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„Unberechenbar und willkürlich“: Warum Apple sich immer mehr über die EU ärgert


„Schönes neues Feature – aber gibt es das auch in der EU?“ Europäische Apple-Nutzer stellen sich diese Frage zunehmend. Bis heute warten Mac-Nutzer zum Beispiel auf iPhone- Mirroring, das vor einem Jahr vorgestellt wurde. Und die Live-Aktivitäten-Widgets des iPhones, die in macOS 26 Tahoe auch auf dem Mac angezeigt werden sollen, werden EU-Nutzer erstmal nicht zu Gesicht bekommen. Grund ist, dass dieses Feature eng mit der iPhone-Fernsteuerung verknüpft ist. Das Schicksal weiterer neu vorgestellter Funktionen ist dem Vernehmen nach noch unklar. Apple soll sich hierzu in Gesprächen mit der EU-Kommission befinden.

Der Regulierungsdruck durch die EU-Kommission hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Mit dem Digital Markets Act wurde der rechtliche Rahmen geschaffen, der jetzt für anhaltenden Streit sorgt. Zuletzt machten neue Vorgaben Schlagzeilen, die Apple dazu zwingen sollen, seine Betriebssysteme und Geräte für Mitbewerber und andere Geräte zu öffnen. Unter dem Oberbegriff Interoperabilität geht es etwa darum, den Einrichtungsprozess der AirPods auch für andere Hersteller bereitzustellen oder AirDrop-Datentransfers auch für alternative Anbieter zu öffnen.

In der Keynote zur Entwicklerkonferenz WWDC am Pfingstmontag, als iOS 26 und die anderen neuen Betriebssystemversionen vorgestellt wurden, erwähnte Apple das Thema mit keinem Wort. Und auch offiziell will man sich vor Ort nicht dazu äußern. Vor einigen Wochen wurde das Vorgehen der EU von Apple mit scharfen Worten als große Bedrohung für Datenschutz und Sicherheit verurteilt.

Im Apple-Hauptquartier macht man sich offenbar aber zunehmend Gedanken darüber, ob den Nutzern wirklich klar ist, was die strenge Regulierung zur Folge hat. Bisherige Erklärungsversuche haben anscheinend in großen Teilen der Bevölkerung nicht gefruchtet.

Gleichzeitig nimmt man mit Sorge wahr, dass Apple zunehmend unterstellt wird, mit dem Vorenthalten von Funktionen in der Europäischen Union Politik auf Kosten der Nutzer betreiben zu wollen. In Wirklichkeit wolle man aber um jeden Preis verhindern, dass Features in der EU wegfallen müssen. Es sei – so ist zu hören – eine harte und schmerzhafte Entscheidung im Einzelfall, wenn, wie im Falle der iPhone-Fernsteuerung, Funktionen zurückgehalten werden. Das wolle man nur aber dann machen, wenn die Gefahr zu groß scheint oder rote Linien überschritten werden. Dies erfuhr heise online aus informierten Kreisen.

Die Kommunikation mit der EU wird von Apple offenbar zunehmend als unberechenbar und willkürlich empfunden. Es fehle fachliche Expertise und einmal gegebene Rückmeldungen an Apple, wie die Software den Vorgaben korrekt entsprechen soll, würden oftmals nach einiger Zeit wieder kassiert.

Jeden Monat soll es mehrere Gespräche geben, bei denen Vertreter Apples versuchen, bei der EU-Kommission zu vermitteln. So soll Apple etwa versucht haben, die geforderte Herausgabe von Listen der WLAN-Netzwerke, in die Nutzer zuletzt eingeloggt waren, zu verhindern. Apple selbst speichere diese Daten angeblich gar nicht auf den Geräten. Mitbewerber hätten aber die Nutzung dieser Daten begehrt und Apple sei nun in der Pflicht, der EU-Vorgabe nachzukommen. Alternative Vorschläge, Hinweise vorzuschalten und bei Nutzern die Preisgabe der Daten einzeln abzufragen, würden aber kategorisch abgeschmettert, heißt es aus informierten Kreisen.

Auch bei den Benachrichtigungen gibt es erhebliche Vorbehalte Apples, diese frei an andere auszuhändigen – enthalten diese doch oft Angaben, die es ermöglichen würden, an private Informationen von Nutzern zu gelangen oder diese zu tracken. Diese Vorgabe gibt es im Zusammenhang mit Smartwatches anderer Hersteller, die mit der Apple Watch gleichberechtigt werden sollen.

In Cupertino entsteht offenbar zunehmend der Eindruck, dass sich die EU besonders auf Apple eingeschossen hat, obwohl das Unternehmen beim Marktanteil längst nicht der größte Player am Markt ist. Mitbewerber wie Samsung und die stark wachsenden chinesischen Marken blieben hingegen weitgehend verschont. Und kurioserweise sollen es vor allem andere US-Tech-Unternehmen sein, die die Regulierung der EU für ihre Zwecke nutzen wollen, allen voran Meta und Google.

Hinzu kommt, dass die EU-Regulierung offenbar Apple zunehmend ausbremst. 500 Mitarbeiter sind alleine für die EU-Maßnahmen abgestellt, teilte das Unternehmen vor Wochen offiziell mit. Inzwischen überlege man in Cupertino bei Diskussionen über künftige Features schon gleich, ob das Feature Probleme mit der EU hervorrufen könnte und verzichte auf Ideen vorsichtshalber global, wenn das Risiko zu hoch erscheint.

Geht die EU zu weit, wenn sie Tech-Herstellern nicht nur grundsätzlich vorschreibt, was sie möchte, sondern auch, wie diese das zu erledigen haben? Auch diese Frage soll man sich in Cupertino stellen. Für mehr Klarheit könnten in den kommenden Monaten Gerichte sorgen. Im Herbst soll es eine Anhörung vor dem EU-Gericht in Luxemburg geben. Eine Entspannung im Klima zwischen Brüssel und Cupertino scheint derzeit noch in weiter Ferne.


(mki)



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