Digital Business & Startups
Wie wir ohne Investoren 25 Millionen Umsatz machen – sechs Lektionen
Mit Mozart Bett haben wir in nur drei Jahren ein E-Commerce-Unternehmen mit einem Umsatz von 25 Millionen Euro aufgebaut – komplett eigenfinanziert. Unser Erfolgsrezept: Bootstrapping, sperrige und komplexe Produkte wie Boxspringbetten und ein kompromisslos datengetriebener Ansatz. Bevor ich auf sechs zentrale Learnings eingehe, möchte ich Persönliches teilen: Eigenschaften, die mich als Mitgründer mehrerer E-Commerce-Unternehmen geprägt haben. Eigenschaften, die oft den Unterschied machen.
Erstens: Meine Verkaufs-DNA – der Wille, zu überzeugen, zu verhandeln und das Produkt zu vertreten. Zweitens ist es mein echtes Interesse an Menschen und ihren Motiven. Warum kaufen sie? Diese Frage beschäftigt mich seit meiner Kindheit. Drittens: Pragmatischer Optimismus. An den Erfolg glauben, aber stets brutal realistisch bleiben. Viertens: Finanzielle Weitsicht. Jede Entscheidung im Licht langfristiger Kapitalplanung treffen. Das Wichtigste: Erfolg ist immer Teamarbeit. Entscheidend ist deshalb, die richtigen Mitgründer zu finden – und gute Leute zu gewinnen und zu halten.
Andere Fähigkeiten musste ich mir erst erarbeiten. Ressourcen sparen. Prozesse schlank aufsetzen. Geduldig wachsen. Und: Demut lernen. Daten besiegen das Ego – diese Erkenntnis war für mich sehr wichtig. Rückschläge gehören dazu. Wichtig ist, nicht das schnelle Geld zu suchen, sondern ein stabiles Unternehmen aufzubauen.
Stress und Unsicherheit sind für Gründer Alltag. Ich begegne ihnen analytisch: Was ist schiefgelaufen? Was kann ich lernen? Wer wachsen will, muss auch durch die harten Phasen gehen. Unbequem? Ja. Aber nötig.
Heute teile ich sechs Erkenntnisse, die unser Wachstum nachhaltig und profitabel gemacht haben:
Bootstrapping: Unabhängigkeit schafft Freiheit
Wir wollten kein Geld von Dritten. Das war für uns die richtige Entscheidung. Wer finanziell unabhängig ist, kann frei entscheiden. Das bedeutete: Sofort Umsätze machen, Marketing und IT selbst lernen. Genau das zwang uns, schlank, konzentriert und systematisch zu arbeiten und Risiken besser zu steuern. Wir gründeten nicht in Berlin oder München, sondern in Nordhorn. Mitten in der Provinz, fernab der Startup-Hotspots, haben wir Mozart Bett aufgebaut, eines der erfolgreichsten E-Commerce-Unternehmen Deutschlands. Die Region ist dabei eine große Hilfe, denn sie bringt kluge Köpfe mit Bodenhaftung hervor. Und sie bietet Freiraum, etwas, das den Metropolen fehlt. Unsere Nähe zur Region wurde zu einem stabilen Fundament.
Data schlägt Ego
Ego-Entscheidungen sind riskant. Deshalb haben wir von Anfang an datenbasiert gearbeitet. Ob bei der Kundenansprache, dem Design unserer Anzeigen, der Auswahl der Marketingkanäle oder im Online-Shop: Daten waren unser Kompass.
Gerade im Marketing setzen wir alles konsequent datengetrieben um. Zuerst kam Meta, dann Google. Das wichtigste Learning: Einen Kanal erst sauber aufbauen, durchspielen und optimieren – erst dann folgt der nächste. Wir haben alles selbst gemacht und Know-how im Team aufgebaut. Dabei zählten nicht nur Sales. Wir priorisierten vorgelagerte KPIs: Wie oft wurden Stoffmuster bestellt? Wie oft wurden Entwürfe gespeichert? Diese Mikro-Conversions halfen uns, unsere Zielgruppen besser zu verstehen und sie gezielter anzusprechen.
