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Elon Musk will Vine zurückbringen – aber ohne Creator
Die App, die 2016 eingestellt wurde, galt lange als kreativer Spielplatz für junge Talente und virale Ideen. Die Ankündigung wirkt auf den ersten Blick wie Retro-Romantik. Doch Musk denkt nicht an ein Revival im klassischen Sinne, sondern an ein neues Produkt innerhalb von X: einen Kurzvideo-Feed, gespeist von generativer KI. Keine Kameras, keine Creator im traditionellen Sinn, sondern Clips, die direkt aus Algorithmen entstehen.
Kern dieser Idee ist das Tool Imagine, das Musks KI-Firma xAI derzeit entwickelt. Nutzer:innen sollen per Texteingabe automatisierte Videos generieren können. Möglich wird das durch die Integration von Hotshot, einem Startup, das auf KI-gestützte Video- und GIF-Erstellung spezialisiert ist und im Frühjahr von X übernommen wurde.
KI-Videos statt Creator? Musks Loop-Strategie
Die Vorstellung: Nutzer:innen geben Prompts wie „ein Faultier im Raumanzug auf einem Hoverboard“ ein und Sekunden später entsteht daraus ein Clip. Diese Form des synthetischen Contents erinnert an Googles Veo oder OpenAIs Sora, die bereits virale Trends auslösten. Doch Musk will mehr: einen durchgehend KI-generierten Feed im Stil von Vine, der direkt in X integriert ist. Täglich neu, automatisch aktualisiert, jederzeit scrollbar. Was das bedeutet? Die Plattform würde sich ein eigenes Ökosystem aufbauen – ohne Kameras, Schnitt-Software oder reale Protagonist:innen. Kurz gesagt: Eine Creator-Plattform ohne Creator.
Kultur ohne Köpfe? Die Schattenseite des KI-Feeds
Bereits 2024 zeigten sich ehemalige Vine Stars wie Lele Pons oder Zach King offen für die Idee eines Comebacks – damals war noch unklar, wie ernst es Musk mit Vine meinte. Doch im Licht seiner aktuellen Vision stellt sich eine grundlegendere Frage: Kann ein KI-generierter Loop das einlösen, was Vine einst auszeichnete? Die App war ein Ort für persönliche Perspektiven, pointierte Schnitte und echte Stimmen. Kulturelle Relevanz entsteht dort, wo Menschen sich einbringen – nicht dort, wo Algorithmen Inhalte erfinden. Oder doch?
NBC News erinnert zudem daran, dass Vine damals nicht an mangelndem Potenzial, sondern an fehlenden Monetarisierungsstrategien und zu langsamer Weiterentwicklung scheiterte. Ein KI-Format könnte diese strukturellen Schwächen sogar verschärfen, etwa wenn sich keine klare Erlösstruktur oder Zielgruppe für rein synthetischen Content etabliert.
Ein Feed für alles – oder ein Sammelbecken für das Schlechteste?
Ein KI-Video-Feed birgt nicht nur Potenzial für neue Kreativität, sondern auch für Eskalation. Schon heute werden generative Clips auf Plattformen wie TikTok wegen rassistischer oder diskriminierender Inhalte kritisiert. Auf X, das sich unter Musk zunehmend als unmoderiertes Meinungsbiotop positioniert, könnten problematische Inhalte in Kurzform besonders leicht viral gehen. Erst im Juli geriet X erneut in die Kritik, als Grok, der KI-Chatbot von xAI, auf Nutzer:inneneingaben hin antisemitische und gewaltverherrlichende Inhalte generierte – darunter Lobpreisungen Adolf Hitlers. X und xAI veröffentlichten daraufhin eine öffentliche Entschuldigung und deaktivierten mehrere Grok-Beiträge.
Andrew Hutchinson von Social Media Today bringt es auf den Punkt: Der geplante KI-Feed könnte zu einem „rollenden Fließband des Schlimmsten“ werden – endlose Loops mit toxischem oder grenzüberschreitendem Content. Denn was Menschen nie filmen würden, erzeugt eine KI mitunter ohne ethischen Filter.
KI kann loopen. Aber kann sie auch überzeugen?
Was Musk als „KI-Vine“ ankündigt, ist keine Rückkehr zu dem, was einmal war, sondern ein Versuch, Kreativität zu automatisieren. Clips, die nicht aus Erleben, sondern aus Eingaben entstehen. Für die einen ein technologischer Fortschritt, für andere ein Verlust von Nähe. Vielleicht kann KI lernen, was Aufmerksamkeit erzeugt. Aber ob sie auch versteht, was wirklich verbindet – das bleibt offen.