Künstliche Intelligenz
EU-Parlament: Jugendliche sollen TikTok & Co. erst ab 16 nutzen dürfen
Das EU-Parlament verlangt ambitionierte Schritte für einen besseren Schutz von Minderjährigen im Internet. Es spricht sich dabei vor allem für ein EU-weites Mindestalter von 16 Jahren für den Zugang zu sozialen Medien und Videoplattformen wie TikTok, Instagram, YouTube oder Facebook aus. Mit einer deutlichen Mehrheit von 483 zu 92 Stimmen bei 86 Enthaltungen nahmen die Abgeordneten am Mittwoch einen Bericht an, der ihre ernsthafte Besorgnis über die Gefahren für die körperliche und geistige Gesundheit von Kindern und Jugendlichen im digitalen Raum zum Ausdruck bringt. Ziel ist es, manipulative und süchtig machende Online-Strategien zu unterbinden, die Kinder daran hindern, sich gesund und fokussiert mit Inhalten auseinanderzusetzen.
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Im Zentrum der Forderungen steht ein EU-weites Verbot von Social Media für unter 16-Jährige, um Eltern eine bessere Steuerung des altersgerechten Medienkonsums zu ermöglichen. Für 13- bis 16-Jährige soll der Zugang demnach nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Erziehungsberechtigten möglich sein. Ergänzend unterstützen die Volksvertreter die Entwicklung einer EU-App zur Altersüberprüfung etwa im Rahmen der EUDI-Wallet für einen Online-Ausweis. Gleichzeitig betonen sie, dass Altersüberprüfungssysteme verlässlich sein und die Privatsphäre der Minderjährigen wahren müssten. Die Plattformen wollen sie nicht aus ihrer Verantwortung für sichere und altersgerechte Produkte entlassen.
Ferner verlangt das Parlament schärfere Eingriffe in die Produktgestaltung von Online-Diensten. Dazu zählt ein Verbot der schädlichsten suchtfördernden Praktiken und die standardmäßige Deaktivierung anderer süchtig machender Elemente für Minderjährige wie Endlos-Scrollen, automatisches Abspielen oder Belohnungen für kontinuierliche Nutzung. Auch manipulative Designs (Dark Patterns) sowie auf Profiling und Tracking basierende Empfehlungssysteme sollen für Minderjährige untersagt werden.
Gegen Lootboxen und Kidfluencer
Die Abgeordneten fordern zudem ein Vorgehen gegen beeinflussende Technologien wie gezielte Werbung und Influencer-Marketing sowie das Verbot nicht den EU-Vorschriften entsprechender Seiten. Der Anwendungsbereich des Digital Services Act (DSA) soll auf Online-Videoplattformen ausgeweitet werden.
Lootboxen und vergleichbare Funktionen mit Glücksspielcharakter in Games will das Parlament untersagt wissen. Um der kommerziellen Ausbeutung vorzubeugen, sollen Plattformen zudem keine finanziellen Anreize für die Beeinflussung von Kindern durch andere Kinder, sogenannte Kidfluencer, bieten dürfen. Mit Blick auf die Durchsetzung der Vorschriften schlagen die Volksvertreter vor, Führungskräfte persönlich haftbar zu machen, wenn schwerwiegende und anhaltende Verstöße vorliegen.
Zudem sehen die Parlamentarier dringenden Handlungsbedarf bei ethischen und rechtlichen Problemen, die sich aus generativen KI-Tools wie ChatGPT ergeben. Sie nennen dabei etwa Deepfakes und KI-gestützte Nacktheits-Apps, die nicht einvernehmlich manipulierte Bilder erstellen können. Die sozialdemokratische Berichterstatterin Christel Schaldemose unterstrich die Bedeutung dieser klaren Grenzziehung: „Wir sagen den Plattformen unmissverständlich: Eure Dienste sind nicht für Kinder gemacht. Und dieses Experiment endet hier.“
Sorge über biometrische Überwachung
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Kritik kommt von der Grünen-Abgeordneten Alexandra Geese. Sie erachtet zwar den Kinderschutz als dringend notwendig, warnt aber davor, unter diesem Vorwand biometrische Überwachungssysteme etwa über sogenannte Age-Assurance-Systeme zu etablieren, bei denen Kinder Gesichtsaufnahmen oder Ausweisdaten an externe Dienstleister übermitteln müssen. Auch die Bürgerrechtsorganisation European Digital Rights (EDRi) hält die Altersverifikation für einen kurzsichtigen und gefährlichen Weg, der unverhältnismäßig sei.
Hintergrund des Appells sind Studien, wonach 97 Prozent der Jugendlichen täglich online sind und ein Viertel der Minderjährigen ihr Smartphone in „problematischer“ oder „dysfunktionaler“ Weise nutzt und suchtähnliches Verhalten zeigt. Erste EU-Staaten wie Dänemark haben bereits reagiert und sich auf die Einführung eines Mindestalters von 15 Jahren für bestimmte soziale Netzwerke geeinigt. In Deutschland wird die Debatte kontrovers geführt: Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) und Grünen-Chefin Franziska Brantner befürworten eine Altersvorgabe, während CSU-Chef Markus Söder ein Verbot ablehnt.
(mki)