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Fahrbericht Hyundai Ioniq 6N: Erste Pistenrunde mit dem Taycan-Konkurrenten
Der 2,1 Tonnen schwere Allradler Hyundai Ioniq 6 N spurtet in 3,2 Sekunden von 0 auf 100 km/h und erreicht 257 km/h Spitze. Möglich machen das 448 kW Dauerleistung und kurzzeitig 478 kW im Boost. Der Preis von rund 77.000 Euro erscheint angesichts des Gebotenen ein guter Deal. Zum Vergleich: Ein ähnlich performanter Porsche Taycan GTS steht mit 148.800 Euro in der Preisliste, die noch eine lange Liste an zahlungspflichtigen Optionen umfasst. Bei Hyundai gibt es gerade mal zwei, drei Extras, die gesondert berechnet werden. Ähnlicher sind sich beide Modelle beim Karosseriekonzept. Jeweils viertürige Limousinen; der Taycan natürlich etwas größer. Wir hatten die Gelegenheit, die Limousine ein paar Runden auf der Piste zu bewegen.
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Verbesserte Kühlung von Batterie und elektrischen Systemen
Der knapp fünf Meter lange Ioniq 6 N wartet mit fast drei Meter Radstand auf, Platz im Inneren gibt daher reichlich. Äußerlich polarisiert dagegen der Hyundai mehr, als man es von den Südkoreanern kennt. Nicht jeder mag die aerodynamische Bonbonform, in der N-Ausführung ist sie zusätzlich mit einer am Heck nach oben verlaufenden Schwarzfläche, einem Schwanenhals-Heckflügel und Kotflügelverbreiterungen garniert. Bei so viel Zierrat könnte man glauben, der Wagen sei vor allem auf Show getrimmt. Doch Manfred Harrer, Chef der Performance-Abteilung von Hyundai, stellt klar: „Es ging uns um reales Track-Driving.“ Beim Fahren auf der Rennstrecke herrschen besondere Bedingungen. Da braucht es zum Beispiel eine besonders starke Kühlung der Batterie und des elektrischen Systems.
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Hyundai Ioniq 6
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Hat der Ioniq 6 N natürlich, erprobt auf der Nürburgring-Nordschleife. Aber auch hier rückt Manfred Harrer das Bild von Elektrosportwagen etwas zurecht: „Viel Leistung zu haben, ist in der heutigen Zeit kein Problem. Es geht vielmehr um Haltbarkeit, Bremsen und Kurvenverhalten.“ Konkret heißt das beim Ioniq 6 N unter anderem: Üppig dimensionierte Bremsscheiben für hohe Konstanz und verschiedene Ansprechverhalten in Abhängigkeit vom gewählten Fahrmodus, was beim radikalen Angasen ein echter Gewinn ist. Die Verzögerung ist auf Wunsch brutal, aber fein dosierbar und gibt dem Fahrer Vertrauen. Apropos Verzögerung: Je nach gewähltem Modus erzeugt bereits die Rekuperation eine Verzögerung von bis zu 0,6 g – man spürt schon beim Vom-Gas-gehen den Druck der Sicherheitsgurte.
Ausgewogene Fahrwerksabstimmung
Radikaler gegenüber dem zivilen Ioniq 6 änderte sich das Fahrwerkwerk, das eigentlich kaum noch etwas mit der Basisversion zu tun hat – allein schon, weil die Aufhängungspunkte neu gesetzt wurden und elektrisch gesteuerte Performance-Dämpfer zum Einsatz kommen. Gleichzeitig sank durch die Maßnahmen auch der Fahrzeugschwerpunkt – noch stärker als beim Schwestermodell Ionic 5 N. Das Ergebnis ist ein Fahrverhalten, über das man nur staunen kann. Auf holprigen Landstraßen bügelt es Schlaglöcher aus und sorgt für angenehmes Reisen. Auf der Rennstrecke lässt es dennoch kaum Wankbewegungen der Karosserie zu. Wird bei hoher Geschwindigkeit über die Curbs geräubert, absorbiert der Hyundai die Rüttelfrequenz mit unfassbarer Präzision. Dass der Wagen über alle vier Räder angetrieben wird, es dabei eine Betonung der Hinterachskraft gibt und ein sensibel arbeitendes Toque Vectoring die insgesamt 770 Nm Drehmoment verteilt, sorgt für ein phänomenales Ein- und Auslenkverhalten in Kurven – und gibt dem Fahrer viel Vertrauen in das Fahrzeug.
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Unnötiger Arcade-Modus
Bis hierhin ist der 4,93 Meter lange Ioniq 6 N vor allem eines: ein schnelles Auto. Doch anders als andere – zum Beispiel der Taycan – ist er auch ein Spaßauto. Dafür sorgen elektronische Systeme, die aus dem Wagen eine Art rasende X-Box machen. Wer mag, kann sich über das Soundmodul eine röhrende Geräuschkulisse einspielen lassen. Gut, dass sie ausgeschaltet werden kann – auf Dauer könnte es sonst ein wenig nervig werden. „N e-Shift“ kann auf Wunsch den Eindruck verstärken, in einem Verbrenner zu sitzen. Die völlig unnötige virtuelle Schaltung per Lenkradwippen soll Fahrern, die das wünschen, ein besseres Fahrgefühl zu vermitteln – ein bisschen vergleichbar mit einem Arcade-Modus in einer hochklassigen Rennsimulation.
Der im Infotainment enthaltene N-Track-Manager wird hingegen die Herzen ernsthafter Pisten-Nerds höherschlagen lassen. Da gibt es zum Beispiel ein Ghost-Car im Display, das auf der Rennstrecke visualisiert, ob man besser oder schlechter als bisher unterwegs ist. Auch gibt es eine Fülle von Driftparametern, mit deren selbst Laien atemberaubende und vor allem sicher quertreiben können. Und auch wenn die rund 77.000 Euro nicht wenig sind: Ab sofort hat U30 einen Traum-Sportwagen, der ihre Welt aus der X-Box auf die Straße bringt. Eine eng verwandte Alternative aus dem gleichen Konzern ist der erst kürzlich von uns getestete, fulminant fahrende Kia EV6 GT. Er zeigte eindrücklich, wie sehr Leistung auch bei einem E-Auto mit dem Verbrauch korreliert.
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(fpi)