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TI-Pflicht für die Pflege: Bürokratie & Wartezeiten bremsen Digitalisierung aus


Seit dem heutigen Dienstag gilt die gesetzliche Pflicht zur Anbindung aller ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen an die Telematikinfrastruktur (TI), die für den sicheren Austausch für Gesundheitsdaten gedacht ist. Ziel ist es, die digitale Kommunikation zwischen Pflege, Ärzten, Apotheken und weiteren Akteuren des Gesundheitswesens zu ermöglichen und so Arbeitsprozesse zu vereinfachen, Bürokratie abzubauen und die Versorgung der Patientinnen und Patienten zu verbessern. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

„Mitglieder berichten, dass die Anbindung an die TI teilweise mit einem nicht unerheblichen organisatorischen Aufwand verbunden war – insbesondere im Zusammenhang mit der Beantragung der erforderlichen Komponenten wie dem elektronischen Heilberufsausweis (eHBA) oder der SMC-B-Karte für Pflegeeinrichtungen“, erklärt Bertram Grabert-Naß, der stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK) Nordwest heise online auf Nachfrage. Die Erfahrungen hätten gezeigt, „dass die Bearbeitungszeiten bei den Vertrauensdienstanbietern beziehungsweise beim elektronischen Gesundheitsberuferegister (eGBR) deutlich variiert haben, was die Planung und Umsetzung spürbar beeinflusst hat“, so Grabert-Naß.

Aus Sicht vieler Pflegeeinrichtungen sei bislang „nur ein geringer konkreter Nutzwert im Versorgungsalltag gegeben“. Grundsätzlich biete der Kommunikationsdienst KIM, den es inzwischen fünf Jahre gibt, zwar „große Potenziale – etwa für den sicheren Austausch von Informationen und Dokumenten“, in der Praxis sei das System jedoch bisher nicht breit nutzbar, „da viele potenzielle Kommunikationspartner im Gesundheitswesen entweder noch nicht angeschlossen sind oder KIM trotz bestehender Anbindung bislang nicht aktiv nutzen“, so Grabert-Naß. Dem Fachdienst Care vor9 zufolge sind erst 9.500 von rund 32.000 Einrichtungen im Verzeichnisdienst der Gematik zu finden und können damit Daten über die TI austauschen.

Eine Umfrage der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) unter 1460 Einrichtungen zeigt eine deutliche Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit: Demnach haben fast 90 Prozent der Einrichtungen eine für den TI-Anschluss notwendige SMC-B beantragt, doch nur ein kleiner Teil sei tatsächlich angeschlossen. Die Gründe dafür liegen laut BAGFW insbesondere bei überlasteten Softwarefirmen, langen Wartezeiten auf den elektronischen Heilberufsausweis (eHBA), die für die Beantragung der SMC-B Voraussetzung sind. Ebenso seien die bürokratischen Verfahren komplex.

Die Kapazitäten aufseiten der Softwarefirmen seien erschöpft, Wartezeiten bis zur Installation des TI-Anschlusses die Regel. Auch Grabert-Naß zufolge waren „manche Branchensoftwareanbieter nicht frühzeitig auf die TI-Anbindung vorbereitet“. Bei technischen Problemen fehlt laut BAGFW oft eine auskunftsfähige Ansprechperson im Support, so die Kritik. Hinzu kommt Intransparenz bei den Kosten: Die Angebote zum TI-Anschluss sind für viele Einrichtungen schwer nachvollziehbar und liegen häufig über den refinanzierbaren Beträgen. Künftig sollen die Kosten aber von der TI-Pauschale gedeckt werden können, verspricht Prof. Dr. Dietmar Wolff vom Fachverband Informationstechnologie in Sozialwirtschaft und Sozialverwaltung (Finsoz) bei einer Informationsveranstaltung der Gematik.

