Datenschutz & Sicherheit
Spahn: „Anlasslose Chatkontrolle wird es mit uns nicht geben“
In die Debatte um die Chatkontrolle kommt kurz vor der entscheidenden EU-Ratssitzung Bewegung. Am Dienstagnachmittag erteilte Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) der umstrittenen Maßnahme eine Absage. „Wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion sind gegen die anlasslose Kontrolle von Chats“, sagte Spahn am Nachmittag vor Journalisten in Berlin. Wie heise online aus Fraktionskreisen erfuhr, soll die Chatkontrolle vorerst nicht im Rat zur Abstimmung kommen.
„Das wäre so, als würde man vorsorglich mal alle Briefe öffnen und schauen, ob da etwas Verbotenes drin ist“, so Spahn. „Das geht nicht, das wird es mit uns nicht geben.“ Zugleich sei aber klar, dass Kindesmissbrauch bekämpft werden können müsse, betonte der Fraktionschef, und lobte die EU-Initiative. Eine Verordnung müsse Kinder wirksam schützen, „ohne dabei die Sicherheit und Vertraulichkeit individueller Kommunikation zu gefährden“.
Anlass oder nicht
Knackpunkt ist das Wort „anlasslos“. Die Union erteilt damit einer generellen Massenüberwachung eine Absage. Doch auch für eine anlassbezogene Überwachung von verschlüsselten Chats müsste die Technik massiv geschwächt werden, um Dritten Zugang zu den Inhalten zu ermöglichen. Damit wäre die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zwischen den Clients gebrochen.
Der erneute Vorstoß für eine Chatkontrolle wird von der dänischen Ratspräsidentschaft unter dem Banner der Bekämpfung des Kindesmissbrauchs geführt. Das EU-Parlament ist entschieden dagegen, das Grundrecht auf vor staatlichem Zugriff geschützte Kommunikation drastisch einzuschränken. Der EU-Rat der Mitgliedsstaaten sollte ursprünglich in der kommenden Woche darüber abstimmen.
Im Rat hatte bisher eine Minderheit mit Deutschland, Polen, Österreich und den Niederlanden eine Entscheidung verhindert. Sollte einer von den vier umfallen, wäre die Sperrminorität dahin.
In der Bundesregierung hat sich Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) bisher offen für den Vorstoß der Dänen gezeigt. Die SPD lehnt die Chatkontrolle weiterhin und begrüßte die Äußerungen Spahns. Es sei gut, dass sich die Union den Bedenken anschließe, sagte SPD-Fraktionsvize Sonja Eichwede. „Der Schutz von Kindern ist zentral, aber verdachtslose Überwachung privater Kommunikation ist der falsche Weg.“
Fraktion hat Redebedarf
Bereits im Laufe des Tages hatte sich abgezeichnet, dass es offenbar noch Redebedarf gibt. Zwar hatten sich Dobrindts Innenministerium und das Justizministerium von Stefanie Hubig (SPD) im Grundsatz auf eine Abstimmungsposition verständigt. Doch dann musste die Bundesregierung feststellen, dass auch die sie tragenden Bundestagsfraktionen eigene Sichtweisen haben.
So kam scharfe Kritik daran auf, dass die neue Koalition die Fragen im Zusammenhang mit der geplanten Verordnung bislang nicht ausreichend diskutieren konnte. Nachdem die Verordnung nun bereits drei Jahre diskutiert werde, gebe es keinen Grund, nun binnen weniger Stunden eine deutsche Positionierung ohne gründliche Beteiligung mit den Abgeordneten im Bundestag durchzudrücken, heißt es aus Fraktionskreisen.
Gegen die EU-Pläne formiert sich breiter Widerstand. Die Betreiber des Messengers Signal haben angekündigt, ihren Dienst in der EU einzustellen, sollte die Politik die Verschlüsselung unterwandern. Auch andere Messengerdienste haben das Vorhaben kritisiert. Scharfe Kritik äußerten auch IT-Verbände, Bürgerrechtsorganisationen und Medienverbände.
