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Die 10 größten Startup-Mythen – ein Gründer räumt auf


Die 10 größten Startup-Mythen – ein Gründer räumt auf

Carsten Puschmann ist Investor und Serial Entrepreneur.
Patrycia Lukas / Collage: Gründerszene

Startups – das Wort allein weckt Assoziationen von millionenschweren Pitches, ambitionierten Gründern und der ewigen Jagd nach dem nächsten Einhorn. Doch die Realität sieht oft völlig anders aus.

Als jemand, der mehr als ein Jahrzehnt die Realität der Startup-Welt erlebt hat, sowohl als Gründer als auch Investor, finde ich es an der Zeit, mit den zehn größten Startup-Mythen aufzuräumen.

Hier sind zehn der größten Missverständnisse über Start-ups, die ich immer wieder höre – und warum sie nicht stimmen.

1. „Startups entstehen in Garagen

Das Garagen-Klischee ist ein Dauerbrenner. Klar, die Geschichten von Apple, Google oder Amazon zeichnen ein eindrucksvolles Bild von Garagen als Startup-Inkubator.

Aber ganz ehrlich: Diese Unternehmen sind in Garagen entstanden, weil amerikanische Häuser so selten unterkellert sind und in den Garagen schnell Platz geschaffen werden konnte.

Die meisten Start-ups beginnen heute an der Uni, in staatlich geförderten Coworking-Spaces und manchmal sogar im Kinderzimmer. Platz ist erstmal überall.

Der Bundesverband deutscher Innovations-, Technologie- und Gründerzentren vertritt 154 Innovationszentren in ganz Deutschland und auch in deiner Nähe. Eine Garage ist nicht nötig – eine gute Idee und erstes Kundenfeedback dagegen schon.

2. „Jeder kann ein Startup gründen

Technisch gesehen kann natürlich jeder gründen. Aber das bedeutet nicht, dass jeder dazu gemacht ist, ein Startup erfolgreich aufzubauen.

Gründer und Gründerinnen brauchen Durchhaltevermögen, Überzeugungskraft, eine klare Vision und die Bereitschaft, Risiken einzugehen – und auch wiederaufzustehen, wenn es mal nicht klappt.

Wenn du gründen willst, frag dich ehrlich, ob du diese Dinge mitbringst. Und ein bisschen fachliche Expertise kann im Übrigen auch nicht schaden.

3. „Du brauchst eine bahnbrechende Idee

Viele glauben, ihr Startup müsse „das nächste große Ding“ sein. In Wahrheit kommt Erfolg weniger von der Idee als von der Umsetzung.

Airbnb war nicht die erste Idee für Ferienwohnungen; die Gründer waren einfach besser und ausdauernder als andere – und vielleicht war ihre Story einfach spannender und ihre Vision klarer.

Das heißt umgekehrt aber nicht, dass du einfach eine gute Idee kopieren kannst. Wenn du der guten Idee kein eigenes Element hinzufügen kannst, wird jeder Kunde und jeder Investor auf das Original setzen. Egal, ob Foto-App oder Energy-Drink.

4. „Startups machen dich reich

Der Klassiker: Man gründet ein Unternehmen, verkauft es schnell für Millionen und lebt den Rest des Lebens auf einer tropischen Insel. Die Realität? 70 bis 90 Prozent aller Startups scheitern, oftmals innerhalb der ersten drei Jahre.

Exit bedeutet in dem Fall nur, dass du als letzter das Licht ausmachst. Immerhin: Wenn es dir so geht, bist du um eine Erfahrung reicher. Gründer verdienen oft jahrelang weniger als in einem normalen Job, vor allem, wenn sie bootstrappen.

Finanzieller Erfolg dauert, wenn er überhaupt kommt. Und der Weg dorthin ist schwierig und extrem arbeitsreich. Wenn du Wert auf pünktlichen Feierabend und regelmäßige Kontoeingänge legst, lass es lieber bleiben.

5. „Startups sind cool und glamourös

Dieser Mythos hält sich fast noch hartnäckiger als der Garagen-Mythos. Die schicke Loft-Büroästhetik, die dir Film und Fernsehen verkaufen wollen, täuscht.

Startups bedeuten oft lange Nächte und viel Unsicherheit. Ja, ein Kicker im Office ist immer noch ziemlich cool. Jahrelanger knapper Cashflow ist es nicht.

