereitet rechtliche Schritte vor
Weiterlesen nach der Anzeige
Wegen der anhaltenden Sicherheitsmängel bereitet der Hamburgische Datenschutzbeauftragte, Thomas Fuchs, rechtliche Schritte vor. Eine Sprecherin erklärte: „Wir befinden uns mit Karvi Solutions in einem bereits länger laufenden Prozess, in dem es darum geht, Sicherheitslücken zu schließen, und der auch zu gewissen Verbesserungen geführt hat. Trotzdem stellen wir weiterhin Schwachstellen fest, die einen Zugriff auf personenbezogene Daten von Kund:innen ermöglichen. Wir bereiten daher jetzt rechtliche Schritte gegen das Unternehmen vor, um die erforderlichen Maßnahmen durchzusetzen.“
Sicherheitslücken seit fast einem Jahr
Bereits Anfang 2025 machte der Chaos Computer Club auf gravierende Sicherheitslücken aufmerksam. Sie betrafen über 500 Restaurants, die Software von Karvi Solutions einsetzten. Schon zu diesem Zeitpunkt reichten die Probleme von ungeschützten Backends über SQL-Injection bis zu frei zugänglichen Backups mit Quellcode und Kundendaten. Geschäftsführer Vitali Pelz erklärte damals, alle Lücken seien geschlossen.
Karvi Solutions weist Vorwürfe zurück
Karvi Solutions weist die Vorwürfe zurück. Das Unternehmen spricht, wie schon im Sommer, von einer gezielten Kampagne zur Rufschädigung. Nach eigener Darstellung wurden die Daten über Schwachstellen bei Drittanbietern oder über Restaurant-APIs abgegriffen. Die Kernsysteme seien laut Karvi Solutions nie kompromittiert worden.
Auch die Speicherung von Kreditkartendaten bestreitet die Firma. Zahlungen würden ausschließlich über Pop-ups von Zahlungsdienstleistern erfolgen. Die gefundene SQL-Injection-Lücke sei ein Einzelfall auf einer alten Kundenwebsite. Die GitHub-Analyse bezeichnet das Unternehmen als „übertrieben“ und „manipuliert“. Man habe sämtliche Websites überprüft. Nach eigenen Angaben bestehen seit Mitte des Jahres keine Sicherheitslücken mehr. Diese Darstellung widerspricht jedoch sowohl unseren technischen Analysen als auch den Aussagen der Datenschutzbehörde.
(mack)
Datenschutz & Sicherheit
Festplattenfunde im Heizungskeller: Gemeinde erklärt sich
Mitte Dezember hatte heise online über einen Datenschutzvorfall in der bayerischen Gemeinde Markt Kipfenberg berichtet. Zweimal binnen zwei Jahren waren dort kommunale Datenträger mit mutmaßlich sensiblen Einwohnerdaten in offen zugänglichen Kellerräumen eines Wohnhauses aufgetaucht. Ein Anwohner hatte die Ereignisse dokumentiert und uns davon berichtet.
Weiterlesen nach der Anzeige
Nachdem wir deshalb Ende November bei der Gemeinde angefragt hatten, kamen offenbar einige Dinge ins Rollen. Am 11. Dezember besuchten Mitarbeiter des bayerischen Landesdatenschutzbeauftragen zusammen mit dem Bürgermeister den Ort. Die Aufsichtsbehörde hatte uns bereits zuvor bestätigt, eine Vor-Ort-Prüfung durchführen zu wollen.
„Fälschlicherweise gelagert“
Am 17. Dezember, also einen Tag, nachdem der Artikel auf heise online erschienen war, äußerte sich Christian Wagner, Bürgermeister von Markt Kipfenberg, auf der Homepage der Gemeinde zu den Vorfällen: „Aufgrund des Rathausumbaus“ seien „im Jahr 2023 Kartons mit Datenträgern fälschlicherweise im Heizraum eines Mietshauses der Gemeinde gelagert“ worden, erläutert er. Auch danach sei versäumt worden, „die Datenträger zu entsorgen und so kam es im Herbst dieses Jahres erneut dazu, dass die Datenträger von einem Mitarbeiter in den Heizraum gestellt wurden, da in dem Raum, in dem die Datenträger versperrt gelagert wurden, von einem Techniker Arbeiten ausgeführt werden mussten“.
Der folgende Satz ist etwas missverständlich geraten, soll aber mutmaßlich bedeuten, dass die Gemeinde einen Abfluss der Daten in Richtung Unbefugte nicht ausschließen kann: „Dadurch, dass der Heizraum teilweise nicht abgesperrt wurde, kann nicht zu 100 Prozent gewährleistet werden, dass Daten in die Hände Dritter gelangt sind. Leider befanden sich auf den Datenträgern auch personenbezogene Daten der Bürgerinnen und Bürger von Kipfenberg.“
Meldung DSGVO-konform?
