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Künstliche Intelligenz

VR ohne Übelkeit: Wie sich Motion Sickness vermeiden lässt


Menschen möchten Virtual-Reality-Welten so erkunden, wie sie es aus Videospielen gewohnt sind. Doch während für echte Fortbewegung meist der Platz fehlt, bringt die virtuelle Fortbewegung für viele ein ganz anderes Problem mit sich: Übelkeit, Schwindel, Kopfschmerzen. Wer VR-bedingte Motion Sickness erlebt hat, weiß, wie schnell aus Faszination Frust werden kann. Auch wenn die Beschwerden nach einiger Zeit von selbst abklingen, hinterlässt die Erfahrung oft einen bleibenden Eindruck.

Das Problem ist weitverbreitet: Laut einer deutschen Studie aus dem Jahr 2021 haben rund zwei Drittel der Personen, die VR-Erfahrung haben, schon einmal Motion Sickness erlebt. Sie war zudem das mit Abstand am häufigsten genannte Hindernis bei der Nutzung von Virtual Reality. Die Ergebnisse legen nahe, dass Motion Sickness noch immer ein großes Problem für die VR-Branche darstellt und die Verbreitung der Technologie hemmt.

Besonders häufig betroffen sind Einsteiger, die VR zum ersten Mal ausprobieren und sich danach für lange Zeit oder dauerhaft davon abwenden. Das ist bedauerlich, da sich das Risiko mit etwas Vorwissen deutlich verringern lässt. Dieser Ratgeber erklärt das Phänomen und vermittelt, wie man Motion Sickness vermeiden kann.

Motion Sickness bezeichnet in diesem Ratgeber ein vorübergehendes körperliches Unwohlsein, das durch die Nutzung von VR-Headsets verursacht wird. Zu den Symptomen zählen Übelkeit, Schwindel, Benommenheit, Kopfschmerzen, übermäßiges Schwitzen, Blässe und in schweren Fällen sogar Erbrechen.

Der aus dem Englischen stammende Begriff „Motion Sickness“ ist unpräzise und umfasst mehr als nur VR-bedingtes Unwohlsein. Unter ihn fallen etwa auch Phänomene wie Seekrankheit. Auch wenn eine Ähnlichkeit zwischen verschiedenen Formen von Motion Sickness besteht, können sich Ursachen und Symptomatik unterscheiden. In der wissenschaftlichen Literatur wird daher meist der Begriff „Cybersickness“ verwendet, wenn speziell VR-bedingtes Unwohlsein gemeint ist.

Eine direkte Übersetzung dieses Begriffs ins Deutsche ist schwierig: „Cyberkrankheit“ oder „VR-Krankheit“ klingen nach einer chronischen Beschwerde, während Motion Sickness in Wirklichkeit eine akute Reaktion des Körpers ist. „VR-Übelkeit“ greift ebenfalls zu kurz, da der Ausdruck nur eines von vielen Symptomen benennt. „VR-Unwohlsein“ trifft das Phänomen noch am ehesten. Da sich jedoch „Motion Sickness“ im Deutschen als gebräuchlichster Begriff etabliert hat, verwenden wir nachfolgend diesen Ausdruck, wenn wir VR-bedingtes Unwohlsein meinen.

Motion Sickness ist ein komplexes Phänomen, dessen Ursachen wissenschaftlich nur teilweise geklärt sind. Der bekannteste und zugleich plausibelste Erklärungsansatz ist die Sensory-Conflict-Theorie.

Motion Sickness tritt am häufigsten auf, wenn sich Nutzer virtuell durch eine VR-Umgebung bewegen, während sie im realen Leben sitzen oder stehen. Dabei entsteht ein sensorischer Konflikt zwischen der Bewegung, die die Augen wahrnehmen, und dem Stillstand, den das vestibuläre System – also der Gleichgewichtssinn – registriert. Dass Menschen dabei schlecht wird, lässt sich unter anderem evolutionär erklären: Der Körper interpretiert die Wahrnehmungskonflikte als Anzeichen einer Vergiftung und verursacht Übelkeit, um das vermeintliche Gift durch Erbrechen auszuscheiden.


