Datenschutz & Sicherheit

Von diesen Ländern hängt ab, wie es mit der Chatkontrolle weitergeht


Seit sechs Ratspräsidentschaften steckt die umstrittene Chatkontrolle-Verordnung in den Verhandlungen des EU-Rates fest – und auch der polnische Kompromissvorschlag ist zuletzt gescheitert. Der Vorschlag hatte beinhaltet, dass das Scannen von Nachrichten durch die Anbieter nur noch auf freiwilliger Basis geschieht. Damit wäre die generelle Massenüberwachung von Chats vom Tisch gewesen.

Der Verband europäischer Digitalorganisationen EDri hat den polnischen Vorschlag als „echte Brücke“ zwischen den beiden Positionen im EU-Rat bezeichnet. Diese Brücke hätten nun aber 16 Mitgliedstaaten verbrannt mit ihrer Haltung. Doch es könnte sich demnächst durch nationale Regierungswechsel auch eine Mehrheit für die Chatkontrolle abzeichnen – hierbei kommt es vor allem auf große Länder wie Deutschland an.

Positionen europäischer Länder zum polnischen Vorschlag. CC-BY 4.0 EDRi

Im EU-Rat ist für eine Einigung eine „qualifizierte Mehrheit“ nötig. Um diese zu erreichen, müssen mindestens 15 Mitgliedstaaten, die zusammen mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, einem Gesetzestext zustimmen. Seit mehr als drei Jahren erreichen die überwachungsbefürwortenden Länder diese Mehrheit nicht.

Die elf Mitgliedstaaten, die den polnischen Text ohne Pflicht zur Massenüberwachung aktiv unterstützt (blau) oder sich der Stimme enthalten haben (grau), repräsentieren laut EDRi gut 42 Prozent der Bevölkerung und erreichen auch nicht die Schwelle von 15 Ländern. Das Lager der Befürworter der Chatkontrolle, also diejenigen, die die Agenda der Massenüberwachung unterstützen, hat mit 16 Mitgliedstaaten mehr Anhänger (rosa). Trotz ihrer größeren Zahl repräsentieren diese Länder nur knapp 58 Prozent der Bevölkerung und erreichen damit nicht die erforderliche qualifizierte Mehrheit.

Sperrminorität in Gefahr

Ländern mit einer größeren Bevölkerung kommt eine besondere Rolle zu. Der Verband macht folgendes Szenario für eine Verabschiedung der Verordnung auf. Die Chatkontrolle würde durchkommen:

  1. wenn entweder Deutschland oder Polen ihre Position ändern würden; oder
  2. wenn die Niederlande und mindestens zwei weitere kleinere Länder ihre Position ändern würden; oder
  3. wenn mindestens vier weitere Mitgliedstaaten die Seiten wechseln würden.

Unter diesen Voraussetzungen lenkt die Organisation den Blick auf nationale Regierungswechsel und Wahlen, die zu einer Veränderung der Position führen könnten:

  • Der Koalitionsvertrag der neuen belgischen Regierung besagt, dass CSA eine „hohe Priorität“ habe, die durch „Unterstützung der Arbeit auf EU-Ebene“ angegangen werden soll. Dies sei  jedoch nicht präzise formuliert.
  • Die neue deutsche Regierung aus Union und SPD hat noch keine offizielle Position zu diesem Thema bezogen.
  • Es gibt Parlamentswahlen in Tschechien am 3. und 4. Oktober 2025.
  • Es gibt Wahlen in den Niederlanden am 29. Oktober 2025 nach dem kürzlichen Sturz der niederländischen Regierung.

EDRi fordert deswegen, dass „der nationale Druck aufrechterhalten werden muss, um sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten keinem CSA-Verordnungstext zustimmen, solange dieser nicht die Massenüberwachung ausschließt und die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung schützt.“ In Deutschland hatte zuletzt ein breites Bündnis Innenminister Dobrindt aufgefordert, Verschlüsselung zu schützen und sich gegen die Überwachungspläne einzusetzen.

Dänischer Vorschlag

Mittlerweile hat das Befürworterland Dänemark die Ratspräsidentschaft inne – und einen Vorschlag präsentiert, der weitreichende Verpflichtungen zur Chatkontrolle vorsieht und deswegen in der Kritik steht. Dieser Vorschlag erhielt bei einer Sitzung der Ratsarbeitsgruppe nicht die erforderliche Mehrheit.

EDRi kritisiert, dass der dänische Vorschlag die Fehler seiner Vorgänger recycle. Er sei eine „Mischung“ alter Texte und baue nicht auf dem polnischen Kompromissvorschlag auf. Der dänische Vorschlag enthält unter anderem eine obligatorische Massenüberwachung privater und auch verschlüsselter Nachrichten, ein automatisches Scannen von Bildinhalten und die besonders fehleranfällige automatische Erkennung von Grooming.

Genau diese Elemente sind Grund für die breite Kritik und die mittlerweile langjährige Gegenposition der Gegnerländer. Dennoch möchte Dänemark laut Zeitplan am 14. Oktober eine Einigung erzielen.



Source link

Beliebt

Die mobile Version verlassen