Darüber hinaus sei der gesamte Prozess – von der Antragstellung über das Postident-Verfahren bis zur Rechnungslegung – laut BAGFW unübersichtlich, von einem hohen Verwaltungsaufwand geprägt und binde zusätzlich Zeit und Personal, was den ohnehin knappen Personalschlüssel weiter belaste. Viele Einrichtungen berichten von monatelangen Wartezeiten bis zum Erhalt der notwendigen Institutionskarten.

Die BAGFW fordert daher einen zentralen, digitalen Zugang zu allen TI-Komponenten über ein Online-Portal mit einmaliger Registrierung („once only“). Die Pflegeverbände betonen, dass die Digitalisierung und die TI-Anbindung einen echten Mehrwert für die Pflege bieten können. Um die hohe Motivation der Einrichtungen aufrechtzuerhalten, braucht es jedoch dringend mehr Anwendungsbereiche, einen vereinfachten Zugang und bessere Unterstützung bei der Umsetzung.

Nach Angaben der Gematik haben rund 60 Prozent der Pflegeeinrichtungen bereits die notwendigen Zugangskarten beantragt. Die tatsächliche Nutzung digitaler TI-Dienste wie KIM ist jedoch noch ausbaufähig. Wer bereits einen elektronischen Heilberufsausweis beantragt hat, kann beliebig viele SMC-B-Karten, Institutionskarten für die Anbindung der Einrichtungen an die TI beantragen.


Gematik-Karte aus der hervorgeht, in welchem Bundesland wie viele Einrichtungen eine SMC-B beantragt haben

Gematik-Karte aus der hervorgeht, in welchem Bundesland wie viele Einrichtungen eine SMC-B beantragt haben

In den meisten Bundesländern haben zwischen 50 und 60 Prozent der Pflegeeinrichtungen eine SMC-B-Karte beantragt.

(Bild: Gematik)

Sowohl für Software-Anbieter als auch für die Pflege werde es erst einmal keinen gesetzlichen Druck geben. Brenya Adjei, Geschäftsführer der Gematik, betonte auf der Informationsveranstaltung, dass die Pflicht vom Gesetzgeber stammt. Für die Pflegeeinrichtungen stellt die Gematik Informationen und praxisnahe Materialien wie Videos oder Checklisten bereit. In verschiedenen Aufzeichnungen der Gematik präsentieren 9 Anbieter, welche Module sie und teils auch ihre Partner bereits in der Pflegesoftware umgesetzt haben.

Überlegt werde auch eine Möglichkeit, dem Pflegepersonal einen längeren Zugriff auf die elektronische Patientenakte zu ermöglichen, um die Prozesse zu vereinfachen, wie die Produktmanagerin für die ePA bei der Gematik, Lena Dimde, bei der Vorstellung des Status Quo sagte. Abgesehen von Fragen zur Finanzierung der TI, zu Fristen und Umsetzung, wurde auch nach der Sicherheit der ePA gefragt. Dazu hieß es von Adjei, dass die Angriffsszenarien der Sicherheitsforscher lediglich theoretisch gewesen seien. Bei der ePA hatte bisher jedoch regelmäßig nachgebessert werden müssen, da immer wieder auf Sicherheitslücken aufmerksam gemacht wurde. Teilweise wurden Sicherheitsmängel in der Vergangenheit auch nicht ernst genommen.

Erst vor kurzem hatte der Deutsche Pflegerat (DPR) „klare gesetzliche Vorgaben“ für die IT-Sicherheit in der Pflege gefordert. Er sieht aufgrund zunehmender Cyberangriffe und wachsender Digitalisierung ebenfalls dringenden Handlungsbedarf, um Pflegeeinrichtungen besser vor Angriffen zu schützen. „Auch außerhalb der KRITIS-Kategorien geraten Akteure des Gesundheitswesens, darunter Pflegeeinrichtungen, vermehrt ins Visier – etwa durch Ransomware, DDoS-Angriffe (Distributed Denial of Service) oder Social Engineering“, hieß es dazu in einem Thesenpapier.

