Datenschutz & Sicherheit
Adenauer-Protestbus: Ermittlungen mit Schlagseite
Der mittlerweile bundesweit bekannte Protestbus „Adenauer SRP+“ der Künstlergruppe Zentrum für politische Schönheit, der auch das Sommerinterview von Alice Weidel öffentlichkeitswirksam gestört hatte, steht weiter im Fokus der Polizei. Die Künstler:innen beklagen fortlaufende Schikanen – nun durch die sächsische Polizei.
Im Bundesland Sachsen war der Bus am 20. September eigentlich als Lautsprecherwagen beim Christopher Street Day in Döbeln vorgesehen. Er wurde dann aber von der Polizei gestoppt und wegen angeblicher Sicherheitsmängel aus dem Verkehr gezogen und beschlagnahmt.
Seit das Fahrzeug auf der Straße ist, scheint es ein Lieblings- bzw. Hassobjekt von Polizeien aller Art zu sein. Es ist nicht das erste Mal, dass der Bus von der Polizei durchsucht, beschlagnahmt, beschädigt, technisch überprüft oder mit besonderen Auflagen belegt wird.
Ärger mit dem TÜV
Im neusten Fall in Sachsen ließ die Polizei das Fahrzeug in Folge der Beschlagnahme bei der TÜV-Stelle Dekra in Chemnitz am 26. und 29. September untersuchen. Die Dekra erklärte das Fahrzeug für verkehrsunsicher, die Aktionskünstler ließen es deshalb per Tieflader zurück nach Berlin holen. Laut dem Zentrum für politische Schönheit liegt der Künstlergruppe allerdings bis heute kein schriftliches Gutachten der Dekra vor.
Ein Pressesprecher der Dekra sagt auf Anfrage, dass nur der Auftraggeber des Gutachtens, also die Polizei, etwas dazu sagen könne. Die Polizei hat eine entsprechende Anfrage von netzpolitik.org nicht beantwortet. Gegenüber der Freien Presse (€) heißt es hingegen seitens der Polizei, dass nur eine Kurzinfo vorliege und die Dekra das Gutachten noch nicht fertiggestellt habe.
Bislang ist der Bus nach technischen Prüfungen jedes Mal wieder auf die Straße zurückgekehrt. Die Aktionskünstler sprechen vom „am meisten geprüften Fahrzeug des Landes“. In Folge stand die Polizei mehrfach so da, als habe sie nicht wegen Sicherheitsaspekten, sondern aus politischen Beweggründen gehandelt.
Ermittlungen gegen Künstlergruppe und deren Unterstützer:innen
Das ist nicht unbemerkt geblieben. In sozialen Medien machten manche Nutzer:innen ihrem Ärger Luft – und könnten deshalb nun Probleme mit der sächsischen Polizei bekommen. Die hat inzwischen eigens eine beim Staatsschutz angesiedelte vierköpfige Ermittlungsgruppe aus der Taufe gehoben, um gezielt gegen Beleidigungen und Ähnliches in sozialen Medien vorzugehen.
Mehr als 200 Kommentare soll die Polizei nach der sächsischen Beschlagnahme des Busses laut eigenen Angaben aufgespürt haben, bei denen der Anfangsverdacht einer Straftat bestehe. In dutzenden Verfahren ermittelt sie nun unter anderem wegen Beleidigung, Bedrohung, übler Nachrede, der Androhung von Straftaten oder auch wegen Verstößen gegen das Kunsturhebergesetz. Auf die Frage, welche der Delikte wie häufig vorgekommen wären, hat die Polizei Chemnitz nicht geantwortet.
Im Visier dieser mutmaßlichen Straftaten steht ein Polizeihauptkommissar, der die Verkehrskontrolle geleitet hatte – und der aus Funk und Fernsehen schon vorher bekannt war. Diesen nahm das Zentrum für politische Schönheit in Instagram-Posts und in ihrer Kommunikation besonders aufs Korn, veröffentlichte auf Instagram und in anderen sozialen Medien Ausschnitte von Videos, die während der Verkehrskontrolle aufgenommen wurden.
