Datenschutz & Sicherheit
Bundesregierung will Schüler zentral erfassen
Man soll sich die Bildungs-ID oder auch Schüler-ID so vorstellen wie eine Steuer-ID, sagt der Grünenpolitiker Cem Özdemir. Die Idee hinter der ID ist simpel: Daten von den Bildungsverläufen der Schüler*innen sollen zentral erfasst werden, zum Beispiel Noten oder auch, wo jemand zur Schule gegangen ist. Özdemirs zentrales Argument für die neue Datenbank ist, dass man mit der Bildungs-ID Schulabbrecher vom Schulabbrechen abbringen könnte. Wie das gehen soll, bleibt allerdings unklar.
„Warum ist es allgemein akzeptiert, dass wir mit einer ID sämtliche Steuerdaten einer Person erfassen, aber bei der Bildungsbiografie fehlt ein systematischer Überblick?“ Das Kultusministerium in Baden-Württemberg habe bereits an der Arbeit einer solchen ID begonnen. Und auch das niedersächsische Kultusministerium will IDs für Schüler*innen bis 2027 einführen.
Was Özdemir nicht erwähnt: Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag von 2025 längst angekündigt, die Länder darin zu unterstützen, Schüler-IDs einzuführen. Der Plan sieht ein bundesweites sogenanntes Bildungsverlaufsregister vor. Demnach sollen Schulverwaltungen und andere berechtigte Stellen Daten zu den Bildungsbiografie der Schüler*innen zentral abrufen können.
Mit einer ID gegen die Bildungsmisere?
Die Schüler-ID ist schon lange Thema. Zum ersten Mal diskutierte die Kultusministerkonferenz im Jahr 2003 darüber. Zuletzt stand sie bei der Bildungsministerkonferenz im März auf der Tagesordnung. Die Bildungsministerinnen Theresa Schopper (Grüne) aus Baden-Württemberg, Stefanie Hubig (SPD) aus Rheinland-Pfalz und Karin Prien (CDU) aus Schleswig-Holstein stellten dort ihr Konzeptpapier „Bessere Bildung 2035“ vor.
Hubig und Prien sind inzwischen Teil der Bundesregierung. Hubig hat das Bundesministerium für Justiz übernommen, Prien das Bundesministerium für Bildung.
Darin sprechen sie sich für eine Bildungs-ID nach kanadischem Vorbild aus. Die könne nicht nur beim Problem der Abbrecherquote helfen, sondern auch dabei die Leistungen von Schüler*innen zu steigern. Auch ein Schulwechsel soll damit leichter werden.
Sorge um Privatsphäre von Schüler*innen
Bislang ist zwar nicht klar, welche Daten der Schüler*innen genau gespeichert werden sollen. Aber die Sorge um einen zu tiefen Eingriff in die Privatsphäre der Kinder und Jugendlichen besteht. So kritisiert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) gegenüber netzpolitik.org die Pläne der Bundesregierung.
Die GEW sieht solche Datenbanken kritisch und „lehnt eine bundesweite Speicherung in Form eines zentralen Bildungsregisters ab“, so ein Beschluss der Gewerkschaft von 2022. Zwar könne man den Bildungsbereich anhand von Daten besser monitoren. Doch dürften die erhobenen Daten nicht zum Zweck der Leistungs- oder Verhaltenskontrolle genutzt werden, so die GEW auf Anfrage.
Auch der Thüringer Landesdatenschutzbeauftragte Tino Melzer sieht die Einführung der ID kritisch: Eine „Identifikationsnummer ist ein eindeutiges Personenkennzeichen“, erklärt er auf Anfrage. Unter diesem Kennzeichen können Daten zu einer Person zusammengeführt werden, es kann eindeutig und dauerhaft einer Person zugeordnet werden. Das berge hohe Risiken für die betroffene Person.