Einen Fehler erkannten wir jedoch zu spät: Für starke Creatives braucht es viel mehr Produktbilder und Textvarianten. Gerade bei erklärungsbedürftigen Produkten wie Betten muss der Kunde alle Informationen erhalten, die er für eine sichere Kaufentscheidung benötigt. Unser Fokus lag klar auf Performance-Marketing und weniger auf klassischem Markenaufbau. Überraschend gut funktionierten ergänzende Kanäle wie Influencer, Affiliate-Programme und CRM, die wir alle inhouse steuerten. Unsere Überzeugung: Marketing und Vertrieb gehören zusammen. Ohne Vermarktung gibt es kein Wachstum – selbst beim besten Produkt.
Wir investierten viel in die Analyse. Wir begannen mit der Conversion Rate und arbeiteten uns dann tiefer vor, bis hin zu Klickzahlen, Stoffmuster-Bestellungen und gespeicherten Entwürfen. Erst wenn eine KPI “saß”, gingen wir zur nächsten über. Oft widersprachen unsere Daten der Intuition – und lagen trotzdem richtig. Deshalb gilt bei uns: Vertraue nur den Daten, die du selbst strukturiert und qualitätsgesichert hast. Die Qualität der Daten bestimmt die Qualität der Entscheidung.
Empfehlen kann ich AB Lyft, serverseitiges Tracking und Notion als zentrale Plattform. Unser größter Fehler? Dass wir Daten vertrauten, die wir nicht selbst aufgebaut hatten. Datenqualität ist keine einmalige Aufgabe, sondern eine Daueraufgabe. Und sie entscheidet darüber, wie skalierbar dein Geschäft ist.
Komplexe Produkte als Wettbewerbsvorteil
Viele Gründer schrecken vor erklärungsbedürftigen Produkten mit großem technischem und logistischem Aufwand zurück. Für uns war genau das der Reiz: Komplexität nicht als Hürde, sondern als strategischen Vorteil zu begreifen.
Schon in früheren Projekten hatten mein Team und ich mit Produkten wie Rollrasen, Hecken oder Holzelementen zu tun: sperrig, erklärungsbedürftig und nicht per Mausklick zu verkaufen. Doch genau darin liegt Potenzial: Wer solche Produkte erfolgreich digital vertreibt, erschließt Nischen.
Unsere Erfahrungen haben wir gezielt auf Boxspringbetten übertragen. Die Herausforderung, einen Shop für konfigurierbare und schwer zu versendende Produkte zu entwickeln, war für uns kein Hindernis, sondern Antrieb. Wir wollten nicht ins Fahrwasser von Amazon mit seinen standardisierten Abläufen, sondern suchten die operative Komplexität, um darin unseren Vorteil zu finden.
Was viele unterschätzen: Sperrige Produkte benötigen belastbare Logistikpartner und Systeme, die Bestellungen robust abwickeln. Betten müssen durch Treppenhäuser passen, Retouren sind teuer und sowohl Support als auch Buchhaltung wachsen mit dem Volumen. IT und Prozesse müssen mitziehen. Fehler kosten.
Unser Fazit: Wer sich auf schwer digitalisierbare Produkte spezialisiert, profitiert doppelt – durch SEO-Vorteile und echte Marktnischen. Entscheidend sind solide Margen. Das Geschäftsmodell muss sich bereits beim Erstkauf rechnen. Deshalb war für uns von Anfang an klar: Ohne exakte Kalkulation geht nichts.
Teamaufbau: Vertrauen vor Kontrolle
Vertrauen schlägt Kontrolle: Diese Erkenntnis war zentral beim Aufbau unseres Teams. Anfangs verließen wir uns auf unser persönliches Netzwerk, was Tempo brachte und half, auf einer Vertrauensbasis zu starten. Doch mit dem Wachstum des Unternehmens wurde klar: Wir brauchen Strukturen. Wir definierten Prozesse, Rollen und Zuständigkeiten – nicht, um zu kontrollieren, sondern um Verlässlichkeit zu schaffen.
Heute achten wir bei neuen Teammitgliedern vor allem auf drei Eigenschaften: Eigenmotivation, Lernfreude und Problemlösungskompetenz. Wer selbstständig denkt, Verantwortung übernimmt und Neues nicht scheut, ist für ein wachsendes Unternehmen Gold wert.
