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3,5 Milliarden Konten: Komplettes Whatsapp-Verzeichnis abgerufen und ausgewertet


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Das gesamte Mitgliederverzeichnis von WhatsApp stand online ungeschützt zum Abruf bereit. Österreichische Forscher konnten sich deshalb alle Telefonnummern und weitere Profildaten – darunter öffentliche Schlüssel – herunterladen, ohne auf ein Hindernis zu stoßen. Sie fanden mehr als 3,5 Milliarden Konten. Gemessen an der Zahl Betroffener ist es der wohl größte Datenabfluss aller Zeiten. Ein Teil der Forschungsgruppe hat sich bereits mehrfach mit WhatsApp befasst und beispielsweise eruiert, was WhatsApp trotz Verschlüsselung verrät, und herausgefunden, wie ein Angreifer die Whatsapp-Verschlüsselung herabstufen kann. Dennoch stellte sich Whatsapp-Betreiber Meta Platforms hinsichtlich der neuen Forschungsergebnisse ein Jahr lang taub.

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„Dann kennen die Wissenschaftler jetzt eben sehr viele Telefonnummern“, haben sich die Verantwortlichen womöglich gedacht, „Na und?“ Wiederholte Warnhinweise, die die Gruppe der Universität Wien und der österreichischen SBA Research ab September 2024 bei Whatsapp eingereicht haben, wurden zwar mit Empfangsbestätigungen bedacht, bald aber zu den Akten gelegt. Erst als die Forscher zweimal einen Entwurf ihres Papers einreichten und dessen unkoordinierte Veröffentlichung bevorstand, wachte Meta auf: Aus den Daten lässt sich nämlich erstaunlich viel ablesen, und für manche User kann das lebensbedrohlich sein.

Da sind einmal Informationen, die für Meta Platforms selbst sensibel sind, aus wettbewerblichen und regulatorischen Gründen: Wie viele Whatsapp-User gibt es in welchem Land, wie verteilen sie sich auf Android und iOS, wie viele sind Geschäftskonten, wie groß ist der Churn (Kundenabwanderung), und wo gibt es offensichtliche Betrugszentren großen Maßstabs. Und dann sind da mehrere Klassen von Daten, die für Anwender ungemütlich bis lebensgefährlich sein können – obwohl die Forscher keine Datenpakete an oder von Endgeräten übertragen haben (sondern nur zu Whatsapp-Servern) und auch keine Inhalte oder Metadaten von Whatsapp-Kommunikation abgefangen haben.

So war WhatsApp Stand Dezember 2024 in der Volksrepublik China, im Iran, in Myanmar sowie in Nordkorea verboten. Dennoch fanden die Forscher damals 2,3 Millionen aktive WhatsApp-Konten in China, 60 Millionen im Iran, 1,6 Millionen in Myanmar und fünf (5) in Nordkorea. Diese Handvoll könnte vom Staatsapparat selbst eingerichtet worden sein, aber für Einwohner Chinas und Myanmars ist es höchst riskant, wenn Behörden von der illegalen WhatsApp-Nutzung Wind bekommen. Und das passiert leicht, wenn sich der gesamte Nummernraum flott abfragen lässt.

Die 60 Millionen WhatsApp-Konten mit iranischer Telefonnummer entsprachen statistisch immerhin zwei Drittel der Einwohner. Das Verbot wirkte dort also offensichtlich nicht und wurde am Heiligen Abend 2024 auch aufgehoben. Drei Monate später gab es dann schon 67 Millionen iranische Konten. Deutlich stärker hat die Zahl jener zugenommen, die dasselbe WhatsApp-Konto auf mehr als einem Gerät nutzen. Während der Verbotsphase war das offenbar zu riskant, aber wenn WhatsApp nicht illegal ist, will man es vielleicht auch am Arbeitsrechner verwenden.

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Annähernd 30 Prozent der User haben etwas in das „Info“-Feld ihres Profils eingetragen, und dabei geben manche viel preis: politische Einstellungen, sexuelle oder religiöse Orientierung, Bekenntnisse zu Drogenmissbrauch gibt es dort genauso wie Drogendealer, die genau in diesem Feld ihr Warensortiment anpreisen. Auch darüber hinaus fanden die Wiener Forscher Angaben zum Arbeitsplatz des Users bis zu Hyperlinks auf Profile in sozialen Netzwerken, bei Tinder oder OnlyFans. E-Mail-Adressen durften natürlich nicht fehlen, darunter von Domains wie bund.de, state.gov und diverse aus der .mil-Zone. Das ist ein gefundenes Fressen für Doxxer und andere Angreifer, aber auch Spammer und einfache Betrüger.

Zudem verriet WhatsApp den Zeitpunkt der jüngsten Änderung – nicht nur des Info-Feldes, sondern auch der Profilfotos, die immerhin 57 Prozent aller WhatsApp-User weltweit hochgeladen und als für jedermann einsehbar definiert haben, darunter US-Regierungsmitglieder. Für den Nordamerika-Vorwahlbereich +1 haben die Forscher alle 77 Millionen für jedermann einsehbaren Profilbilder heruntergeladen – stolze 3,8 Terabyte in Summe. In einer daraus gezogenen zufälligen Stichprobe von einer halben Million Bildern fand eine Gesichtserkennungsroutine in zwei Dritteln der Fälle ein menschliches Gesicht. Die leichte Zugänglichkeit der Fotos hätte also erlaubt, eine Datenbank zusammenzustellen, die durch Gesichtserkennung in vielen Fällen zur Telefonnummer führt und umgekehrt. Selbst Profilbilder ohne Gesicht können geschwätzig sein: bisweilen sind Autokennzeichen, Straßenschilder oder Wahrzeichen abgebildet.

Weitere Informationen liefert die Anzeige, wie viele Geräte unter einem WhatsApp-Konto registriert sind (bis zu fünf). Aus den fortlaufend vergebenen IDs lässt sich schließen, ob diese zusätzlich genutzten Geräte häufig geändert werden oder stabil bleiben.



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