Warum digitale Inklusion keine Kür mehr ist – und was das mit Gestaltung zu tun hat
Design gestaltet Realität. Nicht nur ästhetisch, sondern ganz konkret im Alltag: Wer kann ein digitales Produkt bedienen und wer nicht? Wer fühlt sich gesehen und wer bleibt außen vor? Barrierefreiheit im Web ist kein Nice-to-have, sondern eine Frage von Teilhabe und Gerechtigkeit. Und: eine kreative Herausforderung, die Gestaltung neu denkt. Inklusiv, mit Weitblick und Haltung.
Unser neuer Impuls zum Thema »Barrierefreiheit und Design« zeigt, wie Gestalter:innen Barrieren abbauen können – und warum sie es müssen.
Barrierefreiheit: Vom Buzzword zur Pflicht
In der Architektur seit Jahrzehnten Standard, im digitalen Raum lange vernachlässigt: Barrierefreiheit. Dabei ist das Web kein Sonderfall. Auch hier muss gelten, dass alle Menschen Zugang haben. Spätestens mit dem neuen Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, das 2025 stufenweise greift, ist klar: Digitale Produkte müssen inklusiver werden. Nicht irgendwann, sondern jetzt.
Für die Designbranche bedeutet das: handeln.
Denn Gestaltung entscheidet darüber, ob Websites, Apps, Services und Interfaces für alle Menschen nutzbar sind oder nicht. Dabei geht es nicht nur um Menschen mit dauerhaften Behinderungen, sondern auch um temporäre Einschränkungen, verschiedene Endgeräte, Altersgruppen oder neurodiverse Nutzungsweisen. Barrierefreies Design ist gutes Design – für alle.
Gestaltung mit Verantwortung
Die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) geben seit über 20 Jahren die Standards für barrierefreie UX und UI vor. Trotzdem begegnen uns auf vielen Websites vermeidbare Fehler (oder Ignoranz?). Dabei erhöht Barrierefreiheit die Usability für alle. Ob Lesbarkeit, Navigation oder Kontraste: Was inklusiv gestaltet ist, wirkt sich positiv auf das gesamte Nutzungserlebnis aus.
Design trägt hier Verantwortung, aber auch enormes Potenzial. Wie der Designforscher Tom Bieling sagt:
»Wenn Normvorstellungen durch Design mitkonstruiert werden, bedeutet das im Umkehrschluss auch, dass sie sich durch Design dekonstruieren lassen.«
Barrierefreies Design kann diskriminierende Strukturen aufbrechen und neue Realitäten schaffen.
Das Diagramm zeigt die prozentuale Häufigkeit der Zugänglichkeitsfehler auf den 1.000.000 wichtigsten Homepages weltweit. Quelle: The WebAIM Million 2025 report /
Nicht über Betroffene reden. Mit ihnen gestalten
Inklusion beginnt nicht mit Personas, sondern mit echter Teilhabe. Menschen mit Behinderung sollten nicht erst am Ende des Prozesses auftauchen, sondern von Anfang an einbezogen werden, als Expert:innen ihrer eigenen Erfahrung.
Barrierefreiheit wird einfacher, wenn Teams vielfältiger sind, sei es in Perspektiven, Hintergründen oder Erfahrungen. Ein Beispiel aus unserem Special: Unser Impuls-Keyvisual stammt von Justus Steinfeld, der als Fotograf und 3D-Designer mit Sehbehinderung arbeitet. Wie er gestaltet – und was ihn antreibt – lest ihr im Artikel.
Barrierefreiheit & Design: Die Impuls-Themen im Überblick
Überblick: Digitale Barrierefreiheit: Für ALLE soll es sein! | Interview: »Visual Inclusivity profits everyone, it’s never just about one community« | How-to: Webdesign: Barrierefrei in 3 Monaten| Case: Nutzbarkeit überzeugt: Radio im »Einfach-Modus« | Background: Inclusive Design: Darauf kommt es an! | Workflow: Wie der 3D-Artist Justus Steinfeld seine Sehbehinderung zur Superpower macht | Behind the cover: »Das andere Sehen kann neue Türen öffnen« | Service: Tipps & Schriften für barrierefreie Texte