Künstliche Intelligenz
Jobkiller oder Chance? Wie KI die Arbeitswelt der Entwickler ändert
Glaubt man prominenten Stimmen aus der Techbranche, dann wird zunehmend mehr Code in Unternehmen durch KI generiert. Alphabet-CEO Sundar Pichai spricht von 25 Prozent des neuen Codes, Microsoft-CEO Satya Nadella nennt 20 bis 30 Prozent in Repositories und bestimmten Projekten, Meta-Gründer Mark Zuckerberg erwartet in seinem Unternehmen rund die Hälfte KI-Code im kommenden Jahr. Und Softbank-Chef Masayoshi Son möchte sogar die Ära menschlicher Programmierung beenden. Haben Menschen im Entwicklerjob etwa bald ausgedient? Darüber sprach die iX-Redaktion mit dem Arbeitsmarktforscher Enzo Weber.
(Bild: Michael Bode )
Prof. Dr. Enzo Weber ist Leiter des Forschungsbereichs „Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen“ am Institut für Arbeitsmarktforschung der Bundesagentur für Arbeit und Inhaber des Lehrstuhls für Empirische Wirtschaftsforschung an der Universität Regensburg.
iX: Derzeit überschlagen sich Techkonzerne wie Microsoft, Salesforce oder Softbank mit Verlautbarungen, wie viel Code die generative KI im Unternehmen bereits erzeugt. Müssen sich Entwickler wegen Jobverlust durch KI Sorgen machen?
Weber: Wenn man abgleicht, welche Tätigkeiten zu Berufen gehören und welche Möglichkeiten heute KI-Technologie hat, dann zählt Standardprogrammierung tatsächlich zu den Tätigkeiten, die in ziemlich großem Umfang bereits ersetzbar sind. Dazu gibt es zum Beispiel vom IAB eine Studie zum Automatisierungspotential beruflicher Tätigkeiten. Die nennt für das Feld der Informations- und Kommunikationstechnologien – also breiter gefasst als nur Entwickler – einen Wert bei 56 Prozent. Das sollte man aber nicht verabsolutieren. Einerseits werden am Ende aus verschiedensten Gründen nie sämtliche Automatisierungspotenziale auch realisiert. Und andererseits schreitet die Technologie gleichzeitig weiter voran.
Sich Sorgen machen zu müssen, ist trotzdem noch mal etwas anderes. Ersetzt wird ohne Zweifel ziemlich viel von dem, was man in der Vergangenheit in diesen Jobs gemacht hat. Der entscheidende Punkt ist aber, was man in der Zukunft macht.
Also wird sich der Entwicklerjob generell dann einfach stärker verändern, aber die Menschen nicht unbedingt ihren Job verlieren?
Die Veränderung der Jobs ist in der Tat das Entscheidende. Wir sitzen im Moment da, staunen über die Entwicklung der Technologie und sehen, dass sie vieles von dem, was wir bisher gemacht haben, jetzt auch kann. Uns selbst scheinen wir aber irgendwie ziemlich wenig Entwicklungsfähigkeit zuzutrauen. Aber das ist doch eigentlich die große Chance: Die Technologie ist ja nicht die Einzige, die sich weiterentwickeln kann – Menschen können das auch, bei sich und ihrer Arbeit und ihren Kompetenzen.
Mir kann kein Entwickler erzählen, dass er seinen Beruf gewählt hat, weil er total heiß darauf war, massenweise Standardcode runterzuschrubben. KI bietet auch einfach die Möglichkeit, in Zukunft in einem Berufe das zu machen, wofür man ihn eigentlich mal ergriffen hat. Das gilt nicht nur bei Entwicklern, denn KI kann wirklich quer durch alle Berufe Anwendung finden.
Wird dann die Ersetzung oder die Ergänzung menschlicher Arbeit durch KI vorherrschen?
