Künstliche Intelligenz
39C3: Satellitenunabhängiges Navigationssystem R-Mode soll Ende 2026 starten
Drei Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) präsentierten den aktuellen Stand des sogenannten Ranging Mode (R-Mode). Das Projekt dürfte in Zeiten hybrider Bedrohungen an Bedeutung gewinnen. Gezeigt wurde es beim 39. Chaos Communication Congress (39C3) in Hamburg am Samstag.
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Niklas Hehenkamp, wissenschaftlicher Mitarbeiter am DLR in Neustrelitz, eröffnete den Vortrag mit einem Vergleich aus der Star-Wars-Popkultur: Er beschrieb die aktuelle Situation in der Navigation als „The Phantom Menace“ – die dunkle Bedrohung. Damit spielte er auf die seit gut zwei Jahren zunehmenden Jamming- und Spoofing-Aktivitäten in der Ostsee an, die insbesondere den Raum rund um den russischen Oblast Kaliningrad sowie Danzig betreffen.
Diese Störungen, die laut dem Bundesverteidigungsministerium russischen Ursprungs sind und oft mit dem Begriff „Baltic Jammer“ assoziiert werden, zeigen die gefährliche Abhängigkeit moderner Infrastruktur von globalen Navigationssatellitensystemen (GNSS) wie GPS oder Galileo. Da die Hardware für solche Störmanöver mittlerweile leicht verfügbar ist, steigt das Risiko für den Schiffs- und Luftverkehr. „Wir brauchen ein Backup-System, da wir derzeit von einer einzigen Technologie abhängig sind“, mahnte Hehenkamp. Das Ziel der Forscher ist ein System, das kostengünstig, leicht zu betreiben und vor allem resistent gegen die Art von Jamming ist, die GNSS-Signale derzeit lahmlegt.
Bereits vor Jahren begannen die DLR-Experten zusammen mit anderen EU-Wissenschaftlern damit, über Satelliten-unabhängige Lösungen nachzudenken. Ihr Ziel: die Souveränität europäischer Navigationsfähigkeit abzusichern. R-Mode setzt dabei auf eine terrestrische Basis und nutzt vorhandene maritime Infrastrukturen im Mittelwellenbereich, konkret die IALA-Funkfeuer.
Vielversprechende Resultate
Seit den ersten Tests in den Jahren 2014 und 2015 hat sich viel getan. In Zusammenarbeit mit Partnern aus Polen, Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland und Estland errichteten die Beteiligten ein prä-operationales Testfeld in der Ostsee. Um die für eine Satelliten-unabhängige Navigation nötige Synchronisation im Nanosekundenbereich zu sichern, nutzt das DLR hochstabile Rubidium-Atomuhren als Zeitreferenz sowie spezialisierte Signalmodulatoren, die das Navigationssignal in bestehende Funkinfrastrukturen einspeisen.
Die technischen Herausforderungen sind beachtlich. Hehenkamp erläuterte, dass die Ausbreitung der Signale im Mittelwellenbereich direkt als Bodenwelle entlang der Erdoberfläche erfolgt, was eine genaue Modellierung der Bodenleitfähigkeit erfordere. Das Team nutzt dafür moderne Satellitenfernerkundungsdaten, um Faktoren wie Bodenfeuchte oder den Salzgehalt des Meerwassers einzubeziehen. Bestehendes Material von der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) fanden die Forscher nur als nicht-maschinenlesbares PDF vor, das Deutschland noch geteilt nach Ost und West auflistete.
Die benötigte Sendetechnik wird immer kleiner.
(Bild: CC by 4.0 media.ccc.de)
Die bisherigen Ergebnisse für den R-Mode-Einsatz sind vielversprechend. Tagsüber erreicht das System eine Genauigkeit von etwa 12 Metern bei einer Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent. Nachts verschlechtert sich dieser Wert aufgrund von atmosphärischen Reflexionen auf etwa 63,7 Meter, was für die Schifffahrt jedoch immer noch als ausreichend gilt. „Wir werden eine Lösung finden, um das System zu öffnen“, versprach Hehenkamp auch mit Blick auf die künftige breitere Verfügbarkeit der erforderlichen Basisdaten.
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Testfeld mit verbesserter Technik vor Rügen
Lars, ein zweiter Ingenieur vom DLR-Standort Neustrelitz, ergänzte die Beschreibung des Status quo durch einen Vergleich mit anderen Ansätzen wie dem ESA-Projekt Celeste, das auf zehn Satelliten im niedrigen Erdorbit (LEO) basiert. Zwar bieten solche LEO-Systeme eine globale Abdeckung, doch der DLR-Forscher gab zu bedenken, dass deren Signale immer noch vergleichsweise schwach seien und so anfällig für Jamming blieben. Zudem erforderten sie erhebliche Ressourcen. Der R-Mode dagegen sei als ziviles Backup-System konzipiert, das auch von kleineren Ländern unabhängig betrieben werden könne. Da das System bestehende Mittelwellen- und VHF-Technik im UKW-Bereich nutze, liege die Reichweite bei etwa 300 Kilometern, was die gesamte Ostsee abdecken kann. Das Ziel ist klar formuliert: „Das System wird bis Ende 2026 betriebsbereit sein.“
Ein dritter Pfeiler der Entwicklung ist die Nutzung des VHF-Bereichs, den Markus vom DLR-Standort Oberpfaffenhofen beschrieb. Während das herkömmliche Automatic Identification System (AIS) für die Navigation aufgrund der hohen Auslastung kaum infrage komme, biete das neue VDES (VHF Data Exchange System) mit einer Bandbreite von 1000 kHz deutlich mehr Raum. Die bürokratischen Hürden seien hier aber hoch, da die Zuweisung von Frequenzen für Navigationszwecke auf der Weltfunkkonferenz (WRC) entschieden werden müsse. Dieses Treffen findet nur alle drei bis vier Jahre statt.
Dennoch laufen die praktischen Tests auf Hochtouren. Auf dem bayerischen Ammersee testet das Team die VDES-basierte Navigation bereits erfolgreich mit der Wasserwacht, wobei eine Genauigkeit von etwa 10 Metern erreicht wurde. Sogar in der Luftfahrt gab es erste Versuche. Ein DLR-Forschungs-Motorsegler überflog Hamburg, wobei die Abweichung bei etwa 200 Metern lag. Aktuell baut das DLR ein semi-permanentes Testfeld südlich von Rügen auf. Dort sollen drei Stationen mit kommerzieller Hardware zeigen, dass R-Mode reif für den harten Einsatz im Küstenbereich ist. Damit rückt eine Zukunft näher, in der Kapitäne in der Ostsee nicht mehr hilflos auf ihre gestörten GPS-Displays starren müssen, sobald elektronische Störsender in der Nähe aktiv werden.
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(nie)