Es kann cool sein – aber glamourös ist es selten. Ich meine, wie glamourös ist es zu überlegen, ob du lieber dein Auto volltankst oder was Anständiges isst?

6. „Investoren reißen sich um gute Ideen

Gute Ideen bekommen oft Aufmerksamkeit, aber Investoren suchen vor allem Menschen, die beweisen können, dass sie ihre Idee umsetzen können. Ohne Traktion, ein starkes Gründungsteam oder einen klaren Businessplan gibt es keinen „Shark-Tank-Moment“.

Im Grunde ist es wie im Sport: Disziplin ist wichtiger als Talent. Wobei Talent in diesem Fall für die gute Idee steht und Disziplin für die Fähigkeit, auch mal durchzuziehen.

7. „Scheitern ist das Schlimmste, was passieren kann

In Deutschland haftet dem Scheitern immer noch ein negativer Ruf an. Doch in der Startup-Welt gehört es – siehe Mythos vier – häufig dazu. Es ist eine Lektion, aus der Gründer lernen und mit neuer Erfahrung erneut starten.

Manchmal heißt scheitern auch nur, dass du deine Idee an einen veränderten Markt anpassen musst. Kennst du Odeo? Odeo wurde 2005 gegründet und war eine Podcasting-Plattform. Doch kurz nach der Gründung integrierte Apple Podcasting-Funktionen in iTunes. Niemand brauchte mehr Odeo. Ein Pivot musste her. Ein Nebenprojekt innerhalb des Unternehmens hatte Potenzial: eine Plattform für Kurzmitteilungen. 2006 wurde Twitter offiziell geboren.

8. „Einmal Funding, immer Erfolg

Ein vier-, fünf- oder sogar siebenstelliger Betrag auf dem Konto bringt kein Selbstläufer-Unternehmen. Viele Startups scheitern trotz Funding, weil sie ihre Mittel ineffizient nutzen, den Markt falsch verstehen oder zu langsam umsetzen.

Oder, weil das Konto voll ist und jetzt erstmal gekickert und der Dienstwagen eine Nummer größer geleast wird. Dabei heißt es gerade jetzt, sich ins Zeug zu legen.

Seed-Finanzierungen dienen typischerweise dazu, die ersten Entwicklungsphasen eines Unternehmens abzudecken. Sie reichen häufig aus, um zwischen 6 und 18 Monaten Betriebskosten zu decken. In dieser Zeit muss der Grundstein für die nächste Finanzierungsrunde gelegt werden. Und die ist – vor allem in Deutschland – wesentlich schwieriger zu bekommen. 

9. „Growth um jeden Preis ist alles, was zählt

Unkontrolliertes Wachstum ist gefährlich. Es klingt zwar beeindruckend, die Nutzerbasis oder das Team innerhalb von zwei Monaten zu verdoppeln. Doch wenn das Geschäftsmodell nicht nachhaltig ist, zeigt sich schnell: Wachstum ohne Substanz ist eine Sackgasse.

10. „Gründer haben die volle Kontrolle

Als Unternehmensgründer bist du dein eigener Chef. Falsch. Sobald ein Startup externe Investoren an Bord holt, geht ein Stück der Entscheidungsfreiheit verloren – vor allem bei größeren Geldgebern.

Die Suche nach einem Gleichgewicht zwischen den Bedürfnissen der Gründer und Investoren ist oft komplizierter, als viele denken. Und noch was: Du hast vielleicht sehr schnell Verantwortung für viele Mitarbeiter, die nicht aus dem „selbstverantwortlichen“ Gründungsteam sind.

Obwohl du der Boss bist, kann sich das ganz schnell wie ferngesteuert und fremdbestimmt anfühlen. Statt die totale Freiheit zu genießen muss du vor allem bereit sein, Verantwortung zu übernehmen,

Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen

Ja, Startups können aufregend sein. Aber sie sind auch harte Arbeit, voller Herausforderungen und weit entfernt von den Mythen, die oft darüber erzählt werden.

Wer ein Startup gründen will, sollte sich weniger von Klischees und mehr von Zahlen, Fakten und einem ehrlichen Blick auf sich selbst leiten lassen. Denn nur eine realistische Sicht auf die Dinge ermöglicht Erfolg.



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