Zeichnung eines VR-Nutzers und seines rennenden Roboter-Avatars.

Zeichnung eines VR-Nutzers und seines rennenden Roboter-Avatars.

Virtuelle Fortbewegung ist befreiend, aber auch die häufigste Ursache für Motion Sickness.

(Bild: Meta)

Eine Schwäche dieser Theorie ist, dass sie viele, aber längst nicht alle Ursachen für Motion Sickness erklärt, die außerhalb solcher Wahrnehmungsszenarien auftreten kann. Wie sich gleich zeigen wird, können bei VR-bedingtem Unwohlsein auch rein technische sowie individuelle Faktoren eine Rolle spielen. Menschen reagieren überhaupt sehr unterschiedlich auf Virtual Reality: Manche verspüren schon bei schwachen Reizen Unwohlsein, während andere selbst bei intensiver virtueller Fortbewegung keinerlei Symptome entwickeln. Diese Vielfalt an Ursachen und individuellen Reaktionen macht die Erforschung von Motion Sickness zu einer großen Herausforderung, die verschiedene Erklärungsansätze erfordert.

Auch das Fehlen standardisierter Metriken ist ein Problem. Wissenschaftlich wird Motion Sickness mit sehr unterschiedlichen Methoden erfasst: durch Fragebögen wie den „Virtual Reality Symptom Questionnaire“ (VRSQ), durch biometrische Messverfahren wie Herzfrequenzvariabilität-Monitore (HRV) und Eye-Tracking-Systeme und neuerdings auch durch KI-gestützte Analysen biometrischer und neurophysiologischer Signale. Der Mangel an vergleichbaren großen Datenmengen hemmt sowohl die genaue Messung von Motion Sickness als auch die Entwicklung verallgemeinerbarer Modelle.

Die Forschungslage ist aufgrund zahlreicher Veröffentlichungen schwer zu überblicken. Eine Übersicht bietet die 2024 erschienene, frei im Internet verfügbare Arbeit „Are you feeling sick? – A systematic literature review of cybersickness in virtual reality„. Sie wertet 223 Studien aus und fasst die in über 30 Jahren Forschung identifizierten Ursachen und Gegenmaßnahmen für VR-bedingtes Unwohlsein zusammen.

Die Forscher unterscheiden zwischen internen und externen Faktoren. Interne Faktoren sind personenspezifisch, also individuell. Darunter fallen unter anderem Alter, Geschlecht sowie körperliche und emotionale Verfassung. Während das Alter nachweislich Einfluss auf die Anfälligkeit für Motion Sickness hat, ist umstritten, ob auch das Geschlecht eine Rolle spielt. Schlechter Schlaf, neurologische Beeinträchtigungen und negative Emotionen können nach einigen Studien das Auftreten von Motion Sickness begünstigen.


Eine Taxonomie der Ursachen von Motion Sickness.

Eine Taxonomie der Ursachen von Motion Sickness.

Die in der Forschungsarbeit vorgeschlagene Taxonomie der Ursachen von Motion Sickness.

(Bild: Nilotpal Biswas et al.)