Diese Ausführungen lassen vermuten, dass ein „voraussichtlich […] hohes Risiko für die persönlichen Rechte und Freiheiten natürlicher Personen“ gemäß Art. 34 DSGVO besteht. Daraus würden Informationspflichten der Gemeinde gegenüber den Bürgern folgen. Die Meldung auf der Homepage würde da eher nicht genügen, denn laut Art. 34 Abs. 2 DSGVO müsste die Gemeinde als Verantwortlicher „den Namen und die Kontaktdaten des Datenschutzbeauftragten oder einer sonstigen Anlaufstelle für weitere Informationen“ nennen, sowie „eine Beschreibung der wahrscheinlichen Folgen der Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten“ (Art. 33 DSGVO, Abs. 3b und 3c) liefern. Beides fehlt in der Meldung an die Einwohner.
Weiterlesen nach der Anzeige
Bereits Ende November hatten wir einige Fragen an die Gemeinde zu den Vorfällen geschickt. Silvia Obermeier, Geschäftsleiterin der Gemeinde Markt Kipfenberg, hatte uns erklärt, man wolle erst Stellung beziehen, wenn die Sachlage mit dem Landesdatenschutzbeauftragten geklärt sei. Am 18. Dezember, also nach dem Vor-Ort-Termin im Heizungskeller, haben wir sie daran erinnert, bis heute aber keine Antwort erhalten.
(hob)
Datenschutz & Sicherheit
Justizministerium veröffentlicht Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung
Die Bundesregierung nimmt den dritten Anlauf für eine Vorratsdatenspeicherung in Deutschland. Das Justizministerium von SPD-Ministerin Stefanie Hubig hat einen Gesetzentwurf erarbeitet und heute veröffentlicht.
Erneut versucht die Bundesregierung, den Begriff „Vorratsdatenspeicherung“ zu vermeiden. Das Justizministerium nennt den Gesetzentwurf „IP-Adressspeicherung“. Tatsächlich geht es wieder um eine verpflichtende und anlasslose Speicherung von Daten aller Internet-Nutzer in Deutschland auf Vorrat. Und es geht um weit mehr Daten als nur IP-Adressen.
Die Vorratsdatenspeicherung ist ein zentraler Streitpunkt in der deutschen Netzpolitik. Vor 20 Jahren haben zehntausende Menschen dagegen protestiert.
Anlasslose Vorratsdatenspeicherung
Das neue Gesetz soll Internet-Zugangs-Anbieter verpflichten, IP-Adressen und Port-Nummern sämtlicher Nutzer drei Monate lang zu speichern. Das betrifft jeden Internet-Anschluss in Deutschland, ohne Anlass und ohne Verdacht auf eine Straftat.
Ermittler sollen anhand dieser Daten die Endnutzer identifizieren und ihre Bestandsdaten erhalten. Das passiert auch ganz ohne Vorratsdatenspeicherung. Im vergangenen Jahr hat allein die Deutsche Telekom fast 290.000 Abfragen zu IP-Adressen bekommen – wegen mutmaßlicher Urheberrechtsverletzungen im Internet.
Das Justizministerium hat beim Erarbeiten des Gesetzes mit den vier großen Mobilfunk-Netz-Betreibern gesprochen. Es gibt aber viel mehr Anbieter für Internet-Zugänge. Das Gesetz spricht von „circa 3.000 Verpflichteten, eine Marginalgrenze ist nicht vorgesehen“. Lokale WLAN-Anbieter wie Hotel-Betreiber sind ausgenommen. Ob öffentliche WLAN-Netze wie Freifunk betroffen sind, wird der weitere Gesetzgebungsprozess zeigen.
Kein Nachweis für Notwendigkeit
Die Vorratsdatenspeicherung ist ein Zombie der Netzpolitik. Es gab bereits eine EU-Richtlinie und zwei deutsche Gesetze. Alle Gesetze haben behauptet, die Vorratsdatenspeicherung sei notwendig und verhältnismäßig. Alle Gesetze waren unverhältnismäßig und rechtswidrig und wurden von höchsten Gerichten gekippt.
Statt die Daten aller Menschen ohne Anlass zu speichern, könnte man auch potentiell relevante Daten schnell einfrieren. In Österreich gibt es ein solches „Quick Freeze“-Verfahren. In Deutschland wurde das nie ausprobiert. Vor einem Jahr hat die Ampel-Regierung ein solches Gesetz vorgeschlagen. Es wurde jedoch nie beschlossen.
Das Justizministerium behauptet erneut, dass ihre anlasslose Vorratsdatenspeicherung notwendig sei. Dafür gibt es jedoch keinen wissenschaftlichen Nachweis. Das Max-Planck-Institut für Strafrecht hat Strafverfolgung in Deutschland mit und ohne Vorratsdatenspeicherung untersucht. Das Ergebnis: Es gibt ohne Vorratsdatenspeicherung keine Schutzlücken in der Strafverfolgung.
Kein Nachweis für Verhältnismäßigkeit
Selbst wenn die anlasslose Datenspeicherung notwendig wäre, müssen Umfang und Dauer der gespeicherten Daten auch verhältnismäßig sein. Das Gesetz schreibt eine Speicher-Dauer von drei Monaten vor. Diese Frist wird im Gesetz nicht konkret begründet.
