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Europarecht: Diese Pflichten bringt die E-Evidence-Verordnung
Seit 2023 gilt die „Verordnung über die grenzüberschreitende Sicherung und Herausgabe elektronischer Beweismittel in Strafverfahren“ europaweit als Rechtsgrundlage für Strafverfolgungsbehörden aller Mitgliedsländer. Sie berechtigt Behörden, sich aus jedem anderen Unionsstaat ermittlungsrelevante Daten zu beschaffen, sofern die höchste Haftstrafe für einen Tatbestand mindestens drei Jahre beträgt. Noch gelten Übergangsfristen, aber spätestens in einem Jahr muss der gesamte Prozess einer automatisierten Bearbeitung und Übermittlung funktionieren: Die Anordnungen zur Herausgabe (European Production Order Certificate, EPOC) oder vorsorglichen Speicherung (European Preservation Order Certificate, EPOC-PR) digitaler Beweismittel müssen den Auskunftsverpflichteten elektronisch zustellbar sein und ihre Beantwortung muss mittels technisch standardisierter Verfahren erfolgen – je nach Schwere des Verdachtsfalls binnen acht Stunden bis maximal zehn Tagen.
Zwischen den Behörden der EU-Mitglieder gibt es solche Abkommen schon lange, auch die technischen Rahmenbedingungen sind dort weitgehend etabliert. Neu ist, dass die Adressaten der E-Evidence-Verordnung nicht Amtskollegen, sondern Provider im weitesten Sinne sind – ein Ermittlungshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft Barcelona an einen E-Mail-Dienst in München ist ein realistisches Szenario. Denn die berechtigten Stellen, die eine solche grenzüberschreitende Datenübermittlung anfordern können, sind genauso weit zu fassen wie ihr Gegenüber, die Betreiber der Kommunikationsdienste. Auskunftspflichtig sind nicht nur Telekommunikationsunternehmen und Internetprovider, sondern prinzipiell alle Organisationen, die kontenbasiert die Verarbeitung und Speicherung von Daten und Kommunikation ihrer Nutzer ermöglichen.
- Die E-Evidence-Verordnung verpflichtet europaweit Provider und Plattformbetreiber zur Herausgabe elektronischer Beweismittel bei Ermittlungsverfahren – mit Fristen von acht Stunden bis zehn Tagen.
- In Deutschland sind rund 300.000 Stellen auskunftspflichtig, von TK- und Cloud-Providern über Marktplätze und Spieleplattformen bis zu Foren und Smarthome‑Diensten. International tätige Plattformen kommen hinzu.
- Betroffene Unternehmen stecken in der Zwickmühle zwischen schneller Lieferung und DSGVO‑Risiken. Unterschiedliche nationale Rechtslagen, privilegierte Kommunikation und überlastete Staatsanwaltschaften erschweren rechtssichere Entscheidungen.
- Die zu erwartende Anfrageflut wird enorm und reicht durch die Budapester Konvention über Europa hinaus. Betroffene Organisationen müssen jetzt Zuständigkeiten klären und Prozesse etablieren, statt auf Ausnahmen zu hoffen.
Die Anzahl der Betroffenen, die nach der E-Evidence-Verordnung zur Herausgabe elektronischer Beweismittel im Strafverfahren verpflichtet wären, beläuft sich allein in Deutschland auf rund 300.000, darunter Unternehmen, öffentliche Einrichtungen, Vereine und sogar Einzelpersonen. Primär sind zwar „interpersonelle Kommunikationsdienste“ wie Voice over IP, SMS und andere Messenger sowie E-Mail-Dienste benannt, darüber hinaus sind für die E-Evidence-Abfragen aber auch „beispielsweise Online-Marktplätze, die es Verbrauchern und Unternehmen ermöglichen, miteinander zu kommunizieren, und andere Hosting-Dienste, einschließlich Cloud-Computing-Diensten, sowie Plattformen für Online-Spiele und Online-Glücksspiele“ relevant. Zu den 300.000 deutschen Adressaten der Verordnung käme dann eine kaum zu beziffernde Zahl international tätiger Plattformen hinzu, sofern die ihre Dienste auch deutschen Nutzern anbieten.
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