(vbr)
Datenschutz & Sicherheit
Die Woche, als ein Digitalgipfel uns zu Kund:innen machte
Liebe Kundinnen und Kunden,
Ihr seid eine:r von 450 Millionen. Von 450 Millionen „customers“ auf dem europäischen Binnenmarkt, die Start-ups, mittlere Unternehmen und Großkonzerne erreichen sollen.
Fühlt ihr euch von dieser Ansprache irritiert? Ich mich auch. Aber so sieht euch offenbar der deutsche Digitalminister, zumindest wenn es nach seiner Eröffnungsrede auf dem Gipfel zur europäischen digitalen Souveränität diese Woche geht.
Da ist viel die Rede von Wachstum durch sogenannte KI, einem Rennen der Innovation, dem sich kleine und mittelständische Betriebe anschließen sollen. Der Minister spricht die an, die für ihn dabei offenbar eine Rolle spielen: Firmen, Investoren, Forschende, politische Institutionen. Die Menschen in Europa, also in der Denke Wildbergers die Kund:innen, spielen keine aktive Rolle.
Eine solche Digitalpolitik ist ein Problem. Denn sie führt dazu, dass Regeln nur noch für Unternehmen gemacht werden. Wir sehen das gerade am Digital-Omnibus, einem Gesetzespaket, das die EU-Kommission diese Woche vorgestellt hat. Während Industrieverbände jubeln, ist die Zivilgesellschaft schockiert vom Schnellabbau von Datenschutzregeln und großzügigen Fristverschiebungen für riskante KI-Systeme. Meine Kollegen Ingo und Daniel haben Antworten auf die wichtigsten Fragen dazu zusammengestellt.
Aber nicht nur die industriefreundliche Politik wird einem mit einer derartigen Verkäufer-Mentalität auf die Füße fallen. Denn Europa besteht nicht vor allem aus Kund:innen, sondern aus vielen Millionen Menschen, die unsere digitale und analoge Welt gestalten wollen und können. Wer ihre Stimmen ignoriert, ihre Ideen als irrelevant abtut, ihre Expertise weglächelt, verschenkt die Zukunft. Wir wollen die digitale Welt nicht als Produkt kaufen, wir wollen sie gestalten.
Wir von netzpolitik.org sehen es seit vielen Jahren als eine unserer Kernaufgaben, der Zivilgesellschaft bei netzpolitischen Diskussionen eine Stimme zu geben. Der Digitalminister hat in seiner Rede schmerzhaft demonstriert, dass das heute wichtiger ist als je zuvor. Wir müssen laut sein, um uns Gehör zu verschaffen, und das schaffen wir nicht allein.
Diese Woche haben wir euch wieder vermehrt um finanzielle Unterstützung gebeten, denn das Jahresende naht. Wie immer brauchen wir noch jede Menge Geld, um unsere Arbeit zu finanzieren, die durch eure Spenden ermöglicht wird. Als Spender:innen seid ihr für uns aber weit mehr als Kund:innen unserer journalistischen Produkte. Ihr seid wie wir Teil einer digitalen Zivilgesellschaft, die für ein Internet kämpft, das nicht den Konzernen, sondern den Menschen dient. Danke dafür!
Ein schönes winterliches Wochenende wünscht euch
anna

Datenschutz & Sicherheit
Medienaufsicht: Pornofilter für Betriebssysteme kommt
Anbieter von Betriebssystemen wie Apple, Google oder Microsoft müssen demnächst sicherstellen, dass diese mit einer „Jugendschutzvorrichtung“ ausgestattet sind. Das sieht eine Novelle des Jugendmedienschutzstaatsvertrags (JMStV) vor, die von den Bundesländern verabschiedet wurde. Das Parlament von Brandenburg hatte am Mittwoch als letztes Bundesland den Weg dafür freigemacht.
