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Erstes Closing vom zweiten Auxxo-Fonds: So kommt ihr an das Geld

„Es gibt ausreichend“, sagt Gesa Miczaika, Gründungspartnerin des Risikokapitalgebers Auxxo Female Catalyst Fund (Auxxo). Ausreichend Pitchdecks, die ihr Team zugeschickt bekommt. Seit August 2021, als das Team angefangen hat, Pitchdecks über eine Deal-Flow-Software zu tracken, habe Auxxo mehr als 4.000 Pitchdecks von Startups gesehen.
In 30 davon hat das Auxxo-Team investiert, aus seinem ersten Fonds. Darunter die Berliner Physiotherapie-App Exakt Health, das Münchner Legal-Startup Fides und das Berliner Hormon-Tracking-Startup Inne.
Nun hat das Team um Miczaika das erste Closing des zweiten Fonds bekanntgegeben. 26 Millionen Euro sind bereits zusammengekommen, über ein Drittel mehr als für den ersten Fonds (19 Millionen Euro).
Der Europäische Investitionsfonds (EIF) ist als Ankerinvestor beteiligt, ebenso weitere namhafte Investoren wie Aurum Impact, Cherry Ventures und Speedinvest. 50 Prozent der Investoren sind Frauen, heißt es in der offiziellen Pressemitteilung.
Die ersten Investments wurden aus dem neuen Fonds bereits gemacht: Auxxo hat in Emidat, Resolutiion und Stanhope.ai investiert. Das Ziel sei ungefähr ein Investment alle zwei Monate, zwischen 200.000 und 700.000 Euro pro Startup.
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12 spannende Exits, die alle mitbekommen haben sollten
Millionenschwere Exits und Mehrheitsbeteiligungen gehören zum Grundrauschen der Startup-Szene. Auch im ersten Quartal 2025 gab es wieder einige interessante Exits. In der schnelllebigen Gründerszene sind viele Exits und Übernahmen aber auch sofort wieder vergessen. In aller Kürze lassen wir deswegen die wichtigsten, interessantesten und größten Exits und (Mehrheits)-Übernahmen der vergangenen Monate noch einmal Revue passieren.
Die (bisher) wichtigsten Exits des Jahres 2025
Hornetsecurity
Der amerikanische Security-Anbieter Proofpoint übernahm im Frühhahr das Cyber Security-Unternehmen Hornetsecurity aus Hannover. “Ein bedeutender Exit für den IT-Standort Hannover und eine Erfolgsgeschichte des regionalen Startup-Ökosystems: Das international erfolgreiche Cybersecurity-Unternehmen Hornetsecurity wird für weit über eine Milliarde US-Dollar vom US-amerikanischen Konzern Proofpoint übernommen”, hieß es damals in einer Presseaussendung. Mehr über Hornetsecurity
sevdesk
Das 2013 gegründete Offenburger Buchhaltungsunternehmen sevdesk wanderte im Januar unter das Dach des Pariser Softwareanbieters Cegid, der auf Cloud-Business-Management-
IDnow
Die amerikanische Investmentgesellschaft Corsair Capital übernahm im März die Mehrheit am Identitätspüfer IDnow, 2014 von Felix Haas, Armin Bauer, Sebastian Baerhold und Dennis Ferenczy gegründet. Die Firmenbewertung soll bei 300 Millionen US-Dollar gelegen haben. Corsair war bereits seit 2019 bei IDnow an Bord. Seit Ende 2023 hielt Corsair bereits rund 44,9 % der IDnow-Anteile. IDnow erwirtschaftete 2023 einen Umsatz in Höhe von 72,8 Millionen (Vorjahr: 67,2 Millionen). Der Jahresfehlbetrag lag bei 11,9 Millionen (Vorjahr: 43,1 Millionen). In den vergangenen Jahren flossen rund 115 Millionen in IDnow – unter anderem von G+D Ventures, Seventure und BayBG. Mehr über IDnow
Contentserv