Unser Team wächst organisch mit. Es ist interdisziplinär aufgestellt und offen für Wechsel: Mitarbeiter können intern neue Rollen finden und sich weiterentwickeln. Das passt zu unserem Bootstrapping-Ansatz.
Langfristige Motivation entsteht durch Verantwortung, Vertrauen und Perspektiven. Und wenn es mal wehtut – was beim Wachsen dazugehört –, ist es gut, auf ein Team bauen zu können, das sich mit den Zielen identifiziert. Was dabei hilft: Regelmäßige Gespräche, lösungsorientierter Austausch und eine gemeinsame Kultur.
Technologie frühzeitig adaptieren
Technologie ist der Motor unseres Wachstums. Struktur ermöglicht Skalierung.
Mit unserer Killer-App, dem Konfigurator für Mozart Boxspringbetten, verschaffen wir uns einen echten Vorsprung. Kunden können ihr Bett schnell, einfach und verständlich individuell zusammenstellen. Die Kaufberatung ist präzise und führt zielsicher zur Entscheidung. Hinter der Oberfläche verbirgt sich eine schlanke, durchdachte IT-Struktur, die alle Bereiche abdeckt: Von der Bestellung über die Produktentwicklung bis hin zum Controlling. Alles greift ineinander.
Von Beginn an setzen wir auf Technologie. Wir nutzen KI-Systeme, planen mit Notion, testen per A/B-Methode und erreichen Kunden über ein datengetriebenes CRM.
Die wichtigste Lektion lautet: Hängt nicht an Tools. Was im D2C funktioniert, kann im B2B scheitern.
Wachstum braucht Struktur: Im Marketing haben wir die Aufgaben aufgeteilt, Prozesse definiert und diese digital abgebildet. Unsere Erkenntnis: Wer früh auf Technik setzt und mutig testet, entwickelt skalierbare Systeme. Standardisierte Abläufe schaffen die Basis – nicht nur für die IT, sondern für das gesamte Unternehmen.
Langsam und nachhaltig wachsen
Langsames, stetiges Wachstum ist oft nachhaltiger als übermäßiges Wachstum. Es ermöglicht eine bessere Steuerung der Finanzen und bewahrt uns vor gefährlichen Wachstumsschmerzen. Von Beginn an haben wir auf solide Liquidität und langfristige Rentabilität gesetzt. Das hat sich ausgezahlt. Der größte Hebel war dabei unser Umgang mit dem Cash-Cycle. Seine Steuerung war unsere größte Herausforderung – und zugleich unser Erfolgsrezept. Um die Kosten zu senken und liquide zu bleiben, setzten wir auf kreative Wege: Wir wuchsen schlank und gezielt, holten junge Talente über Praktika an Bord, bildeten sie aus und stellten sie später fest ein. Wer bei uns arbeitet, übernimmt Verantwortung, denn nur, wer Freiraum hat, kann Spitzenleistungen erbringen. Auch beim Einkauf gingen wir strategisch vor. Preise und Zahlungsziele verhandelten wir mit Blick aufs Ganze. Und wir erinnerten unsere Produkt- und Engineering-Teams regelmäßig daran, dass Wirtschaftlichkeit im Design beginnt.
Was wir aus Fehlern gelernt habe
Nicht alles lief rund – im Gegenteil. Hier sind meine sechs größten Gründerfehler:
- Marketingkosten unterschätzt
Erklärungsbedürftige Produkte treiben die Kosten pro Kunde schnell nach oben. Das kam unerwartet. - Skalierung ist komplex
Ein Shop ist schnell aufgebaut. Doch mit dem finanziellen Wachstum wächst auch der Aufwand – und zwar massiv. - Eigene Sichtbarkeit anfangs vernachlässigt
Ich habe meine Rolle als Marke ignoriert. Dabei schafft Sichtbarkeit Vertrauen, zieht Talente an und stärkt die Marke. - Bootstrapping ist hart
Ohne Fremdkapital kostet jeder Fehler das Doppelte. Es gibt keinen echten “Crash”, aber Dauerstress. - Das Team wurde zu spät vergrößert
Wachstum braucht Köpfe, Hände und Prozesse. Wir haben zu lange gezögert. - Das Kaufmännische anfangs unterschätzt
Controlling, Liquidität und Planung haben wir zu spät ernst genommen. Dabei sind sie der Grundstein für Stabilität.