Laut der Reform sollen Spielekonsolen, Smartphone, Smart-TVs und andere Geräte, die „Zugang zu Telemedien ermöglichen“, bereits auf der untersten Software-Ebene einen Filter bieten, der dafür sorgt, dass etwa der Weg zu Pornoseiten versperrt bleibt.
Eltern sollen diesen Schutzmodus mit nur einem Klick aktivieren können und dabei auch das Alter der Kinder einstellen können. Der Vertrag bezeichnet das als „One-Button-Lösung“. Anschließend sollen Browser auf dem Gerät nur noch verfügbar sein, wenn sie über „eine gesicherte Suchfunktion“ verfügen. Was das ist, wird im Text nicht näher definiert. Auch für Apps gilt, dass sie der Altersangabe entsprechen müssen.
Umstrittene Novelle
Die neuen Regeln treten am 1. Dezember 2027 in Kraft und gelten nur für Geräte, die neu in den Handel kommen. Alte Geräte, für die keine Softwareupdates mehr bereitgestellt werden, sind davon ausgenommen. Für Geräte, die bereits produziert werden, gilt eine Übergangsfrist von drei Jahren ab Bekanntgabe der neuen Regeln.
Auf die umstrittene Novelle hatten sich die Ministerpräsidenten der Länder bereits vor einem Jahr geeinigt. Tech-Konzerne wie Google und Microsoft wehrten sich gegen die Auflagen und verwiesen darauf, dass sie bereits Lösungen für den Jugendschutz anböten. Die neuen Vorschriften würden zu vielen rechtlichen und technischen Problemen führen. Auch Verbände wie die Free Software Foundation kritisierten die Pläne. Es sei etwa unklar, wie Anbieter von freier Software die Vorgaben umsetzen sollten.
Geldhahn abdrehen, Domains sperren
Zusätzlich zu den Jugendschutzfiltern bekommt die Jugendmedienaufsicht zwei weitere Werkzeuge an die Hand, um Betreiber von Pornoseiten unter Druck zu setzen. Die erste gilt der Sperre von sogenannten Ausweichdomains. Hintergrund ist der Kampf der deutschen Medienaufsicht gegen Pornoseiten, die sich weigern, das Alter ihrer Nutzer*innen zu kontrollieren. Die Medienaufsicht will diese Alterskontrollen gemäß deutschem Recht erzwingen und lässt die Seiten widerspenstiger Betreiber sperren. Internetprovider wie die Telekom müssen dann verhindern, dass ihre Kund*innen die Seiten aufrufen können.
In der Vergangenheit hatte diese Methode wenig Erfolg. XHamster und Pornhub haben einfach binnen kürzester Zeit alternative Domains eingerichtet, ein Katz-und-Maus-Spiel, bei dem die Behörde immer einen Schritt hinterher war. Mit der Novelle gilt, dass die Medienaufsicht in Zukunft auch für diese neuen Domains Netzsperren schneller anordnen darf – ohne gesondertes Verfahren.
Das zweite Werkzeug richtet sich gegen Zahlungsdienstleister und soll den Geldfluss an Pornoseiten kappen. Die jeweils zuständige Landesmedienanstalt darf nun etwa Visa oder Paypal anweisen, keine Zahlungen mehr für bestimmte Seiten abzuwickeln, wenn diese „unzulässige Angebote“ zeigen.
EU-Kommission vs. deutsche Medienaufsicht
Kritiker*innen weisen darauf hin, dass diese Maßnahmen wenig bringen, wenn es damit geht, Jugendliche von Pornoseiten fernzuhalten. So lassen sich Netzsperren mit wenigen Klicks umgehen, zum Beispiel durch VPN-Dienste, die vorgeben, eine Seite aus einem anderen Land aufzurufen. Der Download solcher Software steigt in allen Regionen rasant an, in denen Pornoseiten entweder gesperrt sind oder Alterskontrollen einführen – zuletzt etwa in Großbritannien.
