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Das passiert bei Tibber Pulse im Hintergrund
Was passiert, wenn ihr euren Stromverbrauch smart optimiert – aber euer Anbieter im falschen System einkauft? Das Geschäftsmodell mancher Anbieter droht zu kippen. Und ihr spielt dabei die Hauptrolle.
Die Idee klingt bestechend: Wer Strom dann verbraucht, wenn Sonne oder Wind für Überfluss sorgen, soll weniger zahlen – und das Stromnetz entlasten. Dynamische Stromtarife machen genau das möglich. Sie koppeln den Endpreis an die Strombörse – im 15-Minuten-Takt. Doch ein entscheidender Teil des Systems ist stehen geblieben: Die physikalische Intelligenz Eures Stromzählers nützt wenig, wenn Euer Anbieter beim Netzbetreiber im Jahr 2025 noch immer wie im Jahr 2005 abrechnet.
Billig nutzen, teuer einkaufen
Das Resultat: ein gefährlicher Mismatch zwischen Eurem tatsächlichen Verhalten und der rechnerischen Realität im Hintergrund. Und ausgerechnet ein Vorreiter der Branche, Tibber, könnte dabei ins Schlingern geraten. Tibber bietet euch an, Euren Stromtarif im Viertelstundentakt abzurechnen – immer exakt nach Börsenpreis. Das schafft Transparenz und ermöglicht eine feine Steuerung des Verbrauchs – etwa durch smarte Haushaltsgeräte oder eine Home-Automation, die den Stromkauf in die günstigen Stunden legt.
Doch das Netz selbst funktioniert konservativer: Solange keine registrierende Leistungsmessung (RLM) aktiv ist – wie etwa bei Industriekunden –, gilt für Haushalte weiterhin das Standardlastprofil (SLP). Und das ignoriert schlicht, wann Ihr tatsächlich wie viel Strom verbraucht habt. Das RLM kann in einem Privathaushalt jedoch nur dann eingesetzt werden, wenn Ihr einen Smart Meter nutzt. Das ist aktuell in gerade einmal drei Prozent der Haushalte der Fall.
Das strukturelle Risiko hinter Tibbers Preismodell
Um aber mehr Kunden zu erreichen, nutzt Tibber den hauseigenen Pulse-Sensor, um Euren Verbrauch live zu erfassen – das geht sogar sekundengenau über die Infrarotschnittstelle moderner Zähler. Was wie ein RLM wirkt, ist allerdings nur ein smarter Trick. Denn die Abrechnung mit dem Netzbetreiber bleibt SLP-basiert.
Das bedeutet: Ihr kauft Strom gezielt günstig ein. Tibber muss ihn aber pauschal einkaufen – und zwar auch dann teuer, wenn ihr gar nichts verbraucht. Nutzt Ihr gezielt die günstigsten Stunden des Tages, die meistens mittags oder mitten in der Nacht sind, ist die Folge eine strukturelle Schieflage, denn Tibber kann Euer reales Verhalten nicht im Einkauf abbilden. Das haben uns zwei Insider unabhängig voneinander bestätigt. Zwischen Börsenpreis und Abrechnungsprofil klafft also eine finanzielle Lücke.
Interessanterweise kann sich das Ganze auch zugunsten des Anbieters wenden. Wenn ihr etwa an einem Preisspitzen-Tag den Strom „teuer“ bezieht, aber das Netz Euch als Durchschnittshaushalt behandelt, kauft Tibber günstig ein – und verkauft teuer. Erst mit flächendeckender Einführung echter Smart-Meter-Infrastruktur inklusive netzseitiger RLM kann das Versprechen dynamischer Tarife auch auf Systemebene eingelöst werden.