Was wir gern früher gewusst hätten: Man muss nicht der Erste sein. Nur besser. Wir haben unsere Nische nicht neu erfunden, aber neu gedacht. Wir haben sie einfacher gemacht. Wir haben Kunden zu Mitgestaltern gemacht. Und Glück? Es gibt es – für die, die bereit sind. Wer viel testet, hat mehr Chancen. Wer Chancen erkennt, kann zur rechten Zeit wachsen.
Fazit: E-Commerce schlägt Erfahrung – Daten liefern die besseren Marktkenntnisse
Wer ein Unternehmen gründet, braucht Geduld, Durchhaltevermögen und ein Gespür für Daten. Wer konsequent danach handelt, wächst nicht nur schnell, sondern vor allem nachhaltig und bleibt unabhängig. Besonders Gründer aus klassischen Branchen wie dem Möbelhandel oder dem Gartenbau stehen vor einer Wahl: Entweder sie bleiben Katalogversender – oder sie gestalten den Wandel selbst. Letzteres ist schwer. Es fehlen digitale Standards, es gibt viele Herausforderungen: hohe Kapitalbindung, lange Anlaufphasen, wenig Daten, hohe Retourenquoten. Doch wer die Strukturen durchschaut und technologische sowie operative Exzellenz erreicht, ist im Vorteil. Unsere zentrale Erkenntnis: Wer E-Commerce versteht, ist den klassischen Branchengrößen überlegen, sofern Technik und Daten stimmen. Besonders hilfreich sind datenbasierte Marktanalysen. Sie zeigten uns früh, wo Potenzial lag. So konnten wir aus einer analogen Branche ein digitales Vorzeigeunternehmen machen.
Über den Autor
André Jonker ist ein Seriengründer aus Leidenschaft. Der 31-jährige Betriebswirt hat gemeinsam mit seinem Team mit Mozart Bett bewiesen, wie man ein Online-Business ohne fremdes Kapital in nur drei Jahren auf einen Umsatz von 25 Millionen Euro bringt. Sein Erfolgsrezept: schlanke Prozesse, eine starke Marke und tiefes Digital-Know-how. Jonker ist Mentor bei der Founders League und gibt sein Wissen an junge Unternehmer weiter. Oft stellt er dabei fest, dass zwischen Potenzial und Erfolg im E-Commerce eine Lücke klafft. Diese schließt er mit Rat, Netzwerk und einem Gespür für Synergien. Sein Stil ist praxisnah, erprobt und auf nachhaltiges Wachstum ausgerichtet. Man kennt ihn aus Podcasts wie dem K5-Talk und “E-Commerce, Why Not?” von Snocks, in denen er offen und bodenständig Einblicke gibt. Er ist ein Macher, der lieber Klartext spricht, als Buzzwords zu dreschen.
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SAVE THE DATE: Es erwartet Euch wieder eine faszinierende Reise in die Startup-Szene – mit Vorträgen von erfolgreichen Gründer:innen, lehrreichen Interviews und Pitches, die begeistern. Mehr über Startupland
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Das neue Europa: Weniger Jammern, mehr Milliarden-Startups
Revolut ist 45 Milliarden wert, Mistral wird Zwölf-Horn, Proxima Fusion sammelt 150 Millionen ein: Christoph Klink, Partner beim Frühphasen-Investor Antler, kommentiert die Erfolge der europäischen Tech-Szene.

Eine „insane week“ sei das gewesen, schreiben Beobachter auf Linkedin. Und es stimmt: Europas Startup- und Venture-Szene hatte einen ganz schönen Lauf. Eine schier unfassbare Dynamik – insbesondere, weil doch bisher immer so viel gejammert wurde: Europa ist zu langsam, wer was werden will, muss und Valley, blablablubb.
