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Go West: So gelingt der Umzug in die USA


Viele europäische und deutsche Startups stehen nach einer erfolgreichen Frühphasenfinanzierung durch regionale Investoren regelmäßig vor der Entscheidung, in die USA “umzuziehen”. Dabei sind die Beweggründe für einen solchen “Umzug” vielfältig. Neben der Bedeutung der USA als Absatzmarkt spielen insbesondere die breitere Investorenbasis und damit der leichtere Zugang zu weiteren VC-Finanzierungen, die höheren Bewertungen sowie die Technologiebörse Nasdaq als möglicher Exit-Kanal eine große Rolle. Nicht zu unterschätzen ist dabei der Umstand, dass viele US-Investoren eine US-Rechtform des Startups verlangen und auch eine gewisse räumliche Nähe schätzen.

Da ein grenzüberschreitender Rechtsformwechsel einer GmbH, der typischen Rechtsform eines deutschen Startups, in eine US-Corporation nicht möglich ist, müssen alternative Strukturierungswege in Betracht gezogen werden. 

Strukturierung des “Umzugs”

Dabei bietet sich als Struktur für einen “Umzug” insbesondere der sogenannte “US-Flip” an. Der “US-Flip” beschreibt die gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung einer deutschen GmbH in eine US-amerikanische Kapitalgesellschaft – meist eine Delaware Corporation. Dabei gründen die Gesellschafter der deutschen GmbH typischerweise in einem ersten Schritt eine beteiligungsgleiche US-NewCo als zukünftige neue Obergesellschaft. In einem zweiten Schritt bringen die Gesellschafter die Anteile an der deutschen GmbH im Wege eines Anteilstausches gegen Gewährung neuer Anteile in die US-NewCo ein. Die deutsche GmbH bleibt als operative Tochtergesellschaft bestehen. Diese Struktur erlaubt eine rechtssichere Fortführung bestehender Verträge und erleichtert zugleich spätere Finanzierungsrunden.

Im Zuge des US-Flips wird auch die Governance-Struktur auf die US-Gepflogenheiten angepasst, insbesondere entsprechend der Standards der NVCA (National Venture Capital Association), die u.a. Investorenrechte wie Preferred Stocks und Employee Stock Option Programs (ESOPs) ermöglichen.

Alternativen wie die Übertragung einer Gesamtheit oder von einzelnen Vermögensgegenständen (Asset Deal) durch die deutsche GmbH oder das Aufsetzen einer Parallelstruktur unter Eingehung einer Lizenz zwischen der deutschen GmbH als Inhaberin der immateriellen Wirtschaftsgüter (IP-Rechte) und der US-NewCo sind weniger geeignet. So ist ein Asset Deal wegen der damit verbundenen Aufdeckung der insbesondere im IP steckenden stillen Reserven steuerlich nachteilig. Und der Aufbau einer Parallelstruktur führt zu einer aus Sicht von neuen Investoren ungewünschten Komplexität mit nur eingeschränkten Kontrollmöglichkeiten. Dagegen ist bei einem US-Flip die Einbringung der GmbH-Anteile im Wege des Anteilstausches vergleichsweise einfach und ermöglicht eine klare Zielstruktur mit der US-NewCo als alleiniger Holdinggesellschaft, wie aus nachfolgendem Schaubild ersichtlich.

Steuerrechtliche Folgen eines US-Flips

Bei der Strukturierung eines US-Flips ist es wichtig, die verschiedenen steuerliche Folgen aus deutscher und US-Perspektive zu berücksichtigen.

Deutsche steuerliche Gesichtspunkte

Veräußerungsgewinnbesteuerung für die Gründer und Investoren

Die Einbringung der GmbH-Anteile in die neu aufgesetzte US-Holding begründet einen steuerpflichtigen Veräußerungsvorgang. Dieser Vorgang löst angesichts der ursprünglichen niedrigen Anschaffungskosten für die Anteile jedenfalls der Gründer und anderer frühzeitig eingestiegener Gesellschafter regelmäßig substantielle Steuerverbindlichkeiten aus.

Da die Bewertungen vieler Startups nach der Hochphase in 2021 in den letzten Jahren deutlich gesunken sind, kann das Steuerrisiko allerdings oftmals weitgehend reduziert werden. Um gegenüber der Finanzverwaltung eine belastbare Argumentationsbasis zu haben, bietet sich zunächst die Erstellung eines entsprechenden Bewertungsgutachtens an. Da ein solches Gutachten für die Finanzverwaltung allerdings keine Bindungswirkung hat, kann zusätzlich der Abschluss einer separaten Steuerversicherung ratsam sein. Ob und zu welchen Konditionen eine solche Spezialversicherung verfügbar ist, muss im Einzelfall geklärt werden.

