Künstliche Intelligenz
Drei Fragen, drei Antworten: Wie man mit Agentschwärmen Software entwickelt
Einzelne KI-Agenten können nicht nur Entwicklerteams unterstützen – ein einzelner Entwickler kann auch zum Product Owner werden und einen Agentenschwarm an die Arbeit schicken. Rüdiger Berlich, Titelautor der iX 10/2025, hat einen Blick in die mögliche Zukunft geworfen und mit dem Open-Source-Werkzeug Claude Flow eine Threadpool-Bibliothek für C++ erzeugt. Er erklärt, worauf experimentierfreudige Entwickler achten sollten.
Dr. Rüdiger Berlich beschäftigt sich seit 1992 mit Open Source und hat sich in seinem MBA mit dem Thema zugehöriger Geschäftsmodelle auseinandergesetzt. Er berät Firmen zu Fragen der Open- und InnerSource, zu agilen Praktiken sowie dem Change Management.
Ein Entwickler dirigiert einen Agentenschwarm – wie muss man sich diese Arbeitsweise vorstellen?
Nun, der Entwickler dirigiert nicht wirklich – es geht eher darum, den Schwarm nur in die richtige Richtung zu schicken. Claude Flow ist ja selber ein Orchestrierungsframework mit dem Ziel, möglichst große Teile der Entwicklung zu automatisieren. Hierfür wird der Schwarm durch einen oder mehrere spezialisierte KI-Agenten angeleitet. Zuvorderst steht dabei die „Queen“, die ihren „Hive“ steuert. Die Arbeit mit dem Schwarm ähnelt deshalb weniger der Zusammenarbeit mit einem einzelnen Agenten, die ja durchaus interaktiv erfolgen kann. Vielmehr möchte man möglichst große Blöcke der Entwicklung parallel abarbeiten lassen, was Interaktivität weitgehend ausschließt. Die eigentliche Arbeit des Entwicklers findet deshalb bereits statt, bevor der Schwarm seinem Ziel entgegen schwebt.
Natürlich kann man Synchronisationspunkte zwischen Mensch und Maschine einbauen. Ganz klar sollte man auch, nachdem die Queen den Erfolg verkündet hat, die Ergebnisse prüfen. Man kann aber auch die Entwicklung so strukturieren, dass sie in Phasen läuft, nach denen menschliche Interaktion gewünscht ist. So wird man sicherlich zunächst mit der Architektur beginnen, die in einem nur kleinen Schwarm entwickelt wird. Man könnte sich etwa Architekturdiagramme vorschlagen und die KI eine API entwerfen lassen. Wenn die Architektur steht, lässt man den Schwarm losfliegen.
Erfahrene Entwickler werden dadurch nicht überflüssig, sondern sind im Gegenteil als Kontroll- und Steuerinstanz besonders wichtig. Sie rutschen aber zunehmend in die Rolle eines Product Owners mit Architekturverantwortung, wenn auch für kleinere Komponenten. Das bedeutet auch, dass man die Anforderungen sehr genau analysieren sollte, bestenfalls in einem formalen Requirements Engineering. Nur wenn man selber genau weiß, was entwickelt werden soll, kann man erwarten, dass die KI auch das richtige Problem löst. Neben der Validierung spielt dann auch noch die Verifikation eine Rolle. Die Entscheidungsgewalt liegt aber weiter beim Menschen, und die Möglichkeit zur Überprüfung der Ergebnisse sollte genutzt werden.
Wenn die Agenten einander zuarbeiten, potenziert das doch auch die Halluzinationen? Wie geht man damit um?
Es stimmt, dass Agenten halluzinieren. Noch schlimmer ist aber, dass KIs eine unendliche Zahl an meist validen Lösungen vorschlagen können, sodass sich eine Entwicklung quasi verlaufen kann und man zu komplexe Lösungen erhält. Dies lässt sich durch das Requirements Engineering mit genauen Vorgaben zur „Definition of Done“ eingrenzen. Dazu gibt es inhärente Kontrollmechanismen: Denn wenn die genaue Spezifikation dessen stimmt, was entwickelt werden soll, wird die Arbeit ja zwischen Subagenten aufgeteilt.
Wenn jetzt einer davon in die Wüste galoppiert, passen die Einzellösungen nicht zueinander und Tests schlagen fehl. Agenten können hierauf reagieren und die Fehler finden. Claude Flow unterstützt übrigens auch Test Driven Development, sodass von vornherein weniger Fehler entstehen. So kontrolliert sich die Entwicklung quasi selber. Spezialisierte Quality-Assurance-Agenten könnten auch eine aktive Kontrolle ausüben und etwa regelmäßig Code Reviews durchführen, auf die die Entwickler-Agenten reagieren müssen. Am Ende liegt die Ergebnisverantwortung bei der Queen, mit der der menschliche Auftraggeber sich auch streiten kann. Ein solcher Austausch kann dann durchaus groteske Züge annehmen, weil heutigen KIs eine Art Persönlichkeit antrainiert wird.