Und dann das. Ein Recap der vergangenen Tage:
- Revolut, Großbritannien, Finanz- und Super-App, erreicht eine Bewertung von 75 Milliarden US-Dollar – damit zählt das Fintech endgültig zur globalen Top-Liga.
- Mistral AI, Frankreich, Künstliche Intelligenz und Foundation Models, sammelt neue Mittel ein und wird mit knapp unter 12 Milliarden US-Dollar bewertet – ein Rekord-Tempo für europäische KI-Firmen.
- Elevenlabs, UK/Polen, KI-basierte Sprachtechnologie, erzielt einen Jahresumsatz (ARR) von 200 Millionen US-Dollar und wird auf dem Sekundärmarkt bereits mit 6,6 Milliarden US-Dollar gehandelt.
- Reorbit, Finnland, Raumfahrt/Spacetech, erhält eine Finanzierung von 45 Millionen Euro – die größte Space-Runde in Europa ever.
- Proxima Fusion, Deutschland, Fusionsenergie/Deeptech, erweitert seine Series-A-Finanzierungsrunde auf 145 Millionen Euro – ein Meilenstein für europäische Kernfusionstechnologien.
- Framer, Niederlande, Software-Tool für Web- und UI-Design, sammelt 100 Millionen US-Dollar ein, 2 Milliarden Bewertung
- IQM Quantum Computers, Finnland, schießt eine 320 Millionen US-Dollar Finanzierung – und wird damit Unicorn
Christoph Klink, Partner beim globalen Frühphasen-VC Antler und Leiter vom Deutschland-Geschäft, kommentiert den wilden Ritt.
Eine neue Generation von „Rocketships“ – Firmen wie Lovable, Helsing und Mistral, die seit 2020 gegründet wurden und bereits die Schallmauer zum Unicorn durchbrochen haben – beweist, dass auch wir Europäer blitzschnell skalieren können.
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Im Durchschnitt haben europäische Unicorns etwas mehr als sieben Jahre gebraucht, bis sie die Schallmauer durchbrochen haben. Die neue Generation schafft es jetzt sogar in nur zwei Jahren.
So viel Gejammer all die Jahre
Die letzten Jahre waren für überzeugte Europäer teils eine schwere Prüfung. Das Narrativ im Tech-Sektor war klar. “Wer nicht im Silicon Valley baut, braucht gar nicht anzutreten”, schwang oft in Diskussionen mit. “Wer erfolgreich sein will, geht lieber anderswo hin”.
Doch die Geschwindigkeit der Entwicklung im Tech-Sektor hat sich in den letzten Jahren verändert. 5 der Top 10 am schnellsten wachsenden Softwarefirmen aller Zeiten wurden in den vergangenen 5 Jahren gegründet. 2 davon sind europäisch – inklusive Lovable, das die Liste anführt.
Es ist also offenbar doch noch etwas möglich in Europa.
Fundraising bleibt hart
Kapitalbeschaffung wird in Europa voraussichtlich auf absehbare Zeit eine größere Herausforderung sein als in den USA. Aber genau aus dieser Knappheit ist eine neue europäische Stärke erwachsen. Und damit eine Gruppe von Unternehmen, die extrem kapitaleffizient und blitzschnell skaliert.
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Geschwindigkeit ist alles, und die Europäer legen ein atemberaubendes Tempo vor. Mit 2 Jahren bis zur Unicorn-Schallmauer sind die Europäer in Schlagweite zu den USA, wo es aktuell durchschnittlich 1,6 Jahre dauert.
All eyes on Stockholm
Von den 14 europäischen “Rocketships” finden wir den Großteil in Schweden, Frankreich oder Deutschland. Vier der europäischen Rocketships sind deutsche Gründungen. Mit Helsing haben wir seit diesem Jahr das nächste Decacorn – also eine privat gehaltene Firma mit einer Bewertung von mehr als 10 Milliarden Euro.
Aber wie schaffen es Gründerinnen und Gründer, in dieser Geschwindigkeit zu skalieren?
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Drei Faktoren sind zentral: AI, technische Fähigkeiten und rigoroser Fokus auf Exekution.