Verpflichtende Alterskontrollen, wie die Medienaufsicht sie zudem vorschreiben will, würden außerdem bedeuten, dass alle Nutzer*innen von Pornoseiten ihr Alter nachweisen müssten. Die Medienaufsicht empfiehlt dafür etwa, dass die Seiten die Ausweise der Besucher*innen kontrollieren oder das Alter per biometrischer Gesichtserkennen schätzen sollen.
Einer der größten Anbieter, Pornhub, wehrt sich aktuell vor Gericht gegen die aus Deutschland angeordneten Netzsperre. Betreiber Aylo ist auf dem Standpunkt, dass nicht die Medienaufsicht, sondern die EU-Kommission für Pornhub zuständig sei. Die gesetzliche Grundlage dafür ist das Gesetz über digitale Dienste (DSA). Als EU-Verordnung habe es Vorrang gegenüber nationalen Gesetzen wie dem JMStV.
Auch der DSA sieht vor, dass Anbieter von Pornoseiten mehr für den Schutz von Minderjährigen tun müssen, er schreibt dafür aber keine verpflichtenden Alterskontrollen vor, sondern verpflichtet Anbieter lediglich dazu, “Risiken” für den Jugendschutz selbst einzuschätzen und zu minimieren. Derzeit designiert die EU-Kommission mehrere Pornoseiten zudem als „Sehr Große Online-Plattform“ und sieht damit striktere Auflagen für sie vor.
Datenschutz & Sicherheit
Cyberbande cl0p behauptet zahlreiche weitere Datendiebstähle
Etwa 30 Namen von Unternehmen sind auf der Darknet-Seite der kriminellen Vereinigung cl0p neu aufgetaucht. Darunter sind auch einige bekannte und global aktive.
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Auf der Darknet-Seite von cl0p sind einige renommierte Unternehmen aufgetaucht.
(Bild: heise medien)
Unter den angeblich betroffenen Unternehmen finden sich Größen wie Broadcom, Canon, Mazda (und zusätzlich Mazda USA) oder auch der Reifenhersteller Michelin. Es finden sich von den betroffenen Unternehmen bislang noch keine Stellungnahmen oder Bestätigungen von etwaigen Datenlecks, die kürzlich erfolgt wären. Die Täter haben auf der Darknet-Leaksite von cl0p derzeit lediglich allgemeine Unterseiten ohne Details oder Ausschnitte aus den abgezogenen Daten angelegt. Es ist also unklar, in welchem Umfang und was für Daten die Kriminellen erlangt haben wollen.
Bislang glaubhafte Einbruchsberichte
Bislang waren angekündigte Datendiebstähle von cl0p echt, es handelte sich regelmäßig nicht um Bluffs. Etwa Anfang des Monats nahm cl0p Logitech und die Washington Post in die Liste der kompromittierten Unternehmen auf. Rund eine Woche später bestätigte Logitech, dass Angreifer Zugriff auf Computersysteme erlangt und dabei Daten von Kunden und Mitarbeitern kopiert haben. Die Washington Post hat Anfang der Woche ebenfalls mit einer Meldung eines Datenschutzvorfalls eingeräumt, dass Daten von knapp 10.000 ehemaligen und aktuellen Mitarbeitern sowie Auftragnehmern von kriminellen Eindringlingen kopiert wurden.
Zuletzt hatte cl0p reihenweise Opfer durch eine Sicherheitslücke in Oracles E-Business-Suite (EBS) angegriffen und dadurch unbefugt Zugriff auf sensible Daten erlangt. Anfang Oktober hat Oracle vor laufenden Angriffen auf die Lücken und darauffolgende Erpressungsversuche gewarnt. Seitdem stehen auch Updates bereit, die Admins unbedingt installieren sollten. Die Zero-Day-Sicherheitslücke war den Angreifern demnach bereits mindestens seit Juni des Jahres bekannt.
(dmk)
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