Insgesamt ähnelt die Arbeit mit Schwärmen übrigens sehr schnell einer agilen Entwicklung. Die Aufgabe wird analysiert, strukturiert, priorisiert und in Teilpakete aufgeteilt. Die Queen kann Entwicklungsphasen vorschlagen, nach deren Ende ein bestimmtes Ziel erreicht sein muss. Man entwickelt dann in Sprints mit Sprintzielen und der Vorstellung der Ergebnisse, entweder gegenüber einer KI oder dem Menschen. Es gibt also explizite Kontrollfunktionen und Schwarm-immanente, implizite Kontrolle, die ein Auseinanderlaufen der Entwicklung verhindern. Letztlich ist Kontrolle immer notwendig, auch wenn Zeitdruck und die sich durch KIs verkürzenden Innovationszyklen dazu verleiten, Abkürzungen zu nehmen. Insgesamt beschleunigt die Nutzung von Agentenschwärmen wie Claude Flow die Entwicklung und verbessert die Erfolgsrate gegenüber Einzelagenten.
Was braucht es dafür grob gesagt an Tools, Umgebung und Sicherheitsvorkehrungen, damit der Schwarm loscoden kann?
Der Schwarm soll autonom entwickeln. Die Arbeitsumgebung ist deshalb nicht anders als das, was ein menschlicher Entwickler erwartet. Man wird ein am besten lokales git haben, Compiler, Build-Umgebungen wie etwa CMake und alles, was man für die Architekturerstellung benötigt, zum Beispiel PlantUML. Die Kommunikation kann über Markdown-Dokumente strukturiert werden, sodass sich ein entsprechender Editor empfiehlt.
Autonome Entwicklung heißt auch, dass man der KI recht weitreichenden Zugriff auf das Hostsystem geben muss. Das kann auch bedeuten, dass die KI-Agenten selbstständig benötigte Pakete nachinstallieren, was so wohl nur unter einem Linux-System möglich ist und Root-Privilegien erfordert. Ein gesundes Maß an Vorsicht ist dabei sinnvoll. Um also nicht jedes Mal das System neu aufsetzen zu müssen, nachdem die KI das Steuer in der Hand hatte, empfiehlt sich die Verwendung einer VM. Unter Ubuntu bietet sich dafür das leichtgewichtige Multipass an.
Möchte man mehr Kontrolle, so kann man die Kommunikationsmöglichkeiten der VM von Hostseite aus auf bestimmte Endpoints einschränken. Wenn man nach dem initialen Einrichten der VM einen Snapshot erstellt, kann man immer wieder auf einen bekannten Stand der VM zurücksetzen und muss die KI nicht jedes Mal neu initialisieren. Ein Docker-Container ginge dabei sicherlich auch.
Die Installation von Claude Flow und dem von ihm benötigten Claude Code erfolgt über den npm-Paketmanager. Man sollte sich dessen bewusst sein – unlängst gab es ja Berichte über kontaminierte Pakete. Das betrifft jede Umgebung, die npm verwendet und ist nicht speziell für Claude Flow und Claude Code. Wir sind heute auch noch nicht an dem Punkt, an dem man leistungsfähige Coding-KIs mit vertretbarem Aufwand lokal einsetzen kann. Ein No-Go sind also Projekte, bei denen kein Teil der Code-Basis nach außen dringen darf.
Rüdiger, danke für die Antworten! Mehr Details zum Coden mit KI-Schwarm gibt es in der neuen iX. Außerdem zeigen wir, was agentische KI eigentlich ausmacht, und werfen einen kritischen Blick darauf, welche Security-Risiken KI-Agenten mit sich bringen. All das und viele weitere Themen finden Leser im Oktober-Heft, das jetzt im heise Shop oder am Kiosk erhältlich ist.
In der Serie „Drei Fragen und Antworten“ will die iX die heutigen Herausforderungen der IT auf den Punkt bringen – egal ob es sich um den Blick des Anwenders vorm PC, die Sicht des Managers oder den Alltag eines Administrators handelt. Haben Sie Anregungen aus Ihrer tagtäglichen Praxis oder der Ihrer Nutzer? Wessen Tipps zu welchem Thema würden Sie gerne kurz und knackig lesen? Dann schreiben Sie uns gerne oder hinterlassen Sie einen Kommentar im Forum.
(axk)