Datenschutz & Sicherheit
Doppelte Erpressung möglich: Cyberkriminelle im Clinch
Ein Revierkampf zweier krimineller Ransomware-Gruppen könnte zu mehr Cyberangriffen und größeren Schäden für betroffene Unternehmen führen. Das berichtete am Montag die britische Tageszeitung Financial Times mit Verweis auf Cyber-Sicherheitsexperten, die die Auseinandersetzungen in dem wachsenden kriminellen Ransomware-Sektor verfolgen.
Demnach sind DragonForce, eine Gruppe überwiegend russischsprachiger Cyberkrimineller, und einer ihrer größten Konkurrenten, RansomHub, aneinandergeraten. Die Sicherheitsexperten warnen, dass der Konflikt „die Risiken für Unternehmen erhöhen könnte, einschließlich der Gefahr, zweimal erpresst zu werden“, schreibt die Financial Times.
Die DragonForce-Gruppe trat erstmals im August 2023 in Erscheinung. Nach Angaben des Cybersicherheitsunternehmens Group-IB verzeichnete sie in den darauffolgenden zwölf Monaten insgesamt 82 Opfer auf ihrer Dark-Web-Seite. RansomHub wurde ebenfalls 2023 bekannt. Diese Gruppe wird für einige spektakuläre Cyberattacken verantwortlich gemacht, wie jene auf den US-amerikanischen Gas- und Öl-Dienstleister Halliburton, einen der weltweit größten Öl-Dienstleister, auf das renommierte britische Auktionshaus Christie’s oder die Non-Profit-Organisation Planned Parenthood, die unter anderem medizinische Dienste zu Schwangerschaftsabbrüchen anbietet.
Rivalisierende Cybercrime-Gangs
Nun scheinen DragonForce und RansomHub untereinander in Konflikt geraten zu sein. „Die meisten Cyber-Kriminalitätsgruppen haben ein tief verwurzeltes Bedürfnis nach Ruhm und Überlegenheit, das sie dazu bringen könnte, zu versuchen, einander zu übertreffen, indem sie versuchen, dasselbe Ziel anzugreifen und zu erpressen“, zitiert Financial Times Toby Lewis, globaler Leiter der Bedrohungsanalyse bei der britischen Cybersicherheitsfirma Darktrace. Gruppen wie die beiden genannten verkaufen laut dem Blatt die Werkzeuge und die Infrastruktur, die erforderlich sind, um auf die internen Systeme von Unternehmen zuzugreifen und diese gegen Geld zu erpressen. Sie operieren vornehmlich im Dark Web. Ihre Kunden sind sogenannte „Affiliates“ wie Scattered Spider, also Gruppen, die Cyberangriffe begehen wollen.
Die Beziehung zwischen DragonForce und RansomHub habe sich verschlechtert, so Financial Times weiter, nachdem sich DragonForce im März in ein „Kartell“ umbenannt und sein Angebot an „Dienstleistungen“ und seine Reichweite erweitert hat, um mehr Affiliate-Partner zu gewinnen.
Experten bei Sophos, einem britischen Hersteller von Sicherheitssoftware, vermuten, dass DragonForce die Webseite von RansomHub „gehackt“ haben könnte. Als Vergeltung drang ein Mitglied von RansomHub in die Webseite von DragonForce ein und bezeichnete die Gruppe als „Verräter“. Ähnlich wie Lewis glaubt Rafe Pilling, Director of Threat Intelligence bei Sophos, dass der Konflikt zwischen den beiden Cybercrime-Gangs im schlimmsten Fall dazu führen könnte, dass beide im Kampf ums Geschäft dieselben Opfer angreifen. Cyber-Kriminelle seien eine skrupellose Bande, so Pilling. „Ein Verrat zwischen Partnern kann dazu führen, dass das Opfer zweimal erpresst wird.“
(akn)
Datenschutz & Sicherheit
Unionsfraktion jetzt gegen Chatkontrolle, Innenministerium will sich nicht äußern
Die Unionsfraktion im Bundestag stellt sich gegen eine anlasslose Überwachung von Chats und damit gegen die Chatkontrolle, die am 14. Oktober im EU-Rat abgestimmt werden soll.
Bei einer Pressekonferenz am Dienstagnachmittag sagte der Fraktionsvorsitzende der Union, Jens Spahn: „Wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion sind gegen die anlasslose Kontrolle von Chats. Das wäre so, als würde man vorsorglich mal alle Briefe öffnen und schauen, ob da etwas Verbotenes drin ist. Das geht nicht, das wird es mit uns nicht geben.“
Gleichzeitig sei klar, dass Kindesmissbrauch bekämpft und geahndet können werden müsse. Deswegen sei es auch grundsätzlich gut, dass die Europäische Union sich dieses Themas annehme. „Am Ende muss gelingen, dass die Verordnung, die geplant ist auf europäischer Ebene, Kinder wirksam schützt, ohne dabei die Sicherheit und die Vertraulichkeit individueller Kommunikation zu gefährden“, so Spahn weiter.
