Datenschutz & Sicherheit
Bald greifen die neuen EU-Regeln für politische Online-Werbung
Ab dem 10. Oktober gelten in der Europäischen Union neue Regeln für politische Werbeanzeigen im Internet. Mit der 2023 beschlossenen Verordnung über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung will die EU demokratische Wahlen und die politische Öffentlichkeit vor Manipulation schützen. Ausschlaggend waren der Cambridge-Analytica-Skandal und wiederholte Berichte über verdeckte Einflusskampagnen auf Social-Media-Plattformen.
Unter anderem müssen Werbetreibende und Werbeplattformen künftig mehr Transparenz über die Finanzierung und das Targeting von zielgerichteter politischer Werbung schaffen. Als solche versteht die EU Anzeigen von Parteien, Politiker:innen und anderen politischen Akteur:innen, die auf Wahlen, Volksabstimmungen und Regulierungsprozesse abzielen. Für sie wird in den kommenden Jahren bei der EU-Kommission eine Transparenzdatenbank aufgebaut werden, in der entsprechende Werbeanzeigen dokumentiert und durchsuchbar gemacht werden.
Um ausländische Einflussnahmen zu verhindern, sollen einschlägige Anzeigen nur noch von innerhalb der EU geschaltet werden dürfen. Ganz verboten wird das Targeting mit sensiblen Daten wie solchen zur sexuellen Orientierung, zum Gesundheitszustand oder zu politischen und religiösen Überzeugungen.
Neue Befugnisse für BfDI und DSC
Nun hat das Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung einen Gesetzentwurf vorgelegt, der das deutsche Recht an die Vorgaben der EU anpassen soll. Der Entwurf befindet gerade in der sogenannten Verbändeanhörung, bei der wirtschaftlichen, akademischen und zivilgesellschaftlichen Organisationen die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben wird. Wir veröffentlichen den Entwurf an dieser Stelle im Volltext [PDF], damit sich die gesamte Öffentlichkeit ein Bild davon machen kann.
Größere Überraschungen scheint der Entwurf nach unserer ersten Analyse nicht zu enthalten. Dem deutschen Gesetzgeber bleibt auch nicht viel Spielraum für eigene Schwerpunkte, denn die EU-Verordnung ist in den Mitgliedstaaten unmittelbar wirksam. Das deutsche Gesetz soll vor allem klarstellen, wer die neuen Regeln mit welchen Mitteln durchsetzen darf.
Die relevanten Aufsichtsbehörden sind die Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (BFDI) sowie der Digital Services Coordinator (DSC), der auch für die Durchsetzung des Digital Services Act zuständig ist und in Deutschland bei der Bundesnetzagentur angesiedelt ist. Beide erhalten mit dem neuen Gesetz beispielsweise Durchsuchungs- und Beschlagnahmungsbefugnisse, um mögliche Verstöße gegen die Werbeverordnung aufzuklären.
Solche Verstöße gelten dem Gesetz zufolge als Ordnungswidrigkeiten. Die Aufsichtsbehörden erhalten die Möglichkeit, diese durch Anordnungen oder die Verhängung von Zwangsgeldern abzustellen. Diese Strafzahlungen sollen in der Regel recht milde ausfallen und je nach Verstoß nur bis zu dreißigtausend oder dreihunderttausend Euro betragen. Lediglich für juristische Personen mit einem Jahresumsatz von mehr als fünf Millionen Euro können die Strafen deutlich höher ausfallen, nämlich bis zu sechs Prozent des Umsatzes.
Dass das Gesetz noch rechtzeitig vor dem Wirksamwerden der EU-Verordnung am 10. Oktober in Kraft tritt, ist unwahrscheinlich. Es sollte ursprünglich noch von der Ampel-Koalition auf den Weg gebracht werden, fiel jedoch dem vorzeitigen Ende des Regierungsbündnisses zum Opfer. Die Verbändeanhörung dauert noch bis 29. August, der Bundestag kommt am 8. September erstmalig nach der Sommerpause wieder zusammen.
Google und Meta wollen politische Werbung abschaffen
Unterdessen bereiten sich auch die großen Tech- und Werbekonzerne aus den USA auf die neuen Regeln vor – auf ihre ganz spezielle Art. Nach Google hat nämlich inzwischen auch Meta angekündigt, ab Oktober keine politische Werbung mehr zu erlauben, weil dem Konzern die Verordnung nicht gefällt.
„Dies ist eine schwierige Entscheidung, die wir als Reaktion auf die bevorstehende EU-Verordnung über Transparenz und Targeting bei politischer Werbung (TTPA) getroffen haben“, teilte Meta vor wenigen Tagen in einem englischsprachigen Blogpost. Die Verordnung bringe „erhebliche operative Herausforderungen und rechtliche Unsicherheiten“ mit sich und sei „eine weitere Bedrohung für die Grundlagen personalisierter Werbung“, so Meta weiter. Sie ignoriere die Vorteile, die Targeting für Werbetreibende und für die Menschen bringen würden, die sie erreichen wollen.
Es ist nicht das erst Mal, dass Google und Meta damit drohen, aus Protest gegen die demokratische Regulierung ihrer Geschäftstätigkeiten bestimmte Funktionen einzustellen. So drehte Google etwa vor Jahren seinen Dienst Google News in Spanien ab, weil es keine Lizenzgebühren an dort ansässige Presseverlage zahlen wollte. Meta wiederum unterband in Australien und Kanada zeitweilig die Verlinkung von journalistischen Medien auf Facebook.
Falls Google und Meta die Ankündigung nicht nur als politisches Druckmitten nutzen, sondern tatsächlich umsetzen, wären sie allerdings nicht die ersten großen Plattformen ohne politische Werbung. So verbietet TikTok bereits seit Jahren politische Anzeigen und verwehrt insbesondere Politiker:innen und Parteien den Zugang zur Werbefunktion – auch wenn die Durchsetzung der Regeln nicht immer gelingt.
Die Plattform X wiederum hatte in Vergangenheit mehrere Jahre lang keine politischen Werbeanzeigen zugelassen, damals noch unter dem Namen Twitter. Nach der Übernahme des Unternehmens durch Elon Musk erlaubt dieser politische Anzeigen jedoch wieder. Sehr zur Freude konservativer US-Republikaner, die es sich auf der rechtsradikalen Plattform heimelig eingerichtet haben.