Connect with us

Künstliche Intelligenz

VR ohne Übelkeit: Wie sich Motion Sickness vermeiden lässt


Menschen möchten Virtual-Reality-Welten so erkunden, wie sie es aus Videospielen gewohnt sind. Doch während für echte Fortbewegung meist der Platz fehlt, bringt die virtuelle Fortbewegung für viele ein ganz anderes Problem mit sich: Übelkeit, Schwindel, Kopfschmerzen. Wer VR-bedingte Motion Sickness erlebt hat, weiß, wie schnell aus Faszination Frust werden kann. Auch wenn die Beschwerden nach einiger Zeit von selbst abklingen, hinterlässt die Erfahrung oft einen bleibenden Eindruck.

Das Problem ist weitverbreitet: Laut einer deutschen Studie aus dem Jahr 2021 haben rund zwei Drittel der Personen, die VR-Erfahrung haben, schon einmal Motion Sickness erlebt. Sie war zudem das mit Abstand am häufigsten genannte Hindernis bei der Nutzung von Virtual Reality. Die Ergebnisse legen nahe, dass Motion Sickness noch immer ein großes Problem für die VR-Branche darstellt und die Verbreitung der Technologie hemmt.

Besonders häufig betroffen sind Einsteiger, die VR zum ersten Mal ausprobieren und sich danach für lange Zeit oder dauerhaft davon abwenden. Das ist bedauerlich, da sich das Risiko mit etwas Vorwissen deutlich verringern lässt. Dieser Ratgeber erklärt das Phänomen und vermittelt, wie man Motion Sickness vermeiden kann.

Motion Sickness bezeichnet in diesem Ratgeber ein vorübergehendes körperliches Unwohlsein, das durch die Nutzung von VR-Headsets verursacht wird. Zu den Symptomen zählen Übelkeit, Schwindel, Benommenheit, Kopfschmerzen, übermäßiges Schwitzen, Blässe und in schweren Fällen sogar Erbrechen.

Der aus dem Englischen stammende Begriff „Motion Sickness“ ist unpräzise und umfasst mehr als nur VR-bedingtes Unwohlsein. Unter ihn fallen etwa auch Phänomene wie Seekrankheit. Auch wenn eine Ähnlichkeit zwischen verschiedenen Formen von Motion Sickness besteht, können sich Ursachen und Symptomatik unterscheiden. In der wissenschaftlichen Literatur wird daher meist der Begriff „Cybersickness“ verwendet, wenn speziell VR-bedingtes Unwohlsein gemeint ist.

Eine direkte Übersetzung dieses Begriffs ins Deutsche ist schwierig: „Cyberkrankheit“ oder „VR-Krankheit“ klingen nach einer chronischen Beschwerde, während Motion Sickness in Wirklichkeit eine akute Reaktion des Körpers ist. „VR-Übelkeit“ greift ebenfalls zu kurz, da der Ausdruck nur eines von vielen Symptomen benennt. „VR-Unwohlsein“ trifft das Phänomen noch am ehesten. Da sich jedoch „Motion Sickness“ im Deutschen als gebräuchlichster Begriff etabliert hat, verwenden wir nachfolgend diesen Ausdruck, wenn wir VR-bedingtes Unwohlsein meinen.

Motion Sickness ist ein komplexes Phänomen, dessen Ursachen wissenschaftlich nur teilweise geklärt sind. Der bekannteste und zugleich plausibelste Erklärungsansatz ist die Sensory-Conflict-Theorie.

Motion Sickness tritt am häufigsten auf, wenn sich Nutzer virtuell durch eine VR-Umgebung bewegen, während sie im realen Leben sitzen oder stehen. Dabei entsteht ein sensorischer Konflikt zwischen der Bewegung, die die Augen wahrnehmen, und dem Stillstand, den das vestibuläre System – also der Gleichgewichtssinn – registriert. Dass Menschen dabei schlecht wird, lässt sich unter anderem evolutionär erklären: Der Körper interpretiert die Wahrnehmungskonflikte als Anzeichen einer Vergiftung und verursacht Übelkeit, um das vermeintliche Gift durch Erbrechen auszuscheiden.


Zeichnung eines VR-Nutzers und seines rennenden Roboter-Avatars.

Zeichnung eines VR-Nutzers und seines rennenden Roboter-Avatars.

Virtuelle Fortbewegung ist befreiend, aber auch die häufigste Ursache für Motion Sickness.