Das 2000 in Rohrbach/Ilm gegründete Product Information Management-Unternehmen Contentserv wanderte im März unter das Dach des amerikanischen Product Lifecycle Management-Unternehmens Centric Software, das wiederum zu Dassault Systèmes aus Frankreich gehört. Der Kaufpreis betrug beachtliche 220 Millionen Euro. Zur Einordnung: 2023 erwirtschaftete Contentserv einen Umsatz in Höhe von 18 Millionen Euro (Vorjahr: 15 Millionen). Seit 2019 hielt die Investmentgesellschaft Investcorp die Mehrheit an Contentserv. “Unter der Eigentümerschaft von Investcorp konnte Contentserv seine wiederkehrenden Umsätze um das Sechsfache steigern und seine Marktführerschaft im PXM-Sektor weiter ausbauen”, teilt der Geldgeber mit. 250 Mitarbeitende wirken derzeit für Contentserv. Mehr über Contentserv
FreeNow
Der US-Fahrdienstvermittler Lyft übernahm im Frühjahr von BMW und Mercedes-Benz die Taxi-App FreeNow. “Der Erwerb von der BMW Group und Mercedes-Benz Mobility erfolgt zu einem Kaufpreis von rund 175 Millionen Euro bzw. 197 Millionen US-Dollar in bar”, hieß es damals in einer Presseaussendung. Mehr über FreeNow
Iron
Das Krypto-Unternehmen MoonPay übernahm im März das Berliner Stablecoin-Startup Iron. Laut Kryptomedium The Block legte MoonPay 100 Millionen US-Dollar für Iron auf den Tisch. Finance Forward taxierte den Deal auf “50 bis 70 Millionen Euro”, bezahlt zum Großteil in Moonpay-Aktien. Die sprichwörtliche Wahrheit liegt vermutlich irgendwo dazwischen. Zumindest ist der Iron-Exit ein Hingucker. Iron wurde vom Berliner FinTech Unstoppable Finance (Peter Grosskopf und Co.) angeschoben. Unstoppable Finance verkaufte zuvor bereits seine DeFi-Wallet Ultimate an Jupiter. Mehr über Unstoppable Finance
Komoot
Die italienische Softwarefirma Bending Spoons, zu der bereits Evernote, Meetup und WeTransfer gehören, übernahm im März die beliebte und extrem erfolgreiche Potsdamer Wander-App Komoot. Die Geschichte des Hidden Champions Komoot begann als Studentenprojekt von Jonas Spengler, Markus Hallermann, Tobias Hallermann, Christoph Lingg, Daniel Gard und Jan Heuer an der TU Berlin. 2010 erfolgt die Gründung in Potsdam. 2023 erwirtschaftete das Unternehmen einen Umsatz in Höhe von rund 35,6 Millionen Euro. Dabei erwirtschaftete das Team auch wieder einen Jahresüberschuss in Höhe von 2,5 Millionen. Das Komoot-Gründerteam hielt zuletzt noch rund 53 % am Unternehmen. Mehr über Komoot
Urban Sports Club
Das amerikanische Wellbeing-Unicorn Wellhub (früher als Gympass bekannt) übernahm Ende März den deutlich kleineren Berliner Wettbewerber Urban Sports Club. Das Berliner Unternehmen Urban Sports Club, 2012 von Benjamin Roth und Moritz Kreppel gegründet, setzt auf “flexible Sport- und Wellness-Mitgliedschaften”. Wobei der Schwerpunkt zuletzt bei Mitarbeiter-Benefits lag. Verdane, HV Capital und ProSiebenSat1 investierten zuletzt 95 Millionen Euro in Urban Sports Club. Insgesamt flossen in den vergangenen Jahren rund 233 Millionen in das Fitness-Unternehmen. 2023 erwirtschaftete das Unternehmen einen Umsatz in Höhe von 145,7 Millionen (Vorjahr: 96,1 Millionen). Mehr über den Urban Sports Club
Outfittery
Der spanische Personal Shopping-Service Lookiero und das Berliner Personal-Shopping-Grownup Outfittery schlossen sich im März zusammen. “Gemeinsam erwirtschaftet die Lookiero Outfittery Group einen Jahresumsatz von 130 Millionen Euro, teilten die Unternehmen dabei mit. Beide Unternehmen beschäftigen jeweils knapp 350 Mitarbeitende. Outfittery, 2012 von Julia Bösch und Anna Alex gegründet, erwirtschaftete 2021 einen Umsatz in Höhe von 71,9 Millionen Euro und einen Jahresfehlbetrag von rund 6,3 Millionen. Der Aufbau von Outfittery, das zuvor bereits mit Modomoto fusionierte, kostete bis Ende 2021 rund 97 Millionen. Investoren investierten in den vergangenen Jahren rund 100 Millionen. Mehr über Outfittery
