Künstliche Intelligenz
Android: Google erschwert die Entwicklung von Custom-ROMs
Google hat der Custom-ROM-Community gewissermaßen einen Stock zwischen die Beine geworfen: Mit der Veröffentlichung von Android 16 hat das Unternehmen zwar den Quellcode der neuen OS-Version auch im Android Open Source Project (AOSP) freigegeben, mit dem unabhängige Entwickler ihre eigenen Forks des Betriebssystems unter der recht freizügigen Apache-2.0-Lizenz kompilieren können. Jedoch hat der Konzern die bislang gleichzeitig veröffentlichten Device-Trees für Pixel-Geräte nicht mitgeliefert.
Google: AOSP lebt, aber …
Weder die Treiber-Binärdateien noch die vollständige Kernel-Quellcode-Commit-Historie hat der Konzern veröffentlicht und weicht damit von seiner bisher üblichen Praxis ab. Diese Auslassung führte zu Spekulationen, dass Google womöglich das AOSP-Programm gänzlich einstellen könnte, wie etwa die Macher von GrapheneOS meinten.
Doch so dramatisch ist es nicht. AOSP bleibt erhalten, wie Googles Vice President und General Manager der Android-Plattform, Seang Chau, auf X versicherte: „AOSP wird NICHT verschwinden. AOSP wurde auf der Grundlage einer offenen Plattform für Geräteimplementierungen, SoC-Anbieter und Befehlssatzarchitekturen entwickelt.“
Jedoch bestätigte der Manager, dass das Fehlen der Pixel-Device-Trees kein Fehler sei. Er erläuterte, dass „AOSP ein Referenzziel benötigt, das flexibel, konfigurierbar und erschwinglich ist – unabhängig von einer bestimmten Hardware, einschließlich der von Google“.
Statt AOSP-Builds auf Pixel-Geräten zu unterstützen, zielt Google darauf ab, dass Entwickler das virtuelle Android-Gerät „Cuttlefish“ als Referenz nutzen sollen. Cuttlefish läuft auf PCs und ermöglicht es Google und Plattformentwicklern, neue Hardwarefunktionen zu testen. Ferner will Google weiterhin GSI-Targets unterstützen, bei denen es sich um generische System-Images handelt, die auf nahezu jedem Android-Gerät installiert werden können, erklärt Chau.
Die Begründung seitens Google klingt teilweise nachvollziehbar. Dennoch fühlen sich Custom-ROM-Entwickler vor den Kopf gestoßen. Denn seit Jahren nutzen sie Pixel-Smartphones als Entwicklungsplattformen oder verwenden den Quellcode als Referenz für andere Geräte, um jede Android-Version zu aktualisieren, wie Nolen Johnson auf X schreibt. Er wirkt seit Jahren an der Entwicklung von LineageOS mit.
Gegenüber Android Authority sagt Johnson, dass die Entwicklung von Custom-ROMs künftig „schmerzhaft“ sein wird. Denn bisher machte Google es Entwicklern einfach, AOSP für Pixel-Geräte zu erstellen. Entwickler konnten einfach die von Google bereitgestellten Konfigurationen nutzen, ihre eigenen Anpassungen hinzufügen und daraus ein Custom-ROM kompilieren.
Durch den Wegfall müssen sie auf alte Device-Trees zurückgreifen, die Google für Android 15 veröffentlicht hat und – so Johnson – „blind raten“ und aus den vorgefertigten Binärdateien mittels Reverse-Engineering analysieren, welche Änderungen jeden Monat erforderlich seien.
„Großer Schritt in die falsche Richtung“
Für die Entwickler des gehärteten GrapheneOS sieht die Situation noch ernster aus. Denn sie bieten ihr Custom-ROM ausschließlich für Pixel-Geräte an, da es bislang zum einen sehr einfach war, auf Pixel-Geräten Android-Alternativen zu installieren und auch wieder zur Originalsoftware zurückzukehren. Zum anderen sorgt Google für seine Geräte besser als viele andere Android-Hersteller für Sicherheitsupdates, was besonders für Graphene ein wichtiger Aspekt ist.
Die AOSP-Änderungen seitens Google stellen für GrapheneOS ein großes Hindernis dar, sodass die Kompilierung einer neuen Version auf Android 16 weit länger dauert als üblich. „Wir werden es trotzdem schaffen, aber nicht annähernd so schnell, wie wir es für akzeptabel halten“, schreiben die Entwickler auf Reddit.
GrapheneOS war schon vor Googles neuer AOSP-Strategie gebeutelt, denn der aktivste und leitende Entwickler des Betriebssystems ist nicht verfügbar. Er wurde offenbar im März zum Wehrdienst eingezogen, sodass die Arbeit am Custom-ROM langsamer als üblich vonstatten gehen muss.
Die neue Situation mit den Pixel-Geräten scheint Graphene dazu zu veranlassen, früher als geplant, eigene Hardware für Graphene zu entwickeln. „Wir verstehen nicht, warum diese Änderungen vorgenommen wurden, und es ist ein großer Schritt in die falsche Richtung“, so GrapheneOS auf Mastodon.
Was auch immer die Beweggründe für Google waren, Custom-ROM-Entwicklern das Leben schwerer zu machen. Durch das Entfernen der Pixel-Dateien aus dem AOSP nähert sich Google anderen Smartphone-Herstellern an, die den Zugang zu ihren Geräte erschweren. Der einzige Unterschied ist, dass die Installation von Custom-ROMs dank eines leicht entriegelbaren Bootloaders auf Pixel-Smartphones bis auf Weiteres einfach bleibt.
(afl)