Künstliche Intelligenz
Datenschützer: Massen-Zuverlässigkeitsprüfung bei Fußball-EM war rechtswidrig
Voriges Jahr sollten massenhafte Zuverlässigkeitstests von Hunderttausenden von Personen dafür sorgen, dass die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland ein Sommermärchen wird. Doch mittlerweile kritisieren die Datenschutzbehörden aus Nordrhein-Westfalen (NRW) und Berlin, dass es für diese Grundrechte beeinträchtigende Musterung teilweise gar keine Rechtsgrundlage gegeben habe. Polizei und Verfassungsschutz hatten damals eine sechsstellige Anzahl von Menschen durchleuchtet, die im Hintergrund des Turniers arbeiteten und Zugang zu sensiblen Bereichen hatten.
Als Zuverlässigkeitsüberprüfung (ZÜP) wird ein Background-Check bezeichnet. Dabei sichtet die Polizei, ob sicherheitsrelevante Erkenntnisse über eine Person vorliegen. Diese Informationen werden dann an den Veranstalter übermittelt. Grundsätzlich müssen die Betroffenen vor einer solchen Maßnahme informiert werden und einwilligen. Auch wenn die Rechtslage je nach Bundesland variiert, war bei der EM der Verfassungsschutz in vielen Fällen involviert. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) glich die Daten der zu akkreditierenden Personen laut einem Bericht von Netzpolitik.org sogar in einem „Massendatenverfahren“ automatisiert mit seinen Dateisystemen ab und übermittelte ein Gesamtvotum an die zuständigen Genehmigungsbehörden.
ZÜP-Betroffene waren laut der Berliner Datenschutzbeauftragten Meike Kamp „standardmäßig“ eine Vielzahl von Personengruppen, darunter UEFA-Freiwillige, privates Sicherheitspersonal, Catering- und Reinigungskräfte, Medienvertreter, Sponsoren und medizinisches Personal. Die genaue Zahl der überprüften Personen ist schwer zu ermitteln. Das BfV spricht von einer „großen Anzahl“. Anfragen von Netzpolitik.org in mehreren Bundesländern deuten auf weit über 100.000 überprüfte Personen hin: Die Berliner Polizei kontrollierte allein für das Olympiastadion, die Fanzone und Teamhotels über 75.000 Datensätze. Das NRW-Innenministerium verzeichnete 90.000 ZÜP. In Hamburg gab es über 53.000 Überprüfungen.
Es kam auch zu Mehrfachüberprüfungen und Wiederholungen aufgrund abweichender Personendaten. Trotz dieser Dopplungen erscheint es plausibel, dass der Verfassungsschutz eine sechsstellige Zahl von Menschen überprüfte – und die Polizeien der Länder insgesamt noch deutlich mehr.
NRW: Keine Rechtsbasis
Die NRW-Datenschutzbeauftragte Bettina Gayk beklagt, dass es für diese massenhaften Überprüfungen keine ausreichende gesetzliche Basis gegeben habe. Das Innenministerium und das Landeskriminalamt NRW verweisen auf Paragraf 9 des Polizeigesetzes. Dieser erlaubt zwar Datenverarbeitungen unter bestimmten Voraussetzungen, erwähnt aber weder Zuverlässigkeitsüberprüfungen noch Großveranstaltungen explizit.
Gayk argumentiert, dass eine reine Einwilligung der Betroffenen nicht ausreiche: Diese werde nicht freiwillig erteilt, wenn eine Teilnahme an der EM-Organisation davon abhänge. Die Kontrolleurin fordert die Landesregierung und das Parlament auf, eine „tragfähige“ Rechtsgrundlage zu schaffen. Das Innenministerium sieht dagegen keine Notwendigkeit hierzu, da andere Länder ebenfalls an der Einwilligung festhielten.
Berlin: Verfassungsschutz-Anfrage nicht gedeckt
In Berlin regelt Paragraf 45 des Berliner Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) ZÜPs. Kamp bemängelt aber, dass die Anfragen an den Verfassungsschutz oder andere Geheimdienste darin nicht vorgesehen seien. Die Möglichkeit sei zwar in den Datenschutzinformationen erwähnt worden, reiche aber nicht aus.