Die Ermittlungen wegen des mutmaßlichen Verstoßes gegen das Kunsturheberrecht und wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes dürften sich deswegen gegen das Zentrum für politische Schönheit richten. Die Polizei Chemnitz hat auf eine entsprechende Presseanfrage, ob diese Straftaten die Videos der Aktionskünstler betreffen, nicht geantwortet.
In der Regel darf die Polizei in der Öffentlichkeit gefilmt werden, nur müssen Gesichter von Polizist:innen bei einer Veröffentlichung unkenntlich gemacht und der Ton ausgeblendet werden – außer, es besteht ein besonderes öffentliches Interesse.
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Interne Ergebnisse an rechten Youtuber weitergegeben?
Doch nicht nur die bemerkenswert aufwändigen Ermittlungen gegen die Aktionskünstler und ihr Umfeld verwundern in diesem Fall. Es steht auch der Verdacht im Raum, dass Informationen aus der Dekra-Untersuchung an den rechten Youtuber und TikToker Maurice Klag mit seinen 230.000 Abonnent:innen weitergegeben wurden.
In einem Video auf seinem YouTube-Kanal „Politik mit Kopf“ trifft er Aussagen zu der Dekra-Untersuchung des Protest-Busses, die weder von der Polizei noch von der Dekra offiziell öffentlich verbreitet wurden – und die der rechte Influencer eigentlich nicht haben kann. Hierbei handelt es sich um eine Information über die maximale Dachlast des Protest-Busses. Ein Sprecher des Zentrums für politische Schönheit bestätigte, dass die Dachlast in der Dekra-Untersuchung am 29. September Thema war. Sie wurde allerdings nirgendwo öffentlich kommuniziert.
Die Aktionskünstler gehen deshalb davon aus, dass jemand von Dekra oder der Polizei dem Youtuber interne Informationen weitergeleitet hat. Die Polizei Chemnitz dementiert das: „Seitens der Polizei wurden keine weiteren Veröffentlichungen über die bekannten Medieninformationen hinaus getätigt“, so die Jana Ulbricht, Sprecherin der Polizei Chemnitz. Gegenüber der Freien Presse (€) sagte sie zudem: „Es scheint sich durch den ganzen Beitrag zu ziehen, dass man hier und da etwas aufgeschnappt und offensichtlich zusammengeschnitten hat. Die angeblichen Fakten seien falsch, ihre Herkunft unklar.“ Auch die Dekra sagt auf Anfrage von netzpolitik.org, keine Details nach außen gegeben zu haben.
Aufrufe zu Straftaten gegen die Aktionskünstler
Während die Polizei in Chemnitz gegen vermeintliche Unterstützer:innen des Protestbusses ermittelt, wird unter dem Video von Maurice Klag zu Straftaten gegen das Zentrum für politische Schönheit aufgefordert. „Warum habt ihr die Dreckskarre nicht längst abgefackelt?“ fragt da einer, während ein anderer dazu auffordert „Redet nicht so viel, bei nächster Gelegenheit eine Drohne mit 10 kg Semptex [sic!] und der Bus schläft mit seinen Terroristen“. Unter einem anderen Video zur Beschlagnahme des Busses schreibt jemand unter Klarnamen: „Nehmt einen Kanister Benzin. Und der Bus hat sich erledigt ich geb auch noch ein Feuerzeug.“
Es sind nur einige Beispiele von vielen, die netzpolitik.org nach kurzer Recherche gefunden hat. Ein Sprecher des ZPS sagt: „Die Polizei Chemnitz hat mit ihren Presseinformationen eine Welle von Hass und Gewaltdrohungen gegen uns ausgelöst. Da traut sich jetzt jeder Nazi aus seinem Loch. Wir bezweifeln, dass die Polizei dagegen eifrig ermittelt.“
Auf die Presseanfrage von netzpolitik.org, ob auch gegen diese mutmaßlichen Straftaten im Zusammenhang mit dem Adenauer-Bus ermittelt wird, antwortet die Polizei: Im Rahmen der Ermittlungen seien zahlreiche Kommentare und Posts im Zusammenhang mit verschiedenen Veröffentlichungen, die sich in der Hauptsache gegen den die Kontrolle durchführenden Polizeibeamten richteten, gesichert worden. Gleichwohl hätten sich nicht alle Posts auf den Beamten bezogen. Aus „ermittlungstaktischen Gründen“ könne man nicht mehr sagen.