Bereits vor Monaten hatten Pflegeverbände darauf hingewiesen, dass das Ziel, alle Pflegeeinrichtungen bis Anfang Juli an die TI anzubinden, illusorisch sei. Das Verbändebündnis Digitalisierung in der Pflege hatte aufgrund bisheriger verschobener Fristen rund um die staatliche Digitalisierung mehr Verlässlichkeit und einen Zukunftsplan gefordert. Ebenso brauche die Digitalisierung in der Pflege eine nachhaltige Finanzierung.

Bernd Meurer, Präsident des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste (Bpa), sagte gegenüber dem Ärztenachrichtendienst, dass es noch eine „vollständig integrierte E-Rezept-Lösung für alle pflegerelevanten Arzneimittel und Hilfsmittel“, eine einfach nutzbare elektronische Patientenakte (ePA) mit Pflege-Schreibrechten sowie digitale Verfahren für Abrechnungen brauche, was aktuell noch nicht bei allen Abrechnungen und Krankenkassen möglich ist. Wichtig seien „effizientere Abläufe durch den digitalen Austausch von Dokumenten, Rezepten und Verordnungen“. Bisher müssten Praxen das E-Rezept „in der Regel ausgedruckt“ weitergeben, damit sie „irgendwie ins Heim gelangen, wo es anschließend in die Apotheke getragen wird.“ Die Kommunikation zwischen Ärzten und Pflegekräften über den KIM-Dienst, etwa beim Austausch über die Patienten, könne vieles erleichtern.


(mack)



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Untergangsszenario: Fluchtplan aus dem sinkenden Auto


Der Sommer hat gerade begonnen, wieder mit vermeidbaren tödlichen Badeunfällen. Ertrinken ist eine der häufigsten unnatürlichen Todesarten und trifft – wenn auch wirklich selten – bisweilen Autofahrer. Die Chancen zur Selbstrettung hat jetzt der ADAC im Versuch ermittelt und gibt auf dieser Basis Empfehlungen, wie man ein untergehendes Fahrzeug am sinnvollsten verlassen kann. Dazu wurden ein Elektroauto und ein konventionelles versenkt. Ein Taucher am Steuer hat auf verschiedenen Wegen probiert, den sinkenden Wagen zu verlassen.

Erste Erkenntnis: Ein Auto schwimmt, aber nicht lange. Der elektrische Citroën ë-C4 (Test) ging in etwa drei Minuten unter, der leichtere Seat Exeo mit Verbrennungsmotor bleibt etwa eine Minute länger an der Oberfläche. Beide sinken steil mit der Front voran. Ob sich das etwa bei Autos mit Elektromotor an der Hinterachse, etwa einem VW ID.4, auch so verhält, wurde zwar nicht ausprobiert, es ist aber wahrscheinlich: Der vordere Überhang ist in der Regel kein Hohlraum und gibt daher keinen Auftrieb.


ADAC Auto im Wasser

ADAC Auto im Wasser

So wie dieser elektrische Citroën ë-C4 schwimmt ein Auto nur kurz, bevor es steil mit der Front voran zu sinken beginnt.

(Bild: ADAC)

Zweite Erkenntnis: Es gibt prinzipiell nur eine sinnvolle Chance, das Auto mit höherer Überlebenschance zu verlassen, und zwar durch das der Person nächste Seitenfenster. Zuerst muss man aber daran denken, möglichst sofort nach der Wasserung den Gurt zu lösen.

Das Fenster schnellstmöglich zu öffnen, ist aus zwei Gründen wichtig: Die meisten Autos sind mit elektrischen Fensterhebern ausgestattet. Ihre Funktion ist unter Wasser nur für eine kurze Zeit wahrscheinlich. Ob Kurbel oder Fensterheber, einseitiger Wasserdruck auf die Scheibe – also so lange noch Luft im Wagen ist – erhöht den Kurbelwiderstand stark und kann zum Klemmen führen. Daher möglichst früh öffnen.


ADAC Auto im Wasser

ADAC Auto im Wasser

Der Citroën ë-C4 ließ sich wie vorgeschlagen über das Seitenfenster verlassen. Das ist der chancenreichste Fluchtweg.