(Bild: Meta)

Eine Schwäche dieser Theorie ist, dass sie viele, aber längst nicht alle Ursachen für Motion Sickness erklärt, die außerhalb solcher Wahrnehmungsszenarien auftreten kann. Wie sich gleich zeigen wird, können bei VR-bedingtem Unwohlsein auch rein technische sowie individuelle Faktoren eine Rolle spielen. Menschen reagieren überhaupt sehr unterschiedlich auf Virtual Reality: Manche verspüren schon bei schwachen Reizen Unwohlsein, während andere selbst bei intensiver virtueller Fortbewegung keinerlei Symptome entwickeln. Diese Vielfalt an Ursachen und individuellen Reaktionen macht die Erforschung von Motion Sickness zu einer großen Herausforderung, die verschiedene Erklärungsansätze erfordert.

Auch das Fehlen standardisierter Metriken ist ein Problem. Wissenschaftlich wird Motion Sickness mit sehr unterschiedlichen Methoden erfasst: durch Fragebögen wie den „Virtual Reality Symptom Questionnaire“ (VRSQ), durch biometrische Messverfahren wie Herzfrequenzvariabilität-Monitore (HRV) und Eye-Tracking-Systeme und neuerdings auch durch KI-gestützte Analysen biometrischer und neurophysiologischer Signale. Der Mangel an vergleichbaren großen Datenmengen hemmt sowohl die genaue Messung von Motion Sickness als auch die Entwicklung verallgemeinerbarer Modelle.

Die Forschungslage ist aufgrund zahlreicher Veröffentlichungen schwer zu überblicken. Eine Übersicht bietet die 2024 erschienene, frei im Internet verfügbare Arbeit „Are you feeling sick? – A systematic literature review of cybersickness in virtual reality„. Sie wertet 223 Studien aus und fasst die in über 30 Jahren Forschung identifizierten Ursachen und Gegenmaßnahmen für VR-bedingtes Unwohlsein zusammen.

Die Forscher unterscheiden zwischen internen und externen Faktoren. Interne Faktoren sind personenspezifisch, also individuell. Darunter fallen unter anderem Alter, Geschlecht sowie körperliche und emotionale Verfassung. Während das Alter nachweislich Einfluss auf die Anfälligkeit für Motion Sickness hat, ist umstritten, ob auch das Geschlecht eine Rolle spielt. Schlechter Schlaf, neurologische Beeinträchtigungen und negative Emotionen können nach einigen Studien das Auftreten von Motion Sickness begünstigen.


Eine Taxonomie der Ursachen von Motion Sickness.

Eine Taxonomie der Ursachen von Motion Sickness.

Die in der Forschungsarbeit vorgeschlagene Taxonomie der Ursachen von Motion Sickness.

(Bild: Nilotpal Biswas et al.)

Die externen Faktoren unterteilen die Forscher in Hard- und Software. Bei der Hardware spielen Werte wie Auflösung, Bildrate, Latenz und Sichtfeld eine Rolle. Eine Studie legt nahe, dass Auflösungen ab 2K keinen Einfluss mehr auf Motion Sickness haben, während eine andere 120 Hertz als „wichtige Schwelle“ für deren Vermeidung bezeichnet. Während aktuelle Headsets wie die Meta Quest 3 diese Auflösung erreichen, laufen die meisten VR-Spiele aus Leistungsgründen mit 90 oder sogar nur 72 Hertz und damit unter diesem Wert. Bei der Latenz, also der Verzögerung zwischen einer Eingabe und ihrer visuellen Umsetzung, gilt ein Wert von 20 Millisekunden als Goldstandard. Liegt er deutlich darüber, steigt das Risiko für Motion Sickness. Auch wenn sich VR-Hardware in den vergangenen zehn Jahren stark weiterentwickelt hat und ihr Einfluss auf Motion Sickness deutlich verringert wurde, ist sie längst nicht perfektioniert und wird auf absehbare Zeit ein Faktor bleiben.

Der häufigste und stärkste Auslöser für Motion Sickness ist aber nach wie vor die Software, also die Inhalte, die VR-Nutzer erleben. Auf ihre Rolle gehen wir im folgenden Praxisteil des Ratgebers näher ein.

Veraltete Technik kann Motion Sickness begünstigen. Beim Kauf eines VR-Headsets sollte man daher möglichst ein aktuelles Modell wählen. So ist sichergestellt, dass Auflösung, räumliches Kopftracking, geringe Latenz und eine Bildrate von mindestens 90 Hz den empfohlenen Standards entsprechen. Veraltete Billiglösungen, bei denen das Smartphone in eine Halterung eingesetzt wird und als Display dient, sind aufgrund unzureichender Leistungsmerkmale berüchtigt dafür, Motion Sickness auszulösen.


