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Die letzten Reporter in Gaza drohen zu verhungern
Die Journalistenvereinigung SDJ der französischen Nachrichtenagentur Agence France-Presse (AFP) hat am Montag davor gewarnt, dass die letzten aus Gaza berichtenden Journalist:innen sterben werden. Die AFP arbeitet laut der SDJ seit dem Abzug ihrer festangestellten Journalist:innen heute mit einer freiberuflichen Textjournalistin, drei Fotografen und sechs freiberuflichen Videoreportern im Gazastreifen zusammen. Die Nachrichtenagentur ist eine der wenigen, die noch direkt aus Gaza berichtet, weil Israel der internationalen Presse die Einreise in das Kriegsgebiet untersagt.
Die Mitarbeiter:innen der AFP sind laut der Journalistenorganisation denselben Bedingungen ausgesetzt wie die 2,3 Millionen Menschen, die in Gaza leben. In der Pressemitteilung heißt es über einen der Fotografen:
Der 30-jährige Bashar lebt und arbeitet unter den gleichen Bedingungen wie alle anderen Bewohner Gazas und zieht je nach den israelischen Bombardements von einem Flüchtlingslager zum nächsten. Seit über einem Jahr lebt er in völliger Armut und riskiert bei seiner Arbeit sein Leben. Hygiene ist für ihn ein großes Problem, er leidet unter schweren Darmerkrankungen.
Am vergangenen Samstag postete Bashar, der in den Trümmern des Hauses seiner Familie lebt, auf Facebook: „Ich habe keine Kraft mehr, für die Medien zu arbeiten. Mein Körper ist abgemagert und ich kann nicht mehr arbeiten.“
Zwar erhalten die Journalist:innen ein monatliches Gehalt der AFP, es gäbe aber nichts zu kaufen oder nur zu völlig überhöhten Preisen. Zudem ist das Bankensystem zusammengebrochen, und diejenigen, die Geld zwischen Online-Bankkonten und Bargeld umtauschen, verlangen eine Provision von fast 40 Prozent für diese Dienstleistung.
Zu Fuß und mit Eselskarren unterwegs
Die AFP habe keine Möglichkeit mehr, ein Fahrzeug zu beschaffen, geschweige denn Benzin, damit ihre Journalist:innen für ihre Reportagen mobil sind, heißt es weiter. Mit dem Auto zu fahren bedeute ohnehin, das Risiko einzugehen, zur Zielscheibe der israelischen Luftwaffe zu werden. Die AFP-Reporter seien daher zu Fuß oder mit Eselskarren unterwegs.
Andere Mitarbeiter:innen der AFP leben in Zelten, auch sie klagen laut SDJ über den Mangel an Nahrung und Wasser. „Jedes Mal, wenn ich das Zelt verlasse, um über ein Ereignis zu berichten, ein Interview zu führen oder etwas zu dokumentieren, weiß ich nicht, ob ich lebend zurückkomme“, sagt die Mitarbeiterin Ahlam laut SDJ.
Die Journalistenvereinigung schreibt, dass man seit der Gründung der AFP 1944 auch Journalisten in Konflikten verloren habe, man habe Verwundete und Gefangene erlebt, „aber keiner von uns kann sich daran erinnern, jemals einen Kollegen verhungern sehen zu haben“.
Die Leitung der AFP schreibt auf X, dass sie die Sorge der Journalistenvereinigung teilt. Laut der Zeitung Libération hat der französische Außenminister Jean-Noël Barrot im Radiosender France Inter erklärt, er habe sich „dieser Frage“ angenommen, und zeigt sich zuversichtlich, dass es möglich sei, in den kommenden Wochen einige Mitarbeiter von Journalisten aus dem Gazastreifen zu bringen. Er fordert laut Libération außerdem, „dass die freie und unabhängige Presse Zugang zu Gaza erhält, um zu zeigen, was dort geschieht, und darüber zu berichten“.
Kritik von Reporter ohne Grenzen
Reporter ohne Grenzen schätzt, dass in Gaza etwa 200 Journalist:innen getötet wurden, darunter 45 bei der Ausübung ihrer Tätigkeit. In einer Pressemitteilung im Juni kritisierte die Organisation, dass die Journalist:innen unter unerträglichen Bedingungen arbeiten würden. Sie seien mehrfach vertrieben worden, litten unter Hunger und lebten in ständiger Lebensgefahr.
„Wir sehen in der fortgesetzten Medienblockade des Gazastreifens den systematischen Versuch der israelischen Seite, Fakten zu verschleiern, Informationen aus dem Krieg zu unterdrücken und die palästinensische Presse und Bevölkerung zu isolieren“, sagte RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus damals. „Wir fordern Regierungen, Institutionen und Staatschefs auf der ganzen Welt auf, ihr Schweigen zu beenden. Sonst machen sie sich mitschuldig. Nach dem humanitären Völkerrecht ist die Tötung eines Journalisten ein Kriegsverbrechen.“