Alternativ ist zu prüfen, ob zum Beispiel die Gründer ihre Anteile vor dem Anteilstausch zu einem niedrigen Kaufpreis bis hinunter zum Nominalwert der GmbH-Geschäftsanteile veräußern, der einen Veräußerungsgewinn und somit die Steuer vermeidet. Hier kommt zum einen ein Verkauf an die institutionellen Investoren in Betracht, flankiert mit der Vereinbarung eines potenziellen Zusatzkaufpreises (Besserungsschein) für den Fall eines späteren Exits zu einer hohen Bewertung. Der US-Flip wurde dann in folgenden zwei Schritten erfolgen:

Ein solches Vorgehen ist allerdings mit steuerlichen Risiken verbunden und scheitert oftmals daran, dass die institutionellen Investoren zu diesem Zeitpunkt nicht bereit sind, weitere Anteile zu erwerben. Alternativ kommt eine Veräußerung an die US-NewCo in Betracht.

Möglicher Untergang der Verlustvorträge auf Ebene der GmbH

Startups erzielen in den ersten Jahren typischerweise keine Gewinne und verfügen über hohe Verlustvorträge. Diese Verlustvorträge drohen beim US-Flip unterzugehen, da eine Übertragung von mehr als 50% der Anteile auf die US-NewCo stattfindet (§ 8c KStG). 

Allerdings bleiben die Verlustvorträge erhalten, wenn und soweit sie die stillen Reserven nicht übersteigen. Das ist nicht selten der Fall: Startups verfügen aufgrund ihrer selbst geschaffenen IP-Rechte regelmäßig über umfangreiche stille Reserven. Auch sofern derselbe Geschäftsbetrieb seit der Gründung der Gesellschaft oder seit dem Beginn des dritten Veranlagungszeitraums, der dem Beteiligungserwerb vorangeht, bis zum Verlustverbrauch fortgeführt wird, können die Verlustvorträge auf Antrag – unter Beachtung weiterer Voraussetzungen – grundsätzlich erhalten bleiben (sogenannter fortführungsgebundener Verlustvortrag, § 8d KStG).

US-Steuerliche Gesichtspunkte

Steuerneutrale Einbringung

Das US Steuerrecht behandelt die Einbringung der GmbH-Anteile in eine neu aufgesetzte US-Holding – anders als das deutsche Steuerrecht – generell als eine steuerneutrale Transaktion, und zwar entweder als “Section 351 Contribution to a Controlled Corporation” oder als sogenannte “Type B Reorganization” (§ 368(a)(1)(B) IRC). Gesellschafter, die US-steuerpflichtig sind, realisieren daher keinen steuerpflichtigen Gewinn oder Verlust zum Zeitpunkt des US-Flips. Die steuerlichen Basiswerte der Anteile der Gesellschafter in der GmbH, also regelmäßig die zugrundeliegenden Anschaffungskosten, werden auf die neu ausgegebenen Anteile in der US-Holding übertragen. 

Hinzurechnungsbesteuerung des Einkommens der GmbH

Die GmbH wird mit dem US-Flip zu einer “controlled foreign corporation” (CFC) der US-Holding. Daher werden ihre Erträge bzw. Verluste auf Ebene der US-Holding im Wege der begünstigten Hinzurechnungsbesteuerung als sogenanntes “global intangible low-taxed income” (GILTI) besteuert. Für Veranlagungszeiträume, die nach dem 31. Dezember 2025 beginnen, wird die begünstigte Einkommenskategorie GILTI von der neuen Einkommenskategorie “net CFC taxable income” (NCTI) abgelöst, die u.a. zu einer leicht höheren effektiven Steuerbelastung von 12,6 % bis 14 % statt 10,5 % bis 13,125 % und einer Erweiterung des besteuerbaren Einkommens führt. Da allerdings in beiden Fällen deutsche Steuern angerechnet werden, werden in der Praxis regelmäßig keine zusätzlichen US-Steuern anfallen. 

Dividenden der GmbH an die US-Holding sind in den USA von der US-Holding nicht nochmals zu versteuern, unterliegen aber gegebenenfalls der deutschen Quellensteuer.

Die Besteuerung von IP-Rechten ist in den USA großzügig begünstigt, weshalb die Entwicklung von IP in den USA durchaus vorteilhaft sein kann. Das ist bei der Strukturierung und zukünftigen Rollenverteilung der deutschen GmbH auf der einen Seite und der US-Holding oder einer weiteren US-Tochter auf der anderen Seite zu berücksichtigen. Sofern die deutsche GmbH Forschungs- und Entwicklungsdienstleister wird, müssen marktgerechte konzerninterne Vergütungen von den USA nach Deutschland vereinbart werden.

Bereinigung einer “Sandwich”-Struktur

Wenn die GmbH, wie in Einzelfällen, bereits vor dem US-Flip eine US-Tochtergesellschaft (US-OpCo) hat, die z.B. bereits Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten nachgeht, stellt sich die Frage, ob und wie das aus dem US-Flip resultierende “Sandwich” von US-Holding und US-OpCo mit einer zwischengeschalteten GmbH bereinigt wird. Das US-Steuerrecht erlaubt eine steuerliche Konsolidierung der US-Muttergesellschaft und US-Tochtergesellschaft nur unter der Voraussetzung, dass die Muttergesellschaft direkt oder indirekt, dann allerdings ohne Zwischenschaltung einer ausländischen Zwischengesellschaft, mindestens 80% der Anteile an der Tochter hält.