airfocus
Das amerikanische Unternehmen Lucid, das eine Kollaborationplattform anbietet, übernahm im März das Hamburger Startup airfocus, eine “Modulare Produktstrategie-Software”. XAnge, Newion, Nauta, Riverside Acceleration Capital und Picea Capital investierten zuletzt 7,5 Millionen US-Dollar in airfocus. Insgesamt flossen in den vergangenen Jahren rund 15 Millionen Dollar in das Startup. Das Unternehmen, 2017 von Valentin Firak, Malte Scholz und Christian Hoffmeister gegründet, entwickelt eine Software für Produktteams, die dabei unterstützt, Produkte strategisch und kundenzentriert zu entwickeln. 2023 erwirtschaftete das Team einen Jahresfehlbetrag in Höhe von 2,4 Millionen Euro (Vorjahr: 2,7 Millionen). Insgesamt kostete der Aufbau von airfocus bis Ende 2023 rund 9 Millionen. Zuletzt beschäftigte das Unternehmen durchschnittlich 15 Mitarbeitende (Vorjahr: 19). Mehr über airfocus
Braineffect
Die Karlsruher Schwabe Group, ein Unternehmen für Gesundheitslösungen, übernahm im März die Mehrheit an Braineffect, einer Jungfirma für Nahrungsergänzungsmittel. “Mit diesem Investment demonstriert das Familienunternehmen seine Ambitionen, neue Zielgruppen zu erschließen, sich im Direct-to-Consumer-Markt zu entwickeln und die Zukunft von Gesundheitsprodukten federführend mitzugestalten”, teilte das Unternehmen dabei mit. Die Schwabe Group investierte bereits 2020 in Braineffect, 2016 von Fabian Foelsch in Zusammenarbeit mit der S-Lifestyle Group, einem Ableger der Schober-Gruppe in Berlin gegründet. In den vergangenen Jahren flossen rund 20 Millionen Euro in Braineffect. Im Zuge der Transaktion wird Braineffect mit einer mittleren zweistelligen Millionensumme bewertet. Mehr über Braineffect
Kadmos
Der japanische Schifffahrtskonzern Nippon Yusen Kabushiki Kaisha (NYK) übernahm im Juni das maritime Berliner FinTech Kadmos, das sich um internationale Gehaltszahlungen kümmert. Das FinTech, 2021 von Justus Schmüser, zuletzt McKinsey, und Sasha Makarovych, zuletzt Rocksteady Studios, gegründet, sammelte in den vergangenen Jahren rund 37 Millionen Euro ein – unter anderem von Blossom Capital, Addition und Atlantic Labs. Der Kaufpreis ist nicht bekannt. Mehr über Kadmos
Weitere spannende Exits des Jahres 2025
Signatrix
Die schwedische ITAB Group, ein Ladenbau- und Technologiekonzern, übernahm das 2017 gegründete Berliner Retail-Startup Signatrix. Mehr über Signatrix
Brighter AI
Das dänische Softwareunternehmen Milestone Systems, das auf Videomanagementlösungen setzt, übernahm das Berliner KI-Startup Brighter AI. Mehr über Brighter AI
Saasmetrix
Das Moeglinger Unternehmen USU, das sich um “Software- und Services für IT und Customer Service Management” kümmert, übernahm die Jungfirma Saasmetrix. Mehr über Saasmetrix
Ladeplan
Das belgische Ladeinfrastruktur-Scaleup RetailSonar, zu dem ChargePlanner gehört, übernahm das Paderborner Startup Ladeplan. Mehr über Ladeplan
reverse.supply
Das amerikanische Unternehmen Trove, das sich um Re-Commerce- und Trade-In-Lösungen kümmert, übernahm das Berliner Startup reverse.supply. Mehr über reverse.supply
Accountable