Ein Risiko ist, dass dadurch Persönlichkeitsprofile möglich werden, von Personen bereits in sehr jungen Jahren. Auch aus datenschutzrechtlicher Sicht hätten die Befürworter der Schüler-ID noch nicht gezeigt, warum diese ID erforderlich sein soll, so Melzer. Daher bestünden im Moment datenschutzrechtliche Bedenken dagegen, die Schüler-ID einzuführen.
Datenschützer*innen warnen
Schon jetzt gibt es in den Bundesländern Schüler*innendatenbanken. Hessen etwa unterhält die Lehrer- und Schülerdatenbank, LUSD.
Im Datenschutzrecht gelten Minderjährige als besonders schutzwürdige Personengruppe, so der Pressesprecher der Bundesdatenschutzbeauftragten, Philipp Wilhelmstrop. Zwar sei eine bundeseinheitliche Schüler-ID nicht in jedem Fall datenschutzrechtlich unzulässig. Doch das hänge wesentlich von der Ausgestaltung ab: Welchen Zwecken soll eine solche Schüler-ID dienen? Welche Daten werden zu einer Schüler-ID gespeichert? Wo wird eine solche ID geführt und welche Stellen haben Zugriff auf diese ID?
Klar sei nur eines: „Je mehr Daten erfasst werden, je sensibler diese Daten sind, je länger diese Daten gespeichert werden und je umfassender sie zu einer Profilbildung beitragen, desto größer ist der damit verbundene Grundrechtseingriff“ und desto höhere Anforderungen gelten für die Rechtfertigung eines solchen Eingriffs.
Wir sind ein spendenfinanziertes Medium
Unterstütze auch Du unsere Arbeit mit einer Spende.
Wenn persönliche Informationen zum Verhängnis werden
Dass die Bundesregierung, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, Schule, Jugend- und Eingliederungshilfe immer mehr verzahnen will, könnte laut GEW noch zu einem anderen Problem führen. Wenn zuständige Personen individuelle Bildungsbiografien einsehen könnten, könnte das ihre Einstellung gegenüber bestimmten Kindern und Jugendlichen beeinflussen. Das befeuert die Gefahr von „Stigmatisierung und Diskriminierung aufgrund sozialer Lage“ und „Migrationsgeschichte“. Auch ein Schul- oder Klassenwechsel zum Neustart könnte erschwert werden, wenn die neue Schule zu viele Daten über Schüler*innen bekommt.
Die könne sich zusätzlich verschärfen, wenn die Bundesregierung die Schüler-ID mit der Bürger-ID verknüpft, wie sie es im Koalitionsvertrag angekündigt hat. Diese Verknüpfung lehnt die GEW entschieden ab.
Nutzen fraglich
Indes fragen Wissenschaftler*innen: Wozu braucht es diese Verknüpfung? „Gerade in der aktuellen datenbasierten Gesellschaft sollten wir vorsichtig sein, welche Daten wir miteinander verknüpfen, gerade weil es mannigfaltige und schnelle Auswertungsmethoden gibt.“ Mandy Schiefner-Rohs, Professorin für Pädagogik an der Technischen Universität Rheinland-Pfalz, Sandra Hofhues, Professorin für Mediendidaktik an der FernUni Hagen, und Andreas Breiter, Professor für Angewandte Informatik an der Universität Bremen stellen aber insgesamt infrage, ob eine ID den versprochenen Nutzen bringen kann.
Gegenüber netzpolitik.org erklären sie, Daten aus der Schule lägen vielfach schon vor, zum Beispiel aus Schulleistungstests. Doch zuständige Stellen würden sie nicht oder nicht umfänglich auswerten. Die Frage also: Warum sollte sich das mit einer Bildungs-ID ändern?
Daten machen noch keine Bildungsgerechtigkeit
„Gleichzeitig wissen wir aus der empirischen Bildungsforschung, dass die einzelne Messung und Erhebung nicht automatisch zu Bildungsgerechtigkeit oder gutem Unterricht führt“, so Schiefner-Rohs, Hofhues und Breiter. Es ist daher unklar, was sich durch die Schüler*innen-ID pädagogisch-didaktisch verändern würde.
