Künstliche Intelligenz
Mercedes CLA 250+ im Fahrbericht: Ende der Reichweiten-Diskussion in Sicht
Alles soll anders werden, bisherige Misserfolge vergangen und vergessen sein: Mit dem nächsten CLA will Mercedes ein neues Kapitel aufschlagen. Eine Studie wurde vor knapp zwei Jahren auf der IAA in München gezeigt, jetzt endlich ist das Auto auch verfügbar. Die Auftragseingänge sollen gewaltig sein. Uns stand ein CLA 250+ für eine erste kurze Proberunde zur Verfügung.
Kein Neustart in der Gestaltung
Der angekündigte Neustart überrascht auf den ersten Blick, denn der CLA bricht optisch weder radikal mit dem Vorgänger noch mit den großen Mercedes-EQ-Modellen. Vielmehr erscheint es so, als setzte Mercedes die bisherige Linie fort. Da hatte manch einer nach der schicken Studie auf der IAA vermutlich eine deutlichere Absetzung von der gewohnten Gestaltung erwartet. Spannend wird diese Entscheidung auch vor dem Hintergrund, dass es ab dem kommenden Jahr eine ähnlich große C-Klasse mit batterieelektrischem Antrieb geben soll. Die Designer müssen einen Weg gefunden haben, beide deutlich voneinander abzugrenzen, andernfalls wäre eine solche Strategie nur schwer vermittelbar.
Platzangebot hinten knapp
Die Limousine ist 4,72 m lang und hat damit ungefähr das Format der aktuellen C-Klasse. Der Radstand misst 2,79 m, was für reichlich Bewegungsfreiheit reichen sollte. In der Praxis wirkt der CLA vorn großzügig geschnitten, hinten aber eher nicht. Auch die Kopffreiheit im Fond ist knapp bemessen. Der Kofferraum schließlich offenbart, dass ein exzellentes Raumangebot im Lastenheft keine Priorität hatte. 405 Liter sind es und damit nur 20 mehr als in einem VW ID.3, der allerdings insgesamt rund 50 cm kürzer ist. Wenigstens ist das Fach unter der vorderen Haube mit 101 Litern weit mehr als nur eine kleine Ablage.
Das riesige Glasdach lässt sich nicht einmal optional öffnen, auch ein Rollo zur Verschattung haben sich die Kalkulatoren gespart. Mit einer Beschichtung will Mercedes eine zu heftige Aufheizung verhindern. Gefühlt dürfte auf die Klimaanlage jedoch reichlich Arbeit zukommen. Mutig: Eine zweite Temperaturzone bekommt die Klimaautomatik erst mit dem Premium-Paket für 3200 Euro.
Technisch hat Mercedes an zwei Stellen deutlich aufgerüstet. Das Infotainmentsystem mit seinen opulenten Bildschirmen arbeitet sehr flott und versteht nahezu alles, was man ihm zuruft. Bemerkenswert ist auch, wie unkompliziert sich das System trotz einer enormen Funktionsfülle bedienen lässt. Das bekommen andere Hersteller mitunter weit weniger gut hin.
Beeindruckende Ladeleistung
Das Hauptaugenmerk der technischen Weiterentwicklung liegt aber natürlich im Bereich der Batterie. Der CLA ist der erste Serien-Mercedes, der eine 800-Volt-Plattform bekommt. Der Vorsprung gegenüber den bisherigen elektrischen Modellen wie EQA oder EQB ist eklatant. Dort ist bei 100 kW die Spitze erreicht, der CLA lädt mit bis zu 320 kW. In 10 Minuten, so verspricht es Mercedes, seien 325 km Reichweite nachgeladen. Dieser Wert bezieht sich auf den WLTP, unter idealen Bedingungen und selbstverständlich nur an einer Ladesäule, die 320 kW auch bereitstellen kann. In der Praxis wird es also meist etwas weniger sein, was trotz allem einen enormen Fortschritt darstellt.
Reichweite: 500 km Autobahn am Stück
In 22 Minuten sollen 70 Prozent nachgeladen sein. In diesem Zeitraum fließen also 59,5 kWh netto, die durchschnittliche Leistung liegt bei 162 kW zwischen 10 und 80 Prozent Ladestand zuzüglich der Verluste. Mercedes verspricht zudem sehr niedrige Verbrauchswerte. Im Schnitt sollen es im WLTP 12,2 kWh sein. Auf der Autobahn sind mit der Serienbereifung im Zyklus 15,1 kWh/100 km angegeben.
Eine kurze überschlägige Rechnung offenbart, was hier potenziell anrollt. Wer mit voller Batterie startet und diese bis 10 Prozent leert, hat im ersten Abschnitt mit den ins Schaufenster gestellten 15,1 kWh/100 km Autobahnverbrauch schon rund 500 km hinter sich gebracht. Nach einer Pause von 22 Minuten ist Strom für weitere 390 km nachgeladen.
Aber der Verbrauch liegt in der Praxis auf der Autobahn doch bestimmt bei 18 kWh/100 km, meinen Sie? Dann kommen Sie mit einer Pause von 22 Minuten „nur“ 755 km weit. Autos wie der CLA entziehen mit niedrigen Verbrauchswerten und hohen Ladeleistungen den Kritikern von batterieelektrischen Autos argumentativ zunehmend den Boden. Die Limousine taugt für die Langstrecke.
Zwei Antriebe
Zwei Antriebe sind zum Start verfügbar. Der CLA 250+ mit Heckantrieb hat schon 200 kW, die den Wagen in 6,7 Sekunden auf Tempo beschleunigen. Der Durchzug ist mehr als nur ordentlich. Schluss ist erst bei 210 km/h. Der CLA fühlt sich bereits damit sehr flott motorisiert an. Er ist ein lässiger Cruiser, der unter dem Fahrtwind durchzuschlüpfen scheint. Die Windgeräusche sind minimal. Als maximale Reichweite gibt Mercedes 792 km an.
Noch mehr Leistung bietet das Allradmodell mit 260 kW, für das Mercedes 4,9 Sekunden im Standardsprint verspricht. Der Verbrauch im WLTP stiegt minimal auf 12,6 kWh, die im Zyklus versprochene Reichweite sinkt auf 770 km. Der Allradler bringt seine Kraft unter widrigen Umständen angenehmer auf die Straße, was wichtiger erscheint als die nochmals besseren Fahrleistungen.
Selbstbewusst kalkuliert
Wie kaum anders zu erwarten, kalkuliert Mercedes seine Preise ausgesprochen selbstbewusst. Das Einstiegsmodell kostet knapp 56.000, der Allradler ist schon bei 60.000 Euro angelangt. Da hilft es wenig, wenn Mercedes im Konfigurator einen „individuellen Kundenvorteil“ von knapp 2800 Euro auslobt. Der CLA ist einfach teuer.
Hinzu kommt: Wie früher die asiatischen Hersteller fährt Mercedes inzwischen eine rüde Paketpolitik. Das kann bestimmte Wünsche sehr kostspielig machen. Head-up-Display und Soundsystem gibt es nur im Premium-Plus-Paket für 5400 Euro. Matrix-Licht kostet nur 565 Euro, setzt aber auch ein aufpreispflichtiges Paket voraus. Es braucht also keine abgehobenen Ausstattungswünsche, um den Preis auf mehr als 60.000 Euro zu liften. Die aktuelle Zahl der Auftragseingänge suggeriert, dass Mercedes richtig kalkuliert hat.
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(mfz)