AI ermöglicht es Startups, sich schneller als je zuvor zu entwickeln – und dieses Tempo wird sich weiter beschleunigen. Fast alle Gründer nutzen AI, um ihre (ersten) Softwareprodukte zu entwickeln. Damit senken sie die benötigten Ressourcen drastisch. Wir sehen, wie bessere Produkte, günstiger und in kürzerer Zeit entstehen.
Geld zusammenhalten bleibt wichtig
Kapitaleffizienz wird zur Tugend. Während kapitalkräftigere US-Unternehmen mehr investieren können, halten europäische Firmen mit schlanken, effizienten Teams durch gnadenlosen Fokus mit. Kapitaleffizientes Wachstum ist die neue Geheimwaffe.
Der zweite Erfolgsfaktor, den wir in steigender Dichte beobachten, sind technische Fähigkeiten im Gründerteam. Daten zeigen, dass die größten und am schnellsten wachsenden Tech-Unternehmen der Welt fast ausnahmslos von Gründern mit technischem Hintergrund gebaut werden. Bei den am schnellsten wachsenden Softwareunternehmen und globalen Tech-Champions liegt der Anteil technischer Gründer bei ca. 95 Prozent.
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Und während Europa hier lange hintenan war – unter den Unicorn-Gründern bis 2020 lag der Anteil technischer Hintergründe bei gerade einmal 26 Prozent – liegt er unter den europäischen “Rocketships” bei ca. 90 Prozent. Während deutsche und europäische Gründer früher zumeist aus dem Consulting oder dem Investmentbanking kamen, sind es heute zunehmend erfahrene Seriengründer und ex-Mitarbeiter von Scaleups aus dem Tech-Sektor. Die Startup-Mafias werden immer stärker und der Tech-Sektor stellt mittlerweile 70 Prozent dieser neuen Gruppe von Gründern.
Mehr Techies gründen – und das ist gut so
Zudem beobachten wir unter den Gründerinnen und Gründern neuer Startups in Deutschland in den letzten zwei Jahren einen zehnfachen Anstieg von KI-Ingenieuren – ein stärkerer Zuwachs als in anderen Regionen Europas.
Damit ist nicht nur klar, dass Europa eine Vielzahl starker Ingenieure hervorbringt – sie gründen auch endlich vermehrt Unternehmen.
Der dritte, entscheidende Faktor ist die Mentalität. Spricht man zum Beispiel mit Marius Meiners, Gründer von Peec AI, einer der extrem schnell wachsenden jungen Techfirmen in Deutschland, dann hört man: „Heute sind die meisten Ideen für große Erfolge oft recht offensichtlich und daher sind 50 Wettbewerber nicht selten. Daher braucht es mehr als nur den Glauben, ein großes Unternehmen aufbauen zu können. Es braucht die tiefe Überzeugung, dass man sich gegen alle starken Wettbewerber durchsetzen kann, und die Disziplin, das auch in die Tat umzusetzen.“
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Tempo macht den Unterschied
Erfolgreiche Gründer kümmern sich primär um die Geschwindigkeit der Kundenakquise statt über den schwierigen Zugang zu Kapital zu lamentieren. Sie sehen die Skalierungsgeschwindigkeit als Schlüssel der Wettbewerbsfähigkeit. Und genau dadurch bauen sie Weltklasse-Unternehmen auf.
Was wir beobachten ist ein historischer Wandel in Deutschland und ganz Europa. In den letzten 20 Jahren blieben sowohl das Skalierungstempo als auch der Hintergrund von Gründern recht konstant.
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In den letzten zwei bis drei Jahren haben sich beide Metriken grundlegend verändert. Und Deutschland ist großartig positioniert, um diese Chance zu nutzen.
Deutschland hatte lange unter dem Mangel an großen Kapitalpools, wie man sie im Silicon Valley und auch in London findet, zu leiden. Aber Kapital ist nicht länger das, worüber sich Gründer primär den Kopf zerbrechen. Wenn man unser Portfolio fragt, ist es primär die Geschwindigkeit in der Skalierung und Kundenakquise, die sie in den Fokus nehmen.