„Abstimmung noch nicht abgeschlossen“
Was das für die bis morgen erwartete Einigung der Bundesregierung bedeutet, ist noch unklar. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte gegenüber netzpolitik.org, die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung über eine Positionierung zum aktuellen Verordnungsentwurf sei noch nicht abgeschlossen. Zu laufenden Abstimmungen äußere sich das Ministerium grundsätzlich nicht. Das Bundesjustizministerium antwortete nicht auf eine Presseanfrage von netzpolitik.org zum Thema.
Elina Eickstädt, Sprecherin des CCC und Teil des Bündnisses „Chatkontrolle stoppen“ warnt allerdings: „Auch wenn Jens Spahn sich gegen die Chatkontrolle ausspricht, entscheiden letztendlich BMI und BMJ über die Positionierung der Bundesregierung.“ Entscheidend sei nicht nur das der dänische Vorschlag am 14. Oktober abgelehnt werde, sondern auch, dass sich die Bundesregierung generell gegen Client-Side-Scanning positioniere.
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Union bekommt viele Zuschriften zur Chatkontrolle
Das Thema Chatkontrolle hat in den letzten Tagen hohe Wellen geschlagen und ist seit letzter Woche ein politischer Dauerbrenner in sozialen Medien, der viele Menschen mobilisiert hat. Jens Spahn bestätigte in der Pressekonferenz auch, dass die Unionsfraktion viele Zuschriften zum Thema erreichen würden. Auch der bayerische Digitalminister Fabian Mehring (Freie Wähler) sowie der CSU-Europaageordnete Christian Doleschal sprachen sich nun gegen die Chatkontrolle aus.
Zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen haben sich in den letzten Tagen mit Nachdruck gegen die Chatkontrolle positioniert, darunter Amnesty International, Reporter ohne Grenzen, der Deutsche Kinderschutzbund, aber auch Wirtschaftsverbände wie eco und Bitkom sowie europäische Digital-Unternehmen. Auch Messenger wie Signal, Threema und WhatsApp sind gegen die Chatkontrolle.
Seit Jahren reden sich Hunderte von IT-Expertinnen und Sicherheitsforschern, Juristinnen, Datenschützern, Digitalorganisationen, Tech-Unternehmen, Messengern, UN-Vertretern, Kinderschützern, Wächterinnen der Internetstandards und Wissenschaftlerinnen weltweit den Mund gegen die Chatkontrolle fusselig. Eine unglaubliche Breite der Zivilgesellschaft lehnt die Chatkontrolle ab, weil sie die größte und gefährlichste Überwachungsmaschine Europas werden würde.
Zivilgesellschaft mobilisiert gegen Chatkontrolle
Das Bündnis „Chatkontrolle stoppen“ ruft derzeit dazu auf, für die Abstimmung relevante Personen und Organisationen zu kontaktieren. Das sind vor allem die an der deutschen Positionsfindung beteiligten Bundesministerien sowie die Fraktionen und Abgeordneten der Regierungsparteien im Bundestag. Am besten wirken direkte E-Mails und Telefonanrufe oder auch rechtzeitig ankommende Briefe. Auf der Website des Bündnisses gibt es Tipps und Adressen, um selbst aktiv zu werden.
Gleichzeitig hat das Bündnis eine Last-Minute-Petition gestartet, in der es die Bundesregierung auffordert, sich im EU-Rat gegen die Chatkontrolle zu stellen.
Datenschutz & Sicherheit
Spahn: „Anlasslose Chatkontrolle wird es mit uns nicht geben“
In die Debatte um die Chatkontrolle kommt kurz vor der entscheidenden EU-Ratssitzung Bewegung. Am Dienstagnachmittag erteilte Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) der umstrittenen Maßnahme eine Absage. „Wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion sind gegen die anlasslose Kontrolle von Chats“, sagte Spahn am Nachmittag vor Journalisten in Berlin. Wie heise online aus Fraktionskreisen erfuhr, soll die Chatkontrolle vorerst nicht im Rat zur Abstimmung kommen.
„Das wäre so, als würde man vorsorglich mal alle Briefe öffnen und schauen, ob da etwas Verbotenes drin ist“, so Spahn. „Das geht nicht, das wird es mit uns nicht geben.“ Zugleich sei aber klar, dass Kindesmissbrauch bekämpft werden können müsse, betonte der Fraktionschef, und lobte die EU-Initiative. Eine Verordnung müsse Kinder wirksam schützen, „ohne dabei die Sicherheit und Vertraulichkeit individueller Kommunikation zu gefährden“.
Anlass oder nicht
Knackpunkt ist das Wort „anlasslos“. Die Union erteilt damit einer generellen Massenüberwachung eine Absage. Doch auch für eine anlassbezogene Überwachung von verschlüsselten Chats müsste die Technik massiv geschwächt werden, um Dritten Zugang zu den Inhalten zu ermöglichen. Damit wäre die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zwischen den Clients gebrochen.