(Bild: ADAC)

Öffnet die Seitenscheibe nicht, sollte man sie einschlagen. Der ADAC empfiehlt daher, einen Nothammer in Griffweite mitzuführen. Diese sind meist in Kombination mit einem Gurtschneider inklusive Halterung für den Fahrzeuginnenraum erhältlich. Als Alternative schlägt der Club vor, einen Versuch mit den Metall-Steckverbindungen einer herausgezogenen Kopfstütze oder einem anderen spitzen, schweren Gegenstand zu unternehmen. Nach unserer Erfahrung als Redakteure dieses Kanals lassen sich Kopfstützen in modernen Autos selten herausziehen, ohne vorher die Lehne stark zu neigen. Zudem müssen fast immer Entriegelungen überwunden werden. Wer deren Prinzip erst verstehen muss, hat schon verloren.

Am leichtesten brechen Scheiben in einer Ecke. Dieses Autoglaser-Allgemeinwissen konnte der ADAC in seinem Test vollauf bestätigen, allerdings nur bei den Testfahrzeugen. Modernere, teurere Autos sind indes aus Komfortgründen häufig doppelt verglast. Deren Scheiben sind daher so gut wie unzerstörbar. Der Club gibt dazu den Tipp, sich vorher über das Material der Seitenfenster zu informieren. Ob sie mit Verbund- oder Doppelverglasung ausgeführt sind, ist an einem aufgedruckten oder ins Glas geätzten „XI“ zu erkennen oder der Rettungskarte für das betreffende Auto zu entnehmen. Man bekommt dies direkt beim Autohersteller, bei den Prüfgesellschaften (TÜV, KÜS, GTÜ, Dekra) oder bei den Autoclubs.


ADAC Auto im Wasser

ADAC Auto im Wasser

Die Versuche des Autoclubs fanden ohne zusätzliche Umweltbeeinträchtigung auf einer Versuchsstrecke statt.

(Bild: ADAC)

Ist dies der Fall, führt der einzige Weg durch die Heckscheibe, die normalerweise auch bei teuren Autos einfach verglast ist. Dabei ist Eile geboten, denn man muss dazu die Sitzlehnen vorn und hinten überwinden. Sind alle drei hinteren Kopfstützen aufgestellt, müssen auch diese noch nach unten gedrückt werden. Lose Gegenstände im Wagen können aufschwimmen und die Situation zusätzlich erschweren.

Die Windschutzscheibe ist hingegen nie eine Option, sie besteht, außer bei einige Jahrzehnte alten Autos, aus Verbundglas und damit für einen Menschen im Auto unzerstörbar. Die Sekuritglasscheibe eines 50 Jahre alten Autos zu zerschlagen wäre zwar möglich, aber keine gute Idee, weil man dann das Auto gegen das einströmende Wasser nach unten verlassen müsste. Das stellt selbst Rettungstaucher vor Probleme.

Auch das Öffnen von Türen kann man allenfalls probieren, wenn der Innenraum voll mit Wasser ist, anderenfalls lastet zu hoher Wasserdruck auf ihnen. Das hat der Versuch des ADAC bestätigt. Nach dem Druckausgleich hat es der Taucher zwar geschafft, aber wohl nur, weil er nach eineinhalb Minuten unter Wasser mit Atemluft aus seinem Gerät versorgt war. Menschen ohne Atemgerät, unter Stress und möglicherweise auch noch verletzt, billigt der ADAC unter solchen Umständen kaum eine Überlebenschance zu.


(fpi)



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Digitale Gesundheitsanwendungen: Über Hürden, Fortschritt und Kritik


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This article is also available in
English.