Abbildung der Samsung Gear VR mit Controller vor weißem Hintergrund.

Abbildung der Samsung Gear VR mit Controller vor weißem Hintergrund.

Von uralten Lösungen wie Google Cardboard und Samsung Gear VR sollte man die Finger lassen.

(Bild: Samsung)

Das heißt im Umkehrschluss nicht, dass aktuelle VR-Technik frei von Schwächen ist: Quest 3S etwa bietet im Gegensatz zu Quest 3 keine präzise Anpassung des Linsenabstands an den individuellen Augenabstand, was bei starker Abweichung Motion Sickness begünstigen kann. Playstation VR2 wiederum weist bei maximaler Displayhelligkeit eine leichte Bewegungsunschärfe auf und setzt in manchen Spielen eine Rendertechnik ein, die Ghosting verursacht. Beides sind Effekte, die bei empfindlichen Personen Motion Sickness auslösen können. Letztlich hilft nur, die Geräte selbst auszuprobieren.

Motion Sickness entsteht, wie bereits erwähnt, meist dann, wenn sich Nutzer virtuell durch eine VR-Umgebung bewegen, während sie im realen Leben sitzen oder stehen, also eine Diskrepanz zwischen echter und virtueller Fortbewegung herrscht. Dabei spielt es keine Rolle, ob die virtuelle Fortbewegung per Analogstick oder Knopfdruck ausgelöst wird oder die virtuelle Welt ohne eigenes Zutun an Spielern vorbeizieht. Für den Einstieg sollte man daher Erfahrungen und Spiele meiden, bei denen solche Effekte stark ausgeprägt sind, etwa temporeiche Ego-Shooter oder virtuelle Achterbahnfahrten.


Erste-Person-Perspektive auf die steile Abfahrt einer roten Achterbahn über eine tropische Insel im azurblauen Meer.

Erste-Person-Perspektive auf die steile Abfahrt einer roten Achterbahn über eine tropische Insel im azurblauen Meer.

Virtuelle Achterbahnfahrten sind nicht für den Einstieg in VR geeignet.

(Bild: B4T Games, Epic Roller Coasters)

Bei 180- und 360-Grad-Videos empfiehlt es sich, Filme mit unbewegter Kamera zu wählen. Da die Blickperspektive, anders als in VR-Apps, fest definiert ist, sind räumliche Kopfbewegungen möglichst zu unterlassen. Andernfalls kann auch hier eine Diskrepanz entstehen: In diesem, dem normalen Fall entgegengesetzten Szenario registriert der Gleichgewichtssinn Bewegung, während die Augen keine Bewegung wahrnehmen.


Zwei Bilder, die die Komfort-Stufen und die zusätzlichen Details einer VR-App im Quest Store zeigen.

Zwei Bilder, die die Komfort-Stufen und die zusätzlichen Details einer VR-App im Quest Store zeigen.

Die Komfortstufen-Orientierung versteckt sich unter den „Zusätzlichen Details“ einer App im Quest Store.

(Bild: tobe)

Meta bietet im Quest Store eine Komfortstufen-Orientierung für VR-Apps an, die von „Angenehm“ über „Moderat“ bis „Intensiv“ reicht. Es lohnt sich daher, vor dem Kauf einer VR-App einen Blick darauf zu werfen. Der PlayStation Store und Steam verfügen über kein standardisiertes Komfortbewertungssystem. In diesen Fällen können Tests in Online-Publikationen oder auf YouTube Orientierung geben.

VR-Entwickler haben Umwege und Tricks erfunden, die es VR-Nutzern ermöglichen, virtuelle Welten auch dann komfortabel zu erkunden, wenn reale und virtuelle Fortbewegung nicht übereinstimmen.

Viele VR-Spiele bieten neben fließender Fortbewegung per Analogstick auch Teleportation an, da das Springen von Punkt zu Punkt deutlich seltener Motion Sickness verursacht. Soll die virtuelle Fortbewegung unbedingt fließend sein, lässt sich in der Regel ein Tunnelblick aktivieren. Die Verengung des Sichtfelds ist eine der wirksamsten Maßnahmen gegen Motion Sickness. Virtuelle Drehungen um die eigene Achse werden für die meisten Menschen verträglich, wenn sie sprunghaft in Schritten von 30 oder 45 Grad erfolgen. Kompromissfrei ist keine dieser Lösungen, da sie mit Einbußen bei der Immersion verbunden sind.