Jeder Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bedürfe einer klaren und bestimmten gesetzlichen Grundlage, hebt die Datenschutzbeauftragte hervor. Dies gelte vor allem für die Datenübermittlung zwischen Polizei und Geheimdiensten. Die Berliner Polizei sieht das anders und will an ihrer Praxis festhalten.
Unterschiedliche Handhabe in den Bundesländern
ZÜPs behandeln die Länder recht unterschiedlich. In Hamburg ist die Anfrage beim Verfassungsschutz durch das Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei (PolDVG) vorgeschrieben. In Sachsen konnte die Landesdatenschutzbeauftragte die Polizei davon überzeugen, auf Regelabfragen beim Verfassungsschutz zu verzichten. Solche Ersuchen seien nur im Einzelfall bei konkreten Anhaltspunkten für Gewaltbereitschaft zulässig, heißt es dort. Die Bayerische Polizei hat ebenfalls keine Regelanfragen gestellt, da das Polizeigesetz solche Übermittlungen nur mit Begründung der Erforderlichkeit zulässt.
Die bei der EM aufgeworfenen Fragen zu den Überprüfungen betreffen auch andere Großveranstaltungen wie Musikfestivals oder den Christopher Street Day (CSD). Allgemein veranschaulicht das offenbar gewordene Vorgehen die Komplexität und die rechtlichen Grauzonen im Umgang mit sensiblen Daten bei Großereignissen.
(mki)
Künstliche Intelligenz
Wie ins Meer pinkeln: KI vergiften helfe nicht
Wenn Daten fehlerhaft sind oder sogar absichtlich irritierend, spricht man davon, dass diese vergiftet sind. Damit sollen wiederum KI-Modelle irritiert oder gestört werden. Lernen diese von vergifteten Daten, liefern sie Ergebnisse auf Basis der falschen Informationen. Doch das sei nicht so einfach wie es zunächst klingt, sagt auch Xe Iaso. Er ist Gründer eines Software-Unternehmens, das einen anderen Weg geht, um Inhalte vor KI-Modellen zu schützen – hat also ein Interesse.
Iaso vergleicht in einem Gespräch mit 404 Media das Vergiften von Daten, die zu Trainingszwecken genutzt werden, damit, dass man als einzelne Person zwar ins Meer pinkeln könne, es aber dennoch ein Meer bleibe. Zudem kritisiert Iaso, dass dadurch gegebenenfalls Ressourcen verbraucht werden, die nicht verbraucht werden müssten.
Tatsächlich ist die Wirksamkeit von Tools wie Nightshade, bei dem Bilder mit falschen Informationen zu den Bildern versehen werden, fraglich, sofern es nur sehr wenige Künstler oder Einzelpersonen machen. Pinkeln Menschen überall auf der Welt ungefiltert ins Meer, hätte das womöglich doch einen Effekt auf die Wasserqualität.
Bots ausschließen statt Daten vergiften
Statt der Vergiftung schlägt Iaso seine eigene Software vor. Mit dieser könnte auf technischer Ebene ausgeschlossen werden, dass Crawler Inhalte für das KI-Training abgreifen. Anubis zwingt Bots, kryptografische Rechenaufgaben im Browser zu lösen. Das ist teuer für jene, die Bots losschicken. Es ist eine Art unsichtbares Captcha, Menschen müssen die Aufgaben freilich nicht lösen.
Es hat sich zuletzt allerdings gezeigt, dass großangelegte Kampagnen, um Trainingsdaten zu vergiften, schon Wirkung zeigen. Russland soll zahlreiche Webseiten betreiben – mit der ausschließlichen Absicht, KI-Modelle sowohl beim Training als auch in der Echtzeit-Suche mit ausgewählten Informationen zu versorgen. Die Echtzeit-Suche ist besonders anfällig für Angriffe. Informationen und Anweisungen können etwa auf Webseiten versteckt sein, so dass Menschen sie nicht sehen. Falsche Informationen können dann auch weitreichende Folgen für die gesamte Schlussfolgerung etwa auch bei Reasoning-Modellen haben.