It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Digitale Gesundheitsanwendungen, sogenannte DiGA oder „Apps auf Rezept“, spalten die Gemüter. Kritisiert wird oft, die Preise seien zu hoch und sie brächten keinen ausreichenden Nutzen. Dabei müssen die Hersteller strenge Anforderungen erfüllen, um eine DiGA zur Marktreife zu bringen. Neben dem Nachweis der medizinischen Wirksamkeit sind Datenschutz, IT-Sicherheit und Interoperabilität mit der Telematikinfrastruktur, der „Gesundheitsdatenautobahn“, Pflicht. In den vergangenen Jahren hat der Gesetzgeber die Regeln bezüglich Datenschutz und Wirksamkeit sogar noch einmal verschärft.

Trotzdem stehen DiGA immer wieder in der Kritik: Die Kosten werden hinterfragt, die bürokratischen Hürden für Patienten und Ärzte sind hoch, und die Integration in die Versorgung läuft nicht immer reibungslos. Gleichzeitig wächst die Zahl der Verordnungen stetig, und viele Patienten profitieren von den digitalen Therapien, die oft schneller verfügbar sind als klassische Behandlungen.


Mario Weiss

Mario Weiss

Mario Weiss ist Gründer und CEO der Hamburger Gaia AG, die sie auf die Entwicklung von digitalen Gesundheitsanwendungen spezialisiert hat.

(Bild: Gaia)

Über diese Herausforderungen haben wir mit Dr. Mario Weiss gesprochen. Er ist Gründer und CEO der Gaia AG, die sieben DiGA auf den Markt gebracht hat – darunter Deprexis zur Behandlung von Depressionen und weitere Anwendungen für chronische Erkrankungen wie Multiple Sklerose. Im Interview spricht Weiss unter anderem über die Hürden, DiGA auf den Markt zu bringen und was sich aus seiner Sicht verbessern sollte.

heise online: Was war Ihre Motivation, in den DiGA-Markt einzusteigen?

Mario Weiss: Das deutsche DiGA-System ist international einzigartig und stellt für uns eine besondere Chance dar. Ist ein Produkt als DiGA zugelassen, ist das eine Gewährleistung für eine hohe Qualität.

Ich habe mich schon seit Jahren – als KI noch nicht in aller Munde war – damit beschäftigt, wie man Algorithmen in der Verhaltensmedizin einsetzen kann. Die Verhaltensmedizin konzentriert sich darauf, das Verhalten von Patienten zu ändern, um ihre Gesundheit zu verbessern. Dazu gehören Aspekte wie gesündere Ernährung, mehr Bewegung und auch die Veränderung von Denkweisen. Letzteres fällt in den Bereich der Psychotherapie. Unser Flaggschiff-Produkt im Bereich der digitalen Therapie, Deprexis, hat hier weltweit Maßstäbe gesetzt. Es ist nicht nur zertifiziert und nachweislich wirksam, sondern hat eine über 15-jährige Forschungstradition und wurde global beforscht – zum Beispiel in den USA, Südamerika und Asien.

Welche besonderen Hürden gibt es?

Eine große Hürde ist der Zugang für Patienten. Während Medikamente in Minuten verfügbar sind, warten viele Patienten fast 13 Tage, bei den AOKen sogar bis zu vier Wochen auf ihre digitale Therapie, weil Krankenkassen die gesetzliche 2-Tages-Frist zur Freischaltung überschreiten. Und das wird durch den aktuellen E-Rezept-Entwurf nicht besser, sondern schlimmer. Die Einlösung bleibt technisch kompliziert, bürokratisch überfrachtet und Krankenkassen behalten die Rolle als Gatekeeper. Das widerspricht der ursprünglichen Intention des Gesetzgebers, dass Ärzte Therapieentscheidungen fällen und nicht Krankenkassen. Es untergräbt das Vertrauen in die digitale Medizin.

Manche bezeichnen DiGA als „tot“ oder im „Sterben“. Was ist da dran?

Nichts. Sie werden therapeutisch genutzt wie nie zuvor. Die Zahl der Verordnungen steigt seit Jahren, die Akzeptanz bei Ärzten und Patienten wächst, und die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag ausdrücklich zur Stärkung bekannt. Wir erleben eher, dass Innovationen durch übermäßige Bürokratie ausgebremst werden. Ein Beispiel? Das EU-Zertifikat für Informationssicherheit kommt mit ungefähr 27 Seiten aus. Der deutsche Sonderweg: über 150 Seiten. Wenn wir so weitermachen, verspielen wir unseren Vorsprung, weil wir mehr Zeit und Geld in Bürokratie als in Forschung und Entwicklung investieren müssen.