Um die Struktur nach dem US-Flip effizienter zu gestalten, könnte die GmbH die Anteile an der US-OpCo an die US-Holding ausschütten, sofern dies nach deutschem Gesellschaftsrecht zulässig ist, d.h. bei der GmbH ausreichend freie Rücklagen vorhanden sind. Die Ausschüttung unterliegt unter Umständen der deutschen Quellensteuer. Eine solche Ausschüttung führt allerdings zur Aufdeckung stiller Reserven und damit unter den CFC-Regeln zu einer US-Steuerbelastung auf Ebene der US-Holding. Der Gewinn unterliegt allerdings nicht der Steuerbegünstigung nach den GILTI/NCTI Regeln, sondern dem normalen Steuersatz in Höhe von 21 %. 

Spätere Veräußerung der Anteile an der US-Holding

Bei einer späteren Veräußerung der Anteile an der US-Holding verhält sich das US-Steuerrecht wie folgt. Für eine Person, die in den USA nicht steuerpflichtig ist, sind die Erträge aus einer Veräußerung von Anteilen an einer US-Kapitalgesellschaft (mit Ausnahme bestimmter Immobiliengesellschaften) in den USA generell nicht zu versteuern, unabhängig davon, ob ein relevantes Doppelbesteuerungsabkommen mit den USA besteht. 

Soweit Anteilseigner der US-Holding in Deutschland steuerpflichtig sind, unterliegt ein Veräußerungsgewinn an den Anteilen in Deutschland der Besteuerung. Für natürliche Personen beträgt die Steuerbelastung rund 27 % bis 30 %, während für Kapitalgesellschaften die Steuerbelastung rund 1,5 % beträgt. 

Umgang mit Mitarbeiteroptionen

Auf Ebene der Startup GmbH werden regelmäßig (virtuelle) Beteiligungsoptionen der Mitarbeiter bestehen. Im Zuge des US-Flips sollen die Mitarbeiter allerdings typischerweise neue Optionen auf Ebene der US-Holding erhalten, so dass die auf Ebene der GmbH bestehenden Optionen entsprechend beendet werden müssen.

Je nach Ausgestaltung der Optionsbedingungen verfallen infolge des US-Flips die Optionen ohne Ausgleichszahlung oder der US-Flip begründet ein sogenanntes Exit-Event mit der Folge, dass die Optionen durch Barausgleich abgegolten werden müssen. Diese Ausgleichszahlung muss entweder finanziert werden oder es muss, unter Berücksichtigung etwaiger steuerrechtlicher Folgen, mit den Optionsinhabern eine alternative Lösung vereinbart werden. In Betracht kommt hier insbesondere ein Tausch der Optionen auf Ebene der GmbH gegen Optionen auf Ebene der US-NewCo. 

Frühzeitige Implementierung einer US-Holding

Die vorgenannten Strukturierungs- und steuerrechtlichen Probleme lassen sich vermeiden, indem die US-Holdingstruktur bereits mit Gründung des Startups aufgesetzt wird. Durch diese Struktur (siehe nachfolgendes Schaubild) entfällt die Notwendigkeit eines späteren US-Flips, die Governance-Struktur entspricht von Anfang an den Erwartungen US-amerikanischer Investoren und steuerliche Risiken eines späteren Anteilstauschs werden vermieden.

Ein Beispiel für eine entsprechend vorausschauende Planung ist das Fusionsenergie Startup “Focused Energy”. Es handelt sich um ein 2021 von der TU Darmstadt ausgegründetes deutsch-amerikanisches Unternehmen, das in seinem Labor in Darmstadt das Potenzial der Fusionsenergie erforscht und erprobt. Statt eines späteren US-Flips wurde von Beginn an eine US-Holdinggesellschaft in Form der Focused Energy Inc. (Delaware Corporation) mit einer 100%igen deutschen Tochter-GmbH gegründet. Hauptinvestor der Focused Energy ist die US Risikokapitalgesellschaft Prime Movers Lab.

Nachteil einer solchen Doppelstruktur sind allerdings höhere Verwaltungs- und Compliance-Kosten. Auch stehen in der Frühphasenfinanzierung deutsche Investoren einer US Corporation eher skeptisch gegenüber. Daher eignet sich das Aufsetzen einer US-Holdingstruktur nur für Unternehmen, die von Anfang an einen klaren US-Fokus haben und bereits früh US Investoren für sich gewinnen können.

Über die Autoren
Henning Bloss, Jörn Hirschmann (beide Frankfurt a.M.) und Ansgar Simon (New York), sind Partner bei Covington & Burling LLP.

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Foto (oben): Shutterstock



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