Künstliche Intelligenz

Auf dem Petersplatz: Heiligsprechung von „Gottes Influencer“ am Sonntag


Etwas mehr als 15 Monate nachdem Papst Franziskus dafür die Weichen gestellt hat, wird Papst Leo XIV. am Sonntag mit Carlo Acutis den ersten Menschen der Generation Internet heiligsprechen.

Acutis wurde nur 15 Jahre alt. Er hatte vor seinem Tod im Jahr 2006 eine Website zur Katalogisierung von Wundern der katholischen Kirche erstellt. Als ihm voriges Jahr ein zweites Wunder zugesprochen wurde, war der Weg frei für den zweiten Heiligen, der in diesem Jahrtausend gestorben und denjenigen, der mit Abstand am spätesten geboren ist. Der Sohn aus einer reichen Mailänder Familie wird damit auch der erste Heilige aus der Generation der Millennials – also derer, die zwischen 1980 und 1999 geboren wurden.

Acutis wurde 1991 in London geboren, verbrachte seine Kindheit und Jugend aber in Italien. Schon in jungen Jahren hat er für seine Kirchengemeinde Internetseiten erstellt. Bekannt wurde er aber erst für eine Website zur Dokumentation aller bekannten sogenannten Hostienwunder. Diese ging nur Tage vor seinem Tod online, inzwischen ist sie in mehrere Sprachen übersetzt und umfasst auch andere Inhalte zur katholischen Glaubenslehre.

Anfang Oktober 2006 war Acutis erkrankt, wenige Tage später wurde bei ihm Leukämie festgestellt und nur vier Tage später ist er in Mailand verstorben. Begraben wurde er in Assisi. Seitdem rufen seine Angehörigen dazu auf, zu ihm zu beten, wenn Hilfe benötigt wird.

Zur Heiligsprechung am Sonntag – zusammen mit dem 1925 verstorbenen italienischen Dominikaner Pier Giorgio Frassati – werden auf dem Petersplatz im Vatikan über 100.000 Menschen erwartet. Eigentlich war die Zeremonie bereits für den Sonntag nach Ostern angesetzt. Durch den Tod von Papst Franziskus am Ostermontag dieses Jahres wurden die Termine abgesagt. Jetzt holt sein Nachfolger die Erhebung nach: Der Vatikan legt darauf offensichtlich großen Wert. Die Entscheidung an sich wird dort von niemandem infrage gestellt. In den Verlautbarungen liest sich Acutis‘ Leben wie gemacht dafür, um jüngere Leute wieder an den katholischen Glauben heranzuführen: Die Rede ist von einem „kleinen Computergenie“, einem „Influencer Gottes“, einem „Cyber-Apostel“ und einem „Heiligen unserer Zeit“.

Die sterblichen Überreste des Teenagers liegen in der Wallfahrtskirche Santa Maria Maggiore in Assisi in einem Sarkophag mit Glasscheibe, durch die man hineinschauen kann. Vergangenes Jahr kamen eine Million Menschen dorthin, auch viele Schulklassen. Der tote Junge trägt Jeans und Turnschuhe. In die Hände hat man ihm einen Rosenkranz gelegt. Gesicht und Hände wurden mit Silikon nachmodelliert. Gegenüber steht eine steinerne Bank für Besucher, die länger bleiben wollen. Aber die meisten gehen doch eher schnell vorbei. Fotografieren ist verboten. In den Souvenirgeschäften draußen ist so gut wie alles im Angebot: Jutebeutel, T-Shirts, Medaillons, Anhänger, Rosenkränze, sogar Kühlschrankmagneten. Der Preis für eine Figur in Standardgröße: um die 45 Euro.

Selig- und Heiligsprechungen laufen nach einem komplizierten, mehrstufigen Verfahren ab. Dafür wird das Leben der Kandidaten durchleuchtet. Einst begann das frühestens 50 Jahre nach dem Tod. Heute kann es aber sehr viel schneller gehen. In der Regel ist erforderlich, dass dem potenziellen Heiligen ein Wunder zugeschrieben werden kann. Bei Acutis wertete die zuständige Behörde im Vatikan die Heilung eines Kindes aus Brasilien und einer jungen Frau aus Costa Rica in diesem Sinne. Läuft alles nachPlan,n ist Acutis ab Sonntag neben Papst Johannes Paul II. der einzige Heilige der katholischen Kirche, der im 21. Jahrhundert gestorben ist. Zudem ist er dann der einzige, der nach 1926 geboren wurde.

Manchen geht die Heiligwerdung deshalb auch zu schnell. Zudem gibt es bei Acutis Zweifel, ob er tatsächlich so fromm war. Einer seiner besten Schulfreunde, Federico Oldani, erzählte der Wochenzeitung The Economist, dass er mit Carlo kein einziges Mal über Jesus gesprochen habe. Auch den Satz „Die Eucharistie ist meine Autobahn in den Himmel“, der seinem toten Freund nun überall zugeschrieben wird, hörte Oldani nach eigener Aussage nie. Das ändert aber nichts daran, dass viele in Assisi mit Devotionalien zu Acutis längst gutes Geld verdienen, an manchen Tagen sogar mehr als mit solchen zum Heilige Franz von Assisi, der den kleinen Ort weltberühmt gemacht hat.


(mho)



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