Ein VR-Ingame-Menü, das Komfortoptionen zeigt.

Ein VR-Ingame-Menü, das Komfortoptionen zeigt.

Beispielhafte Komfortoptionen aus dem VR-Spiel „Batman: Arkham Shadow“.

(Bild: tobe)

Die meisten modernen VR-Spiele bieten zahlreiche Optionen, mit denen sich die Spielerfahrung an die individuelle Verträglichkeit anpassen lässt. Diese auszuprobieren und die eigenen Grenzen kennenzulernen, ist für Einsteiger unerlässlich und kann den Unterschied zwischen unbeschwerter VR und lähmender Motion Sickness machen.

Über diese Techniken hinaus haben VR-Entwickler eine schier unüberschaubare Zahl virtueller Fortbewegungsarten erfunden: Die Online-Datenbank Locomotion Vault listet mehr als 100 verschiedene Ansätze, viele davon mit dem Ziel, Motion Sickness vorzubeugen. Es lohnt sich daher, verschiedene VR-Spiele und ihre jeweiligen Fortbewegungsarten auszuprobieren. Man kann im Vorhinein nie wissen, was einem persönlich am besten zusagt.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmung wird hier ein externes YouTube-Video (Google Ireland Limited) geladen.

In Spielen wie „Racket Club“ entspricht jede virtuelle Bewegung einer realen Bewegung, was das Risiko von Motion Sickness minimiert.

Doch selbst wer keinerlei virtuelle Fortbewegung verträgt, muss nicht auf VR verzichten: Es gibt zahlreiche Spiele, die ganz ohne auskommen, darunter Klassiker wie Beat Saber, Job Simulator und Superhot VR. Ob im Sitzen, Stehen oder Herumgehen im eigenen Raum („Roomscale-VR“): Jede virtuelle Bewegung entspricht hier der realen, was das Risiko von Motion Sickness deutlich reduziert.

Beim direkten Umgang mit Motion Sickness gilt es, einige wichtige Punkte zu beachten. Studien zeigen, dass sich Symptome verstärken, je länger am Stück sich Nutzer VR-Inhalten aussetzen, die Beschwerden hervorrufen. Deshalb sollte man Symptome nie „auszusitzen“ versuchen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass das Gehirn durch Konditionierung Virtual Reality mit Motion Sickness verknüpft, was den VR-Konsum langfristig erschweren kann. Für empfindliche Personen sind daher kurze VR-Sitzungen und regelmäßige Pausen zu empfehlen.

heise online XR-Briefing abonnieren

Demnächst neu: Jeden zweiten Montag, liefern wir Ihnen die wichtigsten Entwicklungen der XR-Branche. Damit Sie alles im Blick behalten.

E-Mail-Adresse

Ausführliche Informationen zum Versandverfahren und zu Ihren Widerrufsmöglichkeiten erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Positiv stimmt, dass Forschungsergebnisse auf einen möglichen Gewöhnungseffekt hindeuten: Studien zeigen, dass Personen mit VR-Vorerfahrung seltener Symptome entwickeln als völlige Neulinge und dass die Intensität der Symptome nach wiederholten Erfahrungen allmählich abnehmen. Die Forscher empfehlen anfälligen Menschen kurze Sitzungen bis zum Auftreten erster Beschwerden, gefolgt von schrittweise längeren Einheiten nach vollständiger Erholung. Eine Gewöhnung ist jedoch ein langfristiger Prozess ohne Erfolgsgarantie. Wichtig bleibt daher, die eigenen Grenzen zu respektieren.

Die Forschung zählt eine Reihe von Hilfsmitteln auf, die Symptome lindern können: Ingwer, frei verkäufliche Medikamente und Akupressur-Armbänder gegen Übelkeit, Kaugummi und sogar Alkohol. Experimentellen Studien zufolge können auch Pfefferminzduft, spezielle Atemübungen und angenehme Musik helfen, Motion Sickness vorzubeugen. Nutzer sollten sich jedoch bewusst sein, dass diese Maßnahmen lediglich die Symptome lindern, nicht aber die Ursachen für Motion Sickness beseitigen.

Für PC-VR-Nutzer gibt es das Software-Tool OVR Locomotion Effect, das einen Tunnelblick simuliert, falls VR-Apps diesen nicht von Haus aus unterstützen. Mithilfe von Natural Locomotion können sich Nutzer durch Laufen auf der Stelle und Schwingen der Arme durch virtuelle Welten bewegen. Beide Methoden können helfen, Motion Sickness zu vermeiden.