Drei Monate sind ein politischer Kompromiss. In den Koalitionsverhandlungen wollte die Union sechs Monate, die SPD einen Monat, also haben sie sich auf drei Monate geeinigt. Laut Bundeskriminalamt „wäre eine Speicherverpflichtung von zwei bis drei Wochen regelmäßig ausreichend“.
Die neue Vorratsdatenspeicherung soll nicht überprüft werden: „Eine eigenständige Evaluierung ist nicht erforderlich.“
E-Mails, Messenger und Apps
Das neue Gesetz geht weit über IP-Adressen bei Internet-Zugangs-Anbietern hinaus. Ermittler sollen auch Internet-Dienste dazu verpflichten dürfen, Verkehrs- und Standortdaten mit einer „Sicherungsanordnung“ zu speichern. Das Gesetz spricht explizit von Over-The-Top-Diensten wie Messengern und Sprachanruf-Apps als Nachfolger von SMS und Telefonanrufen.
Zu den verpflichteten Diensten gehören auch E-Mail-Anbieter. Die sollen beispielsweise speichern, wann sich welche IP-Adresse bei welchem E-Mail-Postfach eingeloggt hat, die E-Mail-Adressen von Sender und Empfänger einer E-Mail sowie „die Daten aus dem Header der E-Mail“.
Eine solche „Sicherungsanordnung“ soll schon greifen, wenn die Ermittler diese Daten noch gar nicht „erheben“ dürfen. Die Dienste sollen diese Daten auf Zuruf bereits extra abspeichern, damit Ermittler die später abrufen können, auch wenn beispielsweise „der Kunde seinen Account […] selbst löscht“.
Funkzellenabfrage ohne Bundesgerichtshof
Darüber hinaus ändert das Gesetz auch die Vorgaben für die Funkzellenabfrage. Bei einer Funkzellenabfrage erhalten Ermittler alle Verbindungsdaten aller Mobilfunkgeräte, die in bestimmten Funkzellen eingeloggt waren.
Der Berliner Datenschutzbeauftragte hatte 2012 festgestellt, dass die Funkzellenabfrage regelmäßig Gesetze verletzt. Der Bundesgerichtshof hat vergangenes Jahr geurteilt, dass die Funkzellenabfrage nur noch bei besonders schweren Straftaten eingesetzt werden darf.
Das Gesetz dreht jetzt das Urteil des Bundesgerichtshofs zurück. Die Funkzellenabfrage soll wieder bei „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ eingesetzt werden dürfen. „Dies entspricht dem Verständnis der Praxis, bis die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ergangen ist.“
Mehr Regulierung als EU
Das erste deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung hatte die Bundesregierung damals noch mit einer EU-Richtlinie begründet. Diese gilt seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht mehr.
EU-Kommission und EU-Staaten arbeiten aktuell an einer Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung. Die deutsche Bundesregierung hätte die EU-Gesetzgebung abwarten können, statt kurz vorher ein deutsches Gesetz zu machen.
In anderen Politikbereichen fordert die Regierung weniger Bürokratie und weniger Regulierung für Unternehmen. Nun aber schafft die Bundesregierung neue Regulierung und neue Belastung – gegen den expliziten Willen aller beteiligten Unternehmen und Anbieter.
SPD steht für Vorratsdatenspeicherung
Die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland steht und fällt mit der SPD. Das erste deutsche Gesetz 2007 verantwortete SPD-Justizministerin Brigitte Zypries. Das Bundesverfassungsgericht hat es 2010 gekippt. Das zweite deutsche Gesetz 2015 verantwortete SPD-Justizminister Heiko Maas. Das Bundesverfassungsgericht hat es 2023 gekippt.
Jetzt versucht es SPD-Justizministerin Stefanie Hubig zum dritten Mal. Erneut behauptet das Justizministerin, das Gesetz stehe „in Einklang mit Verfassungsrecht“ und sei „mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar“.
Das Gesetz geht jetzt ins Kabinett, dann in den Bundestag – und dann wieder vor das Bundesverfassungsgericht.
-
UX/UI & Webdesignvor 2 MonatenIllustrierte Reise nach New York City › PAGE online
-
Künstliche Intelligenzvor 2 MonatenAus Softwarefehlern lernen – Teil 3: Eine Marssonde gerät außer Kontrolle
-
Künstliche Intelligenzvor 2 Monaten
Top 10: Die beste kabellose Überwachungskamera im Test
-
UX/UI & Webdesignvor 2 MonatenSK Rapid Wien erneuert visuelle Identität
-
Künstliche Intelligenzvor 2 MonatenNeue PC-Spiele im November 2025: „Anno 117: Pax Romana“
-
Entwicklung & Codevor 1 MonatKommandozeile adé: Praktische, grafische Git-Verwaltung für den Mac
-
Künstliche Intelligenzvor 2 MonatenDonnerstag: Deutsches Flugtaxi-Start-up am Ende, KI-Rechenzentren mit ARM-Chips
-
UX/UI & Webdesignvor 2 MonatenArndt Benedikt rebranded GreatVita › PAGE online