Sind Ihre DiGA bereits an die Telematikinfrastruktur und die elektronische Patientenakte angeschlossen? Wie sieht es mit der GesundheitsID aus, gibt es da noch rechtliche Hürden?

Unsere DiGA sind vollständig an die Telematikinfrastruktur angeschlossen und bereits heute kompatibel mit der ePA 3.0. Sie generieren versorgungsnahe Daten, die, sofern gewünscht, direkt in die ePA eingespeist werden können. Damit entsteht ein bisher unerreichter Einblick in die tatsächliche Versorgungssituation. Zudem ist die Anmeldung über die GesundheitsID jetzt schon technisch möglich, aber sie wird bislang kaum genutzt.

Wie unterscheidet sich das von der Nutzung in anderen Ländern?

In Deutschland ist das Produkt tatsächlich als DiGA anerkannt. In anderen Ländern werden solche Anwendungen oft in unterschiedlichen Settings eingesetzt. In den USA sehen wir etwa eine grundlegend andere Wahrnehmung von digitalen Therapien. Dort spricht man nicht abschätzig von ‘Apps auf Rezept’, sondern von ‘Novel Therapies’, von neuartigen, verhaltensbasierten Interventionen. In den USA startet aktuell die bislang größte Studie zu einer digitalen Therapie bei MS gegen Fatigue, ko-finanziert und unterstützt von der US-amerikanischen Regierung, basierend auf unserer DiGA Elevida. Das zeigt, wie ernst solche Therapien international genommen werden und welches Potenzial bei dieser Innovation „Made in Germany“ steckt.

Vor zwei Jahren haben Sicherheitsforscher eine Lücke bei Deprexis entdeckt. Wie war das damals?

2023 wurde einer unserer Forschungsserver gehackt. Tatsächlich war keine DiGA betroffen. Ich finde es aber grundsätzlich sehr gut, dass die Hacker-Szene auf Sicherheitslücken hinweist. Das ist besser, als wenn das Kriminelle machen.

Es gibt viele Diskussionen über die Evidenz und den Nutzen von DIGAs. Ist das berechtigt?

Es ist wie bei Medikamenten – als guter Arzt weiß man, was man bei welchem Patienten einsetzt. Bei digitalen Therapeutika gibt es erfahrene Kollegen, die differenzieren können, welche Anwendungen wirklich hilfreich sind. Produkte wie Deprexis werden oft empfohlen, da sie sich bewährt haben und es bereits seit 15 Jahren Forschung dazu gibt, die die Wirksamkeit belegen. Dennoch gibt es auch Anwendungen, bei denen man sich fragt, welchen Mehrwert sie bieten. Das gilt übrigens für Medikamente ebenso.

Die Kosten werden auch immer wieder kritisiert, dabei wird auch Ihre teuerste App Levidex mit Kosten in Höhe von 2077,40 Euro pro Quartal aufgeführt. Was würden Sie dem entgegensetzen?

Levidex kommt für den Bereich Multiple Sklerose zum Einsatz. Die Entwicklungskosten für die Therapiesoftware sind sehr hoch. Das liegt an der Erkrankungsschwere und Komplexität. Gleichzeitig gibt es wenige Nutzer, da die Erkrankung ungefähr 0,3 Prozent der Bevölkerung betrifft. Natürlich ist eine Therapie, die mehr Menschen nutzen, wirtschaftlicher. Aber wir brauchen auch in Nischenindikationen Forschung und Innovation. Und wenn es wie bei unserer Therapie nachweislich wirkt, dann braucht es einen fairen, differenzierten Preis, um die extrem hohen Kosten für Forschung und Entwicklung zu refinanzieren.

