Als Kamerafrau ist es wichtig, sich zu vernetzen und immer den eigenen kreativen Weg zu gehen. PAGE hat mit Fee Strothmann über den Beruf gesprochen.

Bild: Soeren Tebbe
Das Film- und TV-Business ist hart umkämpft. Es ist allgemein nicht einfach, Fuß zu fassen – vor allem, weil sich die Film-, Werbe- und Medienbranchen aktuell so stark verändern. PAGE hat mit der Kamerafrau Fee Strothmann über ihren Werdegang in einer herausfordernden, männlich dominierten Branche gesprochen.
Sie hat an der Filmuniversität Babelsberg den Masterstudiengang Cinematography absolviert. Heute arbeitet sie als soloselbstständige Kamerafrau hauptsächlich für TV- und Doku-Produktionen.
Im Gespräch hat sie uns verraten, was die großen Herausforderungen in der Filmbranche sind, welche Netzwerke helfen und was sie angehenden Kameramenschen mit auf den Weg geben würde.
PAGE: Hallo Fee, du bist Kamerafrau und begleitest unterschiedliche Projekte fürs TV. Was war deine Motivation, diesen Beruf zu wählen?
Fee Strothmann: Ursprünglich gab es eigentlich vier Punkte. Ich wollte gerne im Team und kreativ arbeiten, ich wollte aber auch ein Handwerk ausüben und unterwegs sein, nicht immer ins Büro und dieselben Sachen machen. Als Film und Kamera in meinen Blickwinkel kam, dachte ich »cool«, das ist eine Kombination aus allem. Ich dachte, okay, da kann ich viele Interessen verbinden, unterwegs sein, mit Leuten arbeiten, reisen und trotzdem irgendwie was Handwerkliches machen. Das war der Ursprung der Idee.
Wo und wann hast du deinen Abschluss gemacht?
Ich war erst Kameraassistentin, noch zu analogen Zeiten. Das habe ich relativ lange gemacht und habe da in einem Team gearbeitet, wo ich viel von dem Kameramann lernen konnte. Gero Steffen hieß der, der hat zum Beispiel sehr aufwendiges Licht gemacht. Das war mein Start in die Branche. Dann habe ich irgendwann gemerkt, dass ich auf jeden Fall Kamera machen will.
Mit 27 habe ich in Babelsberg angefangen zu studieren. Eigentlich wollte ich gerne im Ausland studieren, habe mich aber dagegen entschieden, dachte, dass der Einstieg in die Branche schwerer wird, wenn ich woanders studiere und dann zurückkomme in ein Land, wo ich keine Connections habe. Aber ich war zwischendurch in Mexiko am »Centro de capacitación cinematográfica« für ein Jahr. Dort habe ich meinen Bachelorabschlussfilm gedreht und dann den Master in Babelsberg gemacht.
Wie bist du nach dem Abschluss an Aufträge gekommen?
Ursprünglich war der Plan, dass mein Weg in die Branche über eine Mediengestalter:innen-Ausbildung oder über den praktischen Weg gehen wird. Den habe ich aber nie eingeschlagen, sondern kam über die Assistenz zum Spielfilm.
Im Studium dachte ich, dass ich mit Leuten aus der Uni den Abschlussfilm mache und mit denen gemeinsam wachse. Aber es hat sich abgezeichnet, dass mein Weg eher über die Branche direkt gehen wird, weil ich während des Studiums immer parallel gearbeitet habe. Dort hatte ich Kontakte, die habe ich dann gepflegt. Der Plan ist letztlich aufgegangen.
Eine Festanstellung kam für dich nicht infrage?
Nee, gar nicht. Beim Spielfilm ist das eher nicht gängig, dass man fest angestellt ist. Wenn ich Nachrichten oder in einer Produktionsfirma Beiträge machen würde, dann könnte man eventuell darüber nachdenken, angestellt zu sein. Aber es ist gar nicht so erstrebenswert, irgendwo fest zu sein, weil ich frei viel flexibler die Projekte wählen kann. In der Spielfilmwelt ist das so üblich.
Und in welche Projekte bist du gerade involviert?
Mein Hauptinteresse im Studium war Kino und ist es nach wie vor. Viele wollen Arthouse, kreative Projekte, mutige Inhalte. Aber jetzt gerade bin ich in der Fernsehwelt verankert, da habe ich echt viel gelernt und die meisten Erfahrungen. Als Start in die Langfilmwelt war das super. Ich hoffe aber immer noch, dass ich den Sprung zum Kino oder zu Serien schaffe.
Wenn ich frei wählen könnte, würde ich Kino und dazu ein bisschen Doku machen. Anfang des Jahres habe ich eine tolle Arte Doku gedreht und finde es sehr bereichernd, Erfahrungen in szenischem und dokumentarischem Drehen zu sammeln.
Ganz aktuell bin ich auch noch in die Postproduktion eines Films involviert. Da betreue ich das Grading und die VFX – und den Schnitt der Doku. Genau, und bald habe ich ein Gespräch mit einer Regisseurin für einen anderen Fernsehfilm, der vielleicht Ende des Jahres kommt.
Das ist ja eine Menge. Hast du sonst alltägliche To dos, wenn es ums Netzwerken geht?
Ja, ich bin auch im Vorstand der Cinematographinnen (ein Netzwerk für Flinta* Kamerapersonen im deutschsprachigen Raum). Außerdem bin ich in engem Austausch mit dem Berufsverband Kinematografie (BVK). Dort fange ich gerade als Mentorin an. Außerdem bin ich viel mit Kolleg:innen und Kamerafreund:innen sowie Regisseur:innen im Austausch – entweder über den Verband oder über mein eigenes Netzwerk. Man versucht einfach immer sichtbar zu sein.