Der norwegische Softwarekonzern Visma übernahm das 2019 gegründete deutsch-belgische FinTech Accountable. Mehr über Accountable
Kern AI
Die accompio Gruppe aus Niedersachsen übernahm das 2020 gegründete Startup Kern AI. Mehr über Kern AI
Rausgegangen
Das Medienhaus DuMont übernahm die Mehrheit am Kölner Eventdienst Rausgegangen. Mehr über Rausgegangen
everbay
Die Mediengruppe Funke übernahm das 2021 gegründete Münchner HR-Startup everbay. Mehr über everbay
accountDigital
Das Hamburger TaxTech Taxdoo übernahm den Buchhaltungs-Pionier accountDigital aus Mülheim-Kärlich. Mehr über Taxdoo
DUB.de
Das Hamburger M&A-Technologie-Unternehmen DealCircle übernahm DUB.de, eine Onlineplattform für Unternehmenstransaktionen. Mehr über DealCircle
femtis
Das Mannheimer Socken- und Wäschelabel snocks übernahm das Periodenunterwäsche-Startup femtis. Mehr über snocks
Peter Park
Die Private-Equity-Gesellschaft Great Hill Partners übernimmt die Mehrheit an Peter Park, einem Anbieter von digitalen Parklösungen. Mehr über Peter Park
Data-Sec
Die Münchner Investmentgesellschaft Sophora Unternehmerkapital übernimmt das 2009 gegründete Unternehmen Data-Sec. Mehr über Data-Sec
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Ex-Banxware-Gründer bekommt Millionen für sein neues Startup Credibur

Das Berliner Lernding-Fintech Credibur hat sich eine erste Finanzierung in Höhe von 1,9 Millionen Euro (2,2 Millionen Dollar) gesichert.
Angeführt wird die Pre-Seed-Runde von dem Fintech-Investor Redstone. Außerdem beteiligen sich der Silicon-Valley-Investor MS&AD Ventures und der kanadische Venture Capitalist Inovia.
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Hinzu kommen Szenegrößen als Business Angels, darunter Malte Rau (Co-Founder und CEO von Pliant), das Topi-Gründerinnen-Duo Estelle Merle und Charlotte Pallua, sowie der ehemalige Creandum-Principal und Angel-Investor Bjarke Klinge Staun.
Credibur will Kreditgebern und Investoren dabei helfen, ihre Geldflüsse einfacher und effizienter zu steuern. Über die KI-gestützte Software sollen alle wichtigen Zahlen und Daten automatisch gesammelt und verarbeitet werden können.
Mit der Finanzierungsrunde verlässt Credibur den Stealth-Modus. Das frische Kapital soll in die technische Weiterentwicklung der API-und-KI-first-Infrastruktur, Kundengewinnung sowie Ausbau des Teams fließen.
Wachstum im Markt wird ausgebremst
Der europäische Private-Credit-Markt, auf den sich Credibur konzentriert, umfasst laut Europäischer Zentralbank inzwischen ein Volumen von rund 430 Milliarden Euro. Bisher sind jedoch viele Prozesse noch manuell und fehleranfällig, was das Wachstum der Branche bremst.
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Mit seiner KI-Plattform zum Managen von Kreditlinien richtet sich Credibur an alternative Kreditgeber – also keine Banken – wie Buy-Now-Pay-Later-Anbieter, Leasing- und Factoring-Unternehmen sowie an große, professionelle Geldanleger wie Assetmanager, Debt-Fonds oder Family-Offices.
Gründer kommt aus dem Kredit-Business
Gründer Nicolas Kipp weiß aus seinen vorherigen Jobs, wie komplex das Kreditgeschäft ist. Insgesamt war er vier Jahre beim Zahlungsdienstleister Ratepay beschäftigt, zuletzt als Chief Risk Officer.
2020 folgte er dann der Ratepay-Gründerin Miriam Wohlfarth zu ihrem neuen Startup Banxware. Er stieg bei dem Embedded-Lending-Startup als Co-Founder ein. Bis Ende 2023 hat er bei Banxware die Bank- und Kreditkooperationen verantwortet.