Eine Frau mit VR-Brille sitzt in einer schalenartigen Bewegungsplattform.

Eine Frau mit VR-Brille sitzt in einer schalenartigen Bewegungsplattform.

Für ein beschwerdefreies VR-Erlebnis braucht es keine ausgefallene Hardware.

(Bild: Yaw VR)

Auf Hardware-Seite wurden zahlreiche Ansätze gegen Motion Sickness erprobt: von Laufmaschinen, Bewegungsplattformen und rotierenden Stühlen über motorisierte VR-Schuhe bis zu vibrierenden Gurten und Kopfbändern, die den Gleichgewichtssinn passend zur virtuellen Bewegung stimulieren. Doch keine dieser Lösungen hat sich bislang durchgesetzt.

Ein Wundermittel gegen Motion Sickness gibt es nicht, dafür ist das Phänomen zu komplex und individuell. Wer jedoch das Medium und die eigenen Grenzen gut kennt, kann sich wirksam davor schützen.


(tobe)



Source link

Künstliche Intelligenz

Jetzt auch Google: Konzern geht gegen ICE-Tracking-Apps vor


Nach Apple jetzt auch Google: Das Unternehmen hat eine App aus seinem Play Store entfernt, die dazu diente, Aufenthaltsorte von Beamten der US-Einwanderungs- und Zollbehörde „Immigration and Customs Enforcement“ (ICE) zu melden und will das auch bei ähnlich gelagerten Fällen tun. Bereits zuvor hatte Apple die App „ICEBlock“ auf Druck der US-Regierung aus seinem App-Store entfernt. Damit können Nutzer verdächtigte ICE-Aktivitäten und -Standorte in ihrer Umgebung anonym melden und gegenseitig Warnungen austauschen. Google hat nach eigenen Angaben aber keine solche Aufforderung der Regierung erhalten, sondern beruft sich auf seine eigenen Richtlinien.

Im Falle von Google ging es nicht um „ICEBlock“, sondern um eine ähnliche App namens „Red Dot“. Das hat das Unternehmen gegenüber 404 Media bestätigt. Demnach seien auch Apps entfernt worden, welche „den Aufenthaltsort vulnerabler Gruppen preisgeben, nachdem es im Zusammenhang mit solchen Apps zu gewalttätigen Übergriffen gegen diese Gruppen kam“, wie Google ausführt.

„Red Dot“ soll ganz ähnlich wie „ICEBlock“ funktionieren. Letztere ermöglicht es Nutzern, Sichtungen von ICE-Beamten in einem Radius von acht Kilometern zu melden und auf einer Karte einzusehen. Die Plattform zählte vor ihrer Entfernung aus dem App Store über 1,1 Millionen Nutzer, auch nach einem Hype aufgrund von Regierungskritik.

Erst am Donnerstag hatte Apple die „ICEBlock“ aus seinem App Store und laut dem Tech-Magazin „TheVerge“ auch „Red Dot“ entfernt, offiziell wegen eines Verstoßes gegen die Richtlinien zu anstößigen Inhalten. Der Entwickler der App wies diese Vorwürfe als haltlos zurück und will sich gegen den Schritt wehren. Auf der Webseite von „ICEBlock“ stellt das Team klar, dass die App zurzeit allgemein nicht zum Download verfügbar sei.

Dass die Initiative nicht nur von Apple selbst kam, machte US-Generalstaatsanwältin Pam Bondi deutlich. Sie bestätigte gegenüber einem US-Fernsehsender, dass das US-Justizministerium Apple direkt zur Entfernung der App aufgefordert habe – mit Erfolg. Bondi bezeichnete die Anwendung als ein gefährliches Werkzeug, das die Arbeit der ICE-Beamten gezielt behindere.

Zuvor hatte bereits die US-Heimatschutzministerin Kristi Noem die App laut als eine Form der Justizbehinderung kritisiert. Sie vertrat sogar die Ansicht, dass ICEBlock nicht unter den Schutz der Meinungsfreiheit des ersten Verfassungszusatzes falle.

Google beteuert indes gegenüber 404 Media, keinen Druck vom Justizministerium erhalten zu haben. Apps mit hohem Missbrauchsrisiko würden grundsätzlich gesperrt. Apps mit nutzergenerierten Inhalten müssten zudem bestimmte Anforderungen an Content-Moderation erfüllen, was bei „Red Dot“ nicht der Fall gewesen sei. „ICEBlock war nie bei Google Play verfügbar, aber wir haben ähnliche Apps wegen Verstößen gegen unsere Richtlinien entfernt“ heißt es von Google demnach weiter.