Dies ist der Beginn einer Reise, die Europa endlich das erste Tech-Unternehmen mit einer Billion US-Dollar Marktwert bescheren könnte. Und es gibt keinen Grund, warum dieses Unternehmen nicht aus Deutschland kommen sollte.
Digital Business & Startups
Mit KI zum besseren Businessplan
#Eventtipp
Businessplan trifft KI! Am 15. September dreht sich bei der GründungsWiese alles um Finanzierung, Strukturierung und smarte Tools für Gründer:innen – mit besonderem Fokus auf Ideenentwicklung, Gliederung und Ausformulierung mit KI.

Im Rahmen der GründungsWiese, einer Veranstaltungsreihe rund um das Thema Gründen, geht es am 15. September um das spannende Thema “Businessplan trifft KI“. “In Kooperation mit der Sparkasse KölnBonn geben Expertinnen und Experten praxisnahe Einblicke in die Erstellung von Businessplänen – mit Perspektiven aus Beratung, Bank und Digitalisierung. Dazu gibt es einen Input, wie KI-Tools Gründerinnen und Gründer unterstützen können”, heißt es zum Event. Hier entlang zu Anmeldung
Das erwartet euch: “Der Businessplan als Entscheidungsgrundlage: Warum er der Fahrplan für eure Existenzgründung ist.” Bankenperspektive: Markus Marx, Experte der Sparkasse KölnBonn, erklärt, worauf Finanzinstitute bei Businessplänen achten und wie ihr eure Finanzierungschancen erhöht. Unternehmensberatung: Thorsten Beck zeigt, wie ihr euer Geschäftsvorhaben strukturiert, euren Kapitalbedarf plant und typische Stolperfallen vermeidet. KI in der Gründung: Simon Bujanowski, KI-Experte von KölnBusiness, gibt exklusive Einblicke, wie Tools wie ChatGPT & Co. euch bei der Ideenentwicklung, Gliederung und Ausformulierung eures Businessplans unterstützen können.
Durchstarten in Köln – #Koelnbusiness
In unserem Themenschwerpunkt Köln beleuchten wir das dynamische Startup-Ökosystem der Rheinmetropole. Wie sind die Bedingungen für Gründer:innen, welche Investitionen fließen in innovative Ideen und welche Startups setzen neue Impulse? Rund 800 Startups haben Köln bereits als ihren Standort gewählt – unterstützt von einer lebendigen Gründerszene, einer starken Investor:innen-Landschaft sowie zahlreichen Coworking-Spaces, Messen und Netzwerkevents. Als zentrale Anlaufstelle für die Startup- und Innovationsszene stärkt die KölnBusiness Wirtschaftsförderung die Rahmenbedingungen für Gründer:innen, vernetzt sie mit Investor:innen und bietet gezielte Unterstützung. Diese Rubrik wird unterstützt von KölnBusiness. #Koelnbusiness auf LinkedIn, Facebook und Instagram.
Startup-Jobs: Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung? In der unserer Jobbörse findet Ihr Stellenanzeigen von Startups und Unternehmen.
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Mehr als 50 Direct Reports: Warum Tech-Milliardäre radikal flach führen
Die erfolgreichsten Tech-Unternehmer eint ein Prinzip: radikale Direktführung. 40 bis 100 Direct Reports. Investor und Gastautor Levin Bunz findet das beeindruckend, warnt aber auch: Nicht jeder CEO kann das.

Levin Bunz ist Investor in erfolgreiche Technologieunternehmen wie Canva und Finn. Er unterstützt die Gründer beim Aufbau leistungsstarker Teams und skalierbarer Organisationen. Bunz hat in der Vergangenheit eng mit Oliver Samwer bei Global Founders Capital und Rocket Internet zusammengearbeitet und aus erster Hand erlebt, wie radikale Direktführung und extrem flache Strukturen Geschwindigkeit und Durchsetzungskraft in Organisationen freisetzen können.
Hier beschreibt er, wie drei der erfolgreichsten Tech-Gründer mit extrem vielen Direct Reports arbeiten. Und keiner von ihnen scheitert als Micromanager? Nein. Aber nicht jeder hat es in sich, so zu arbeiten.
Jensen Huang. Oliver Samwer. Nik Storonsky.