(emw)
Künstliche Intelligenz
Globalfoundries will CPU-Urgestein MIPS Technologies übernehmen
Beim CPU-Designer MIPS Technologies bahnt sich eine weitere Übernahme an. Der Chipauftragsfertiger Globalfoundries will MIPS übernehmen – beide Firmen haben sich bereits auf die Formalitäten geeinigt. Zu den finanziellen Details schweigen sie sich aus. Noch bis zum Jahresende soll die Übernahme abgeschlossen sein.
MIPS wurde ursprünglich im Jahr 1984 als MIPS Computer Systems gegründet und spezialisierte sich auf die Entwicklung der eigenen CPU-Befehlssatzarchitektur Microprocessor Without Interlocked Pipeline Stages. Dabei handelte es sich bereits um eine RISC-Architektur (Reduced Instruction Set Computer).
Mittlerweile ist MIPS allerdings auf die Entwicklung von CPU-Kernen mit dem offenen Befehlssatz RISC-V und von KI-Rechenwerken umgeschwenkt. Dazu gehören Designs für Fahrzeuge (Automotive) und Edge-Systeme.
Fertigungstechnik und Designs aus einer Hand
Globalfoundries will MIPS als eigenständige Firma weiterführen. Das zugewonnene geistige Eigentum (Intellectual Property, IP) soll das Herstellerportfolio erweitern. Globalfoundries dürfte kommende Designs stark an die eigenen Fertigungsprozesse anpassen, um Kunden mit anpassbaren Chips anzulocken. Die Firma stellt dann nicht nur die Chips her, sondern hilft auch beim Entwurf.
Die Übernahme dürfte derweil nicht allzu teuer sein. Im Jahr 2013 übernahm der britische GPU-Entwickler Imagination Technologies MIPS für 100 Millionen US-Dollar. Nachdem der Investor Canyon Bridge Capital Partners die Firma Imagination 2017 übernommen hatte, ging MIPS an Tallwood Venture Capital. 2018 übernahm das KI-Start-up Wave Computing MIPS. Im Rahmen von dessen Insolvenz wurde MIPS wieder als eigenständige Firma ausgegliedert.
(mma)
Künstliche Intelligenz
Klagewelle absehbar: 5.000 Euro Schadenersatz wegen Meta Business Tools
5.000 Euro Schadenersatz soll Meta Platforms einem deutschen Facebook-Nutzer bezahlen. Grund sind die bei zahllosen Webseiten und Apps eingebetteten Meta Business Tools. Diese sammeln personenbezogene Daten, die Meta für Profiling der Nutzer zusammenführt. Damit verstoße Meta massiv gegen europäischen Datenschutz und fahre in der Folge Milliardengewinne mit personalisierter Werbung ein, so das Landgericht Leipzig. Dafür stünden einem durchschnittlichen Facebook-Nutzer 5.000 Euro Schadenersatz zu (Az. 05 O 2351/23).
„Jeder Nutzer ist für Meta zu jeder Zeit individuell erkennbar, sobald er sich auf den Dritt-Webseiten bewegt oder eine App benutzt hat, auch wenn er sich nicht über den Account von Instagram und Facebook angemeldet hat“, fasst eine Pressemitteilung des LG Leipzig zusammen. „Die Daten sendet Meta Ireland (die Niederlassung Meta Platforms in der EU, Anmerkung) ausnahmslos weltweit in Drittstaaten, insbesondere in die USA. Dort wertet sie die Daten in für den Nutzer unbekanntem Maß aus.“
Die Verarbeitung personenbezogener Daten sei „besonders umfangreich“, betreffe „potenziell unbegrenzte Datenmengen“ und habe die „nahezu vollständige Überwachung des Online-Verhaltens des Nutzers zur Folge“. Das führe laut einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zu dem Gefühl der kontinuierlichen Überwachung des gesamten Privatlebens. Und dafür stünde den Betroffenen europarechtlich immaterieller Schadenersatz zu.