Die Wissenschaftler*innen warnen zudem vor „nicht-intendierten Nebenwirkungen“: Mit einer ID würden Schüler*innen immer mehr zu Datenpunkten. „Ihr Verhalten kann dann natürlich genau verfolgt und vermessen werden.“
Datenschutz & Sicherheit
Überwachungs-Oscar geht an Innenminister Dobrindt
Am vergangenen Freitag verlieh der Verein Digitalcourage die deutschen Big Brother Awards. Der Datenschutz-Negativpreis geht an Unternehmen, Organisationen, Behörden und Einzelpersonen, die in besonderem Maße Datenschutz und Privatsphäre aushöhlen.
In insgesamt sechs Kategorien vergab die fünfköpfige, erstmals überwiegend weibliche Jury den sogenannten „Oscar der Überwachung“. Im Vorfeld konnten Interessierte Nominierungen einreichen. Zu den diesjährigen Preisträgern zählen unter anderem Google, das Verwaltungsgericht Hannover und das Bundesarbeitsgericht sowie die Videoplattform TikTok.
Neue Kategorie „jung und überwacht“
Erstmals gab es in diesem Jahr Auszeichnungen in der Kategorie „jung und überwacht“. Kinder und Jugendliche des Vereins Teckids stellten in multimedialen Beiträgen zwei ausgewählte Datenschutzprobleme junger Menschen vor. Die Beiträge veranschaulichen soziale Ausgrenzung am Beispiel von iPads im Schulunterricht sowie im Zusammenhang mit dem Messenger-Dienst WhatsApp.
Laut einer Umfrage im Auftrag der DEVK Versicherungen von Mitte 2024 verwendet in Deutschland mehr als die Hälfte aller Kinder und Jugendlichen im Unterricht ein Tablet. In vielen Schulen ist deren Einsatz sogar verpflichtend. Die Kinder von Teckids kritisieren die fehlende Selbstbestimmung und den eingeschränkten Datenschutz, die mit dem Einsatz einhergehen.
Innenminister Dobrindt für „Sicherheitspaket“ ausgezeichnet
Der „unglückliche Gewinner“ der Kategorie „Behörden und Verwaltung“ ist Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU). Zur Begründung verwies die Rechtsanwältin Elisabeth Niekrenz vom Verein Digitale Gesellschaft in ihrer Laudatio auf das sogenannte Sicherheitspaket des Ministers. Es sieht unter anderem den Einsatz biometrischer Datensuche per Gesichtserkennung im Internet vor. Der Einsatz von Gesichtersuchmaschinen verstößt Niekrenz zufolge gegen die Datenschutz-Grundverordnung.
Außerdem hat Dobrindt die Prüfung veranlasst, ob die Analysesoftware des US-Unternehmens Palantir bundesweit vom Bundeskriminalamt eingesetzt werden kann. Das Vorhaben verletzt aus Sicht von Bundes- und Landesdatenschützer:innen verfassungsrechtliche Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts.
Wir haben beim Bundesinnenministerium nachgefragt, wie es die Auszeichnung bewertet. Eine Sprecherin verwies in ihrer Antwort auf den Koalitionsvertrag, der vorsieht, „dass die Sicherheitsbehörden zeitgemäße digitale Befugnisse erhalten.“ Dabei kämen „selbstverständlich nur Lösungen in Betracht, die den für sie geltenden Rechtsrahmen einhalten“, so die Sprecherin.