Der erneute Vorstoß für eine Chatkontrolle wird von der dänischen Ratspräsidentschaft unter dem Banner der Bekämpfung des Kindesmissbrauchs geführt. Das EU-Parlament ist entschieden dagegen, das Grundrecht auf vor staatlichem Zugriff geschützte Kommunikation drastisch einzuschränken. Der EU-Rat der Mitgliedsstaaten sollte ursprünglich in der kommenden Woche darüber abstimmen.
Im Rat hatte bisher eine Minderheit mit Deutschland, Polen, Österreich und den Niederlanden eine Entscheidung verhindert. Sollte einer von den vier umfallen, wäre die Sperrminorität dahin.
In der Bundesregierung hat sich Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) bisher offen für den Vorstoß der Dänen gezeigt. Die SPD lehnt die Chatkontrolle weiterhin und begrüßte die Äußerungen Spahns. Es sei gut, dass sich die Union den Bedenken anschließe, sagte SPD-Fraktionsvize Sonja Eichwede. „Der Schutz von Kindern ist zentral, aber verdachtslose Überwachung privater Kommunikation ist der falsche Weg.“
Fraktion hat Redebedarf
Bereits im Laufe des Tages hatte sich abgezeichnet, dass es offenbar noch Redebedarf gibt. Zwar hatten sich Dobrindts Innenministerium und das Justizministerium von Stefanie Hubig (SPD) im Grundsatz auf eine Abstimmungsposition verständigt. Doch dann musste die Bundesregierung feststellen, dass auch die sie tragenden Bundestagsfraktionen eigene Sichtweisen haben.
So kam scharfe Kritik daran auf, dass die neue Koalition die Fragen im Zusammenhang mit der geplanten Verordnung bislang nicht ausreichend diskutieren konnte. Nachdem die Verordnung nun bereits drei Jahre diskutiert werde, gebe es keinen Grund, nun binnen weniger Stunden eine deutsche Positionierung ohne gründliche Beteiligung mit den Abgeordneten im Bundestag durchzudrücken, heißt es aus Fraktionskreisen.
Gegen die EU-Pläne formiert sich breiter Widerstand. Die Betreiber des Messengers Signal haben angekündigt, ihren Dienst in der EU einzustellen, sollte die Politik die Verschlüsselung unterwandern. Auch andere Messengerdienste haben das Vorhaben kritisiert. Scharfe Kritik äußerten auch IT-Verbände, Bürgerrechtsorganisationen und Medienverbände.
(vbr)
Datenschutz & Sicherheit
Die Woche, in der wir alle etwas gegen die Chatkontrolle tun
Liebe Leser:innen,
in den nächsten Tagen wird die Bundesregierung vermutlich beschließen, was ihre Position zur gefährlichen EU-Chatkontrolle ist. Derzeit sieht es so aus, als würde sie sich entgegen aller Stimmen der Vernunft und gegen die Grundrechte für diese neue Form der Massenüberwachung entscheiden. Damit würde der Weg frei zu einer Einigung auf die Chatkontrolle in der Sitzung des EU-Rats am 14. Oktober.
Doch noch ist es nicht zu spät, denn die Verhandlungen laufen in den Ministerien noch. Das Bündnis „Chatkontrolle stoppen“ ruft deswegen zum Protest per Anruf, Mail und Brief auf – um an den entscheidenden Stellen vielleicht doch noch etwas zu bewegen. Hier findet ihr die Anleitung des Bündnisses. Macht mit! Schreibt freundlich und bestimmt, was ihr von dem größten Überwachungsprojekt in der Geschichte der EU haltet.
Auf netzpolitik.org begleiten wir das Thema jetzt noch engmaschiger als sonst – ihr findet hier alle wichtigen Infos, Details und Updates.
Und verdammt nochmal. Ich bin so richtig sauer darüber, dass diese Bundesregierung so beratungsresistent ist.
Wenn dir Amnesty International, der CCC, Reporter ohne Grenzen, Juristenverbände, Wissenschaftler:innen aus der ganzen Welt ebenso wie Kinderschutzorganisationen, Fußballfans und UN-Beauftragte unisono zurufen „Macht das nicht! Das zerstört die private Kommunikation, das schadet der Pressefreiheit, das ist gefährlich für die Demokratie – und macht zu allem Überfluss noch die IT unsicher“, dann muss man doch aufhorchen. Das sind relevante Teile einer aufmerksamen, demokratischen Zivilgesellschaft, die da laut und deutlich warnen. Und zwar seit Jahren.
Wenn du dann aber mit deinem Überwachungstunnelblick einfach wegschaust, weil ja Überwachung immer gegen alles hilft und die autoritäre Schiene gerade angesagt ist, dann ist das einfach nur unverantwortlich, töricht und gegen eherne Verfassungsgrundsätze und die Menschenrechte gerichtet. Wie kann man nur sehenden Auges so eine gefährliche und unnötige Überwachungsinfrastruktur aufbauen wollen? Es ist nicht zu fassen.
Deswegen: Lasst uns versuchen, dieses Ding zu stoppen.
Viel Spaß beim Anrufen, Mails- und Briefeschreiben wünscht euch
Markus Reuter
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