Die externen Faktoren unterteilen die Forscher in Hard- und Software. Bei der Hardware spielen Werte wie Auflösung, Bildrate, Latenz und Sichtfeld eine Rolle. Eine Studie legt nahe, dass Auflösungen ab 2K keinen Einfluss mehr auf Motion Sickness haben, während eine andere 120 Hertz als „wichtige Schwelle“ für deren Vermeidung bezeichnet. Während aktuelle Headsets wie die Meta Quest 3 diese Auflösung erreichen, laufen die meisten VR-Spiele aus Leistungsgründen mit 90 oder sogar nur 72 Hertz und damit unter diesem Wert. Bei der Latenz, also der Verzögerung zwischen einer Eingabe und ihrer visuellen Umsetzung, gilt ein Wert von 20 Millisekunden als Goldstandard. Liegt er deutlich darüber, steigt das Risiko für Motion Sickness. Auch wenn sich VR-Hardware in den vergangenen zehn Jahren stark weiterentwickelt hat und ihr Einfluss auf Motion Sickness deutlich verringert wurde, ist sie längst nicht perfektioniert und wird auf absehbare Zeit ein Faktor bleiben.

Der häufigste und stärkste Auslöser für Motion Sickness ist aber nach wie vor die Software, also die Inhalte, die VR-Nutzer erleben. Auf ihre Rolle gehen wir im folgenden Praxisteil des Ratgebers näher ein.

Veraltete Technik kann Motion Sickness begünstigen. Beim Kauf eines VR-Headsets sollte man daher möglichst ein aktuelles Modell wählen. So ist sichergestellt, dass Auflösung, räumliches Kopftracking, geringe Latenz und eine Bildrate von mindestens 90 Hz den empfohlenen Standards entsprechen. Veraltete Billiglösungen, bei denen das Smartphone in eine Halterung eingesetzt wird und als Display dient, sind aufgrund unzureichender Leistungsmerkmale berüchtigt dafür, Motion Sickness auszulösen.


Abbildung der Samsung Gear VR mit Controller vor weißem Hintergrund.

Abbildung der Samsung Gear VR mit Controller vor weißem Hintergrund.

Von uralten Lösungen wie Google Cardboard und Samsung Gear VR sollte man die Finger lassen.

(Bild: Samsung)

Das heißt im Umkehrschluss nicht, dass aktuelle VR-Technik frei von Schwächen ist: Quest 3S etwa bietet im Gegensatz zu Quest 3 keine präzise Anpassung des Linsenabstands an den individuellen Augenabstand, was bei starker Abweichung Motion Sickness begünstigen kann. Playstation VR2 wiederum weist bei maximaler Displayhelligkeit eine leichte Bewegungsunschärfe auf und setzt in manchen Spielen eine Rendertechnik ein, die Ghosting verursacht. Beides sind Effekte, die bei empfindlichen Personen Motion Sickness auslösen können. Letztlich hilft nur, die Geräte selbst auszuprobieren.

Motion Sickness entsteht, wie bereits erwähnt, meist dann, wenn sich Nutzer virtuell durch eine VR-Umgebung bewegen, während sie im realen Leben sitzen oder stehen, also eine Diskrepanz zwischen echter und virtueller Fortbewegung herrscht. Dabei spielt es keine Rolle, ob die virtuelle Fortbewegung per Analogstick oder Knopfdruck ausgelöst wird oder die virtuelle Welt ohne eigenes Zutun an Spielern vorbeizieht. Für den Einstieg sollte man daher Erfahrungen und Spiele meiden, bei denen solche Effekte stark ausgeprägt sind, etwa temporeiche Ego-Shooter oder virtuelle Achterbahnfahrten.


Erste-Person-Perspektive auf die steile Abfahrt einer roten Achterbahn über eine tropische Insel im azurblauen Meer.

Erste-Person-Perspektive auf die steile Abfahrt einer roten Achterbahn über eine tropische Insel im azurblauen Meer.

Virtuelle Achterbahnfahrten sind nicht für den Einstieg in VR geeignet.

(Bild: B4T Games, Epic Roller Coasters)

Bei 180- und 360-Grad-Videos empfiehlt es sich, Filme mit unbewegter Kamera zu wählen. Da die Blickperspektive, anders als in VR-Apps, fest definiert ist, sind räumliche Kopfbewegungen möglichst zu unterlassen. Andernfalls kann auch hier eine Diskrepanz entstehen: In diesem, dem normalen Fall entgegengesetzten Szenario registriert der Gleichgewichtssinn Bewegung, während die Augen keine Bewegung wahrnehmen.