Datenschutz & Sicherheit
Digital Networks Act: Entscheidender Herbst für Netzneutralität
Lange Zeit war es üblich, im Mobilfunk Telefonie über das Internet (VoIP) zu blockieren. Manche Betreiber sperrten Chat-Dienste wie WhatsApp in ihren Netzen. Andere unterbanden den Zugriff auf VPN-Dienste oder sogar E-Mail-Postfächer – meist, um eigene Produkte wie den Goldesel SMS oder Auslandstelefonie zu schützen. Denn über das offene Internet erreichbare Online-Dienste haben ihnen das Wasser abgegraben. Das ist Vergangenheit: Heutzutage ist kaum noch vorstellbar, wie die meisten Mobilfunkbetreiber ihre Kund:innen gegängelt haben.
Vor zehn Jahren hat die EU das Prinzip der Netzneutralität gesetzlich festgeschrieben. Netzbetreiber, ob für Festnetz oder Mobilfunk, können seitdem nicht mehr willkürlich Online-Dienste, Websites oder Endgeräte ausschließen oder anderweitig diskriminieren. Die Netzneutralität soll sicherstellen, dass das Internet offen bleibt und nicht zu einer Spielart von Kabel-TV verkommt, bei dem jedes Stückchen des Netzes in zubuchbare Pakete verpackt und vermarktet wird.
Nun sollen nach dem Willen der EU-Kommission zumindest Teile dieser Regeln zur Netzneutralität auf den Prüfstand. Die Kommission bereitet dafür derzeit ein umfassendes Gesetz rund um Telekommunikation vor. Präsentieren will sie ihren Entwurf des sogenannten Digital Network Act (DNA) noch in diesem Jahr. Als Teil des Gesetzgebungsverfahrens hat sie im Sommer grobe Vorstellungen skizziert und um Stellungnahmen gebeten, die netzpolitik.org ausgewertet hat.
Wiedergänger Datenmaut
Für Debatten sorgen vor allem zwei Aspekte: Zum einen verweist die Kommission ausdrücklich auf mutmaßliche Rechtsunsicherheiten rund um sogenannte Spezialdienste. Damit sind besonders anspruchsvolle Online-Dienste gemeint, die sich über das offene Internet nicht realisieren lassen, bespielsweise garantiert ruckelfreie medizinische Eingriffe übers Internet. Manchen Netzbetreibern sind die Vorgaben aus Brüssel zu streng oder nicht detailliert genug, Verbraucherschutzorganisationen hingegen warnen vor bezahlten Überholspuren zu Lasten des freien Netzes.
Dieses Internet der Zukunft wünschen sich die mächtigen Telekom-Konzerne
Zum anderen wirkt offenkundig der Vorschlag einer Datenmaut weiterhin nach. Vor Jahren hatte der inzwischen aus der Kommission ausgeschiedene Thierry Breton in den Raum gestellt, große Online-Dienste wie Netflix oder Meta für den Zugang in europäische Netze extra bezahlen zu lassen. Damals hat sich Breton zwar eine Abfuhr eingehandelt, den aktuellen DNA-Stellungnahmen zufolge scheint das Thema aber noch nicht restlos erledigt zu sein.
Branche springt auf Zeitgeist auf
Das hat einen einfachen Grund: Politisch fällt es immer schwerer zu vertreten, meist aus dem US-amerikanischen Silicon Valley stammende IT-Megakonzerne regulatorisch und steuerrechtlich mit Samthandschuhen anzufassen, während deren Milliardengewinne in den Taschen der Unternehmen und Aktionäre verschwinden. In den vergangenen Jahren verabschiedete EU-Gesetze wie der Digital Services Act und der Digital Markets Act zählen zu den ersten Anläufen, die Macht der großen Online-Dienste zumindest teilweise einzudämmen.
Die letzten derartigen Versuche dürften das nicht bleiben, schließlich gibt es bei Alphabet & Co. noch viel zu holen. Nicht nur die Kommission sieht das so: Seit Jahren finden sich in Beschlüssen des EU-Rats oder des Parlaments regelmäßig Forderungen danach, dass alle Akteure im digitalen Raum „einen fairen und angemessenen Beitrag zu den Kosten öffentlicher Güter, Dienstleistungen und Infrastrukturen zu leisten“ haben, heißt es etwa in der europäischen Erklärung digitaler Grundrechte.