Auch die Macher von „Red Dot“ haben auf die Entwicklungen reagiert. Auf der Webseite der App stellen sie klar, dass die App nicht dazu dient, ICE-Beamte in Echtzeit zu verfolgen oder persönliche Daten zu speichern und zu verarbeiten. Weiter heißt es: „Wir lehnen Belästigungen oder Gewalt gegen Menschen kategorisch ab und handeln in voller Übereinstimmung mit lokalen, staatlichen und bundesstaatlichen Gesetzen.“


Update

05.10.2025,

18:14

Uhr

Kristi Noem ist seit diesem Jahr US-Heimatschutzministerin und nicht mehr Gouverneurin von South Dakota. Wir haben ihr Amt im Artikel korrigiert und bitten den Fehler zu entschuldigen.


(nen)



Source link

Weiterlesen

Künstliche Intelligenz

Top 5: Die besten Multiroom-Lautsprecher von Sonos, Teufel, Yamaha & Co. im Test


Denon Home 350 im Test: Multiroom mit Hifi-Sound

Denon liefert mit dem Home 350 eine vergleichsweise große Multiroom-Anlage mit zahlreichen Anschlüssen und gutem Sound.

VORTEILE

  • guter Klang
  • viele Anschlüsse
  • Heos bietet große Produktauswahl
  • benutzerfreundliche App

Denon liefert mit dem Home 350 eine vergleichsweise große Multiroom-Anlage mit zahlreichen Anschlüssen und gutem Sound.

Eine Alternative zur Konkurrenz wie Sonos – das will Denon mit dem Heos-System Home 350 liefern. Im Test zu Heos (Testbericht) gefiel uns vor allem die Flexibilität. Es gibt eine riesige Produktauswahl und, anders als bei Sonos, kann man bestehende Systeme über einen neuen Verstärker einbinden. Wir haben den Multiroom-Speaker getestet.

Design

Selbst mit abgerundeten Kanten und dezentem, grauem Stoffbezug ist der Denon Home 350 mit 380 x 225 x 180 mm und 6,3 kg Masse nicht zu übersehen und zu überhören. Auf einer schwarzen, wahlweise weißen, spiegelnden Oberseite sind die Bedienelemente Lauter/Leiser, Start/Stopp sowie sechs Programmtasten eingelassen. Sie werden sichtbar, sobald man eine Hand über den Lautsprecher bewegt und sind so auch bei schwacher Beleuchtung gut erkennbar.

Der Bezug ist laut dem Hersteller wasser- und schmutzabweisend und der Lautsprecher soll damit auch für Küche und Bad geeignet sein. Tatsächlich wird sich dort vermutlich gar nicht genug Platz für das gute Stück finden. Auch auf dem Nachttisch findet er nur Platz, wenn man etwas in der Größe eines mittelgroßen Radios dort unterbringen kann. Am Schreibtisch wiederum sollte er aus akustischen Gründen in der Mitte stehen, wo sich aber normalerweise bereits der Monitor befindet.

Ausstattung, Installation und Betrieb

Auf der Unterseite präsentiert sich ein Gewinde zur Aufhängung, auf der Rückseite Anschlüsse für 230 V, Analog in, einen USB-Stick, zwei Knöpfe, um Bluetooth- oder WLAN-Koppelung anzustoßen, sowie ein Ethernet-Anschluss. Damit kann der Lautsprecher ohne das eingebaute 2,4- und 5-GHz-WLAN für Streaming und Internet-Radio genutzt werden.

Die meisten Funktionen werden über die Heos-App gesteuert, Spotify und Analogeingang sind ebenso wie die Programmtasten auch ohne Smartphone und App zugänglich. Zur Einrichtung wird ebenso die App genutzt, allerdings muss man am Lautsprecher den richtigen Knopf, nämlich den zur WLAN-Kopplung, drücken. Zur Nutzung des LAN sind sehr detaillierte Einstellungen möglich, damit das auch klappt. Die Schnellstartanleitung hilft hier allerdings nicht weiter und die ausführliche Anleitung, die jedoch auch nicht alles verrät, ist online als Webversion zu laden – der PDF-Download funktionierte zum Testzeitpunkt allerdings nicht.

Zunächst ist ein Firmware-Update des Lautsprechers fällig, währenddessen, wie üblich, Lautsprecher und App unbedienbar sind. Da dies etwas dauern kann, wird angeboten, das auf die Nachtstunden zu verschieben.

