Datenschutz & Sicherheit
Das Problem heißt nicht nur Palantir
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte es hat wieder getan: In einer heute veröffentlichten Beschwerde an das Bundesverfassungsgericht legt sie im Namen von acht Beschwerdeführern dar, wo das bayerische Polizeiaufgabengesetz über die Grenzen des Erlaubten hinausreicht. Sie kommt zu dem Schluss, dass sich der Gesetzgeber im Freistaat nicht ausreichend an die bereits detailliert vorliegenden Vorgaben aus Karlsruhe gehalten hat.
Denn die GFF hatte bereits im Jahr 2023 ein Urteil des Bundesverfassungsgericht erkämpft, das damals ähnliche gesetzliche Befugnisse aus Hamburg und Hessen für verfassungswidrig erklärte. Diesem Urteil Geltung zu verschaffen, aber auch „klarere Grenzen für den Einsatz von Data-Mining-Software“ zu ziehen, ist das erklärte Ziel der Beschwerde.
Es geht also wieder um die automatisierte Datenanalyse durch die Polizei, die ihren Wildwuchs von Datenbanken nicht nur zähmen, sondern vor allem die Daten darin erschließen will. Dafür setzt sie aktuell auf das Softwareprodukt Gotham des US-Konzerns Palantir. Mit dieser Software werden in großem Umfang personenbezogene Polizeidaten aufbereitet und analysiert. Millionen Datenhäppchen über Menschen, die mit der Polizei irgendwann Kontakt hatten, fließen in diese Schattendatenbanken hinein. Oft diskriminierte Gruppen sind besonders betroffen und selbst Berufsgeheimnisträger wie Anwälte, Journalisten oder Ärzte werden nicht verschont und können mitgerastert werden.
Keine Palantir-Konkurrenz in Sicht
„Rechter Verschwörungsideologe Peter Thiel“
Neben den massiven Eingriffen in die informationelle Selbstbestimmung aller dadurch betroffenen Menschen ist auch die starke Abhängigkeit problematisch, in die sich die Polizei begibt. Denn ohne die Palantir-Softwarehilfe ist das Auswerten der eigenen Datenbestände umständlich und zeitaufwendig. Darauf weisen Polizeivertreter bei jeder Gelegenheit hin.
Während die Abhängigkeit an sich bereits eine Herausforderung ist, weil man sich eben langfristig an einen kommerziellen Anbieter bindet, dessen Geschäftsinteressen von den Polizeiinteressen abweichen können oder der sein Geschäftsmodell ändern könnte, so ist speziell dieser US-Konzern als Partner der Polizei eine echte Zumutung. Denn nicht nur der Mitgründer und Großaktionär Peter Thiel, sondern auch der Palantir-Chef Alexander Karp fallen seit Jahren und in zunehmendem Maße durch öffentliche Aussagen auf, die Zweifel nähren, ob für sie Menschenrechte und Demokratie einen Wert haben.
Einer der acht Beschwerdeführer, der Musiker und Aktivist gegen des Polizeigesetz Johannes König, bringt es so auf den Punkt:
Als wäre das bayerische Polizeiaufgabengesetz noch nicht autoritär genug geprägt, setzt die Staatsregierung nun auch noch auf die Überwachungssoftware des rechten Verschwörungsideologen Peter Thiel.
Denn Milliardär Thiel ist ein offensiver rechts-libertärer Kulturkämpfer und Nationalist. Zudem hat der vor 22 Jahren gegründete Konzern dauerhafte und langjährige Verbindungen zu den US-Geheimdiensten und -Militärs, ohne deren Millionenverträge Palantir gar nicht existieren würde. Denn viele Jahre wurde der sektenartige Softwarekonzern von einem CIA-Ableger mitfinanziert und wies niemals Gewinne aus.
Auch zur Trump-Regierung gibt es enge Verbindungen und eine anbiedernde Position der prominenten Palantir-Gesichter Thiel und Karp. Dass Palantir-Software in Kriegsgebieten von Geheimdiensten und Militärs genutzt wird, unterstützt die Trump-Regierung nach Kräften.
Die Zweckbindung untergraben
Die Funktionsweise des Palantir-Produkts ist nur soweit öffentlich nachvollziehbar, wie es der Polizei-Vertragspartner erlaubt. Diese Undurchsichtigkeit könnte behoben werden, wenn ein anderer Vertragspartner zum Zuge käme oder eine eigene Softwarelösung genutzt würde. Aber das löst noch nicht das eigentliche Problem, nämlich welche Daten unter welchen Bedingungen in die automatisierte Analyse einfließen dürfen.
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Denn so unverständlich es erscheint, dass im bayerischen Innenministerium auch nach jahrelangen Diskussionen auf den abgründigen Tech-Konzern gesetzt wird, so wenig sollte man sich den Blick auf das Wesentliche verstellen lassen: Palantir ist nicht der Kern des Problems, sondern das Ansinnen, die Zweckbindung polizeilich aufgenommener Daten zu untergraben und letztlich aufzulösen.
Das Zusammenführen und die Analyse von Daten aus polizeilichen Verbunddateien, aus großen Polizeidatenbanken und aus den verschiedenen Fallbearbeitungs- und Auskunftssystemen darf nicht dazu führen, dass aus bloßen praktischen Erwägungen oder weil im konkreten Fall ohnehin niemand genau weiß, wie die Palantir-Software arbeitet, wichtige rechtlichen Schranken wegfallen.
Denn es ist nicht nur eine heimliche, sondern eben auch eine gefährliche Ermittlungsmaßnahme, wenn hinter den Rücken der Menschen die Daten aus den Polizei-Datenbanken gerastert und analysiert werden, die im Vertrauen darauf an die Behörden gegeben wurden, dass mit ihnen sorgsam umgegangen wird. Tritt etwa ein Zeuge eines Diebstahls an die Polizei heran oder wird ein Verkehrsunfall polizeilich aufgenommen, dann sollte niemand der Beteiligten Angst haben müssen, automatisiert in Analysewerkzeugen zu landen, die ihn später mit anderen Straftaten in Verbindung bringen und ihm Überwachungsmaßnahmen bescheren können.
Offenlegung: Der Chaos Computer Club unterstützt die Verfassungsbeschwerde der GFF. Die Autorin ist ehrenamtlich Sprecherin des CCC.