Auf eine Datenmaut muss das nicht zwangsläufig hinauslaufen, in Frage käme etwa auch eine Digitalsteuer, mit der sich mehr Gerechtigkeit versuchen ließe. Doch an dem scheinbar naheliegenden Instrument hat sich die EU bislang die Zähne ausgebissen. Zu groß war der Widerstand aus der Industrie und manchen EU-Ländern, die etwa Großkonzerne mit Steuervorteilen locken – oder auch verhindern wollen, dass eine mit Eigenmitteln ausgestattete EU-Kommission zu mächtig würde.
Diese Situation haben vor allem große Netzbetreiber auszunutzen versucht. Um den EU-Verantwortlichen die Idee so schmackhaft wie möglich zu machen, zettelten sie unter dem Schlagwort „Fair Share“ besagte Debatte über eine Datenmaut an: Im Tausch gegen eine abgeschwächte Netzneutralität sollen Online-Dienste einen „fairen“ Beitrag für die Nutzung europäischer Infrastruktur leisten, so das Kernargument.
Letzter Versuch „Streitbeilegungsstelle“
Bislang sind sie damit abgeblitzt. Große Netzbetreiber wittern mit dem DNA jedoch ihre vorerst letzte Chance, einen Mechanismus zur Kostenbeteiligung gesetzlich verankern zu lassen. Die europäischen Ex-Monopolisten scheinen sich darauf geeinigt zu haben, sich gemeinsam für eine Vermittlungsstelle einzusetzen. Offenbar an Gerichten vorbei, die solche bisher seltenen Streitigkeiten aufgelöst haben, soll dieser auf den ersten Blick unverfängliche „dispute resolution mechanism“ etwaige Auseinandersetzungen rund um Zusammenschaltungsentgelte zwischen Netzbetreibern und Inhalteanbietern auflösen.
Entsprechend nehmen viele aktuelle Stellungnahmen zum DNA die Debatte wieder auf – mit weitgehend den gleichen Argumenten, die bereits bei einer vorherigen Konsultation ausgetauscht wurden. So verweist etwa die Nichtregierungsorganisation Internet Society (ISOC) auf Untersuchungen des EU-Gremiums GEREK, in dem sich europäische Telekom-Regulierungsbehörden koordinieren. Wiederholt haben dort die Regulierer in Untersuchungen festgestellt, dass der sogenannte Interconnection-Markt funktioniere und falsche Regulierung das offene Internet gefährden könnte.
„Der vorgeschlagene Mechanismus zur Streitbeilegung bei Vereinbarungen zur IP-Zusammenschaltung – der dem diskreditierten ‚Fair Share‘-Modell entspricht – sollte abgelehnt werden, da es keine Hinweise auf ein Marktversagen oder die Notwendigkeit regulatorischer Eingriffe gibt“, fasst ISOC, welche maßgeblich an der derzeitigen Internet-Governance beteiligt ist, den unveränderten Stand der Debatte zusammen.
Solche Debatten musste ISOC seit seiner Gründung Anfang der 1990er-Jahre schon mehrfach führen. Es dürfte auch nicht das letzte Mal sein, dass große Netzbetreiber einstige Pfründe wie das sogenannte Terminisierungsmonopol wieder aufleben lassen wollen.
Internet lebt von „Autonomie und Innovation“
Etwas grundsätzlicher erklärt ISOC, warum dies ein Rückschritt wäre: Die Einführung formaler Mechanismen wie eines Streitbeilegungsmechanismus oder „erleichterte Zusammenarbeit“ würde das Erfolgsmodell des Internets untergraben, warnt die Organisation. Damit würde „die Grenze zwischen freiwilliger Optimierung und vorgeschriebener Leistung verwischt“, was zu Reibungsverlusten in einem System führen würde, das von Autonomie und Innovation lebe.
