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Better Salt: So verschreckt man Investoren


Die Investoren in “Die Höhle der Löwen” sind ja bekannt dafür, dass sie recht empfindlich gegenüber hoch angesetzten Bewertungen der Startups sind. Dass sie aber bei einer Bewertungsbegründung in kollektives Lachen verfallen, kam wohl selten so vor wie in der neuesten Folge beim Pitch von Betta Salt. Doch das war nicht der einzige Grund, warum es trotz sehr überzeugender Produktidee keinen Deal gab.

Der Auftritt von Betta Salt schien so viel Spaltungspotenzial zu haben wie selten einer. Und das gar nicht mal auf gespaltene Meinungen zwischen den Löwen bezogen, die es ja recht häufig zu geben scheint.

Sondern vor allem so mancher Löwe selbst wirkte hin- und hergerissen bei seiner Entscheidungsfindung. So wurde vor allem Frank Thelen nicht müde zu betonen, wie sehr in das grundsätzliche Thema begeisterte, er sparte aber auch gleichzeitig nicht mit Kritik.

Tatsächlich schien das 3-köpfige Gründerteam das bessere Salz entwickelt zu haben: bis zu 50% weniger soll es von dem krankmachenden Natriumchlorid enthalten, dafür gesündere Mineralien, was ihm obendrein noch einen komplexen, weniger dominanten Geschmack verleiht.

Und tatsächlich scheint ein solches Produkt bitter nötig, denn 99% der Weltbevölkerung konsumieren wohl täglich zu viel Salz und liegen weit über den 6g pro Tag, die von der WHO empfohlen werden.

Nach der Verkostung schneiden die Löwen jedoch ziemlich schnell ein Thema an, das die dominierende Komponente dieser Verhandlung zu werden scheint: eine Begründung für die vorgestellte 3,5 Millionen-Post-Money-Bewertung soll her.

Da der Background von 2 der 3 Gründungsmitglieder als Masterstudenten an der WHU im Studiengang Entrepreneurship zuvor auf gutes Feedback gestoßen ist, berufen sie sich bei der Antwort erneut darauf. Und müssen leider feststellen, dass das keine gute Idee war.

Bei der Erwähnung ihrer erlernten Methoden wie Berkus, VC oder Discounted Cashflow brechen die Löwen in fast schallendes Gelächter aus.

Einer der Gründer behauptet, dass ihm klar war, dass dies so kommen würde, allerdings bleibt die Frage der Zuschauenden unbeantwortet, warum er es dann so vorgebracht hat.

Doch eine schnelle Websuche offenbart jedem Interessierten: die genannten Methoden gehören tatsächlich zu den bekanntesten und verbreitetsten. Warum also diese Reaktion?

Tatsächlich ist die letztgenannte, die Discounted-Cashflow-Methode oder kurz auch DCF genannt wird, gerade für Frühphasen in der Startup-Welt mittlerweile ziemlich in Ungnade gefallen. Denn sie basiert auf Annahmen zu zukünftigen Cashflows, die erst halbwegs sinnvoll zu prognostizieren sind, wenn das Startup bereits eine zeitlang Umsätze gemacht hat und ein gewisses Wachstum vorweisen kann.

Die VC-Methode hingegen ist zwar ein guter Ansatz, um vor allem einmal aus der Investoren-Perspektive auf die Bewertungsfrage zu schauen und sich die entsprechende Denkweise für die Verhandlung zu eigen zu machen – andererseits ist sie aber sehr ungenau und recht subjektiv und als alleiniger Ansatz praktisch nicht zu gebrauchen.

Die Berkus-Methode schließlich bewertet ein Startup nach verschiedene Faktoren wie Idee, Team oder Marktpotenzial. Allerdings wird hier jeder Faktor mit bis zu 500.000 € bewertet, was schnell zu einer sehr hohen Gesamtbewertung führen kann. Das erklärt sich vielleicht auch teilweise damit, dass Entwickler Dave Berkus ein amerikanischer Investor ist, und europäische Startup-Bewertungen häufige wesentlich niedriger ausfallen.

Die führt jedoch schnell zu einem weiteren wichtigen Punkt: Solche Methoden und Verfahren wurden oft in und für andere Märkte entwickelt, und sind daher nicht so einfach übertragbar. Nicht nur die geografische Komponente spielt hier stark mit hinein, auch die zeitliche: denn Trends ändern sich, Hypes wie Nachhaltigkeit und AI kommen und gehen und auch das politische Geschehen kann starke Auswirkungen haben.

Das vergessen leider viele Gründerinnen und Gründer, wenn sie die an der Hochschule oder Business School erlernten Methoden auf das eigene Startup übertragen und sich über das recht hohe Ergebnis freuen.

Wahrscheinlich meinten die Löwen genau das mit “Eigenoptimierung”, die schnell passiert, wenn man diese Methoden verwendet, ohne weitere Faktoren – und damit auch die Realität – mit einzubeziehen.

Doch die Gründer schienen es für die Löwen generell mit der Eigenoptimierung – oder auch der sehr optimistischen Selbstdarstellung – ein wenig zu weit zu treiben.

So behaupteten sie, dass es auf dem Weg zu ihrem eigentlich geplanten B2B-Geschäftsmodell so viel Nachfrage nach ihrem Produkt gab, dass sie sich entschieden hätten, es auch B2C über einen Online Shop anzubieten – auf Nachfrage mussten sie jedoch zugeben, dass sie so bisher nur 1200 Euro Umsatz gemacht haben.

Später geben sie an, einen “sehr guten IP-Schutz” zu haben, und behaupten “das wird keiner nachmachen können”, obwohl sie noch nicht einmal ein Patent eingereicht haben. Als Frank Thelen darauf jedoch mit einem “du kannst nicht lügen, das ist nicht ok!” etwas ungehalten reagiert, kommt ein “hab ich nicht gemacht” zurück. Und auf Nachfrage die korrigierende Version “wir werden einen IP-Schutz haben”. Auch nach mehrmaligem Zurückspulen meinen aber wohl die meisten Zuschauer:innen klar ein “HABEN da einen sehr guten IP-Schutz” zu verstehen, was, wenn der Ton nicht komplett täuscht, tatsächlich faktisch eine Lüge und damit ein absolutes No-Go für Investorenverhandlungen wäre.

Nun lassen wohl die wenigsten Investoren eine Kamera mitlaufen, und im Eifer des Gefechts wird sich auch nicht jeder anmaßen, jedes Wort zweifelsfrei richtig verstanden zu haben.

Wenn man aber mehrmals die Dinge zum eigenen Vorteil über die Maßen beschönigt, disqualifiziert man sich als Startup normalerweise vollständig für seriöse Investoren.

Denn man verspielt Vertrauen, und das ist im Investment-Prozess das höchste – und gleichzeitig empfindlichste – Gut überhaupt.

Ist dies erschüttert, gibt es normalerweise keine Möglichkeit, es mehr zu retten.

Also ein noch weit schlimmerer Fehltritt, als theoretische Bewertungsmethoden unreflektiert anzuwenden.

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Foto (oben): RTL / Bernd-Michael Maurer



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