Zwei Bilder, die die Komfort-Stufen und die zusätzlichen Details einer VR-App im Quest Store zeigen.

Zwei Bilder, die die Komfort-Stufen und die zusätzlichen Details einer VR-App im Quest Store zeigen.

Die Komfortstufen-Orientierung versteckt sich unter den „Zusätzlichen Details“ einer App im Quest Store.

(Bild: tobe)

Meta bietet im Quest Store eine Komfortstufen-Orientierung für VR-Apps an, die von „Angenehm“ über „Moderat“ bis „Intensiv“ reicht. Es lohnt sich daher, vor dem Kauf einer VR-App einen Blick darauf zu werfen. Der PlayStation Store und Steam verfügen über kein standardisiertes Komfortbewertungssystem. In diesen Fällen können Tests in Online-Publikationen oder auf YouTube Orientierung geben.

VR-Entwickler haben Umwege und Tricks erfunden, die es VR-Nutzern ermöglichen, virtuelle Welten auch dann komfortabel zu erkunden, wenn reale und virtuelle Fortbewegung nicht übereinstimmen.

Viele VR-Spiele bieten neben fließender Fortbewegung per Analogstick auch Teleportation an, da das Springen von Punkt zu Punkt deutlich seltener Motion Sickness verursacht. Soll die virtuelle Fortbewegung unbedingt fließend sein, lässt sich in der Regel ein Tunnelblick aktivieren. Die Verengung des Sichtfelds ist eine der wirksamsten Maßnahmen gegen Motion Sickness. Virtuelle Drehungen um die eigene Achse werden für die meisten Menschen verträglich, wenn sie sprunghaft in Schritten von 30 oder 45 Grad erfolgen. Kompromissfrei ist keine dieser Lösungen, da sie mit Einbußen bei der Immersion verbunden sind.


Ein VR-Ingame-Menü, das Komfortoptionen zeigt.

Ein VR-Ingame-Menü, das Komfortoptionen zeigt.

Beispielhafte Komfortoptionen aus dem VR-Spiel „Batman: Arkham Shadow“.

(Bild: tobe)

Die meisten modernen VR-Spiele bieten zahlreiche Optionen, mit denen sich die Spielerfahrung an die individuelle Verträglichkeit anpassen lässt. Diese auszuprobieren und die eigenen Grenzen kennenzulernen, ist für Einsteiger unerlässlich und kann den Unterschied zwischen unbeschwerter VR und lähmender Motion Sickness machen.

Über diese Techniken hinaus haben VR-Entwickler eine schier unüberschaubare Zahl virtueller Fortbewegungsarten erfunden: Die Online-Datenbank Locomotion Vault listet mehr als 100 verschiedene Ansätze, viele davon mit dem Ziel, Motion Sickness vorzubeugen. Es lohnt sich daher, verschiedene VR-Spiele und ihre jeweiligen Fortbewegungsarten auszuprobieren. Man kann im Vorhinein nie wissen, was einem persönlich am besten zusagt.

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In Spielen wie „Racket Club“ entspricht jede virtuelle Bewegung einer realen Bewegung, was das Risiko von Motion Sickness minimiert.

Doch selbst wer keinerlei virtuelle Fortbewegung verträgt, muss nicht auf VR verzichten: Es gibt zahlreiche Spiele, die ganz ohne auskommen, darunter Klassiker wie Beat Saber, Job Simulator und Superhot VR. Ob im Sitzen, Stehen oder Herumgehen im eigenen Raum („Roomscale-VR“): Jede virtuelle Bewegung entspricht hier der realen, was das Risiko von Motion Sickness deutlich reduziert.