Netzbetreiber und Online-Diensteanbieter mögen zwar ein gemeinsames Interesse an einer guten Endnutzererfahrung haben. Doch es sei ein grundlegender Fehler, dies mit einer gemeinsamen Verantwortung gleichzusetzen, die regulatorischer Durchsetzung bedürfe, so ISOC: „Der Erfolg des Internets beweist dies, da es auf einem dezentralen Modell beruht, in dem jeder Akteur seine eigenen Abläufe unabhängig optimiert, ohne vorgeschriebene Koordination oder gemeinsame Leistungsgarantien.“
Wir sind ein spendenfinanziertes Medium
Unterstütze auch Du unsere Arbeit mit einer Spende.
Vor unerwünschten Effekten warnt auch die Menschenrechtsorganisation Article 19, die sich für Meinungs- und Informationsfreiheit einsetzt. Ein Mechanismus zur Streitbeilegung „würde großen Netzbetreibern Verfahrensinstrumente an die Hand geben, um unter dem Vorwand der Streitbeilegung Gebühren von Online-Diensten zu verlangen.“ In die selbe Kerbe schlagen europäische Verbraucherschutzorganisationen wie BEUC oder Euroconsumers sowie nationale Organisationen, etwa der deutsche Verbraucherzentrale Bundesverband oder die österreichische Arbeiterkammer Wien.
Außer großen Ex-Monopolisten wie Telekom Deutschland oder Orange scheint ohnehin kaum jemand Gefallen an der Streitbelegungsidee zu finden. So weist etwa der kleine italienische Netzbetreiber UGL Telecomunicazioni auf die Gefahren von Überregulierung hin und fügt hinzu: „Die Lösung ist einfacher, und es ist ziemlich seltsam, dass sie noch nicht umgesetzt wurde: Online-Dienste sollten verpflichtet werden, in allen Mitgliedstaaten, in denen sie präsent sind, Steuern zu zahlen, ohne auf Strategien wie sogenannte Steueroasen zurückzugreifen“.
Angeblich unklare Spezialdienste
Tatsächlich scheinen sich viele Akteure auf dem Markt präzisere Regeln zu wünschen, etwa der Industrieverband DigitalEurope. Der vertritt praktisch das Who-is-who der internationalen IT-Branche, von Apple über Nintendo bis hin zu Red Hat. „Unsicherheit hält Anbieter davon ab, innovative Dienste wie 5G-Slicing oder vertikale Anwendungen mit extrem niedriger Latenz einzuführen“, klagt der Verband in seiner Stellungnahme. „Um Anwendungsfälle der nächsten Generation zu ermöglichen, ist es wichtig zu klären, ob solche Dienste mit der Netzneutralität vereinbar sind.“
EU-Kommission stellt Netzneutralität zur Debatte
Bislang ist allerdings völlig unklar, an welchen Stellen genau nachgeschärft werden sollte. Sowohl die EU-Regeln aus dem Gesetz als auch die begleitenden Leitlinien, in denen GEREK akribisch genau erläutert, unter welchen Bedingungen solche Spezialdienste erlaubt sind, sollten eigentlich einen recht genau abgesteckten Rahmen vorgeben. Solange solche Überholspuren technisch objektiv notwendig sind und dabei das offene Internet nicht untergraben, können Netzbetreiber ihrer Fantasie freien Lauf lassen.
In Deutschland wäre dies etwa die Telekom, die im Vorjahr mit einem speziellen Gaming-Paket sehr wohl ein Produkt mit „5G-Slicing (…) mit extrem niedriger Latenz“ eingeführt hat. So groß scheint die Verunsicherung, anders als es so manche Stellungnahme aus der Branche behauptet, also nicht zu sein.
