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Senat prescht vor: Hamburg will Bezahlkarten ausweiten
Hamburg plant, das Modell von Bezahlkarten auszuweiten. Wie aus einer Antwort des Senats auf eine parlamentarische Frage der Linken-Abgeordneten Carola Ensslen hervorgeht, bereitet die Finanzbehörde der Stadt „ein Vorprojekt in Hamburg vor, in dem die Prozesse in den bezirklichen Dienststellen mit Barauszahlungen an den Zahlstellen aufgenommen werden sollen“.
Eingeführt hatte Hamburg zunächst Bezahlkarten für Geflüchtete Anfang des Vorjahres. Dabei handelt es sich um eigens geschaffene Zahlungskarten, üblicherweise geknüpft an restriktive Bedingungen, etwa Limits für Bargeldabhebungen. Inzwischen gibt es seit dem Asylbewerberleistungsgesetz eine bundesweite Regelung, Bundesländer haben jedoch weitreichenden Gestaltungsspielraum.
In Hamburg ist etwa der maximale Abhebebetrag auf 50 Euro im Monat beschränkt, zudem sind Online-Käufe mit der dortigen Bezahlkarte nicht möglich. Das Modell ist umstritten, weil es diskriminiert und den „Charakter einer Schikanemaßnahme“ hat, wie die Grundrechteorganisation Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) ausführt.
Bezahlkarte als „Verwaltungsmodernisierung“
Ob und mit welchen Einschränkungen eine ausgeweitete Bezahlkarte verknüpft wäre, steht noch nicht fest. Allerdings prüfe die Stadt Hamburg seit 2023, wie „die Bargeldausgabe durch die Stadt an Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfänger aber auch für andere Prozesse durch den Einsatz moderner Zahlungsmittel reduziert werden kann“, teilt die hamburgische Behörde für Finanzen auf Anfrage mit. Generell gehe es um „Bürokratieabbau und Verwaltungsmodernisierung“, indem Menschen nicht mehr in die Zahlstellen kommen müssten, um ihr Geld zu erhalten, so ein Sprecher der Behörde.
Tatsächlich hat der Prozess bereits begonnen. „Auch wenn aktuell die Nutzung dieser Karten für Asylbewerbende im Fokus steht, wurden erste Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter bereits mit Karten ausgestattet, um darüber zum Beispiel Taschengeld an Jugendliche in betreuten Einrichtungen auszahlen zu können“, so der Sprecher weiter. In den nächsten Monaten werde die Behörde nun „weitere geeignete Prozesse und Leistungen gemeinsam mit den Bezirken und der Sozialbehörde aufnehmen und die Kartennutzung sukzessive ausrollen“.
Davor warnt Carola Ensslen, die die Anfrage gestellt hatte. „Es war absehbar, dass die repressive Bezahlkarte auch auf andere Leistungsempfänger*innen ausgedehnt würde“, schreibt die Abgeordnete in einer Pressemitteilung. Bei der Ausdehnung auf die Altersgrundsicherung und Sozialhilfe werde es nicht bleiben, vermutet sie. „Was harmlos mit der Abschaffung von Bargeldauszahlungen beginnt, schafft die Möglichkeit für Einschränkungen der Geldnutzung wie bei Geflüchteten“, sagt Ensslen.
„Möglichkeit für Einschränkungen der Geldnutzung“
Dabei sei bisher völlig unklar, was mit einer kostspieligen Bezahlkarte in der Sozialhilfe bezweckt werden soll, sagt Lena Frerichs von der GFF. Schließlich würden vor allem Menschen Sozialhilfeleistungen beziehen, die nicht erwerbsfähig sind oder schon das Rentenalter erreicht hätten. „An der fehlenden Erwerbsfähigkeit oder gar dem Alter wird eine Bezahlkarte nichts ändern“, sagt Frerichs. Die kostengünstigste, digitale Lösung mit geringem Verwaltungsaufwand sei es, die Geldbeträge – wie bisher auch – auf das normale Konto dieser Personen zu überweisen, damit sie ein selbstbestimmtes Leben führen können, sagt die Juristin.
Skandalös sei es, so Frerichs, wenn Sozialhilfeberechtigte durch solche Forderungen in ein schlechtes Licht gerückt werden. Es entstehe der Eindruck, als wären sie nicht in der Lage, selbstbestimmt mit Geld umzugehen oder hätten andere Optionen, ihren Lebensunterhalt zu decken. „Das ist diffamierend und gerade im Sozialhilferecht völlig fehl am Platz“, sagt Frerichs.
Außerdem bleibe ebenfalls offen, welche Beschränkungen eine Bezahlkarte im Sozialhilferecht haben soll. Aus rechtlichen Gründen kämen allenfalls Bezahlkarten ohne Bargeldbeschränkung in Betracht. „Das ist allerdings völlig sinnlos, denn diese kostet die Kommunen viel Geld, das gespart werden könnte, wenn die Sozialleistung einfach auf normale Konten überwiesen werden würde“, sagt Frerichs.