Ich würde in substanziellem Umfang von einer Ersetzung menschlicher Arbeit ausgehen, wie wir sie auch aus der Vergangenheit kennen. Wenn das nicht so wäre, würde es ja betriebswirtschaftlich überhaupt keinen Sinn ergeben, solche Technologien einzusetzen. Aber wir sollten nicht denken, dass menschliche Arbeit im Jahr 2025 sozusagen das Optimum erreicht hat und jetzt kommt eine Technologie, und die stört dieses Optimum. Wir sind auf einem bestimmten Entwicklungsstand und da geht auch noch mehr.
Es gibt zwei Seiten: Etwas von dem, was bisher da war, wird ersetzt. Auf der anderen Seite werden dadurch aber Kapazitäten von schlauen Menschen frei, die sich weiterentwickeln und neue Arbeiten übernehmen können. Menschen, die am Ende auch mit der KI zusammenarbeiten, indem sie das bewerten, kontrollieren, sich überlegen, wie man KI einsetzen kann, aber auch ganz neue Geschäftsmodelle und Tätigkeiten entwickeln. Das ist ja nicht das, was KI macht. Echte Kreativität – das machen immer noch Menschen. Das heißt also nicht, dass in Zukunft weniger Jobs da sein werden.
Bewerten, kontrollieren, kreative Federführung – das klingt vor allem nach erfahrenen Entwicklern. Haben dann die Berufsanfänger, die mit leicht automatisierbaren Routineaufgaben in den Job finden, am meisten unter dem KI-Hype zu leiden?
Dazu gibt es im Moment eine große Diskussion, vor allem in den USA. Es gibt Argumente in beide Richtungen. Also ja, Erfahrungswissen ist etwas, das man erst später hat und das einen sicherlich in höherwertige Tätigkeiten bringt. Auf der anderen Seite haben die jungen Leute natürlich auch einen frischen Blick. Die sind nicht geprägt durch eine Zeit, in der es keine KI gab. Wer da reingewachsen ist, kann auch ganz neu ganz anders starten.
Aber nur weil man schon in Jugendzeiten KI-Apps auf dem Smartphone benutzt hat, hat man deswegen nicht die konzeptionelle Kompetenz. Dafür braucht man mehr, und deswegen brauchen wir auch wirklich Bildungskonzepte und nicht einfach nur die Behauptung „Das sind doch alles digital Natives, die machen das schon“.
US-Techkonzerne setzen derzeit massenweise Personal frei und brüsten sich, wie KI ihre Entwicklerteams ersetzt. Werden da nicht auch Entlassungen als Innovation verbrämt?
Da ist natürlich schon eine signifikante Entwicklung im Tech-Sektor zu sehen. Das gab es ja früher auch schon, erinnern Sie sich mal an die New-Economy-Blase, die Anfang der Zweitausender dann geplatzt ist. Allerdings war die Wirtschaft nach der Energiekrise ohnehin im Abschwung und es kamen weitere äußere Faktoren dazu, die negativ wirkten. Die Dämpfung des Arbeitsmarkts ist also sicherlich nicht im Wesentlichen auf KI zurückzuführen. Außerdem ist es kein beliebtes Argument, Entlassungen damit anzukündigen, dass Technologie die Menschen ersetzt. In den USA geht das vielleicht noch eher als in Deutschland. Aber hier kann man so etwas überhaupt nicht bringen.
Wie sieht es denn auf dem deutschen Arbeitsmarkt aus? Hat der KI-Hype da bislang erkennbare Auswirkungen gezeigt?
In Deutschland haben wir jetzt seit drei Jahren schlicht Wirtschaftsabschwung, und das ist der wichtigste Grund dafür, dass die Beschäftigung abgeflacht ist. Es gibt aber bestimmte Bereiche, wo wir seit dem starken Aufkommen der generativen KI schon klare Effekte gesehen haben. Vor allem ist das auf Plattformen der Fall, wo Aufträge vergeben werden für Jobs wie Übersetzungsleistungen, Textarbeiten, grafische Gestaltung und durchaus auch Programmierarbeiten. Da war auch kurzfristig schon erkennbar, dass die Auftragslage deutlich zurückging.
Herr Weber, vielen Dank für das Gespräch!
(axk)