Danach übernimmt die App nicht nur das Streamen von Radiosendern über Tune-In oder von Musikdiensten wie Tidal, sondern auch das Streamen von Musikservern, USB-Port oder Analogeingang. So ist auch hier Multiroom-Betrieb möglich. Dazu müssen nur in der App die zu koppelnden Lautsprecher aufeinander geschoben werden – allerdings sollte man dies zuerst machen und erst dann die Musikwiedergabe starten, wenn es wichtig ist, dass die Musik auf allen Lautsprechern synchron spielt.

Spotify wird zwar über die App bedient, greift dann aber direkt auf den Lautsprecher zu. Qobuz kann auf Android-Geräten derzeit ohne externe Hilfsmittel wie den Musikserver Roon nicht im Multiroom-Betrieb gestreamt werden, sondern nur einzeln über Bluetooth. Für die Android-Version gilt dies auch für Apple Music, was aber eher auf Apple-Geräten genutzt wird, bei denen dann Apple Airplay zur Verfügung steht. Auch Podcast-Software kann nur über Bluetooth genutzt werden.

Die Folge der Integration in die Heos-App ist, dass bei Tune-In eine eigene Bedienoberfläche genutzt wird, die etwa bei der Suche nach Radio Caroline zuerst einige Fake-Stationen listet sowie Podcasts über Radio Caroline. Man kann dann aber den Sender, wenn man ihn erfolgreich gefunden hat, in einer Favoritenliste ablegen – und auf den Programmtasten am Lautsprecher selbst.

Die Sender sind dann direkt über Programmtasten zugänglich, wie bei einem „richtigen“ Radio und dies fast ebenso schnell: Während die meisten Geräte und Apps Internetstationen erst mit deutlicher Verzögerung abspielen, um einige Sekunden Stream zu puffern, und dann dank Tune-in oft noch zwei Werbeblöcke vorschalten, die man spätestens beim dritten Programmwechsel auswendig kennt, wechselt das Programm hier mit nur geringer Umschaltpause und nur gelegentlicher Werbe-Pre-Roll. Das ist klasse, denn man kann dadurch schnell umschalten, wenn einem ein Musikstück missfällt. Will man Taste 1 wie ab Werk eingestellt zur Auswahl des Analog-Eingangs verwenden, bleiben immerhin „Stationstasten“.

In der App lassen sich alle Programmquellen ausblenden. Praktisch, wenn es um Musikdienste geht, bei denen man ohnehin keinen Account hat, aber ungeschickt, wenn man aus Versehen das eigene Smartphone, Musikserver, USB-Port oder Analogeingang ausblendet und sich dann wundert, wo die Musikdateien abgeblieben sind.

Klang: Ausgewogene Klein-Stereoanlage

Im Denon Home 350 sind zwei Dreiwege-Lautsprechersysteme integriert, was zumindest auf kürzere Entfernung für sauberen Stereoklang sorgt. Eingebaut sind zwei 165-mm-Tieftöner, zwei 51-mm-Mitteltöner und zwei 19-mm-Hochtöner. Der Denon Home 350 liefert damit deutliche Bässe mit den bassreflex-typischen Überhöhungen, die hier jedoch dezent ausfallen, zumal in der App eingestellt werden kann, ob der Lautsprecher frei stehend platziert ist (also beim Bass voll hereinhauen darf), in einem Regal steht (wo dies schon weniger angebracht ist) oder gar in einer Ecke (wo es fürchterlich dröhnt, wenn die Bässe nicht reduziert werden).

Sollte es nicht genug rumsen, kann der Lautsprecher auch mit Subwoofern und Soundbars aus demselben Sortiment kombiniert werden. Dabei sind auch Stereo- und Mehrkanal-Kopplung möglich, man kann also auch zwei Denon Home 350 als Stereo-Paar betreiben, um eine größere Stereo-Basis zu erzielen.

Die Mitten sind klar, nur die Höhen sind je nach Programmquelle noch eingeschränkt: Bei Bluetooth fehlt für Android-Nutzer auch hier leider wieder einmal der aptX-Codec. Eine Ausgangsleistung gibt Denon auch auf Nachfrage nicht an, nur die elektrische Eingangsleistung mit maximal 25 W für alle Lautsprechersysteme zusammen. Für brüllende Party-Lautstärke ist die Box also nicht konstruiert, aber auch zu schade.

Preis

Die UVP des Denon Home 350 liegt bei 629 Euro. Aktuell kostet der Multiroom-Speaker rund 421 Euro. In begrenzter Stückzahl ist er sogar für 390 Euro auf Ebay erhältlich.