Beim direkten Umgang mit Motion Sickness gilt es, einige wichtige Punkte zu beachten. Studien zeigen, dass sich Symptome verstärken, je länger am Stück sich Nutzer VR-Inhalten aussetzen, die Beschwerden hervorrufen. Deshalb sollte man Symptome nie „auszusitzen“ versuchen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass das Gehirn durch Konditionierung Virtual Reality mit Motion Sickness verknüpft, was den VR-Konsum langfristig erschweren kann. Für empfindliche Personen sind daher kurze VR-Sitzungen und regelmäßige Pausen zu empfehlen.

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Positiv stimmt, dass Forschungsergebnisse auf einen möglichen Gewöhnungseffekt hindeuten: Studien zeigen, dass Personen mit VR-Vorerfahrung seltener Symptome entwickeln als völlige Neulinge und dass die Intensität der Symptome nach wiederholten Erfahrungen allmählich abnehmen. Die Forscher empfehlen anfälligen Menschen kurze Sitzungen bis zum Auftreten erster Beschwerden, gefolgt von schrittweise längeren Einheiten nach vollständiger Erholung. Eine Gewöhnung ist jedoch ein langfristiger Prozess ohne Erfolgsgarantie. Wichtig bleibt daher, die eigenen Grenzen zu respektieren.

Die Forschung zählt eine Reihe von Hilfsmitteln auf, die Symptome lindern können: Ingwer, frei verkäufliche Medikamente und Akupressur-Armbänder gegen Übelkeit, Kaugummi und sogar Alkohol. Experimentellen Studien zufolge können auch Pfefferminzduft, spezielle Atemübungen und angenehme Musik helfen, Motion Sickness vorzubeugen. Nutzer sollten sich jedoch bewusst sein, dass diese Maßnahmen lediglich die Symptome lindern, nicht aber die Ursachen für Motion Sickness beseitigen.

Für PC-VR-Nutzer gibt es das Software-Tool OVR Locomotion Effect, das einen Tunnelblick simuliert, falls VR-Apps diesen nicht von Haus aus unterstützen. Mithilfe von Natural Locomotion können sich Nutzer durch Laufen auf der Stelle und Schwingen der Arme durch virtuelle Welten bewegen. Beide Methoden können helfen, Motion Sickness zu vermeiden.


Eine Frau mit VR-Brille sitzt in einer schalenartigen Bewegungsplattform.

Eine Frau mit VR-Brille sitzt in einer schalenartigen Bewegungsplattform.

Für ein beschwerdefreies VR-Erlebnis braucht es keine ausgefallene Hardware.

(Bild: Yaw VR)

Auf Hardware-Seite wurden zahlreiche Ansätze gegen Motion Sickness erprobt: von Laufmaschinen, Bewegungsplattformen und rotierenden Stühlen über motorisierte VR-Schuhe bis zu vibrierenden Gurten und Kopfbändern, die den Gleichgewichtssinn passend zur virtuellen Bewegung stimulieren. Doch keine dieser Lösungen hat sich bislang durchgesetzt.

Ein Wundermittel gegen Motion Sickness gibt es nicht, dafür ist das Phänomen zu komplex und individuell. Wer jedoch das Medium und die eigenen Grenzen gut kennt, kann sich wirksam davor schützen.


(tobe)



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Netzagenturchef: „Schränken Meinungsfreiheit nicht ein“


Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, hat die europäische Tech-Regulierung gegen Angriffe von US-Präsident Donald Trump verteidigt. „Wir schränken die Meinungsfreiheit nicht ein – im Gegenteil: Wir schützen sie“, sagte Müller der „Zeit“.

