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„Es fehlen Taten“: Grüne kritisieren Merz’ Startup-Politik – was sich ändern muss

Es waren große Ideen und Versprechen: „Gründerschutzzonen“ und „One-Stop-Shops“ standen im Wahlprogramm von CDU/CSU. Beides, um das Gründen in Deutschland leichter, schneller und unbürokratischer zu machen. Von einer „Hightech-Agenda“ und Steuererleichterungen für Investoren war außerdem die Rede.
Die „Unternehmensgründung in 24 Stunden“ hat es dann auch in den Koalitionsvertrag von Union und SPD geschafft, die Förderung von Schlüsselinnovationen, massive Investition in KI, Robotik und Quantentechnologie ebenfalls. Der Staat solle öfters Startup-Kunde werden, heißt es dort, man wolle mehr öffentliche Aufträge an Startups vergeben.
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Merz wollte es machen wie Macron
Kanzler Friedrich Merz warb im kurzen Winterwahlkampf immer wieder explizit um Gunst und Stimmen der jungen Unternehmerinnen und Unternehmer des Landes. Zu Gast in der „Wahlarena“, ein Special des Podcastst „Fast and Furious“ von Verena Pausder und Lea Sophie Cramer, versprach Merz wie Macron sein zu wollen – zumindest ein bisschen. „Ich werde mir genau anschauen, was Macron gemacht hat“, sagte der damals noch Kanzlerkandidat im Podcast. „Ich werde das in Deutschland auch so oder anders machen, damit Startups in Deutschland eine gute Chance haben.”
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Bilanz nach 65 Tagen: Wenig, sehr wenig
Seit 65 Tagen ist Merz nun im Amt. Seit 65 Tagen hätte er „Startups zur Chefsache machen“ können (ein Wunsch, den die Vorsitzende des Startupverbandes, Verena Pausder, an den neuen Kanzler formuliert hatte). Tatsächlich aber sieht es ganz so aus, als würde das Thema Startup-Politik von der neuen Regierung eher de-priorisiert, als wäre es von der Tischkante gerutscht. So beobachten das jedenfalls Mitglieder der Opposition kritisch.
Etwa Katharina Beck, Bundestagsabgeordnete der Fraktion B90/Die Grünen, die dort auch in der neuen Wahlperiode wieder für die Startup-Politik zuständig ist. Ihrer Meinung nach geht die neue Bundesregierung das Thema Startups nicht mit der gebotenen Priorität und Klarheit an. So entsteht der Eindruck: Startup-Politik scheint der Regierung einfach nicht besonders wichtig zu sein.
Oppositions-Politikerin: „Es fehlen Taten“
„Es gibt gute Punkte zur Förderung von Startups im Koalitionsvertrag. Ich habe bei der Verleihung der Startup Awards vor einigen Wochen auch eine engagierte Rede der Wirtschaftsministerin Reiche gehört – aber gleichzeitig sehe ich hier einfach noch keine Taten“, so die Bundestagsabgeordnete im Gespräch mit Gründerszene. „Und gerade wenn man sich Wirtschaftspolitik derart groß auf die Fahnen schreibt, wie Friedrich Merz das tut, muss ich mich schon fragen: Denkt er die junge Wirtschaft da denn überhaupt mit?“
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Problem 1: Ungeklärte Zuständigkeiten
Besonders problematisch findet Beck die bislang ungeklärte Frage der Zuständigkeit: Wer macht’s denn jetzt eigentlich? Zwei oder drei Ministerien kämen als Homebase für das Thema Startups infrage: das Wirtschaftsministerium von Katherina Reiche (BMWE) oder das neu geschaffene Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung (BMDS) unter Karsten Wildberger. Und dazu ist da noch das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) unter der Leitung von Dorothee Bär (CSU), die ja selbst einst Beauftragte der deutschen Bundesregierung für Digitalisierung war.
Keines dieser Ministerien hat bisher klar gesagt: Wir machen Startups. Ginge es nach Katharina Beck von den Grünen, wüsste sie, wo sie das Thema aufhängen würde: „Für mich ist klar: Startups sind ein essenzieller Teil der deutschen Wirtschaftslandschaft. Deshalb fände ich es nur logisch, die Zuständigkeit dafür im Wirtschaftsministerium zu sehen. Oder, wenn man das Thema noch größer betrachtet, eigentlich sogar im Kanzleramt.“
Auf Nachfrage teilten sowohl das Wirtschafts- als auch das Digitalministerium Gründerszene mit: We are on it. Aber eben noch nicht fertig, zu entscheiden, wer was übernimmt. Eine Sprecherin des BMWE schreibt: „Die konkreten Ausgestaltungen werden in Verwaltungsvereinbarungen mit den im Erlass genannten Ressorts – darunter auch das BMWE – bis zum 1. August 2025 getroffen.“
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Problem 2: Keine neue Startup-Strategie
Die ungeklärte Zuständigkeit behindert die Arbeit der neuen Regierung an einer neuen Startup-Strategie, findet Katharina Beck. „Für mich ist nicht ersichtlich, wer da wann jetzt mal etwas Gutes macht.“
Sie habe deshalb eine schriftliche Frage an die Bundesregierung eingereicht, weil sie wissen wollte, wann und mit welchem Schwerpunkt eine neue Startup-Strategie erarbeitet werden würde. Zurück kam – vom Wirtschaftsministerium – eine „Nicht-Antwort“, wie die Politikerin es ausrückt: Man habe ja bereits angekündigt, an einer Startup-Strategie 2 zu arbeiten. Inhalte und Schwerpunkte derer würden aber noch bekanntgegeben.