Im Moment ist die Branche ja auch nicht so gut aufgestellt, es wird relativ wenig gedreht. Ich glaube, dass es insgesamt viel Redebedarf gibt. Die Leute möchten sich austauschen, wie es einem so geht.
Der Bereich Kamera ist immer noch eher männlich dominiert. Wie ist es, sich als Frau da durchzusetzen?
Ja, das ist schon immer so gewesen und man muss sich nach wie vor durchsetzen. Frauen müssen versuchen, sich einen Namen zu machen. Eigentlich wollte ich mir Feminismus nie so wirklich auf die Fahne schreiben, aber man kommt gar nicht so richtig drumherum.
Wenn ich so viel in unserem Netzwerk mit anderen Kamerafrauen rede und wir unsere Geschichten teilen, dann wird man automatisch so, da steigt man in die feministische Agenda mit ein. (Lacht.) Im Moment liegt die Frauenquote je nach Genre bei 12 bis 14 Prozent. Das ist auch ein großes Thema, weil sich viele Männer trotz der niedrigen Quote total benachteiligt fühlen. Wir als Frauen bekommen manchmal Antipathie zu spüren, weil sie das Gefühl haben, dass wir denen jetzt die Jobs wegnehmen. Da herrscht immer wieder so ein bisschen Unmut und auch ganz viel Unwissen.
Es ist schon ein Kampf um Gleichberechtigung. Ein Beispiel: Ich werde als Frau gefragt, ob ich ein Projekt machen will, aber nicht aufgrund meiner Skills, sondern wegen der Frauenquote. Da fühle ich mich schon manchmal wie ein Quotencheck. Aber ich muss auch sagen, dass es manchmal eben so ist, dass nicht jedes Thema von jeder Person gedreht werden kann oder sollte.
Aber in jedem Fall ist das für mich ein Dauerthema. Schon allein, weil ich in diesem Netzwerk ganz viel Aufklärungsarbeit mache und immer wieder auch damit konfrontiert bin, wie viel Unwissen herrscht und wie wenig die Männer sich damit auseinandersetzen wollen. Und am Set sowieso. Andauernd gibt es Vorurteile. Bei jedem Projekt wird mindestens zweimal gefragt, ob mir jemand die Kamera abnehmen soll. Mich würde ja auch keiner fragen, ob mir mal jemand das Kind abnehmen soll. Einkauf und Kinder kann ich tragen, aber eine Kamera nicht oder wie?
Dennoch habe ich herausgehört, dass du eigentlich keine Probleme hast, an Jobs zu kommen, oder?
Witzig, dass du das fragst. Vor vier Tagen hätte ich die Frage wahrscheinlich anders beantwortet. Aber jetzt bin ich gerade im Gespräch mit einem potenziellen neuen Filmprojekt. Meistens ist es gut, wenn man so zwei bis vier Projekte im Jahr hat. Ist es nur ein Langfilm, wird es schon knapp.
Aber ich bin gut vernetzt und das hilft – oft auch langfristig. Nicht von heute auf Morgen. Manchmal kommen Aufträge ganz unverhofft, das sind dann die besten. Aber ich weiß auch, dass es viele Leute gibt, die Existenzängste haben und aus der Branche abwandern oder es vorhaben. Im Winter ist meistens übrigens Flaute. Da muss ich gut vorplanen, um nicht mehrere Monate am Stück keine Rücklagen zu haben.
Verrätst du, mit welchem Kameramodell du am liebsten arbeitest und warum?
In der Regel leihe ich mir das Equipment, es ist einfach doch günstiger und ich muss mich nicht um Reparaturen kümmern. Außerdem bin ich freier mit der Technik. Ich kann je passend zum Projekt das ausleihen, was ich gerade brauche. Ich arbeite beispielsweise sehr viel mit Arri Kameras. Die sind in der Filmbranche üblich. Für mein letztes Projekt habe ich die Arri Alexa 35 mit Summilux Optiken benutzt, die sind sehr lichtstark. Die haben mir sehr geholfen, weil ich viel mit hohen Kontrasten zu tun hatte.
Kannst du abschließend angehenden Kamerapersonen Tipps mit auf den Weg geben, worauf es nach dem Hochschulabschluss ankommt?
Was wirklich wichtig ist, dass man gesund bleibt. Der Job ist sehr stressig und man steht unter enormem Druck. Was ich auch sehr wichtig finde ist, sich nicht mit anderen zu vergleichen. Als Kameraperson arbeitest du sehr individuell und das sollte man auch beibehalten. In dem Zusammenhang nenne ich mal das Wort USP – der Unique Selling Point. Das ist das, was die eigene Arbeit ausmacht. Ich glaube, in diesem ganzen Prozess, in dem man lernt und den Weg verfolgt, vergisst man, sich das irgendwann zu fragen, was man eigentlich selber besonders gut kann oder warum man einen selber gerne buchen möchte.
Grundsätzlich ist die Netzwerkpflege essentiell: auf Festivals, beim Essen gehen, auf Partys, bei Telefonaten, total egal. Von Mentorship-Programmen über Website, über Festivals, über Netzwerkveranstaltungen … Und trotzdem kommen die Projekte meistens aus dem Nichts. (lacht.) Irgendwie random. Manchmal macht man die tollsten Sachen und denkt, boah, da ergibt sich was draus. Dann kippt man jemandem an der Kasse einen Kaffee über die Hose und auf einmal ist das der Regisseur, mit dem du ins Gespräch kommst, dem gerade jemand abgesprungen ist.
Außerdem muss man lernen, die Momente zu genießen, wo gerade mal nichts passiert! Generell empfehle ich, die freie Zeit als freie oder regenerative Zeit wahrzunehmen, weil sonst einfach durchgehend Stress ist.
Danke!