Fazit

Der Denon Home 350 liegt mit 421 Euro im oberen Preissegment, enthält dafür aber zwei komplette Lautsprechersysteme zur Stereowiedergabe. Hat man einen geeigneten Aufstellungsplatz mit wenig Abstand zum Hörenden, ist er damit nur geringfügig teurer als zwei einzelne, dann aber deutlich kleinere Denon Home 150 und bietet die doppelte Anzahl Programmtasten. Wer bereit ist, den hohen Preis zu zahlen, macht mit dem Denon Home 350 wenig falsch.



Source link

Weiterlesen

Künstliche Intelligenz

3 Jahre DSA: Forscher starten „Massenanfrage“ bei Facebook, X & Co.


Am 4. Oktober 2025 jährte sich die formelle Zustimmung des EU-Rates zum Digital Services Act (DSA) zum dritten Mal. Die zivilgesellschaftliche Organisation AlgorithmWatch sieht in dem Gesetz, das Online-Plattformen strengere Regeln auferlegt, zwar einen wegweisenden Schritt. Die Umsetzung in der Praxis bleibe aber mangelhaft. Anlässlich des Jubiläums hat die NGO daher gemeinsam mit der Mozilla Foundation und dem DSA40 Data Access Collaboratory eine koordinierte „Massenanfrage“ an die Betreiber sehr großer Online-Plattformen wie Facebook, Instagram, X, TikTok, YouTube und LinkedIn ins Leben gerufen.

Ziel der Aktion ist es laut einer Erklärung der Initiatoren, täglich eine Übersicht der am stärksten viral gehenden Beiträge in jedem EU-Mitgliedstaat zu erhalten. Diese Daten sollen es zivilgesellschaftlichen Organisationen ermöglichen, schnell zu erkennen, welche Inhalte – mit Fokus auf Desinformation oder schädliche Narrative – durch die Plattform-Algorithmen am stärksten gepusht werden und so potenziell auch die größte Wirkung im öffentlichen Diskurs entfalten.

Die rechtliche Basis für diese Forderung findet sich im DSA selbst: Die Verordnung verpflichtet sehr große Plattformen, öffentliche Daten „ohne unangemessene Verzögerung“ für die Forschung zugänglich zu machen. Trotz dieser klaren Ansage klafft laut Oliver Marsh, der bei AlgorithmWatch für die Technologieforschung zuständig ist, eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit. In Kraft getreten ist das Plattform-Gesetz im November 2022, wobei bei der Anwendbarkeit aber Übergangsregeln galten.

Die beteiligten NGOs kritisieren drei Hauptprobleme: Viele große Tech-Unternehmen, insbesondere X, weigerten sich regelmäßig, die geforderten Informationen herauszugeben. Das betreffe etwa ein Projekt zu Non-consensual Sexualization Tools (NSTs), die auch als „Nudifying-Apps“ bekannt sind. Dabei handelt es sich um Software, die meist mithilfe von KI ohne Zustimmung einer Person realistische, sexualisierte oder entblößende Bilder von ihr erstellt.

Auch andere Betreiber wie Meta (Facebook und Instagram) sowie TikTok lieferten in der Vergangenheit oft nur Daten von geringer Qualität oder stellten enorme Hürden auf. Die ebenfalls im DSA vorgeschriebenen regelmäßigen Bewertungsberichte der Plattformen, die eigentlich systemische Risiken aufzeigen sollen, halten die Initiatoren zudem für nutzlos.

Weiterer Kritikpunkt: Aktuelle Entwicklungen wie die KI-Zusammenfassungen in Suchmaschinen wie Google fänden im Rahmen des DSA bisher keine Berücksichtigung. Diese Überblicke direkt über den Ergebnislisten zögen Traffic von Nachrichtenquellen ab und gefährdeten so das Geschäftsmodell des Qualitätsjournalismus.

Die Organisationen betonen ihre Bereitschaft, eine Ablehnung ihrer Datenanfragen durch die Tech-Konzerne postwendend rechtlich anzufechten. Generell sei es wichtig, dass der DSA als Instrument zur demokratischen Kontrolle existiere. Die Verordnung bleibe aber eine Baustelle. Marsh hofft, dass deren Potenziale bis zum nächsten Geburtstag besser ausgeschöpft werden können. Die effektive Anwendung des DSA sei angesichts der wachsenden Risiken durch intransparente Algorithmen und der Annäherung von Tech-CEOs an antidemokratische Kräfte in Europa und den USA von entscheidender Bedeutung.


(nen)



Source link

Weiterlesen

Beliebt