Zumindest dem deutschen Digitalministerium waren im vergangenen Sommer keine Fälle bekannt, in denen „innovative Geschäftsmodelle im Zusammenhang mit Network Slicing“ untersagt wurden, teilte damals ein Sprecher der Ministeriums mit. „Wir halten die Vorgaben der EU-Verordnung und die diese erläuternden Leitlinien des GEREK auch grundsätzlich für klar und sachgerecht“, so der Sprecher.
Sollte die EU-Kommission diesen Bereich verändern, dürfe es keine unerwünschten Nebenwirkungen geben, mahnt ISOC: „Soweit die Rolle von Spezialdiensten im Rahmen der EU-Regeln für Netzneutralität geklärt werden muss, halten wir es für wichtig, dass ein solcher Prozess die Offenheit des Internets verteidigt und es vermeidet, ‚Innovation‘ als Rechtfertigung für diskriminierende Behandlung oder geschlossene Ökosysteme zu verwenden.“
Datenschutz & Sicherheit
OTA-Software-Update brickt Jeeps – während der Fahrt
Eine fehlerhafte Software hat in den USA Autos der Marke Jeep lahmgelegt. Der Autohersteller warnt inzwischen davor, das Update der Software uConnect zu installieren.
Weiterlesen nach der Anzeige
Das Update, das per Funk („Over The Air“, OTA) verteilt wurde, hat zu einem Ausfall der Fahrzeuge geführt. Betroffen waren die Hybridmodelle von Jeep mit der Bezeichnung Jeep 4xE. Über die Ausfälle berichteten betroffene Fahrzeugbesitzer unter anderem den US-Onlinemedien The Stack und The Autopian sowie in Internetforen.
Ein Wrangler-Fahrer sagte, sein Jeep sei zum Glück innerorts bei geringer Geschwindigkeit ausgefallen. Andere berichteten jedoch gar, dass sich ihre Fahrzeuge auf dem Highway bei einer Geschwindigkeit von rund 100 km/h abgeschaltet hätten.
Ein Mitglied des Jeep-Kundendienstes namens Kori bestätigte in einem Forum der 4Xe-Community den Fehler. „Wir warten auf weitere Informationen von unseren Software-Entwicklern, die den Fehler untersuchen.“
Vorsichtig fahren
Wer das Update bereits installiert habe, solle sehr vorsichtig fahren, riet Kori. Fahrer, die das Update angeboten bekämen, sollten die Installation auf jeden Fall ablehnen.
In einem anderen Post schrieb Kori, das Update sei für das Telematikmodul gedacht – was den Ausfall des Antriebs erklären könnte; uConnect ist eigentlich das Infotainmentsystem des Autokonzerns Stellantis, zu dem auch die US-Marke Jeep gehört. Als mögliche Behelfslösung empfahl Kori, die Fahrzeuge ausschließlich im Verbrennerbetrieb zu fahren und nicht im Elektro- oder Hybridmodus.
Weiterlesen nach der Anzeige
(wpl)
-
UX/UI & Webdesignvor 2 Monaten
Der ultimative Guide für eine unvergessliche Customer Experience
-
UX/UI & Webdesignvor 1 Monat
Adobe Firefly Boards › PAGE online
-
Social Mediavor 2 Monaten
Relatable, relevant, viral? Wer heute auf Social Media zum Vorbild wird – und warum das für Marken (k)eine gute Nachricht ist
-
Entwicklung & Codevor 2 Monaten
Posit stellt Positron vor: Neue IDE für Data Science mit Python und R
-
Entwicklung & Codevor 1 Monat
EventSourcingDB 1.1 bietet flexiblere Konsistenzsteuerung und signierte Events
-
UX/UI & Webdesignvor 4 Wochen
Fake It Untlil You Make It? Trifft diese Kampagne den Nerv der Zeit? › PAGE online
-
Apps & Mobile Entwicklungvor 3 Monaten
Firefox-Update 141.0: KI-gestützte Tab‑Gruppen und Einheitenumrechner kommen
-
Online Marketing & SEOvor 3 Monaten
So baut Googles NotebookLM aus deinen Notizen KI‑Diashows