Der europäische Digital Services Act (DSA) verpflichtet sehr große Plattformen und Suchmaschinen, systemische Risiken wie Wahlmanipulation oder die Verbreitung illegaler Inhalte einzudämmen. Die Bundesnetzagentur überwacht als deutsche Koordinierungsstelle die Einhaltung dieser Vorgaben, koordiniert die Zusammenarbeit mit der EU und agiert als zentrale Anlaufstelle für Beschwerden von Nutzern. Halten sich die Plattformen nicht an das EU-Recht, drohen empfindliche Strafen – darunter Geldbußen in Höhe von sechs Prozent des gesamten weltweiten Jahresumsatzes.

Das Gesetz hat zu Problemen in der Beziehung zwischen der EU und den Vereinigten Staaten geführt. Die US-Regierung unter Präsident Donald Trump kritisiert immer wieder europäische Digitalgesetze wie das DSA als wettbewerbsfeindlich. Im Interview der „Zeit“ hält Netzagenturchef Müller dagegen: Die EU-Digitalgesetze seien „nicht verhandelbar“, betonte er.

Das Verhältnis zwischen den USA und Europa sieht er als belastet an. „In den vergangenen Jahrzehnten sind sich die USA und Europa trotz aller Unterschiede mit Respekt und Wertschätzung begegnet. Jetzt erleben wir leider Polarisierung und verbale Eskalation“, sagte Müller.


(nen)



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Spinnenroboter „Charlotte“ soll Häuser in 24 Stunden drucken, auch auf dem Mond


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It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Auf dem 76. International Astronautical Congress (IAC) in Sydney haben die australischen Unternehmen Crest Robotics und Earthbuilt Technology einen ungewöhnlichen Bauroboter namens Charlotte präsentiert. Der spinnenartige Roboter soll Gebäude aus lokal verfügbaren Materialien wie Sand, Erde oder Bauschutt errichten – sowohl auf der Erde als auch auf dem Mond. Das Konzept verbindet Robotik mit 3D-Drucktechnologie für den Hausbau und zielt auf automatisierte, ressourcenschonende Bauprozesse ab.

Charlotte funktioniert nach dem Prinzip der additiven Fertigung: Der Roboter nimmt Rohmaterialien auf, bindet sie mit einem proprietären Extrusionssystem und gibt sie wie ein 3D-Drucker schichtweise wieder aus. Laut Robotics & Automation News soll ein Wohnhaus mit 200 Quadratmetern Fläche in weniger als 24 Stunden entstehen. Die Entwickler versprechen deutlich geringeren Energie- und Arbeitskräftebedarf im Vergleich zu konventionellen Bauverfahren.

Bei der Präsentation in Sydney zeigte das Unternehmen einen verkleinerten Prototyp, der die Grundprinzipien des Systems demonstriert. Das eigentliche Konzept geht jedoch weit über irdische Anwendungen hinaus: Charlotte wurde bewusst leicht und klappbar konstruiert, um für Weltraummissionen geeignet zu sein. Die Maschine soll sich kompakt zusammenfalten und transportieren lassen, um dann auf extraterrestrischen Oberflächen eingesetzt zu werden.

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In einem Bericht von ABC News (Australia) sieht man den „Charlotte“-Prototyp auf der IAC in Sydney.

Die Entwickler sehen Charlotte als mögliches Werkzeug für den Bau von Mondhabitaten oder Forschungsstationen im Rahmen der Artemis-Missionen der NASA. „Auf dem Mond benötigen wir vollkommen neue Baugeräte“, erklären die Entwickler. „Charlottes agile und anpassungsfähige Struktur ermöglicht schnelles Errichten von Gebäuden auch unter extremen Bedingungen.“

Das Projekt wird durch das Space+-Programm des australischen Bundesstaats New South Wales unterstützt, das vom SmartSat-Konsortium umgesetzt wird. Clyde Webster, Gründungsdirektor von Crest Robotics, beschreibt Charlotte als „riesigen, beweglichen 3D-Drucker“, der Wohnungsknappheit bekämpfen und die Produktivität im Bauwesen steigern könnte. Jan Golembiewski, Mitgründer von Earthbuilt Technology, fasst das Konzept prägnant zusammen: „Rohstoffe rein, Wände raus.“ Nach seinen Angaben könnte die Maschine die Leistung von mehr als hundert Maurern ersetzen.