Im September 2024 hat Kipp dann Credibur gegründet, im Stealth-Mode. Einen Monat später stieß Kim Kacegarovs als Founding Engineer dazu. Er war zuvor als Software-Engineer bei Netropy und Moneyflow tätig. Eigenen Angaben zufolge hat Kipp bereits ein 10-köpfiges Team zusammengestellt.
Pitchdeck
Das Credibur-Team hat Gründerszene exklusiv das Pitchdeck zur Verfügung gestellt, mit dem sie die Investoren überzeugen konnten.
Weitere Pitchdecks findet ihr auf unserer Pitchdeck-Übersicht, für eure eigenen Slides könnt ihr hier von Experten Feedback bekommen.

Credibur
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Berliner Startup konserviert Tote – damit sie wiederbelebt werden können

Zwischen Alexanderplatz und Kitkat-Club, in einem unscheinbaren Innenhof in Berlin-Mitte, sitzt eines der ungewöhnlichsten Startups Europas: Tomorrowbio. Seine Idee: Menschen nach ihrem Tod kryokonservieren – in der Hoffnung, dass sie irgendwann in der Zukunft wiederbelebt werden können.
So funktioniert es: Sobald ein Tomorrowbio-Kunde rechtlich für tot erklärt wird, rückt ein spezialisiertes Team, bestehend aus Ärzten, Kardiotechnikern und Kryo-Experten an. Dann versorgen sie den toten Menschen unter anderem mit Sauerstoff, nicht um ihn wiederzubeleben, sondern um den Zerfall der Zellen zu verlangsamen. Gleichzeitig kühlen sie die Temperatur des Körpers runter. Das Blut tauschen sie durch ein medizinisches Frostschutzmittel aus. So lassen sich Eiskristalle vermeiden, die Zellen zerstören würden. Anschließend wird der Körper auf -196 Grad Celsius gekühlt – das technische Verfahren, das hier angewendet wird, nennt sich Vitrifizierung.
CEO Emil Kendziorra gründete das Tomorrowbio zusammen mit COO Fernando Azevedo Pinheiro im Jahr 2020. Drei Jahre später kryokonservierte das Startup die erste Person und das erste Haustier. Im April 2024 folgte dann das erste separate Gehirn.
Inzwischen hat das Startup laut Gründer 20 Menschen und zehn Haustiere kryokonserviert. Rechtlich gesehen ist die Kryokonservierung bei Tomorrowbio eine Körperspende, gilt als wissenschaftliche Forschung.
Vorbereitungen im Krankenwagen
Die ersten Schritte der Kryokonservierung passieren bei Tomorrowbio in einem umgebauten weißen Krankentransport. Davon steht auch einer in Berlin – vor dem Büro des Startups.

Im Innenraum befindet sich eine Liegewanne, die mit einem grünen Tuch abgedeckt ist. Hier werden die toten Menschen zunächst in Eiswasser gelegt, bis sie auf -80 Grad Celsius runterkühlen. Dahinter befindet sich die Herz-Lungen-Maschine mit auffällig vielen Schläuchen. „Kurz bevor wir 0 Grad Celsius erreichen, tauschen wir mit der Herz-Lungen-Maschine Wasser und Blut im Körper gegen das medizinische Frostschutzmittel aus“, erklärt Kendziorra. Es fühlt sich unwirklich an, in dem Krankenwagen zu stehen. Auf der einen Seite wirkt er eben wie ein Krankenwagen. Auf der anderen Seite kommt das Bewusstsein hinzu, dass es hier nicht darum geht, Menschen wiederzubeleben, sondern sie zu konservieren.
„Beim Kryokonservieren werden Menschen nicht eingefroren“, sagt Kendziorra. „Es ist eine Überführung des Gewebes in einen glasähnlichen Zustand. Im Zusammenspiel mit extrem niedrigen Temperaturen kann man den Körper unbegrenzt lange aufrechterhalten.“
Lagerung in einem „Tank“ in der Schweiz
Die eigentliche Lagerung erfolgt in der Schweiz, in einer Art vakuumdichten „Tank“ der gemeinnützigen European Biostasis Foundation, eine Stiftung, die Kendziorra ebenfalls gegründet hat. Die Tanks stehen unterirdisch, sind mit flüssigem Stickstoff gefüllt und brauchen keinen Strom. Die Kühlung erfolgt durch den Stickstoff. Der sorgt bei einer Temperatur von -196 Grad Celsius zudem dafür, dass Enzyme und Bakterien nicht mehr arbeiten können. Der Zerfall des Körpers wird gestoppt.

