Datenschutz & Sicherheit
Die digitale Brieftasche als gesellschaftlicher Auftrag
Personalausweis, Führerschein, Gesundheitskarte – diese Plastikkarten haben viele Menschen in ihrem Portemonnaie. Doch spätestens bis Anfang 2027 müssen EU-Länder eine EUDI-Wallet anbieten. Und dann sollen alle Bürger:innen statt der vielen Plastikkarten ihr Smartphone nutzen können.
Diese Möglichkeit habe das Potenzial, „unsere digitale Gesellschaft maßgeblich zu prägen“, heißt es einleitend in einem Positionspapier, das Verbände der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft gemeinsam veröffentlicht haben. Unterzeichnet haben das Papier die Branchenverbände Bitkom, Deutsche Kreditwirtschaft und Gesamtverband der Versicherer. Außerdem sind die Interessenvertretungen Initiative D21 und buergerservice.org sowie die zivilgesellschaftliche Organisation epicenter.works mit von der Partie.
Die Verbände mahnen, dass die Ausgestaltung der Wallet kein Selbstläufer sei. Stattdessen müsse die Bundesregierung diese als gesellschaftlichen Auftrag begreifen. Und der könne nur dann erfolgreich sein, wenn die Politik in den kommenden Monaten fünf Weichenstellungen vornimmt.
Kompetenzen und Vertrauen schaffen
So brauche es erstens digitale Kompetenzen sowohl aufseiten der Nutzer:innen als auch in den Ministerien, den Aufsichtsbehörden und in der Verwaltung, „also im gesamten Staatsapparat“.
Andernfalls drohe ein ähnliches Fiasko wie bei der Einführung des elektronischen Personalausweises, der lediglich von gut einem Fünftel der Bürger:innen genutzt werde. „Wir haben in Deutschland erlebt, wie schleppend die Einführung der eID-Funktion des Personalausweises verlaufen ist“, sagt Susanne Dehmel, Mitglied der Bitkom-Geschäftsleitung. „Diesen Fehler dürfen wir nicht wiederholen.“
Zweitens brauche es verbindliche Rechtsvorschriften sowie technische Standards, damit sich alle Akteure in dem Identitätsökosystem untereinander vertrauen können. Der Staat müsse klar auf die EUDI-Wallet setzen und Doppelstrukturen oder Insellösungen vermeiden.
„Ein kluges Verbraucherschutzkonzept“
Daneben brauche es drittens „ein kluges Verbraucherschutzkonzept“, damit Nutzer:innen der digitalen Brieftasche selbstbestimmt entscheiden können, wem sie welche Daten übermitteln. Eine zentrale Stelle müsse prüfen, welche Unternehmen und Behörden als „vertrauenswürdige Parteien“ welche Daten aus der Wallet abfragen dürfen. Außerdem sollten Nutzer:innen standardmäßig ein Pseudonym nutzen können, um sich gegenüber diesen ausweisen zu können, wenn der amtliche Name nicht notwendig ist.
Außerdem sei viertens eine kontinuierliche Steuerung und Kontrolle auf ministerieller Ebene erforderlich. So brauche es „einen zentralen Ansprechpartner“ und themenspezifische Expertengremien innerhalb des Bundesministeriums für Digitalisierung und Staatsmodernisierung (BMDS), die das Thema innerhalb des Hauses vorantreiben und effizient weitergestalten.
Und fünftens müsse das BMDS Schlüssel-Anwendungsfälle für die EUDI-Wallet schaffen. Als Beispiele nennt das Bündnis hier – neben der digitalen Identifizierung und Authentifizierung – den digitalen Führerschein, digitale Reiseunterlagen und eine Lösung zur anonymen oder pseudonymen Altersverifikation.
Eine digitale Brieftasche für alle
Die EUDI-Wallet basiert auf einem EU-Gesetz, das im Mai 2024 in Kraft trat. Die novellierte eIDAS-Verordnung sieht vor, dass die Wallet freiwillig und kostenlos sowie interoperabel sein soll. Außerdem sollen die Nutzer:innen transparent darüber bestimmen können, welche Daten sie an wen weitergeben. Derzeit werden in Brüssel die technischen Anforderungen an die europäische digitale Brieftasche verhandelt.
Die jeweiligen EU-Mitgliedstaaten müssen die Verordnung in nationale Gesetze gießen. In Deutschland liegt diese Aufgabe auf dem Tisch der amtierenden Bundesregierung.