Ähnlich wie bei anderen 3D-Druckverfahren im Bauwesen liegt der Vorteil in der Materialeinsparung und der Möglichkeit, komplexe Formen zu realisieren. Während herkömmliche Betondruckverfahren meist auf vorgefertigte Materialmischungen angewiesen sind, soll Charlotte flexibler agieren und verschiedene vor Ort verfügbare Materialien verarbeiten können. Die genaue Zusammensetzung der Bindemittel und die Details des Extrusionsprozesses haben die Entwickler bislang nicht offengelegt.

Trotz der ambitionierten Ziele stehen die Entwickler vor erheblichen Herausforderungen. Der Prototyp befindet sich noch in einem frühen Stadium, und bis zum Bau vollwertiger Gebäude auf der Erde müssen zahlreiche technische Fragen geklärt werden. Dazu gehören Materialtests, Energieversorgung, Autonomie der Steuerung sowie die Einhaltung von Baustandards und statischen Anforderungen.

Für den Einsatz im Weltraum kommen weitere Hürden hinzu: Die Maschine muss in der Lage sein, unter Mondgravitation, im Vakuum, bei extremen Temperaturschwankungen sowie unter Staub- und Strahlungsbelastung zu funktionieren. Auch die Logistik des Transports, die Materialgewinnung vor Ort und die Zuverlässigkeit des autonomen Betriebs stellen erhebliche technische Anforderungen dar.

Neda Mohammadi von der University of Sydney sieht dennoch Potenzial in der Baurobotik, um dem Arbeitskräftemangel zu begegnen und Bauprojekte zu beschleunigen. Die Technologie könnte menschliche Teams entlasten und ihnen ermöglichen, sich auf komplexere und kreativere Aufgaben zu konzentrieren. Die Entwickler suchen aktiv nach Kooperationspartnern und zusätzlicher Finanzierung von Raumfahrtagenturen und Industriepartnern, um die Entwicklung und Tests voranzutreiben.

Trotz der spektakulären Vision des Mondbaus konzentrieren sich die unmittelbaren Pläne auf irdische Anwendungen. Wenn Charlotte oder ähnliche Roboter tatsächlich in der Lage wären, Häuser schnell und mit geringen Emissionen zu errichten, könnte dies zur Lösung globaler Wohnungskrisen beitragen. Der Ansatz würde nicht nur bezahlbaren Wohnraum schaffen, sondern auch den Druck auf Arbeitskräfte, Materialien und CO₂-Budgets verringern.


(vza)



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Münchner Flughafen: Betrieb nach Drohnen-Alarm entspannt sich


Nach den Störungen wegen Drohnen-Überflügen läuft der Betrieb am Münchner Flughafen wieder weitgehend normal. Der Flugbetrieb sei pünktlich gestartet, teilte der Airport am Sonntag mit, in Einzelfällen könne es jedoch noch zu Nachwirkungen kommen. Passagiere sollten sich daher weiterhin vor der Anfahrt zum Flughafen über den Status ihres Fluges informieren. Derweil geht die politische Debatte über den Umgang mit Drohnen weiter.

Am Münchner Flughafen waren am Donnerstag und am Freitag jeweils abends Drohnen gesichtet worden, daraufhin wurde der Flugbetrieb an beiden Tagen vorübergehend eingestellt. Etliche Flüge wurden umgeleitet oder gestrichen. Nahezu 10.000 Reisende waren betroffen.

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt sprach am Samstag über seine Pläne für eine bessere Abwehr der Fluggeräte. Eine Grundgesetzänderung sei nicht nötig, damit die Bundeswehr wie von ihm geplant Amtshilfe leisten könne, sagte der CSU-Politiker in München bei einem Treffen mit europäischen Amtskollegen.