Und dann bleibt der Körper erstmal in dem Gefäß. Denn noch konnte kein Mensch aus der Kryokonservierung wiederbelebt werden. So weit ist die Forschung noch nicht. Mit Embryonen und Spermien klappt es aber bereits.

Bis es bei Menschen funktionieren könnte, ist es noch ein langer Weg. Bei der Wiederbelebung ist „die schnelle, gleichmäßige Erwärmung des Gewebes ein aktuelles Forschungsthema“, sagt Kendziorra. Zudem geht man in der Neurowissenschaft davon aus, dass Identität und Persönlichkeit im Gehirn verankert sind. Bislang ist es auch noch nicht möglich, ein Gehirn zu kryokonservieren und voll funktionstüchtig wiederzubeleben.
Weshalb Menschen sich konservieren lassen
Kendziorra selbst sieht Kryokonservierung als Alternative zur Beerdigung. „Cremation or Cryo“ stehe in seinen Präsentationen, wenn er über sein Startup und Kryokonservierung spricht, sagt er. „Es gibt keine Garantie, dass man wiederbelebt wird. Man kann auch heute nicht sagen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass man Menschen aus der Kryokonservierung holen kann.“ Aber Kendziorra ist optimistisch. Er wüsste nicht, weshalb die Forschung nicht irgendwann in ferner Zukunft dazu in der Lage sein sollte.
Die Kunden des Startups haben laut Kendziorra aber auch darüber hinaus etwas gemeinsam: Sie alle haben im weitesten Sinne beruflich mit Technologie zu tun. „Unsere größte Einzelgruppe sind Informatiker“, sagt Kendziorra. Aber auch Investoren und viele Startup-Gründer seien unter den Kunden. Ebenso Ärzte und Wissenschaftler.
Die Kunden seien zwischen 35 und 45 Jahre alt. Viele sind gesund, andere todkrank und hoffen, dass ihre Krankheit in ferner Zukunft medizinisch heilbar ist. Sie eventuell eine zweite Chance bekommen.
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„Unser letzter Patient war Mitte 30, hatte Blutkrebs und eine Knochenmarktransplantation, die ihn leider nicht geheilt hat.“ Wenn Kendziorra von Patienten spricht, meint er Menschen, die sich aktuell in Kryokonservierung befinden. Auch, wenn sie nicht wirklich Patienten im klassischen Sinne sind. „Was wäre ein anderes Wort? Tote Menschen? Leichen?“, fragt Kendziorra. „Es ist Teil unserer Firmenkultur, dass Menschen, die in Kryokonservierung sind, ein hoher Wert beigemessen wird.“
Firmenstruktur von Tomorrowbio
Doch was kostet diese Chance auf ein Leben in ferner Zukunft? Der Kostenpunkt: 200.000 Euro für eine Ganzkörperkonservierung, meist per Lebensversicherung finanziert. Davon entfallen 80.000 Euro auf das Kryokonservierungsverfahren, 120.000 Euro auf die Lagerung im Tank in der Schweiz. Nur das Gehirn allein kryokonservieren zu lassen, kostet 75.000 Euro. Hinzu kommt ein Monatsbeitrag von 50 Euro.

„Die Firma verdient an der Kryokonservierung selbst kein Geld“, sagt Kendziorra. Deswegen plane der Gründer neben den Mitgliedsbeiträgen weitere Geschäftszweige. Zum einen will das Unternehmen selbst Versicherungen anbieten. Zum anderen ist eine Art Asset-Management geplant, um das finanzielle Erbe von Menschen in Kryokonservierung zu verwalten. Sowas gibt es nämlich noch nicht. „Dafür bauen wir gerade eine Stiftung auf. Wenn jemand einen Teil seines Vermögens nach der Kryokonservierung in der Zukunft wieder haben möchte, nimmt die Stiftung das Geld an und gibt es wieder zurück. Die Firma Tomorrowbio würde eine Management-Fee bekommen.“
Noch ist Tomorrowbio nicht profitabel, könnte es laut Kendziorra aber ab 1.500 Kunden werden. Derzeit haben rund 800 Menschen einen Vertrag. Ziel des Startups ist die weitere Expansion in den USA, wo das Thema gesellschaftlich weiter verbreitet ist als in Europa.