Drei Gründer, die kaum unterschiedlicher sein könnten. Und doch eint sie ein Prinzip: radikale Direktführung. Jeder von ihnen baute die eigene Firma auf extrem breiten Leadership-Strukturen mit zwischen 40 und über 100 direkten Reports.
Das ist der Kern ihrer Erfolgsmodelle.
Alle drei haben Milliardenunternehmen aufgebaut, weil sie Organisationen geschaffen haben, in denen Informationen nahezu ohne Reibungsverluste fließen – dank extrem flacher Hierarchien. Das verschafft ihnen maximale Kontrolle und erlaubt es ihnen, extrem schnell zu handeln. Geschwindigkeit schlägt Komfort. Umsetzung schlägt Struktur. Nvidia, Revolut und Rocket Internet sind Prototypen von Firmen, die exakt auf ihre Gründer zugeschnitten sind.
Schneller ist keiner: Oliver Samwer
Oliver Samwer lebt Hochgeschwindigkeit. Jeden Tag Dutzende Entscheidungen. Über 100 direkte Reports quer über Rocket, GFC und Beteiligungen. Keine fixen Meetings, keine ritualisierte Abstimmung. Stattdessen: ein kurzer Anruf oder eine Mail, jederzeit. Aus meiner Zeit als einer der 100 kann ich sagen: Seine Unternehmenskultur war fordernd, oft unbequem, aber am Ende extrem erfolgreich.
Weg mit den Managern: Jensen Huang
Jensen Huang führt Nvidia mit rund 55 direkten Reports. Er setzt auf große, offene Foren, um Führungskräfte strategisch auszurichten. Er kappte Management-Ebenen und beschleunigte damit die Umsetzung. Ergebnis: Das wohl flachste Organigramm, das es je bei einem Vier-Billionen-Dollar-Unternehmen gegeben hat.
Jeder für sich ein Mini-CEO: Nil Storonsky
Nik Storonsky steuert Revolut mit etwa 40 direkten Reports. Seine Firma ist organisiert wie ein Private-Equity-Portfolio. Jede Produktlinie hat einen eigenen General Manager, de facto ein Mini-CEO. Storonsky verfolgt deren Entwicklung und Wirkung eng – über persönliche Meetings und das interne Revolut-People-Tool.
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Und jetzt ihr.
Sollten alle Gründer dieses Modell kopieren? Tatsächlich ist es keine Frage von Wollen, sondern von Können. Radikale Direktführung ist nur für wenige machbar. Sie verlangt dauerhafte Aufmerksamkeit, totale Verfügbarkeit und ein außergewöhnliches Maß an mentaler Kapazität. Die meisten Gründer würden die Menge an Informationen und Entscheidungen in den Burn-out zwingen.

Andere der erfolgreichsten Gründer-CEOs unserer Zeit verfolgen einen ähnlichen Ansatz des direkten Zugriffs auf ihr Unternehmen, haben aber andere Wege gefunden, Informationsflüsse und strategische Steuerung zu strukturieren.
Mark Zuckerberg führt Meta über eine „Core Army“ von 25–30 Personen, die enger eingebunden sind, während die Zahl der direkten Reports kleiner bleibt. Das gemeinsame Muster: die Firma wird zwar über ein eher kompaktes C-Level gesteuert, während der direkte Draht zur VP-Ebene bewusst offen und intensiv bleibt. Steve Jobs arbeitete so, Walt Disney ebenso, Elon Musk macht es bis heute. Auch Brian Chesky von Airbnb, der als Inspiration für den Begriff „Founder Mode“ gilt, praktiziert dieses Modell.
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Ist der umstrittene „Founder Mode“ für alle?
Die Lektion für Gründer lautet also nicht: „Macht es exakt so wie Huang, Samwer oder Storonsky.“ Die Lektion lautet: Designe deine Organisation so, dass sie zu deinem Arbeitsmodus passt.
Wer Informationen schnell bündelt und verteilt, kann schneller reagieren und Entscheidungen mit maximaler Wirkung umsetzen. In welcher Menge und Form das effektiv ist, hängt vom Gründer-CEO ab. Personalisiertes Organisationsdesign ist das Erfolgsrezept.
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