Dobrindt will ein gemeinsames Drohnenabwehrzentrum schaffen, das Kompetenzen bei Bundespolizei, Zoll, Bundeskriminalamt und Länderbehörden bündelt und bessere Analysen ermöglicht. Er sprach von einem „Wettrüsten“ zwischen Drohnenbedrohung und -abwehr.

Je nach Art der Drohnen, um die es gehe, könne Amtshilfe der Bundeswehr nötig werden, sagte Dobrindt. Dafür müssten die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Drohnen, die auf Baumwipfel-Höhe flögen, könnten zum Beispiel gestört werden, das könne die Polizei, sagte Dobrindt. „Wir haben aber auch Drohnen in sehr hohen Höhen.“ Man könne sich militärische Drohnen vorstellen, wie man sie in anderen Ländern wie Polen schon gesehen habe.

Dobrindt betonte aber auch, nicht jede Drohne sei eine Bedrohung: „Auch vieles davon, selbst wenn es von ausländischen Mächten initiiert und gesteuert ist, ist Teil einer gezielten Provokation, nicht automatisch immer eine Bedrohung.“

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sieht Dobrindts Pläne skeptisch. Das machte er in einem Interview des „Handelsblatts“ deutlich, das bereits vor den Drohnensichtungen am Münchner Flughafen geführt wurde.

„Dieses Zentrum wäre dann nur für eine potenzielle Bedrohung durch Drohnen zuständig. Wir müssen aber damit rechnen, dass es multiple Gefährdungsszenarien geben könnte“, so Pistorius. „Daher brauchen wir in erster Linie ein gemeinsames 24/7-360-Grad-Lagebild.“

Als Beispiel nannte der Verteidigungsminister den Fall, dass in Deutschland an verschiedenen Stellen gleichzeitig Waldbrände oder Stromausfälle aufträten. „Alle relevanten Daten zur Einordnung der Sicherheitslage Deutschlands sollten an einem Punkt zusammenlaufen. Nur so kann man erkennen, ob es bei den scheinbaren Solitärereignissen womöglich einen Zusammenhang und einen gemeinsamen Verursacher gibt“, sagte Pistorius.

Deutschland hole bei der Drohnenabwehr gewaltig auf, erklärte Pistorius. Zugleich dämpfte er aber die Erwartungen an die Bundeswehr. „Die Bundeswehr kann nicht überall in Deutschland, wo Drohnen auftauchen, zur Stelle sein und sie vom Himmel holen“, sagte er. „Viel entscheidender ist, dass die Polizeien der Länder und des Bundes die Fähigkeiten aufbauen, die sie brauchen, um bis zu einer bestimmten Höhe agieren zu können.“

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Zugleich rief Pistorius zur Besonnenheit auf. Er verstehe die Verunsicherung, eine solche Debatte habe es bisher noch nicht gegeben. „Deswegen ist es umso wichtiger, die Lage nüchtern und ruhig zu betrachten: Bislang ging von den beobachteten Drohnen keine konkrete Bedrohung aus.“

Aus Sicht von Pistorius zielt Russland mit Luftraumverletzungen und Drohnenüberflügen grundsätzlich darauf ab, Verunsicherung zu schüren. „Es geht darum, zu provozieren, Angst zu machen, kontroverse Debatten auszulösen.“ Kremlchef Wladimir Putin kenne Deutschland sehr, sehr gut, wie wir alle wüssten. „Er kennt auch die deutschen Instinkte und Reflexe.“

Erst vergangene Woche waren über Schleswig-Holstein Drohnen gesichtet worden. Die Behörden prüfen den Verdacht, wonach die Drohnen über kritische Infrastruktur geflogen sind. Mehrfach hatten Drohnen in der vergangenen Woche auch den Luftverkehr in Dänemark gestört und für Verunsicherung und Chaos gesorgt.


(nen)



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