Wahrscheinlich ist die 2023 ergangene EuGH-Entscheidung Az. C-252/21 gemeint, Teil eines Rechtsstreits zwischen dem Datenkonzern und dem deutschen Bundeskartellamt. Im Verfahren C-300/21 („Österreichische Post“) hat der EuGH erkannt, dass die DSGVO einerseits keine Erheblichkeitsschwelle für Schadenersatz festlegt, andererseits ein Kausalzusammenhang zwischen der Rechtsverletzung und dem Schaden gegeben sein muss. Der deutsche Bundesgerichtshof
Höher als gewohnt
Während sich andere deutsche Gerichte bislang auf nationales Recht gegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen gestützt haben, bezieht sich die 5. Zivilkammer des LG Leipzig ausschließlich auf Artikel 82 der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). So gelangt sie zu einem deutlich höheren Schadenersatzbetrag als bislang in Deutschland üblich: 5.000 Euro. Zum Vergleich: Das Landgericht Stuttgart hat in einem ähnlichen Fall im Februar 300 Euro zugesprochen (Az. 27 O 190-23). Der deutsche Bundesgerichtshof hat für Kontrollverlust über die eigenen Daten durch unzulässiges Scraping von Facebook-Profile 100 Euro als angemessenen Schadenersatz erachtet (Az. VI ZR 10/24); auf dieser Grundlage organisiert der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) eine gemeinsame Klage deutscher Nutzer gegen Facebook.
Meta Platforms kann und wird voraussichtlich Rechtsmittel gegen das aktuelle Urteil aus Leipzig einlegen, um eine teure Klagewelle zigtausender Deutscher hintanzuhalten. Denn so eine Entwicklung ist durchaus absehbar, weiß auch die 5. Zivilkammer in Leipzig: Ihr Urteil könnte dazu führen, dass viele Facebook-Nutzer Klage erheben, ohne ihren individuellen Schaden explizit darzulegen. Doch gerade durch private Klagen vor Zivilgerichten könne die DSGVO effektiv durchgesetzt werden, jenseits der Arbeit von Datenschutzbehörden.
Juristische Angriffspunkte
Der Originaltext der Entscheidung vom 4. Juli liegt noch nicht vor. Die (hinsichtlich juristischer Details mit Vorsicht zu genießende) Pressemitteilung des Gerichts lässt Angriffsmöglichkeiten vermuten. Beispielsweise verweist das Gericht auf die hohen Werbeumsätze Meta Platforms im dreistelligen Milliardenbereich und unterstreicht, dass der finanzielle Wert umfassender Personenprofile auf datenverarbeitenden Märkten enorm hoch ist. Offen bleibt dabei, was diese Fakten mit der Schwere des erlittenen immateriellen Schadens des Klägers zu tun haben.
Den konkreten immateriellen Schaden und den Kausalzusammenhang mit der DSGVO-Verletzung hat das Landgericht übrigens nicht erhoben. Es hat den Kläger nicht befragt, weil es der Auffassung war, dieser könne lediglich über ein „im Allgemeinen eher diffuses Gefühl des Datenverlusts und der Verunsicherung“ sprechen. „Das Gericht stellt deshalb für eine Mindestentschädigung von 5.000 Euro auf die allgemeine Betroffenheit des aufmerksamen und verständigen ‚Durchschnitts‘-Betroffenen im Sinne der DSGVO ab.“ Ob der Kläger durchschnittlich betroffen ist, blieb unergründet.
Gleichzeitig muss Meta versuchen, das Urteil grundsätzlich und nicht nur der Höhe nach zu bekämpfen. Selbst ein auf ein Zehntel reduzierter Schadenersatz würde zigtausende Deutsche dazu bewegen, sich ihren Schaden ersetzen zu lassen. heise online hat Meta Platforms zu einer Stellungnahme eingeladen.
(ds)
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