Uns gegenüber schreibt die Sprecherin auf die Frage, ob und wann die neue Strategie käme: Ja, sie kommt. Bundeswirtschaftsministerin Reiche habe ja eine Startup-Strategie 2 angekündigt. Diese sei aber derzeit work in progress.
Problem 3: Abschaffung der Stelle der Startup-Beauftragten
Und während unklar ist, wer etwas macht, wurde klar, wer etwas nicht mehr macht: Die neue Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche strich Ende Juni die in ihrem Ministerium angesiedelte Stelle des oder der Startup-Beauftragten des Bundes. Die Streichung geht mit der Abschaffung von 25 Stellen von Beauftragten einher, die die Koalition zu Beginn ihrer Amtszeit angekündigt hat.
Sieben Jahre gab es die Stelle des sogenannten Beauftragten für Startups und Digitale Wirtschaft als eine Art Bindeglied zwischen Wirtschaftsministerium und Gründerszene. Peter Altmaier ernannte als Wirtschaftsminister Thomas Jarzombek (CDU) 2018 zum ersten Startup-Beauftragten in Deutschland, Robert Habeck machte dann Anna Christmann (Grüne) zur Startup-Beauftragten.
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Beck hält diese Funktion für wichtig, insbesondere, weil sich Startup-Politik über unterschiedliche Bereich erstreckt. Dabei ginge es ja oft um unterschiedliche Themen, von Förderung und Finanzierung bis hin zu Bildung und Digitalisierung. Da ergab eine Schlüsselstelle, bei der all das zusammenläuft, schlicht Sinn.
Auch ihr Fraktionskollege Julian Joswig, Obmann der Grünen Bundestagsfraktion im Europaausschuss und Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Energie, sieht die Abschaffung dieser Stelle sehr kritisch, zumal, wie er findet, die bisherigen Startup-Beauftragten „einige Hebel in Bewegung gesetzt haben“, wie er sagt, und „wichtige Ansprechpersonen für die Startup-Branche“ waren.
Bundeswirtschaftsministerium: Thema hat „hohe Priorität“
Deshalb hat er vor Kurzem auch eine Anfrage an das BMWE gestellt: Warum wurde diese wichtige Stelle gestrichen? Die Antwort des Ministeriums, die Gründerszene exklusiv vorliegt, ist eher nichtssagend. Kurz: Man müsse eben sparen.
„Der Koalitionsvertrag sieht vor, die Anzahl der Beauftragten des Bundes zu halbieren“, schreibt Staatssekretär Thomas Steffen. Deshalb werde es „zunächst“ keine Startup-Beauftragte geben. Wichtig sei das Thema aber natürlich trotzdem, beteuert er: „Gleichzeitig hat die Bundesregierung dem Thema Startup-Politik im Koalitionsvertrag hohe Priorität verliehen. Für Bundeswirtschaftsministerin Reiche selbst ist die Stärke von Startups für die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit Deutschlands von großer Bedeutung.“
Die gleiche Antwort haben auch wir bekommen – mit der zusätzlichen Anmerkung: „Bei der Startup-Beauftragten der letzten Legislaturperiode handelte es sich nicht um eine Beauftragte der Bundesregierung, sondern um eine Beauftragte des BMWE (durch den Minister).“
Ausgeschlossen klingt es nicht, dass auch Ministerin Reiche hier noch jemanden beauftragt.
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Zeit spielt eine entscheidende Rolle
Für die Politiker der Oppositionspartei Die Grünen ist klar: Auch wenn es dieser Tage viele drängende Themen gäbe, dürfe Startup-Politik nicht so sehr ins Hintertreffen geraten. Katharina Beck sieht vor allem drei Felder, in denen lieber früher als später angepackt werden sollte:
Erstens, das Thema Finanzierung von Start- und Growups, insbesondere in der späteren Wachstumsphase. Zweitens müssten die angekündigten Vereinfachungen rund um die Unternehmensgründung in Deutschland tatsächlich umgesetzt werden. Und drittens sollte das Vergaberecht überarbeitet werden, damit der Staat tatsächlich – wie im Koalitionsvertrag angekündigt – öfter zum Kunden von Startups werden kann.
Es gelte jetzt folglich, ins Tun zu kommen.