Gibt es dafür einen Markt?
Wie groß der Markt jedoch überhaupt ist, ist unklar. Alcor aus den USA zum Beispiel, das bislang als größtes Unternehmen in dem Bereich gilt, hat laut Webseite 1442 Mitglieder und bislang 248 Menschen kryokonserviert.
Kendziorra selbst führte 2021 eine Studie unter Internetnutzern in den USA durch: Von 1487 Befragten haben demnach 20 Prozent Interesse an einer Kryokonservierung, während sechs Prozent sich bereits dafür entschieden hätten. Interesse bedeutet eben nicht auch gleich Vertrag.
Schnelles Business ist Kryokonservierung also nicht. Was ist für den Gründer das Ziel mit Tomorrowbio? Er sieht Tomorrowbio als eine Art Lebenswerk. Mit zwei Startups hat Kendziorra in der Vergangenheit bereits einen Exit hingelegt. Davor arbeitete er in der Krebsforschung. „Wir bauen hier keine Firma, die schnellstmöglich verkauft werden soll“, sagt er – auch gegenüber Investoren.
Zuletzt sammelte Tomorrowbio fünf Millionen Euro in einer Seed-Runde ein, unter anderem von Blast.Club und Truventuro, dem Family Office von Nils Regge, dem Gründer von Hometogo. „Wir haben Investoren, die bewusst in einen Moonshot investieren wollen. Und wir sind ein Moonshot“, sagt Kendziorra.
Für die Zukunft seines Unternehmens sieht Kendziorra drei mögliche Entwicklungen:
- Sollte es der Wissenschaft gelingen, Menschen erfolgreich aus der Kryokonservierung zurückzuholen, wäre Tomorrowbio laut Kendziorra „am nächsten Tag die wertvollste Firma der Welt“. Realistisch sei dieses Szenario in naher Zukunft jedoch nicht.
- Die Forschung macht vielversprechende Fortschritte in Sachen Krykonservierung, zum Beispiel, wenn das Wiederbeleben bei kleinen Säugetieren gelingt. Dann rechnet der Gründer damit, dass mehr Menschen Verträge für Kryokonservierung abschließen würden. „Wenn man es schafft, 30.000 Kunden zu haben, die einem statistisch gesprochen, die nächsten 50 Jahre jeden Monat 50 Euro zahlen, plus Asset-Management und Versicherungen – dann ist da ein super Geschäft draus geworden.“ Aber auch, wenn Tomorrowbio auf 3.000 Kunden käme und profitabel wäre, wäre Kendziorra zufrieden. Sein Anspruch: Das bestmögliche Verfahren für Kryokonservierung anbieten.
- Ein Milliardär könnte aus persönlichem Interesse groß investieren ohne Rücksicht auf Rendite. „Die Chance dafür ist bei uns größer als bei anderen Startups“, meint Kendziorra. Damit ließe sich die Forschung von Kendziorra zur Kryokonservierung langfristig finanzieren und Alt-Investoren auszahlen.
Da jedoch der Fokus des Gründers auf dem zweiten Punkt liegt, dem Kundenwachstum, sei die Herausforderung für Kendziorra momentan das Marketing, um das Thema Kryokonservierung einer breiten Masse an Menschen zugänglich zu machen. Fancy Out-of-Home-Kampagnen im Sci-Fi-Look seien da nicht unbedingt hilfreich. Dafür ist Kryokonservierung zu erklärungsbedürftig. „Mir ist wichtig, dass Menschen sich für Kryokonservierung entscheiden, wissend der Nachteile“, sagt Kendziorra. Denn eines steht fest: Es gibt keine Garantie, dass das je funktionieren wird. Aber falls doch, wartet vielleicht ein zweites Leben. Und die Hoffnung darauf ist für viele Grund genug. Oder der Wunsch Teil von etwas Größerem zu sein – als einer der wenigen ersten, den Tod zu überlisten.
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