Im Bereich Interoperabilität, Datenschutz und IT-Sicherheit gibt es berechtigterweise ebenso hohe steigende Anforderungen.

Sie haben Kritik an den Aussagen des GKV-Spitzenverband geäußert, DiGA würden nichts nutzen und seien zu teuer. Was haben Sie dem entgegenzusetzen?

Die Arzneimittelausgaben betrugen letztes Jahr rund 53 Mrd. Euro. Davon betrug der DiGA-Anteil 0,2 Prozent. Und DiGA sollen die Kostentreiber sein? Es gibt eine aggressive und unwissenschaftliche Haltung von bestimmten Krankenkassen gegenüber digitalen Therapien, während sie gleichzeitig ihre eigenen Programme ohne ausreichende Evidenz und Sicherheit in den Markt bringen. Einige AOKen tun sich hier leider unrühmlich hervor. Aber es gibt auch Krankenkassen, die unsere Produkte empfehlen und dadurch Geld sparen. Patienten, die mit nachweisbar wirksamen Produkten schnell gesund werden, sind eben auch ‘günstiger’ als diejenigen, die ewig auf Therapie warten und mit Produkten zweifelhafter Wirksamkeit ‘selbst versorgt’ werden.

Welche Krankenkassen bieten Programme an?

Einige AOKen bieten beispielsweise ein Programm namens Moodgym an, das sich in Studien als nicht wirksam erwiesen hatte, aber dennoch weiterhin angepriesen wird. Auch die Techniker Krankenkasse tritt an Hersteller heran, um exklusive Programme zu entwickeln, ohne die strengen Evidenzanforderungen zu erfüllen, die für DIGAs gelten.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der digitalen Therapie in Deutschland?

Einen fairen Prozess, der zum Beispiel die Entwicklung und Erstattung von Spezialindikationen wie Multiple Sklerose anders bewertet als allgemeine Indikationen. Außerdem sollten einige Krankenkassen ihre Haltung ändern und im Sinne ihrer Patienten aufhören, Produkte mit zweifelhafter Wirksamkeit zu pushen, um vermeintlich zu sparen.


(mack)



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Wie smarte Küchengeräte beim Kochen helfen


Möchte man sich und die Familie gesund ernähren, gehört dazu nach wie vor die Zubereitung der Speisen mit frischen Zutaten. Denn auch wenn die Regale der Supermärkte voll mit Convenience-Produkte stehen, hat man nur dann die Kontrolle über Inhaltsstoffe, Kalorien und Geschmack, wenn man den Kochprozess im Griff hat. Doch gerade im Alltag dürfte der wichtigste Faktor des kleinen Kücheneinmaleins die Zeit sein.

Hier springen smarte Küchenhelfer in die Bresche, indem sie den Weg zum perfekten Dinner oder Lunch deutlich verkürzen. Schon bei der Ideenfindung können sie helfen, mit Kochplänen stützen, beim Einkaufen assistieren und wie im Falle der getesteten Kochautomaten Thermomix TM7 oder Bosch Cookit Schritt für Schritt durch den gesamten Zubereitungsprozess führen.

Andere Hersteller wie Grillfürst mit dem smarten Grill Independence belegen eher eine Nische: Den Gasgrill wird man werktags kaum zum Mittagessen anwerfen. Aber auch beim gepflegten Barbecue mit Freunden kann smarte Technik helfen, das Grillergebnis zu verbessern und dem Grillmeister dabei noch deutlich mehr Zeit am gemeinsamen Esstisch zu verschaffen. Dazu schauen wir uns noch andere smarte Küchenhelfer an: den Kaffeevollautomaten Siemens EQ900 pro zum Beispiel, der Spezialitäten auf Zuruf zubereitet und per App Kaffeebestellungen als Playlist, besser gesagt „Brewlist“ aufnehmen kann. Doch was ist eigentlich smart?


Das war die Leseprobe unseres heise-Plus-Artikels „Wie smarte Küchengeräte beim Kochen helfen“.
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